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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 06.07.2004
Aktenzeichen: D 6 B 871/03
Rechtsgebiete: SächsDO


Vorschriften:

SächsDO § 8
SächsDO § 69
SächsDO § 78 Abs. 2
1. Vorsätzliche Aussagedelikte eines Polizeivollzugsbeamten führen als schwerwiegende Straftaten mit innerdienstlichem Bezug regelmäßig zur Entfernung aus dem Dienst (wie VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.9.2000, NVwZ-RR 2002, 205).

2. Die erstinstanzliche Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags unterliegt nach Maßgabe des Verschlechterungsverbots auch dann der berufungsgerichtlichen Überprüfung, wenn der Beamte seine Berufung wirksam auf das Disziplinarmaß beschränkt hat.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: D 6 B 871/03

In der Disziplinarsache

wegen Disziplinarrechts der Landesbeamten (Entfernung aus dem Dienst)

hat der 6. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Munzinger, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng, den Richter am Verwaltungsgericht Dr. John, die Beamtenbeisitzerin Frau Sehrig und den Beamtenbeisitzer Herrn Gruner

aufgrund der Hauptverhandlung vom 6. Juli 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beamten gegen das Urteil der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Dresden vom 9. Mai 2003 - D 10 K 76/02 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beamte.

Tatbestand:

Der am 1963 geborene Beamte erlernte nach dem Besuch der Polytechnischen Oberschule, die er mit der 10. Klasse abschloss, von 1980 bis 1982 den Beruf des Zerspannungsfacharbeiters. Anschließend leistete er von Mai 1982 bis Oktober 1983 Grundwehrdienst bei den Grenztruppen der Nationalen Volksarmee. Am 1.11.1983 trat er beim Volkspolizeikreisamt P. den Dienst in der Volkspolizei (Dienstzweig Schutzpolizei) an, wobei er nach entsprechender Ausbildung zunächst bis 30.4.1989 überwiegend im Streifeneinzeldienst tätig war. Vom 1.5.1989 bis 31.12.1989 leistete er Dienst bei der Volkspolizeiinspektion K. (B. ). Zum 1.1.1990 wurde er nach P. zurückversetzt.

Mit Änderungsvertrag vom 18.10.1991 wurde der Beamte zunächst als Angestellter in den Polizeidienst des Freistaates Sachsen übernommen und mit Wirkung vom 1.1.1992 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Polizeihauptwachtmeister (Besoldungsgruppe A 6 BBesG) ernannt. Im Rahmen der Besoldungsanpassung wurde er mit Wirkung zum 1.1.1993 in das Amt eines Polizeimeisters der Besoldungsgruppe A 7 BBesG übergeleitet. Am 18.1.1995 wurde er als Beamter auf Lebenszeit ernannt. Eine Beförderung fand seitdem nicht statt. Bis zum Verbot der Führung der Dienstgeschäfte wurde der Beamte im Streifeneinzeldienst eingesetzt.

Der Beamte wurde während seiner Probezeit mehrmals zwischenbeurteilt. In der Regelbeurteilung für den Zeitraum vom 1.1.1995 bis 1.9.1996 erhielt er die Gesamtnote von 6,48 Punkten (Prädikat "entspricht nur eingeschränkt den Anforderungen").

Der Beamte ist ledig und kinderlos. Derzeit bezieht er gekürzte Bezüge in Höhe von monatlich 1.036 €. Zur Tilgung von Darlehensverpflichtungen in Höhe von insgesamt rund 25.000 € entrichtet er monatliche Raten in Höhe von etwa 600 €.

