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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 19.10.2000
Aktenzeichen: 1 U 616/99
Rechtsgebiete: ZPO, ZGB


Vorschriften:

ZPO § 256
ZGB § 372
1. Ein Erbrecht einer Person kann sich nicht auf einen Vermögensstand "beziehen". Eine "Beziehung" beschreibt daher kein rechtliches Verhältnis, welches einer Feststellung zugänglich währe. Ein entsprechendes Feststellungsbegehren ist nicht zulässig.

2. Gem. § 372 ZGB ist ein Testament, dessen Inhalt verschiedene Auslegungen zulässt, so auszulegen, dass dem wirklichen Willen des Erblassers Geltung verschafft wird. Dabei kann auch der hypothetische Wille zum Tragen kommen.

Thüringer Oberlandesgericht, 1. Zivilsenat, Urteil vom 19.10.2000 - 1 U 616/99


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 616/99 7 O 3757/95 (Landgericht Erfurt)

Verkündet am: 19.10.2000

In dem Rechtsstreit

1. .....................

2. .....................

- Berufungsklägerinnen und Klägerinnen -

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Manfred Bödicker, Blobach 7, 99974 Mühlhausen

g e g e n

...............................

- Berufungsbeklagte und Beklagte -

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Dieter Bolz, Fritz-Büchner-Straße 1/2, 99086 Erfurt

hat der 1. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Pfalzer, die Richterin am Oberlandesgericht Zimmermann-Spring und die Richterin am Landgericht Dr. Brenneisen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2000

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Landgerichtes Erfurt vom 25.03.1999, Az. 7 O 3757/95, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerinnen haben die Kosten der Berufung zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Klägerinnen wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 28.000,- DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

4. Der Wert der Beschwer für die Klägerinnen beträgt 266.667,00 DM.

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob der Beklagten Rechte an einem oder auf ein bestimmtes Grundstück zustehen.

Die Parteien sind ausweislich des gemeinschaftlichen Erbscheins des Staatlichen Notariats Erfurt vom 30.01.1990 (Az.: 4-60-171-88) Erben nach dem am 30.11.1987 in Erfurt verstorbenen H. G. (künftig: Erblasser). Die Erbquote der Klägerinnen beträgt demnach jeweils 1/6, die der Beklagten 4/6. Der Erbschein beruhte auf dem privatschriftlichen Testament des Erblassers vom 16.02.1987 sowie dem testamentarischen Nachtrag vom 23.11.1987. Das Staatliche Notariat hatte hierfür die vorhandenen Nachlaßgegenstände bewertet, das Wertverhältnis in Quoten umgerechnet und diese im Erbschein ausgeworfen. Die Wertansätze waren, bezogen auf den Zeitpunkt des Erbfalles, richtig.

Die letztwilligen Verfügungen lauten wie folgt:

Testament

"Hiermit verfüge ich, daß nach meinem Ableben folgende Regelung meines Nachlasses getroffen wird:

Meine Frau ................ u. meine beiden Kinder B. und R. erhalten zu gleichen Anteilen die Vermögenswerte bestehend aus:

Grundstück und Haus in...............

inbegriffen das Mobiliar,

meine Bücher erhält komplett meine Tochter................

Den Betrieb, .............., dessen alleiniger Besitzer ich bin, erhält mit allen Rechten und Pflichten meine ltd. Mitarbeiterin Frau .............ohne finanzielle Verpflichtungen an meine Familie - d.h. die alleinige Verfügungsgewalt über die beweglichen und festliegenden Werte des Betriebes gehen an sie.

Ich verfüge, daß der Firmenname ................. erhalten bleibt. Frau ........ hat meinen Betrieb aufgebaut und schuldenfrei gemacht, an dieser Leistung hat meine Familie keinen Anteil gehabt, bzw. ich konnte meine Familie auf Grund dieser Leistung gut versorgen, so daß ich die Übergabe des Betriebes zu u.a. Zeitpunkt als Anerkennung und gleichzeitig als Garant für den Fortbestand des Betriebes betrachte.

Ich bitte darum, meinem letzten Willen nachzukommen und erkläre, dass ich diese Zeilen im Vollbesitz meiner körperlichen u. geistigen Kräfte niedergelegt habe."

Erfurt 16/2. 1987 .....................

"Ich schätze das angegebene Vermögen auf 120.000 M."

Erfurt 16/2.87 ..........................

Testamentsnachtrag zum Testament vom 16.02.1987

"Hiermit verfüge ich folgende Änderung meines Testaments:

Meine Tochter B. wird vom Erbe ausgeschlossen.

Die Vermögenswerte bestehend aus:

Grundstück und Haus in S. , einbegriffen das Mobiliar, gehen zu gleichen Teilen an meine Frau u. meine Tochter R.

In allen anderen Punkten bleibt das Testament gültig."

Erfurt 23.11.1987 ..............

Der Erblasser war Inhaber eines Betriebes, der ................... produzierte. Die Beklagte war Angestellte dieses Betriebes, zunächst in der Verwaltung. Sie arbeitete sich in der Folge in die Betriebsführung ein. Auf dem streitgegenständlichen Grundstück befand sich seine elterliche Wohnung. Es war alter Familienbesitz gewesen. Die Beklagte war in die Familie des Klägers aufgenommen worden und wohnte ebenfalls -mit streitiger Dauer- dort.

Am 29.11.1996 stellte Frau .............. beim Amtsgericht Erfurt einen Antrag auf Einziehung, hilfsweise Kraftloserklärung, des streitgegenständlichen Erbscheines. Die Beklagte wurde am Verfahren beteiligt. Das Amtsgericht wies diesen Antrag mit Beschluss vom 14.05.1997 zurück. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die zur Akte gereichte Kopie (Anlage zum Schriftsatz der Klägerinnen vom 03.06.1997, Bl. 61, 62 Bd. I d. A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 24.09.1990 stellte die Klägerin zu 1. für sich und ihre Kinder (die Klägerin zu 2. und Frau B.) sowie deren Abkömmlinge beim Amt zur Regelung offener Vermögensfragen der Stadt Erfurt einen Antrag auf Rückübertragung des Grundstücks "Am Stadtpark 34" in Erfurt. Mit Schreiben vom 13.10.1990 meldete die Beklagte ebenfalls vermögensrechtliche Ansprüche an.

Dieses Grundstück stand ursprünglich im Eigentum des Vaters des Erblassers, .............., welcher am 15.01.1975 verstorben war.