Mit Verfügung vom 12.6.1996 ordnete das Polizeipräsidium Chemnitz disziplinarrechtliche Vorermittlungen gegen den Beamten wegen des Vorwurfs der Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen einer Strafanzeige gegen Beamte der Polizeidirektion P. an. Nachdem eine Strafanzeige gegen den Beamten wegen des Verdachts der falschen uneidlichen Falschaussage als Zeuge in dem Verwaltungsrechtsstreit des Herrn M. K. vor dem Verwaltungsgericht Chemnitz (6 K 1941/95) wegen der Entlassung als Beamter auf Probe vorlag, wurden die Vorermittlungen ausgesetzt. Mit zwischenzeitlich bestandskräftigem Bescheid des Polizeipräsidiums Chemnitz vom 21.4.1997 wurde dem Beamten die Führung der Dienstgeschäfte verboten. Mit Verfügung vom 11.7.1997 wurde das förmliche Disziplinarverfahren eingeleitet und sogleich ausgesetzt.

Mit Strafbefehl vom 19.12.1997 - Cs 810 Js 1577/97 - verhängte das Amtsgerichts Chemnitz gegen den Beamten eine Gesamtgeldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 80,00 DM wegen falscher uneidlicher Aussage in Tatmehrheit mit drei Fällen der falschen Versicherung an Eides Statt. Der Strafbefehl wurde nach Rücknahme des Einspruchs in der Hauptverhandlung des Amtsgerichts am 8.4.1998 rechtskräftig.

Mit Bescheid vom 27.4.1998 wurde das förmliche Disziplinarverfahren fortgesetzt. Unter dem 28.2.2000 wurde die Untersuchung auf Antrag der Einleitungsbehörde auf den Vorwurf ausgedehnt, der Beamte habe wissentlich falsch behauptet, von Beamten seines Polizeireviers zu einer falschen uneidlichen Aussage verleitet worden zu sein. Nach dem zusammenfassenden Bericht (§ 52 Abs. 2 SächsDO) des Untersuchungsführers vom 19.12.2000 bestätigte sich der gegen den Beamten ursprünglich erhobene Vorwurf der Strafvereitelung im Amt nicht.

Am 11.1.2002 ging bei der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Dresden eine Anschuldigungsschrift des Polizeipräsidiums Chemnitz ein. Darin wurde der Beamte angeschuldigt, ein Dienstvergehen gemäß § 96 Abs. 1 SächsBG begangen zu haben, indem er

1. als Zeuge in der Verwaltungsstreitsache 6 K 1941/95 des Verwaltungsgerichts Chemnitz durch schriftliche "eidesstattliche Aussagen" vom 10.10.1996, 23.10.1996 und vom 25.11.1996 jeweils falsch ausgesagt habe, dass er alle Angaben freiwillig und ohne Beeinflussung durch einen Dritten getätigt, und in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 27.11.1996 falsch ausgesagt habe, dass er alle Angaben in seinen "eidesstattlichen Aussagen" freiwillig und ohne Beeinflussung einer anderen Person getätigt habe,

2. durch mehrere dem Gericht vorgelegte schriftliche "eidesstattliche Aussagen" und Erklärungen aus dem Zeitraum von 1994 bis 1996 jeweils falsch ausgesagt habe, dass ihm insbesondere vom Revierleiter mit dienstlichen Konsequenzen gedroht worden sei, wenn er vor dem Verwaltungsgericht als Entlastungszeuge für Herrn K. auftrete,

3. wider besseren Wissens und in der Absicht, jeweils behördliche Verfahren herbeizuführen, mit den oben genannten Schreiben an das Verwaltungsgericht, einem undatiertem Schreiben an das Sächsische Oberverwaltungsgericht in dem dort geführten Berufungsverfahren 2 B 177/97 sowie mit Schreiben an das Sächsische Oberverwaltungsgericht vom 1.3.2000 behauptet habe, von Beamten des Polizeireviers P. mit Repressalien bedroht und damit zu einer falschen uneidlichen Aussage verleitet worden zu sein,

4. sowie wider besseren Wissens und in der Absicht, ein behördliches Verfahren herbeizuführen, mit den genannten Schreiben an das Sächsische Oberverwaltungsgericht den ihn vernehmenden Kriminalbeamten Kriminalhauptkommissar W. verdächtigt habe, ihn während der Vernehmung bedrängt zu haben, eine falsche uneidliche Aussage vor dem Verwaltungsgericht zuzugeben und damit Herrn K. zu belasten, und den ermittelten Sachverhalt entsprechend eines mit dem Leiter des Polizeireviers P. im August 1996 vorgefassten Plans so verdreht oder erfunden zu haben, um seine Bestrafung zu erreichen.