Der Erblasser hat, wie auch die anderen in Frage kommenden Erben, nach dem Tod des Herrn ...............im Wege einer sog. Kettenerbausschlagung das Erbe wegen Überschuldung des Nachlasses ausgeschlagen. Zunächst wurde die Erbschaft von der testamentarisch als Alleinerbin eingesetzten Ehefrau des Verstorbenen, Frau.............., sodann von dem Sohn des Verstorbenen und Frau..............., Herrn ....................(dem Erblasser), dessen Ehefrau, Frau ..............(der Klägerin zu 1.), deren Töchtern, Frau B. und Frau R. (Klägerin zu 2.), und dem Sohn der Klägerin zu 2., Herrn.............., ausgeschlagen. Dann schlug auch der Vetter des Verstorbenen, Herr .............., das Erbe aus. Weitere Erbberechtigte waren nicht vorhanden.

Das Grundstück ist daraufhin in Volkseigentum, Rechtsträgerschaft der Stadt Erfurt, überführt worden.

Mit Bescheid vom 13.09.1991 übertrug das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen das Eigentum an dem streitgegenständlichen Grundstück zurück an die Klägerin zu 1. sowie an Frau B. (Tochter der Klägerin zu 1.) und an Herrn ................(Sohn der Klägerin zu 2.), und zwar zu je 1/3 in Erbengemeinschaft. Die Rückübertragung an die Beklagte wurde mit Bescheid vom gleichen Tage abgelehnt. Hiergegen hat die Beklagte Widerspruch erhoben. Mit Bescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 27.8.1992 wurde dieser Bescheid aufgehoben und die Sache zur erneuten Bescheidung zurückverwiesen. Mit Bescheiden vom 03.11.1992 lehnte das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen nunmehr die Anträge der Parteien und der Frau B. auf Rückübertragung ab. Hiergegen legten die Beteiligten Widersprüche ein. Eine abschließende Entscheidung zur Rückübertragung ist bislang nicht getroffen worden.

Noch vor Bestandskraft der Bescheide vom 13.9.1991 hatte das Amt für offene Vermögensfragen das Grundbuchamt des Kreisgerichtes Erfurt um Eintragung von ....................als Eigentümer ( in Erbengemeinschaft ) ersucht. Die Eintragung ist am 11.3.1992 erfolgt.

Nachdem die Klägerin zu 1., Frau B. und Herr .......... aufgrund des ( zwischenzeitlich aufgehobenen) Bescheides des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden waren, veräußerten sie durch notariellen Kaufvertrag vom 14.04.1992 das Grundstück.

Am 27.07.1992 erteilte das Bauverwaltungsamt Erfurt für diesen Verkauf die Grundstücksverkehrsgenehmigung.

Mit Bescheid vom 14.09.1993 nahm die Landeshauptstadt Erfurt die Grundstücksverkehrsgenehmigung zurück. Hiergegen legten ................... Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 8.12.1994 zurückgewiesen worden ist. Ihre hiergegen gerichtete Klage vor dem Verwaltungsgericht Weimar hatte Erfolg. Mit Gerichtsbescheid vom 10.09.1996 (Az. 4 K 31/95) hob es den Bescheid vom 14.9.1993 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 8.12.1994 auf. Die hiergegen eingelegten Berufungen wies das Thüringer Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 1.3.2000 zurück (Az. 2 KO 9/97). Es ließ die Revision nicht zu. Über eine Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hatte das Bundesverwaltungsgericht bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ( 17.8.2000 ) noch nicht entschieden.

Die Käuferin des Grundstückes veräußerte dieses mit notariellem Vertrag vom 20.07.1992 weiter; hierfür wurde keine Grundstücksverkehrsgenehmigung erteilt. Die Käuferin des streitgegenständlichen Grundstückes wurde am 13.11.1992 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Das zuständige Amt zur Regelung offener Vermögensfragen vertrat die Auffassung, dass bei Vorliegen von Überschuldung den Widersprüchen dahingehend abgeholfen werden müsse, dass das Grundstück an die Erbscheinsberechtigten zurückübertragen wird. Dabei ging das Amt davon aus, dass das Grundstück ohne die Ausschlagung nach R. G. in das Vermögen des Erblassers ................ gelangt und über seine Testamente an die Erbscheinsberechtigten gemäß Erbschein gelangt wäre.

Die Klägerinnen haben vorgetragen:

Die Ansicht des zuständigen Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen sei nicht zutreffend. Zwar gebe der Erbschein die Erbfolge im Hinblick auf den zum Todeszeitpunkt maßgeblichen Nachlass wieder. Der in der Folge zum Nachlass hinzugetretene Rückübertragungsanspruch in Bezug auf das Grundstück ".............." in Erfurt könne jedoch dem Erbgang entsprechend den Feststellungen des gemeinschaftlichen Erbscheins nicht folgen, da der Erblasser in Kenntnis seiner Verfügungsmöglichkeit über das Grundstück dieses nur den Klägerinnen als den gesetzlichen Erben und nicht der Beklagten hätte zukommen lassen wollen. Dies deshalb, weil der Erblasser der Beklagten mit der testamentarischen Zuwendung des Betriebes lediglich eine berufliche und wirtschaftliche Existenz für den Fall seines Ablebens habe sichern wollen. Das übrige Vermögen habe jedoch den gesetzlichen Erben zufallen sollen.

Die Rechtslage könne nicht im Erbscheinsverfahren korrigiert werden.

Die Klägerinnen haben beantragt,

festzustellen, daß sich das Erbrecht der Beklagten gemäß dem gemeinschaftlichen Erbschein des Staatlichen Notariats Erfurt vom 30.01.1990 (Az.: 4-60.171-88) nicht auf das Grundstück ".............. " in Erfurt, eingetragen im Grundbuch von Erfurt, Bl. 3242, bezieht;

hilfsweise

festzustellen, daß sich das Erbrecht der Beklagten nicht auf den Rückübertragungsanspruch für das Grundstück "............. " in Erfurt, eingetragen im Grundbuch von Erfurt, Bl. 3242, bezieht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen:

Der vermögensrechtliche Anspruch auf Rückübertragung sei originär in den Personen der Rechtsnachfolger des Erblassers entstanden, so dass er den Parteien als Erben entsprechend der im Erbschein vorgenommenen Quotelung zustehe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht für den Fall, dass man hinterfrage, wie der Erblasser in Kenntnis der Verfügungsmöglichkeit über das Grundstück entschieden hätte. Da die Beklagte zur Zeit der Testamentserrichtung in dem auf dem streitbefangenen Grundstück stehenden Haus gewohnt und dort den Erblasser versorgt habe sowie auch heute noch dort wohne und der Erblasser zu Lebzeiten wiederholt versucht habe, seinen Betrieb auf dieses Grundstück zu verlagern, sei es offensichtlich, daß es der Erblasser nicht bei einer Einsetzung der Beklagten auf den Betrieb allein belassen hätte. Vielmehr hätte er zur Absicherung der Beklagten diese auch im Hinblick auf das Grundstück bedacht.