Mit Urteil vom 9.5.2003 entfernte das Verwaltungsgericht den Beamten wegen eines innerhalb des Dienstes begangenen Dienstvergehens aus dem Dienst und bewilligte einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 v.H. des zum Zeitpunkt der Urteilsfällung erdienten Ruhegehalts auf die Dauer von sechs Monaten. Die Disziplinarkammer ging nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung von Folgendem aus:

"In einem Verwaltungsstreitverfahren, das der Polizeimeister M. K. gegen seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe vor den Verwaltungsgerichten führte, hat der Beamte mehrere schriftliche Erklärungen abgegeben, die als "eidesstattliche Versicherung" bezeichnet wurden und die der Entlastung des Polizeimeisters M. K. dienen sollten. Angegeben war u.a., dass dem Beamten vom Revierleiter mit dienstlichen Konsequenzen gedroht worden sei, falls er vor dem Verwaltungsgericht als Entlastungszeuge auftrete. Im Übrigen wurden Vorwürfe gegen die Vorgesetzten des Polizeimeisters M. K. erhoben, die dessen dienstliches Leistungsvermögen falsch darstellen würden.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Chemnitz am 27.11.1996 erklärte der als Zeuge einvernommene Beamte, die insgesamt sieben schriftlichen "eidesstattlichen Aussagen" selbst abgefasst und unterschrieben zu haben.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts Chemnitz waren die "eidesstattlichen Versicherungen" jedoch vom Polizeimeister M. K. gefertigt und dem Beamten lediglich zur Unterschrift vorgelegt worden.

In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer räumte der Beamte den Vorgang, wie er vom Amtsgericht Chemnitz im Strafbefehl vom 19.12.1997 festgestellt wurde, ein. Er erklärte, die Schreiben nicht selbst verfasst zu haben, sie seien ihm von seinem Kollegen vorgelegt worden, er habe die Schreiben nur oberflächlich durchgelesen und dann unterschrieben."

In rechtlicher Hinsicht stellte die Disziplinarkammer fest, der Beamte habe gegen seine Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten gemäß § 72 Abs. 1 SächsBG, insbesondere gegen seine Wahrheitspflicht, verstoßen. Seine fehlerhaften Angaben über dienstliche Vorgänge stünden im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit seinem dienstlichen Bereich, so dass ein innerdienstlicher Bezug bestehe, der die Wahrheitspflicht begründe. Die Wahrheitspflicht zähle zu den Kernpflichten eines Polizeibeamten. Ein Verstoß gegen diese Pflicht habe - zumal bei falschen Aussagen in einem gerichtlichen Verfahren - einen gravierenden Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust des Polizeibeamten zur Folge, der mit einer erheblichen Schädigung des Ansehens verbunden sei. Einen in dieser Weise straffällig gewordenen Polizeibeamten könne der Dienstherr nicht weiter einsetzen. Strafgerichtliche Verurteilungen beruhten häufig auf Aussagen von Polizeibeamten. Die Arbeit der Strafgerichte würde erheblich beeinträchtigt, wenn Strafrichter nicht mehr davon ausgehen könnten, dass sich aussagende Beamten strikt an ihre Wahrheitspflicht hielten. Ein Verstoß gegen diese Pflicht wiege schwer und müsse auch aus Gründen der Prävention nachhaltig geahndet werden.