Die Rechtslage könne nur im Erbscheinsverfahren korrigiert werden. Eventuelle Rechte der Klägerinnen aber seien verjährt, jedenfalls verwirkt. Bezüglich der Begründung dieser Einwendung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 01.02.1996, S. 2, letzter Absatz, bis S. 3, Mitte (Bl. 22, 23 Bd. I d. A.), und vom 02.11.1998, S. 4, drittletzter Absatz, bis S. 5 (bl. 87, 88 Bd. I d. A.) Bezug genommen.

Mit Urteil vom 25.03.1999 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Nach seiner Auffassung findet das Feststellungsbegehren der Klägerinnen in keiner der möglichen Testamentsauslegungen eine Stütze. Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 543 Abs. 2 S. 2 ZPO auf die Urteilsgründe Bezug genommen.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen am 31.03.1999 zugestellte Urteil richtet sich die mit Schriftsatz vom 30.04.1999 eingelegte, bei Gericht per Fax am gleichen Tag eingegangene Berufung der Klägerinnen. Sie wurde mit Schriftsatz vom 30.06.1999 begründet, der bei Gericht am selben Tage per Fax einging, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 30.06.1999 verlängert worden war.

Sie haben mit Schriftsatz vom 25.01.2000 (Bl. 3 Bd. II d.A.) beantragt , den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsrechtsstreites vor dem Thüringer OVG, Az. 2 KO 9/97, auszusetzen.

Die Klägerinnen wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen und tragen weiter vor:

Die Entscheidung des Thüringer OVG sei vorgreiflich, denn wenn es bei dem Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichtes Weimar bliebe, so bliebe die Käuferin des streitbefangenen Grundstückes dessen Eigentümerin und müsse den Kaufpreis zahlen. Die Beklagte könne dann nur noch versuchen, Schadensersatzansprüche gegen die Stadt Erfurt geltend zu machen; der hiesige Rechtsstreit aber wäre in der Hauptsache erledigt.

Auf die vom Landgericht vorgenommene Auslegung komme es nicht an, weil zu einer solchen Testamentsauslegung seinerzeit keine Veranlassung bestanden habe. Die Testamente seien bezüglich der Gegenstände, die der Erblasser der Beklagten habe zukommen lassen wollen, eindeutig. Eine weitergehende Erbeinsetzung der Beklagten finde im Testament keine Stütze. Zur Auslegung der letztwilligen Verfügungen seien allein die gesetzlichen Auslegungsregeln heranzuziehen.

Dass der Erblasser über Vermögensgegenstände verfügt und keine Erbeinsetzung nach Quoten anordnet habe, ließe sich nur mit der Absicht erklären, die Beklagte zu bedenken. Offensichtlich habe sich der Erblasser nach der Bedenkung der Beklagten dazu verleiten lassen, auch im übrigen über Gegenstände zu verfügen, ohne zu bedenken, dass er Gefahr lief, die Beklagte ungewollt als Miterbin einzusetzen.

Aus den Wertverhältnissen der Gegenstände, die den jeweils Bedachten vom Erblasser zugewendet wurden, ergäbe sich aber, dass die Beklagte lediglich ein Vermächtnis zugewendet bekommen habe, und zwar sowohl auf die Wertverhältnisse zur Zeit der Entstehung des Rückgabeanspruches bezogen, als auch auf diejenigen zur Zeit des Erbfalles. Dies habe auch dem hypothetischen letzten Willen des Erblassers entsprochen, falls er mit einer Rückgabe des streitgegenständlichen Grundstückes hätte rechnen können. Angesichts der strikten Wohnraumbewirtschaftung in der DDR habe keine Notwendigkeit bestanden, das Wohnumfeld der Beklagten zu sichern. Aus der bloßen Zuwendung des Betriebes an die Beklagte ergebe sich, dass aus dem sonstigen Vermögen nichts an die Beklagte gehen sollte. Der Erblasser hätte der Beklagten niemals das strittige Grundstück zugewendet, weil er diesen Familienbesitz der Familie nicht entzogen hätte. Dieses sei Lebensmittelpunkt der Familie gewesen.

Ihre Familienverhältnisse seien nicht zerrüttet gewesen; die Klägerin zu 1. habe den Erblasser wirtschaftlich unterstützt.

Die Klägerinnen beantragen nunmehr,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Erfurt festzustellen, daß sich das Erbrecht der Beklagten gemäß gemeinschaftlichem Erbschein des Staatlichen Notariats Erfurt vom 30.01.1990 (Az.: 4-60-171-88) nicht auf das Grundstück ".............." in Erfurt, eingetragen im Grundbuch von Erfurt, Blatt 3242, bezieht;

hilfsweise

festzustellen, daß sich das Erbrecht der Beklagten nicht auf den Rückübertragungsanspruch für das Grundstück "............... " in Erfurt, eingetragen im Grundbuch von Erfurt, Bl. 3242, bezieht;

hilfsweise

festzustellen, daß die Beklagte nur Vermächtnisnehmerin und nicht Erbin nach dem am 30. November 1987 verstorbenen Erblasser ............. geworden ist und damit keinerlei Rechte an dem Grundstück "..............." in Erfurt, eingetragen im Grundbuch von Erfurt, Bl. 3242, oder an dem entsprechenden Rückübertragungsanspruch hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte rügt die Zulässigkeit der von den Klägerinnen gestellten Feststellungsanträge. Eine Nachlassspaltung durch Aussonderung des streitgegenständlichen Grundbesitzes ist ihrer Ansicht nach nicht zulässig.

Ihrer Auffassung nach folgt der Rückübertragungsanspruch bezüglich des Grundstückes "..............." in Erfurt dem Erbgang, der wegen der anderen Erbgegenstände in dem Erbschein des staatlichen Notariats Erfurt vom 30.01.1990 ausgewiesen ist. Eine ergänzende Testamentsauslegung sei nicht zulässig. Der Erblasser habe über sein gesamtes Vermögen verfügt. Ein Vermächtnis sei daher auszuschließen.

Auch eine Berücksichtigung des hypothetischen Willens des Erblassers würde zu dem Ergebnis führen, dass er die Beklagte als Erbin eingesetzt hätte. Die Klägerin zu 1. habe den Erblasser wirtschaftlich nicht unterstützt. Dessen Wille sei dahin gegangen, den Gewerbebetrieb zu erhalten. Bereits zu seinen Lebzeiten ( des Erblassers) sei darüber nachgedacht worden, den Betrieb auf das Grundstück zu verlagern. Ihr sei es auch gelungen, eine teilweise betriebliche Nutzung des Grundstückes zu erreichen, indem ein Kellerraum von ca. 14 qm als Lagerraum für den Gartengerätebetrieb zur Verfügung gestellt worden sei. Dieser sei vorher vom Erblasser genutzt worden. Der Wille des Erblassers sei außerdem dahingegangen, ihr neben dem Betrieb auch ihr Wohnumfeld auf diesem Grundstück zu erhalten. Die Ehe der Klägerin zu 1. und des Erblassers sei zerrüttet gewesen.

Einer ergänzenden Auslegung sei die an das Formerfordernis geknüpfte Grenze gesetzt. Der von den Klägerinnen behauptete Wille des Erblassers müsse sich mindestens andeutungsweise im Testament finden lassen, was nicht der Fall sei.

Das Gericht hat mit Beschluß vom 30.09.1999 die Nachlassakten vom Amtsgericht Erfurt (Az.: 4-60-171-88 und 2-60-504-75) sowie die Akte über den vor dem Thüringer Oberverwaltungsgericht geführten Rechtsstreit mit dem Aktenzeichen 2 KO 9/97 zu Informationszwecken beigezogen.

Mit Beschluss vom 20.04.2000 wurden zu Informationszwecken die Grundakten des Amtsgerichtes Erfurt, Gemarkung Erfurt-Süd, Blatt 3242 (Flur 31, Fl.st.nr. 5/3) sowie die Akten des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen betreffend die Anträge auf Rückübertragung des Grundstückes in Erfurt,..............und die Akte des Thüringer OVG, Az.: 2 KO 9/97, erneut beigezogen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die erhobene Feststellungsklage ist teilweise unzulässig.

1. § 256 Abs. 1 ZPO legt fest, dass auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses dann Klage erhoben werden kann, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Rechtsverhältnis ist eine aus dem vorgetragenen Sachverhalt abgeleitete rechtliche Beziehung von Personen untereinander oder zu einem Gegenstand.

a) Da es sich um Rechte jeder Art handeln kann, können auch diejenigen rechtlichen Beziehungen Gegenstand einer Feststellungsklage sein, die sich aus dem Erbrecht einer Person ergeben. Hierauf bezogen sind aber der Hauptantrag und der erste Hilfsantrag inhaltlich unbestimmt und entsprechen ihre Formulierungen nicht dem Rechtsschutzziel der Klägerinnen.

Dass das Erbrecht einer Person sich auf etwas "bezieht" oder nicht "bezieht", ist kein Rechtsbegriff. Mit dem Tode des Erblassers geht dessen Vermögen (d.h., seine Rechte und Verbindlichkeiten, vgl. a. ZGB-Kommentar, Ministerium der Justiz der DDR, 1983, § 363 ZGB, Ziff. 1.3) auf seine Erben über (§§1922 BGB; 363 Abs. 1 S. 2 ZGB). Der Begriff "Erbrecht" dient der Ermittlung derjenigen Person, die in die Erbfolge eintritt. Ein bestimmter Vermögensgegenstand ist dann entweder Teil der Erbschaft oder nicht. Gegenstand des Nachlasses ist nur ein Recht an diesem Grundstück (Eigentum usw.) oder ein Recht auf dieses Grundstück (schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch usw.).

Tatsächlich befand sich weder ein Recht an dem noch auf das Grundstück noch ein Rückübertragungsanspruch im Nachlasse. Restitutionsansprüche für die in der früheren DDR durch staatliche Maßnahmen rechtswidrig verlorenen Vermögenswerte nach dem am 29.09.1990 in Kraft getretenen Vermögensgesetz auf Rückerstattung sind zwar vermögens-, aber öffentlich-rechtliche Ansprüche, da zum dinglichen Rechtsübergang gemäß § 34 VermG ein Verwaltungsakt erforderlich ist. Sie entstanden unmittelbar in der Person des zum Stichtag, dem 29.09.1990, Berechtigten im Sinne des § 2 VermG, also des von der Enteignung ursprünglich Betroffenen (Geschädigten) oder, wenn dieser nicht mehr lebte, in der Person seines Rechtsnachfolgers. Starb der Betroffene -wie hier- vor dem 29.09.1990, so entstand der Anspruch originär in der Person seines Rechtsnachfolgers und gehörte nicht zum Nachlass des Geschädigten (vgl. zu allem Palandt- Edenhofer,a.a.O. , § 1922 BGB, Rn. 50; BVerwG VIZ 99, S. 215ff.; BGH DtZ 96, S. 84, 85).

Dies festzustellen zu lassen haben die Klägerinnen aber kein rechtliches Interesse. Dass sich keine zivilrechtlich begründeten Rechte an dem oder auf das Grundstück im Nachlasse befanden, ist unstreitig. An der Feststellung, dass sich ein eventueller Restitutionsanspruch nach den dargelegten Grundsätzen nicht im Nachlass befand (und daher nicht Gegenstand eines Erbrechtes der Beklagten (oder auch der Klägerinnen) sein kann), haben die Klägerinnen ebenfalls kein rechtliches Interesse, da diese Feststellung weder streitig ist noch zu einer Klärung der Rechtslage im Verhältnis der Parteien beiträgt.