Ein nachhaltiger Verstoß gegen das Vertrauensverhältnis liege auch darin, dass der Beamte in seinen Schreiben gravierende Vorwürfe und Verdächtigungen gegenüber Kollegen und Vorgesetzten geäußert habe. Dies gelte insbesondere für die Behauptung, Vorgesetzte hätten ihn bei seiner Vernehmung zu wahrheitswidrigen Aussagen gedrängt und ihm in diesem Zusammenhang mit dienstrechtlichen Konsequenzen gedroht. Dass der Beamte angebe, die Schreiben nicht selbst verfasst zu haben, entlaste ihn nicht. Nicht zuletzt nach den verschiedenen Vernehmungen im Rahmen der Vorermittlungen bzw. Voruntersuchungen habe ihm bewusst werden müssen, welche Vorwürfe er in diesen Schreiben gegen Kollegen und Vorgesetzte erhebe. Der Beamte habe sich im Verlauf der Vorermittlungen nicht vom Inhalt dieser Schreiben distanziert, sondern stattdessen widersprüchliche Aussagen gemacht. Noch bei seiner Vernehmung durch das Verwaltungsgericht vom 27.11.1996 und im Berufungsverfahren vor dem Sächsische Oberverwaltungsgericht habe er sich als Verfasser der Schreiben ausgegeben. Durch sein Fehlverhalten habe sich der Beamte in einer Weise untragbar gemacht, die ein Vertrauen des Dienstherrn in eine zukünftige ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung ausschließe. Tat- und schuldangemessen sei die Entfernung aus dem Dienst (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 SächsDO) als schwerste der in der Disziplinarordnung vorgesehene Disziplinarstrafe. Die Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags gemäß § 69 SächsDO erscheine vertretbar. Dabei trage die Kammer der Tatsache Rechnung, dass die Falschaussagen des Beamten nicht dem eigenen Vorteil gedient hätten, und er sich zu ihnen möglicherweise aus falsch verstandener Freundschaft zu seinem Kollegen Polizeimeister K. veranlasst gesehen habe.

Am 5.12.2003 hat der Beamte Berufung gegen das Urteil der Disziplinarkammer eingelegt, die er mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 22.4.2004 ausdrücklich auf das Disziplinarmaß beschränkt hat. Der Beamte macht geltend, die Disziplinarkammer habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt hinreichend aufgeklärt und das ihm zur Last gelegte Verhalten zutreffend als Dienstvergehen i.S.v. § 96 Abs. 1 SächsBG eingestuft. Von der Verletzung seiner Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten, insbesondere seiner Wahrheitspflicht, könne und wolle er sich nicht exkulpieren. Er strebe jedoch eine weniger schwere Disziplinarmaßnahme an und hoffe auf die Möglichkeit, das Vertrauen seines Dienstherrn in eine zukünftig ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung wieder herstellen zu können. Die Disziplinarkammer habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob der angestrebte Disziplinarzweck durch eine Versetzung des Beamten in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 SächsDO) erreicht werden könne. In einem vergleichbaren Fall habe der Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts mit Urteil vom 8.12.1987 (1 D 84/87) entschieden, dass die Falschaussage eines Beamten unter Eid im Rahmen eines Familienrechtsstreits durchaus als minderschwerer Fall angesehen werden könne. Die Diszipinarkammer habe ihm zugebilligt, dass er sich nicht um des eigenen Vorteils willen schuldig gemacht habe, jedoch übersehen, dass keine außergewöhnliche Hartnäckigkeit gegeben sei. Die Möglichkeit einer nachträglichen Korrektur der Falschaussage dürfe nicht mehrfach schulderhöhend berücksichtigt werden.

Der Beamte beantragt sinngemäß,

das Urteil der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Dresden vom 9. Mai 2003 - D 10 K76/02 - aufzuheben und das Verfahren einzustellen, hilfsweise, das genannte Urteil zu ändern und auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

Die Einleitungsbehörde beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und trägt im Wesentlichen vor, nach ständiger Rechtsprechung des Disziplinarsenats sei ein Polizeivollzugsbeamter, der eine vorsätzliche Straftat begehe, aus dem Dienst zu entfernen, soweit keine rechtfertigenden Gründe für eine mildere Disziplinarmaßnahme vorlägen. Dies gelte sowohl für innerdienstlich als auch für außerdienstlich begangene Straftaten. Der Beamte habe ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen, indem er im Verwaltungsrechtsstreit des Herrn K. gegen den Freistaat Sachsen in zahlreichen Schreiben wider besseres Wissen schwere unzutreffende Vorwürfe gegen Vorgesetzte und Kollegen erhoben habe. Der Beamte habe wahrheitswidrig behauptet, Herr K. sei schikaniert und benachteiligt worden und man habe ihm, dem Beamten, mit dienstlichen Konsequenzen und Repressalien für den Fall gedroht, dass er zu Gunsten des Herrn K. aussage. Der Verwaltungssrechtsstreit habe einen rein innerdienstlichen Charakter gehabt, einen Bezug zu den privaten Angelegenheiten des Beamten habe es nicht gegeben.