Sie entspricht auch nicht dem Rechtsschutzziel der Klägerinnen. Denn mit diesen Anträgen wollen sie -wie sie auch mit der Berufungsbegründung vom 30.06.1999, S. 4, erster Absatz (Bl. 155 Bd. I d.A.) deutlich gemacht haben - nicht eigentlich die Erbsituation schlechthin klären, sondern eine Entscheidung herbeiführen, die die Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte möglichst dahingehend bindet, dass eine Rückübertragung des Grundstückes an sie und nicht (auch) an die Beklagte erfolgen kann. Hintergrund hierfür ist, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes die zivilrechtliche Stellung als Erbe ein wichtiger Anknüpfungspunkt zur Bestimmung des Berechtigten im Sinne des § 2 Vermögensgesetz (VermG) ist. Demnach kann die Rechtsnachfolge in den entzogenen Gegenstand nur hypothetisch ermittelt werden. Ausgangspunkt der hypothetischen Rechtsnachfolgeermittlung ist die Annahme, dass der entzogene Gegenstand, wenn er nicht entzogen worden wäre, ebenso wie die übrigen Vermögensgegenstände des Erblassers auf den oder die Erben übergegangen wäre und sich die Unrechtslage, die durch den Vermögensentzug geschaffen worden ist, in der Person des Erben fortsetzt (im Einzelnen: BVerwG VIZ 99, S. 215ff.).

Die Feststellung der Restitutionsberechtigung ist aber (gesetzlich zugewiesen) eine Aufgabe der Verwaltungsbehörden und gegebenenfalls der Verwaltungsgerichte. Die Klägerinnen haben kein schutzwürdiges rechtliches Interesse daran, dieses Rechtsverhältnis oder eine Vorfrage dazu stattdessen von den Zivilgerichten feststellen zu lassen. Ein solches Interesse kann nur insoweit anerkannt werden, als es um die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens bestimmter erbrechtlicher Verhältnisse geht, wofür der Hauptantrag und der erste Hilfsantrag aus den schon dargelegten Gründen nicht tauglich sind.

b) Hinzu kommen die folgenden Gesichtspunkte :

Auf die Feststellung der erbrechtlichen Verhältnisse sind die Rechtsvorschriften des Zivilgesetzbuches der DDR (ZGB) anzuwenden, da der Erblasser vor dem 03.10.1990 verstorben ist (Art. 235 § 1 EGBGB; BGH DtZ 96, S. 84ff.). Unter Zugrundelegung dieser Vorschriften wären bestimmte erbrechtliche Verhältnisse festzustellen. Es gäbe dabei im vorliegenden Falle zwei Möglichkeiten für die Klägerinnen: Sie könnten einerseits hinnehmen, dass die Beklagte ebenfalls als Erbin eingesetzt wurde. in diesem Falle bestünde in jedem Falle eine Erbengemeinschaft zwischen den Parteien, unter Umständen verbunden mit einer bestimmten Teilungsanordnung, das streitgegenständliche Grundstück betreffend (ZGB-Kommentar, 1983, § 375 ZGB, Ziffer 3.3). Die Verwaltungsbehörden würden das Grundstück dann aber nicht entsprechend einer etwaigen Teilungsanordnung nur an bestimmte Personen zurückübertragen, sondern an alle Mitglieder der Erbengemeinschaft. Denn § 2a VermG geht davon aus, dass der Rückübertragungsanspruch eine Ersatzforderung im Sinne von § 2041 BGB ist, so dass nach § 400 Abs. 1 ZGB bzw. 2032 BGB nur an die Miterben als Gemeinschaft zur gesamten Hand restituiert werden kann (vgl. Fieberg u.a., VermG, Stand 07/99, Neuhaus, § 2a VermG, Rn. 1). Die Auseinandersetzung der Erben müsste sich also hieran anschließen, wäre aber nicht Gegenstand der verwaltungsbehördlichen Entscheidung. Die Interessen der Klägerinnen wären in diesem Falle vor der Auseinandersetzung nicht gefährdet (§ 400 ZGB), so dass derzeit ein Interesse an alsbaldiger Feststellung über die Rückübertragungsrechte der Parteien nicht bestünde.

Oder aber die Klägerinnen machen geltend, die Beklagte sei nicht Erbin geworden. Dies ist Gegenstand des Hilfsantrages zu 2., zu dem sogleich Stellung genommen werden soll:

c) Dieser Hilfsantrag ist dem Rechtsschutzziel der Klägerinnen entsprechend formuliert. Für diesen Antrag besteht ein Feststellungsinteresse. Die Klägerinnen haben ein rechtliches Interesse daran, die erbrechtlichen Verhältnisse (von den hierfür zuständigen Zivilgerichten) alsbald feststellen zu lassen, da diese -wie dargelegt- Anknüpfungspunkt für die Entscheidung über die Rückübertragung des Grundstückes sind. Die Legitimation als Rechtsnachfolger kann dabei auch durch den Erbschein erfolgen (BGH DtZ 96, S. 84, 86), so dass die Klägerinnen ein rechtliches Interesse daran haben, klären zu lassen, ob die erbrechtlichen Verhältnisse in diesem Erbschein richtig dargestellt sind oder davon abweichen. An die -rechtskräftige- Feststellung der erbrechtlichen Verhältnisse sind die Verwaltungsbehörden gebunden (Baumbach-Lauterbach u.a., ZPO-Kommentar, 53. A., Hartmann, Einf. § 322 ZPO, Rn.21). Die tatsächliche Unsicherheit über die erbrechtlichen Verhältnisse ist nicht durch den Erbschein ausgeräumt. Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, daß dem Begehren der Klägerinnen nicht der Inhalt des Erbscheins des Staatlichen Notariats Erfurt vom 30.01.1990 entgegensteht, da die Feststellungen des Erbscheins zwischen den Parteien nicht in Rechtskraft erwachsen. Darüber hinaus weist der Erbschein des Staatlichen Notariats vom 30.01.1990 die Rechtsnachfolge im Ergebnis der Auslegung der letztwilligen Verfügungen vom 16.02.1987 und vom 23.11.1987 unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt des Erbfalls bestehenden Wertverhältnisse aus. Zu Recht hat auch das Nachlassgericht mit Beschluss vom 14.05.1997 von der beantragten Einziehung des Erbscheins abgesehen und dies damit begründet, dass das Grundstück nicht zum Nachlass gehöre, da der Erblasser die ihm insoweit zufallende Erbschaft nach seinem Vater .............. ausgeschlagen habe und das Grundstück nach Ausschlagung der übrigen Erbberechtigten zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers am 23.11.1987 in Volkseigentum gestanden habe.

d) Das Feststellungsinteresse entfällt nicht dadurch, dass das Grundstück verkauft worden ist. Denn selbst, wenn die Käuferin des Grundstückes dieses wirksam (gutgläubig und lastenfrei) hätte erwerben können, so würde sich doch der Streit der Parteien um die erbrechtlichen Verhältnisse und die Restitutionsberechtigung in einem Streit darum fortsetzen, wem nun der Kaufpreis zusteht. Wem der Kaufpreis zusteht, beurteilt sich danach, wer verfügungsberechtigt war bzw. in wessen Rechtskreis durch die Veräußerung eingegriffen wurde. Ob dies eine der Parteien ist, wird, solange eine Rückübertragung bestandskräftig nicht stattfand, wiederum danach zu beurteilen sein, ob und an welche Person das Grundstück nach Recht und Gesetz zurückzuübertragen war. Aus diesem Grunde hat der Senat auch von seinem Ermessen gemäß § 156 ZPO dahingehend Gebrauch gemacht, die mündliche Verhandlung auf den nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerinnen vom 27.09.2000, der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangen ist, nicht wiederzueröffnen.

II.

Das Gericht hat von seinem pflichtgemäßen Ermessen gemäß § 148 ZPO dahingehend Gebrauch gemacht, den Rechtsstreit nicht auszusetzen. Denn die Entscheidung dieses Rechtsstreites hängt nicht von der Entscheidung des Thüringer Oberverwaltungsgerichtes im Verfahren 2 KO 9/97 ab. Die erbrechtlichen Verhältnisse bleiben von der Entscheidung darüber, ob die Aufhebung der Grundstücksverkehrsgenehmigung für den Verkauf des streitgegenständlichen Grundstückes rechtens und wirksam ist oder nicht, unberührt. Die Entscheidung hat auch keinen Einfluss auf eventuelle Erbquotenverhältnisse, da -wie schon dargelegt- weder ein Recht an dem oder auf das Grundstück noch ein Restitutionsanspruch Nachlassgegenstand waren.

III.

Die Klage ist -betreffs des Hilfantrages zu 2- unbegründet

1. Die Beklagte ist nicht nur Vermächtnisnehmerin, sondern -wie mit dem gemeinschaftlichen Erbschein des Staatlichen Notariats Erfurt vom 30.01.1990 ausgewiesen- Erbin.

a) In Übereinstimmung mit dem Landgericht geht der Senat davon aus, dass für die erbrechtlichen Verhältnisse in Bezug auf das Grundstück das Recht der früheren DDR maßgeblich ist. Der Erbfall ist am 30.11.1987 und damit nach Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches der DDR (ZGB) und des Einführungsgesetzes zum ZGB (EGZGB) am 01.01.1976 und vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland eingetreten (Art. 235 § 1 EGBGB).

Maßgebend für die Frage, ob das Recht des Beitrittsgebietes oder das im früheren Bundesgebiet geltende Recht zur Anwendung kommt, sind die von der Rechtsprechung entwickelten Regeln des interlokalen Privatrechtes. Im Erbrecht gilt danach die Regel, dass sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach einem deutschen Erblasser nach den Bestimmungen derjenigen Teilrechtsordnung richtet, in deren Geltungsbereich der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (BGH FamRZ 94, S. 304; OLG Hamm, FamRZ 95, S. 1092, 1093).

§ 25 Abs. 2 des Rechtsanwendungsgesetzes (RAG) könnte demnach nicht zu einer Nachlaßspaltung führen, da sich das Grundstück ebenfalls im Beitrittsgebiet befindet. Diese Regelung findet darüberhinaus keine Anwendung. Für die Anwendung der Kollisionsnormen des RAG ist nach dem 03.10.1990 auch bei der Beurteilung von Altfällen grundsätzlich kein Raum mehr. Dessen Fortgeltung ergibt sich auch nicht aus Art. 236 § 1 EGBGB, da dieser nur für das internationale Privatrecht gilt. Etwas anderes gilt im Interesse des Vertrauensschutzes nur für die Beurteilung der Erbfolge in Nachlassgrundstücke in der DDR in Erbfällen, die zwischen dem 01.01.1976 und dem 03.10.1990 eintraten (Palandt, aaO, Heldrich, Art. 236 EGBGB, Rn. 4) Bei dem hier in Rede stehenden Rückübertragungsanspruch hinsichtlich des Grundstücks ............. in Erfurt handelt es sich aber nicht um Eigentums- oder Nutzungsrechte an in der ehemaligen DDR belegenen Grundstücken und Gebäuden, sondern allein um öfffentlich-rechtliche Rückübertragungsansprüche oder allenfalls schuldrechtliche Ersatzansprüche an dem Grundstück. Auf diese ist § 25 Abs. 2 RAG auch nicht analog anzuwenden, da es sich bei dieser Vorschrift um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift handelt (vgl. im Hinblick auf die Ansprüche nach dem Vermögensgesetz OLG Celle, VIZ 1992, 416; OLG Hamm, FamRZ 95, S. 1092, 1094; BGH DtZ 96, S. 84,85).

b) Dementsprechend ist hinsichtlich der erbrechtlichen Verhältnisse i.S.d. Art. 235 § 1 EGBGB bezüglich des Grundstücks das bis zum Beitritt in der früheren DDR geltende Recht, also das ZGB und das EGZGB, maßgebend. Nach diesen Vorschriften ist auch die Auslegung des Testamentes des Erblassers vom 16.02.1987 sowie des Nachtrags vom 23.11.1987 vorzunehmen.

Die Regeln der erläuternden und ergänzenden Testamentsauslegung sind dabei anwendbar, da die Ansprüche nach dem VermG ihrem Sinn und Zweck nach an die Stelle verlorener Nachlaßwerte des Erblassers treten, in diesem Sinne Ersatzvorteile (Surrogate) für Nachlassgegenstände sind (OLG Hamm, FamRZ 95, S. 1092, 1094; BayObLG, VIZ 95, S. 723) und die Beklagte nicht bessergestellt werden soll, als sie stünde, wenn der Rückübertragungsanspruch schon in der Person des Erblassers entstanden wäre (vgl. arg. BGH NJW 93, S. 2176, 2177).

Gemäß § 372 ZGB ist ein Testament, dessen Inhalt verschiedene Auslegungen zuläßt, so auszulegen, daß dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Erblassers Geltung verschafft wird. Diese Bestimmung schließt es nicht aus, im Rahmen einer ergänzenden Testamentsauslegung auch einen hypothetischen Willen des Erblassers zu ermitteln und zur Geltung zu bringen (OLG Naumburg, FGPrax 96, S. 30). Die Auslegung folgt den Regeln, die zum Recht des BGB entwickelt wurden, weil § 372 ZGB sachlich nicht abweicht und auch hinsichtlich der ergänzenden Auslegung mit den Regeln des § 2084 BGB übereinstimmt (Palandt, aaO, Edenhofer, § 2084 BGB, Rn. 12; BayObLG, FamRZ 95, S. 1089, 1092; KG, DtZ 95, S. 417, 418).

c) Die Auslegung führt zu dem Ergebnis, dass die Beklagte nicht nur als Vermächtnisnehmerin, sondern als Erbin eingesetzt wurde.