Der Beamte habe sowohl in drei schriftlichen "eidestattlichen Aussagen" aus dem Jahr 1996 als auch bei seiner Zeugenvernehmung vor dem Verwaltungsgericht Chemnitz wahrheitswidrig erklärt, alle Angaben freiwillig und ohne Beeinflussung durch einen Dritten gemacht zu haben, obwohl die Schreiben von Herrn K. gefertigt und dem Beamten lediglich zur Unterschrift vorgelegt worden seien. Nachdem das Amtsgericht Chemnitz einen Strafbefehl erlassen habe, habe er dies im Rahmen des förmlichen Disziplinarverfahrens zunächst im Schreiben an den Untersuchungsführer vom 11.1.1999 eingeräumt. Kurz darauf habe das Sächsische Oberverwaltungsgericht ein 11-seitiges Schreiben des Beamten erreicht, in dem der Beamte die vor dem Verwaltungsgericht aufgestellten Behauptungen wiederholt und um die verleumderische Behauptung ergänzt habe, der das Verfahren wegen Falschaussage bearbeitende Kriminalbeamte habe in Absprache mit dem Revierleiter den Sachverhalt "verdreht oder erfunden", um seine Bestrafung zu erreichen. In weiteren Schreiben an das Sächsische Oberverwaltungsgericht vom 1.3.2000, an den Untersuchungsführer vom 28.6.2000 wie auch in der abschließenden schriftlichen Stellungnahme vom 5.8.2000 habe der Beamte alle Vorwürfe zurückgewiesen und erklärt, dass seine vorangegangenen Schreiben im Verwaltungsrechtsstreit des Herrn K. inhaltlich zuträfen und er an ihnen festhalte.

Die Einlassung des Beamten, es habe keine besondere Hartnäckigkeit vorgelegen, sei nicht nachvollziehbar. Gerade durch sein Verhalten im Berufungsverfahren des Herrn K. und durch sein Auftreten in der disziplinarischen Untersuchung habe sich der Beamte für eine weitere Verwendung im Polizeidienst untragbar gemacht. Dies betreffe insbesondere die beiden Schreiben vom März 1999 und 2000 an das Sächsische Oberverwaltungsgericht sowie seine Einlassungen in den Schreiben vom 28.6. und 5.8.2000.

Völlig zu Recht habe die Disziplinarkammer das Verhalten des Beamten als nachhaltige Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses gewürdigt. Obwohl der Beamte bereits vom Amtsgericht Chemnitz bestraft und das förmliche Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet worden sei, habe er auf seinen haltlosen Vorwürfen gegen Vorgesetzte und Kollegen beharrt.

Die vom Beamten zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sei nicht geeignet, die Erwägungen der Disziplinarkammer in Frage zu stellen. Die Entscheidung betreffe nicht Polizeivollzugsbeamte und deren besondere Pflichten- und Aufgabenstellung als Zeugen. Zu verweisen sei vielmehr auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.6.1983 (1 D 55.82), sowie auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 28.9.2000 (D 17 S 11/00). Der Beamte habe sich in einer Weise gegen seinen Dienstherren gestellt und mit seinem widersprüchlichen Verhalten Charakterzüge offenbart, die ein Weiterführen des Dienstverhältnisses ausschlössen. Dabei mache es letztlich keinen Unterschied, ob der Beamte die Schreiben selbst verfasst oder ob er von Herrn K. verfasste Schriftstücke unterschrieben und sich dadurch inhaltlich zu Eigen gemacht habe.