Das Testament vom 16.02.1987 und dessen Ergänzung vom 23.11.1987 erwähnen keine Rechte an dem oder auf das streitgegenständliche Grundstück. Eine erläuternde Auslegung (die Erforschung des wirklichen Willens des Erblassers, vgl. BayObLG, FamRZ 94, S. 23, 24) des Testamentes unter Einbeziehung der aus dem Parteivortrag ersichtlichen Umstände führt zu dem Ergebnis, dass der Erblasser über sein Vermögen vollumfänglich verfügen wollte und eine Erbeinsetzung auch der Beklagten gewollt war (§§ 372, 375 Abs. 1 ZGB). Weder wird von den Parteien behauptet, noch ist sonst ein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass der Erblasser damals davon ausgegangen wäre, über wesentliche Vermögenswerte noch nicht verfügt zu haben. Dies ist im Gegenteil auszuschließen, da das Grundstück damals im Eigentum des Volkes stand, der Kläger keinerlei Rechte daran hatte und die spätere politische Entwicklung noch nicht vorauszuahnen war. Die Wertverhältnisse, die das Staatliche Notariat seiner Bewertung der Erbfolge zugrundelegt hat, sind unstreitig richtig gewesen. Hiervon ausgehend, begegnet es keinen Bedenken, auch die Beklagte als Erbin anzusehen. Indem der Erblasser bestimmten Personen bestimmte Gegenstände zuwendete, traf er somit Teilungsanordnungen, § 371 Abs. 1 ZGB. Die Frage, was bezüglich des Grundstückes angeordnet werden sollte, lässt sich im Wege der erläuternden Auslegung nicht beantworten, da das Testament hierzu keine Andeutung enthält und angesichts dessen, dass das Grundstück zur Zeit des Erbfalles nicht zum Vermögen des Erblassers gehörte, auch nicht enthalten konnte.

Auch eine entsprechende Anwendung von § 376 Abs. 1 ZGB, der eine Erhöhung der Erbteile vorsieht, wenn nach dem Willen des Erblassers die testamentarischen Erben die alleinigen Erben sein sollen, jeder von ihnen mit einem Bruchteil eingesetzt ist und die Bruchteile das Ganze nicht erschöpfen, scheidet aus. Der Erblasser hat hier nämlich nicht lediglich einen Nachlasswert, das Grundstück, vergessen, sondern ist davon ausgegangen, dass dieser Vermögenswert nicht vorhanden sei.

Hinreichend sichere Feststellungen, wie der Erblasser testiert hätte, wenn er vorausbedacht hätte, dass ihm dereinst ein Rückübertragungsanspruch zustehen oder von seiner Testierung abhängen würde, welche Personen als Berechtigte im Sinne des § 2 VermG gelten, lassen sich auch im Wege der ergänzenden Auslegung nicht treffen. Mit Hilfe der ergänzenden Auslegung (§§ 372 ZGB, 133, 2084 BGB) wird der Inhalt einer letztwilligen Verfügung den Veränderungen angepasst, die zwischen Errichtung des Testaments und Erbfall im Kreis der bedachten Personen oder beim zugewendeten Gegenstand eintreten, vom Erblasser aber nicht vorhergesehen oder erwogen wurden (Palandt, aaO,Edenhofer, § 2084 Rdnr. 8). Sie ist darüberhinaus auch auf die Veränderungen anzuwenden, die mit der Wiedervereinigung eintraten und unter anderem im Vermögensgesetz ihren Ausdruck fanden (OLG Naumburg, FGPrax 96, S. 30ff.)

Der Begriff "Auslegung" setzt indessen einen im Testament selbst zu findenden, wenn auch noch so geringen oder auch unvollkommenen Anhalt für die behauptete oder ermittelte Willensrichtung des Erblassers voraus, auch wenn dieser Wille erst unter Heranziehung außerhalb des Testaments liegender Umstände oder der allgemeinen Lebenserfahrung endgültig festgestellt werden kann (BGH FamRZ 1981, 662; OLG Frankfurt/M. DtZ 1993, 216). Der behauptete oder erforschte Erblasserwille muss auch im Hinblick auf das Formerfordernis der Erklärung eine hinreichende Stütze im Testament selber finden (BGH NJW 1983, 672). Eine ergänzende Auslegung darf dann auch zur Änderung von Maßnahmen des Erblassers führen, soweit sie seinen hypothetischen Willen zur Geltung bringt, also den Willen, den er im Falle einer Vorausschau der eingetretenen Veränderungen vermutlich gehabt hätte, wobei auch Tatsachen von Bedeutung sein können, die erst nach dem Tode des Erblassers unabhängig von seinem Willen eingetreten sind (BGH FamRZ 1963, 290; BayObLG FamRZ 1988, 986). Ereignisse nach dem Tod des Erblassers können jedoch nicht zu - wiederholbarer - Uminterpretation des Erblasserwillens führen, sofern diese Deutung in dem Testament nicht zum Ausdruck gekommen ist (KG DtZ 1995, 762). So ist beispielsweise die allgemeine Entwicklung der politischen Verhältnisse in der früheren DDR nur dann zu berücksichtigen, wenn dies im Testament ausdrücklich vorgesehen ist (OLG Oldenburg DtZ 1992, 290 f.) oder wenigstens seinen Ausdruck gefunden hat (OLG Frankfurt DtZ 1993, 216, 217).

Das Grundstück ist in dem Testament und dem Nachtrag nicht erwähnt. Es gehörte -wie gesagt- nicht zum Nachlass, da der Erblasser die ihm insoweit zufallende Erbschaft nach seinem Vater ...... ausgeschlagen hatte und das Grundstück nach Ausschlagung der übrigen Erbberechtigten zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers am 23.11.1987 in Volkseigentum stand.

Auch aus den Umständen, die die Parteien vortgetragen haben, läßt sich in Verbindung mit dem Inhalt des Testamentes der hypothetische Wille des Erblassers nicht ermitteln. Zwar hat der Erblasser den Parteien bestimmte Gegenstände zugewendet. Hieraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass er seine Rechte auf das streitgegenständliche Grundstück auch einer der Parteien zugewendet und nicht etwa angesichts dieses Umstandes insgesamt anders testiert hätte. Aus dem Parteivortrag wird nämlich ersichtlich, dass der Erblasser insoweit eine "Trennung" des Vermögens durchführen konnte, als die Beklagte mit dem Besitz in Schmiedefeld wenig zu tun hatte, aber sich -in den Augen des Erblassers- um die Existenz seines Betriebes verdient gemacht hatte, einer Leistung, an der seine Familie nach seiner Auffassung, die im Testament Niederschlag fand, nun wiederum keinen Anteil hatte. Es bot sich für den Erblasser daher ersichtlich an, seiner Familie das eine und der Beklagten das andere zuzuwenden, ohne damit zu sehr Verwicklungen befürchten zu müssen, da jede Seite ihre Interessen hinlänglich gewahrt sehen konnte. Das Grundstück nahm hingegen eine Sonderstellung ein. Denn auf diesem befand sich das elterliche Wohnhaus des Erblassers und der Familiensitz. Dieser hatte aber nicht nur eine Bedeutung für die Familie des Erblassers, sondern auch für die Beklagte, die in die Familie des Erblassers aufgenommen worden war und ebenfalls dort gewohnt hatte. Angesichts dessen kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass er auch Rechte auf dieses Grundstück einer der Parteien zugewendet hätte.

Es kann offenbleiben, inwieweit auf der einen Seite die Ehe des Erblassers mit der Klägerin zu 1. zerrüttet und wie tiefgehend die Beziehung zu der Beklagten gewesen ist. Denn diese Umstände waren dem Erblasser zur Zeit der Abfassung seines Testamentes bekannt, und doch hat er keine der Parteien vom Erbgang ausgeschlossen oder ersichtlich "strafend" benachteiligt, sondern vielmehr -wie schon dargelegt- die Zuwendungen offensichtlich nach der "Nähe" der Personen zu den zugewendeten Gegenständen ausgerichtet. Da aber beide Parteien zu dem streitbefangenen Grundstück eine Beziehung hatten, läßt sich mangels weiterer Andeutungen im Testament nicht sagen, wie der Erblasser über dieses testiert hätte.

Es kann auch offenbleiben, ob der Erblasser zu Lebzeiten wiederholt versucht hat, den Sitz seines Betriebes auf das Grundstück zu verlegen. Dies unterstellt, kann man doch dem Testament keine Andeutung für den Willen des Erblassers entnehmen, der Beklagten zu dem Betrieb auch dieses Grundstück zu vererben. Das Grundstück war zur Zeit der Testamentserrichtung nicht das Betriebsgrundstück. Die etwaige Nutzung eines Kellers von ca. 14 qm als Lagerraum bedeutet nicht, dass das Unternehmen dort betrieben wurde. Betrieb und Grundstück waren also zweierlei, der Betrieb existierte selbständig und war in seiner Existenz von dem Grundstück nicht abhängig. Diesen selbständigen Wert wollte der Erblasser der Beklagten unter dem Gesichtspunkt zuwenden, dass die Beklagte sich um dessen Existenz verdient gemacht hatte. Daraus ist nicht zu folgern, dass der Erblasser der Beklagten auch Rechte auf das Grundstück zugewendet hätte, um dessen Existenz oder Erhalt sich die Beklagte nicht ersichtlich verdient gemacht hatte. Betrieb und Grundstück bildeten keine Einheit und angesichts der Sonderstellung dieses Grundstückes und mangels weiterer Andeutungen im Testament kann daraus nicht geschlossen werden, dass der Erblasser solche Rechte alleine der Beklagten vererbt hätte.

d) Demnach ist das erbrechtliche Schicksal des Grundstückes unter Berücksichtigung der Regeln festzustellen, die für die gesetzliche Erbfolge gelten (BayObLG, FamRZ 94, S. 723; KG FamRZ 95, S. 762; LG Hamburg, FAmRZ 95, S. 833; Leipold, Erbrecht, 12. A., § 12, Rn. 291 b).

§ 375 Abs. 3 ZGB findet ergänzend Anwendung (vgl. KG, DtZ 95, S. 417, 418). Entscheidend hierfür ist, dass die vorliegende Fallgestaltung dem näher steht, dass der Erblasser über einen Gegenstand nicht verfügte, als dass er einen -vorhandenen- Gegenstand zu erwähnen vergass (vgl. hierzu ZGB-Kommentar, a.a.O, § 375 ZGB, Ziff. 3.1., 3.2). Der vorliegende Fall ist eher demjenigen zu vergleichen, dass ein Erblasser über sein Vermögen in der DDR nicht testierte (vgl. hierzu Palandt, aaO, Edenhofer, § 2088 BGB, Rn. 1).

Dies führt aber nicht zu dem Ergebnis, dass die Beklagte nur Vermächtnisnehmerin und nicht Erbin wurde. Die Anwendung des § 375 Abs. 3 ZGB führt zunächst nur dazu, anzunehmen, dass insoweit, als Rechte an dem oder auf das Grundstück betroffen sind, die gesetzliche Erbfolge eintritt. Dem Testament ist -entgegen § 375 Abs. 2 ZGB- aber hinreichend zu entnehmen, dass die Beklagte jedenfalls Erbin werden sollte. Denn der Erblasser wendete der Beklagten mit seinem Betrieb einen Gegenstand zu, der wertmäßig nicht untergeordnet war, sondern einen beachtlichen Bruchteil seines Vermögens ausmachte. Und er wendete den Betrieb der Beklagten zu, weil diese ihn aus seiner Sicht aufgebaut und schuldenfrei gemacht hatte sowie ihn in seiner Existenz sicherte, während seine Familie nach seiner Auffassung daran keinen Anteil hatte. Es ist daher nicht anzunehmen, dass der Erblasser die Beklagte auf einen schuldrechtlichen Anspruch gegen seine Familie verweisen wollte, den diese im Streitfalle gemäß § 380 Abs. 1 S. 2 ZGB erst hätte durchsetzen müssen, sondern, dass die Beklagte die Rechte mit dem Erbfalle unmittelbar erwerben sollte, um den Betrieb nahtlos fortführen zu können und nicht auf eine Mitwirkungshandlung seiner Familie angewiesen zu sein. Demnach stünde der Rückübertragungsanspruch als Teil der Erbschaft im Sinne einer Teilungsanordnung den Klägerinnen zu,was (erst) bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu beachten wäre.

III.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit und den Wert der Beschwer folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO; § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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