Relevante Milderungsgründe seien weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Dass der Beamte möglicherweise aus falsch verstandener Freundschaft und weniger aus eigennützigen Motiven gehandelt habe, habe allenfalls für die Frage Bedeutung, ob der Beamte eines Unterhaltsbeitrags würdig sei. Eine "psychische Belastungssituation", auf die sich der Beamte berufe, könne ihn nicht entlasten, da er sich im Konflikt zwischen der Treue zu seinem Dienstherrn und einer eher zweifelhaften Freundschaft zu Herrn K. entschieden habe, sich gegen den Dienstherrn zu stellen. Im Übrigen beträfen die gegen den Kriminalbeamten W. erhobenen Vorwürfe nicht den Verwaltungsrechtsstreit des Herrn K. .

Dem Senat liegen die Gerichtsakte der ersten Instanz einschließlich der von der Einleitungsbehörde dem Gericht vorgelegten Vorgänge, eine Kopie der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte, die Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts Chemnitz 6 K 1941/95 (zwei Bände) und die Gerichtsakte des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts 2 B 177/97 (zwei Bände) vor, die insgesamt zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden sind. Hierauf sowie auf die Gerichtsakte im vorliegenden Berufungsverfahren einschließlich der über die Hauptverhandlung am 6.7.2004 angefertigten Niederschrift wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beamten ist nicht begründet.

Das Rechtsmittel ist auf die Disziplinarmaßnahme beschränkt, wie der Verteidiger des Beamten mit Schriftsatz vom 22.4.2004 ausdrücklich erklärt hat. Der Disziplinarsenat ist daher an die Tat- und Schuldfeststellung der Disziplinarkammer ebenso wie an die disziplinarrechtliche Würdigung als Dienstvergehen gebunden; er hat nur noch über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.9.1997 - 1 D 32/96 -; SächsOVG, Urt. v. 18.11.2003 - D 6 B 272/02 -).

Die von der Disziplinarkammer ausgesprochene Entfernung des Beamten aus dem Dienst ist auf der Grundlage der erstinstanzlich getroffenen Feststellungen im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Die Entfernung aus dem Dienst setzt voraus, dass der Beamte aufgrund seines Fehlverhaltens für den Dienst nicht mehr tragbar ist. Dabei ist nicht nur das Fehlverhalten, sondern die Gesamtpersönlichkeit des Beamten zu würdigen. Die Entfernung aus dem Dienst ist auszusprechen, wenn sich aufgrund der Gesamtwürdigung ergibt, dass es dem Dienstherren nicht mehr zuzumuten ist, das Beamtenverhältnis fortzusetzen. Entscheidendes Gewicht kommt bei der gebotenen Einzelfallprüfung den spezifischen Amtspflichten zu, die dem Beamten obliegen. Ein Beamter, der durch die Begehung einer Straftat gerade das tut, was zu verhindern oder wenigstens anzuzeigen zu den spezifischen Aufgaben seines Amts gehört, ist beim Fehlen von Milderungsgründen im Regelfall aus dem Dienst zu entfernen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.3.1985, BVerwGE 76, 356 [359]; Senatsbeschl. v. 9.4.2002 - D 6 B 703/00 - für Aussagedelikte).

Da es zu den spezifischen Amtspflichten von Polizeivollzugsbeamten als Kernpflicht gehört, Straftaten zu verhindern (§§ 1, 3 SächsPolG) und zu verfolgen (§ 163 Abs. 1, § 161 StPO), hat jede vorsätzliche Straftat eines solchen Beamten letztlich einen innerdienstlichen Bezug. Auch hegt die Allgemeinheit nach wie vor gegenüber Polizeivollzugsbeamten - mehr noch als gegenüber mit sonstigen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung betrauten Beamten - die Erwartung, diese würden nicht selbst Straftaten begehen. Angesichts dessen muss ein Beamter, der durch die Begehung einer Straftat gerade das tut, was zu verhindern oder wenigstens anzuzeigen zu den spezifischen Aufgaben seines Amts gehört, im Regelfall aus dem Dienst entfernt werden. In der Rechtsprechung der Disziplinargerichte der Länder ist es daher anerkannt, dass vorsätzliche Straftaten von Polizeivollzugsbeamten wegen des damit verbundenen Vertrauensverlusts und Ansehensschadens grundsätzlich zur Entfernung aus dem Dienst führen (vgl. Senatsurteil v. 18.11.2003 - D 6 B 272/02 - m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.9.2000, NVwZ-RR 2002, 205 f.), soweit keine rechtfertigenden Gründe für eine mildere Disziplinarmaßnahme vorliegen.

Ausgehend davon ist die von der Disziplinarkammer ausgesprochene Entfernung aus dem Dienst die für das festgestellte Dienstvergehen angemessene Maßnahme. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die uneidliche Falschaussage des Beamten (§ 153 StGB) und seine mehrfache falsche Versicherung an Eides Statt (§ 158 StGB) in dem Verwaltungsrechtsstreit des Herrn K. gegen den Freistaat Sachsen wegen der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis, wie sie bereits dem rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Chemnitz vom 19.12.1997 zugrunde lagen, als schwerwiegende Straftaten mit innerdienstlichem Bezug anzusehen sind, die mit der schwersten vorgesehenen Disziplinarmaßnahme zu ahnden ist. Dies gilt - entgegen dem Vorbringen des Beamten in der Hauptverhandlung - unabhängig davon, ob die von ihm gegen Kollegen und Vorgesetzte erhobenen Vorwürfe inhaltlich zutreffen. Bei dieser Beurteilung verkennt der Senat nicht, dass es für sich genommen möglicherweise wenig gravierend erscheinen mag, ob der Beamte die von ihm in dem Verwaltungsrechtsstreit des Herrn K. vorgelegten Schreiben eigenhändig verfasst oder die von einem Dritten verfassten Schriftstücke nur unterschrieben hat, da er sich deren Inhalt durch seine Unterschrift in jedem Falle zu eigen gemacht hat. Eine solche Betrachtungsweise wird dem Unrechts- und Schuldgehalt des vorliegenden Dienstvergehens jedoch nicht gerecht. Nicht nur Strafgerichte, sondern auch Verwaltungsgerichte sind für ihre Entscheidungsfindung auf die Glaubwürdigkeit der vor ihnen aussagenden Polizeibeamten angewiesen. Die zeugenschaftliche Vernehmung von Polizeivollzugsbeamten ist insbesondere im Strafverfahren von außerordentlicher praktischer Bedeutung (vgl. Senatsbeschl. v. 9.4.2002 - D 6 B 703/00 -; VGH Bad.-Württ., aaO). Nicht nur in solchen Verfahren, sondern auch in Verwaltungsrechtsstreitverfahren sind die Allgemeinheit und der Dienstherr in besonderem Maße darauf angewiesen, dass Polizeivollzugsbeamten vor Gericht stets die Wahrheit sagen; vorsätzliche Aussagedelikte erschüttern das Vertrauen in die Verwaltung und die Integrität des Polizeivollzugsdienstes deshalb besonders nachhaltig (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.12.1987, ZBR 1988, 223 f.). Vor diesem Hintergrund reichen die von der Disziplinarkammer getroffenen tatsächlichen Feststellungen aus, um die von ihr verhängte Maßnahme zu rechtfertigen.

Anerkannte Milderungsgründe (vgl. hierzu Bieler, ZBR 1996, 252), die ein Abweichen von der - bei vorsätzlichen Aussagedelikten mit innerdienstlichem Bezug - grundsätzlich gebotenen Entfernung aus dem Dienst (vgl. VGH Bad.-Württ., aaO) veranlassen könnten, liegen nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung nicht vor.

Eine besondere psychische Konflikt- oder Ausnahmesituation (vggl. Senatsbeschl. v. 9.4.2002 - D 6 B 703/00 -), die sich zugunsten des Beamten auswirken könnte, scheidet aus. Soweit ein Konflikt zwischen der Freundschaft zu einem Kollegen und der - zentralen - Amtspflicht des Beamten zur wahrheitsgemäßen Aussage vor Gericht bestanden hat, entlastet dieser den Beamten nicht, zumal er sich trotz des zuvor rechtskräftig gewordenen Strafbefehls im Berufungsverfahren des Herrn K. mit mehreren Schreiben an das Oberverwaltungsgericht gewandt und die vor dem Amtsgericht Chemnitz in dessen Hauptverhandlung eingeräumten Taten erneut bestritten hat. Die Einlassung des Beamten gegenüber dem erkennenden Senat, er habe durch seine Schreiben an das Oberverwaltungsgericht das Verhältnis zu Herrn K. , der an ihn herangetreten sei, wieder "verbessern und auffrischen" wollen, begründet schon deshalb keinen Milderungs-, sondern eher einen Erschwerungsgrund, weil der Beamte seine privaten Interessen über seine zentralen Dienstpflichten als Polizeivollzugsbeamter gestellt hat.

Aus dem Urteil des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts vom 8.12.1987 - 1 D 34/87 - (abgedruckt u.a. in ZBR 1988, 223), auf das sich die Berufungsbegründung stützt, vermag der Senat keinen Milderungsgrund zugunsten des Beamten erkennen. Allerdings trifft es zu, dass der Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts den Meineid eines als Zeugen vernommenen Beamten in einem Verfahren vor dem Familiengericht in dem vorgenannten Urteil als disziplinarrechtlich minder schweren Fall angesehen und eine langfristige Gehaltskürzung als "noch angemessen" angesehen hat. Dieser Entscheidung lag jedoch in ein wesentlichen Punkten abweichender Sachverhalt zugrunde. Es handelte sich nicht um das innerdienstliche Vergehen eines Polizeivollzugsbeamten, sondern um das außerdienstliche Vergehen eines Postbeamten, der in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als Zeuge zu Fragen eines außerehelichen Verhältnisses mit der Ehefrau des dortigen Antragstellers vernommen worden war.

Der Beamte ist schließlich aufgrund seines Fehlverhaltens für den Dienst nicht mehr tragbar. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist nicht nur das Fehlverhalten, sondern die Gesamtpersönlichkeit des Beamten zu würdigen (SächsOVG, Urt. v. 25.2.2004 - D 6 B 323/03 -). Durch sein über Jahre hinweg widersprüchliches Verhalten im Zusammenhang mit dem Verwaltungsrechtsstreit des Herrn K. gegen den Freistaat Sachsen ist das Vertrauensverhältnis endgültig in einer Weise zerstört, die eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht unzumutbar erscheinen lässt. Insbesondere kann der Dienstherr bei Würdigung aller Umstände nicht mehr darauf vertrauen, dass sich der Beamte bei einer Fortsetzung des Dienst- und Treueverhältnisses an seine Wahrheitspflicht halten würde.

Soweit die Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts dem Beamten einen Unterhaltsbeitrag (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SächsDO) in Höhe von 75 v.H. des Ruhegehaltes für die Dauer von sechs Monaten bewilligt hat, unterliegt auch dies - unter Beachtung des Verschlechtungsverbots des § 78 Abs. 2 SächsDO - im Rahmen der auf das Disziplinarmaß beschränkten Berufungsverfahren der Überprüfung des Disziplinarsenats. Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung sieht der Senat jedoch keinen Anlass, die Dauer der Unterhaltsbewilligung zugunsten des Beamten über die üblicherweise angemessenen sechs Monate (vgl. zuletzt Urt. v. 25.2.2004 - D 6 B 323/03 -) hinaus zu verlängern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 106 Abs. 1 SächsDO. Dem Beamten sind die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen, weil seine Berufung gegen den Ausspruch der Disziplinarmaßnahme in dem Urteil der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Dresden ohne Erfolg geblieben ist.

Das Urteil ist mit der Verkündung rechtskräftig (§ 82 SächsDO).

Ende der Entscheidung

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