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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 08.05.2000
Aktenzeichen: 8 Sa 465/99
Rechtsgebiete: MTV, BGB, BUrlG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

MTV § 7
MTV § 8
BGB § 242
BGB § 612
BUrlG § 11
BUrlG § 3 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 1
ArbGG § 2 a Abs. 1 Nr. 4
Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Zuschlägen bei der Höhe des Urlaubsentgeltes (CGM-TV Elektrohandwerk)
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eisenach vom 29.04.1999 - 3 Ca 1740/98 - wird kostenpflichtig als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die richtige Berechnung der dem Kläger zustehenden Urlaubsvergütung.

Der Kläger, der Mitglied der IG-Metall ist, war bis zum 31.12.1997 als Elektriker bei der Fa. F. D. GmbH beschäftigt, die Wartungsarbeiten für die O. E. AG durchführte; im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses wurde das dem Kläger zu zahlende Urlaubsentgelt nach seiner Behauptung in Anlehnung an das Bundesurlaubsgesetz und an die Tarifverträge der IG-Metall geregelt.

Nach Neu-Ausschreibung des Instandhaltungsauftrages erhielt die Beklagte diesen Auftrag am 28.11.1997 mit Vertragsbeginn ab 01.01.1998. Darüber hinaus erhielt sie im Laufe des Jahres 1998 den Zuschlag für weitere Aufträge, die von der O. E. AG ausgeschrieben worden waren. Eine dem Gericht nicht bekannte Anzahl von Arbeitnehmern, die früher bei der Fa. F. D. GmbH beschäftigt waren, wurden von der Beklagten neu eingestellt.

Die Beklagte, die Mitglied des Landesinnungsverbandes für das Elektrohandwerk des Landes Thüringen ist, ist ein seit 01.01.1995 bundesweit tätiges Elektrohandwerksunternehmen. Der Schwerpunkt des Unternehmens und ihrer Betriebe, einschließlich des Betriebes in E. und eines zugehörigen Nebenbetriebes in K., liegt in Serviceleistungen im Bereich des Elektrohandwerks für Kunden aus dem industriellen Bereich, d. h. in Elektroinstallationen, in Wartungsarbeiten, vorbeugender Instandhaltung, Instandsetzung und den Betrieb von elektrischen, elektronischen und elektrotechnischen Geräten und Anlagen. Der E. Betrieb ist in die Handwerksrolle der Handwerkskammer Südthüringen eingetragen.

In Thüringen existiert kein von der IG-Metall abgeschlossener Tarifvertrag für das Elektrohandwerk, sondern für diesen Bereich ausschließlich die zwischen dem Landesinnungsverband für das Elektrohandwerk in Thüringen und der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM) abgeschlossenen Tarifverträge, nämlich der Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer in den Elektrohandwerken des Landes Thüringen, der Lohntarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer in den Elektrohandwerken des Landes Thüringen, der Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitszeit für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte in den Elektrohandwerken des Landes Thüringen, der Tarifvertrag über betriebliche Sonderzahlungen für Arbeitnehmer und Auszubildende in den Elektrohandwerken des Landes Thüringen und der Tarifvertrag zur Regelung des Urlaubs für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte in den Elektrohandwerken des Landes Thüringen.

Diese Tarifverträge sind nach § 1 Ziff. 2 des am 04.02.1998 zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Vor Abschluss des Arbeitsvertrages haben der Niederlassungsleiter und die Leiterin der Personalabteilung der Beklagten den Kläger wie alle anderen Arbeitnehmer auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Beklagte ausschließlich Mitglied des Landesinnungsverbandes für das Elektrohandwerk in Thüringen ist und dass die vertragliche Inbezugnahme der von diesem Verband abgeschlossenen Tarifverträge zur Wahrung einer einheitlichen Tarif-ordnung innerhalb des Betriebes in E. für die Beklagte unverzichtbar sei. Der Kläger hat dies ausdrücklich akzeptiert. In der Folgezeit wurde das Arbeitsverhältnis - wie alle anderen Arbeitsverhältnisse im Betrieb E. auch - unter Beachtung dieser in Bezug genommenen tariflichen Regelungen durchgeführt. Im Termin zur Berufungsverhandlung haben die Parteivertreter erklärt, dass beide Parteien auch in Zukunft bereit seien, ihre Leistungen und Verpflichtungen an den Vorgaben dieser Tarifverträge auszurichten.

Hinsichtlich der Vergütung ist im § 2 des Arbeitsvertrages unter Anlehnung an Lohngruppe 7 des Lohntarifvertrages ein gleichmäßiges Monatsentgelt (Festlohn) festgelegt, und zwar ein Tariflohn in Höhe von DM 16,23 pro Stunde und eine außertarifliche Zulage von DM 3,94 pro Stunde. Durch Multiplikation des vereinbarten Bruttostundenlohnes mit der individuellen wöchentlichen Arbeitszeit und dem Wochenfaktor von 4,35 ergibt sich eine gleichmäßige Monatsvergütung von DM 3.509,58, die vereinbarungsgemäß auf den geraden DM-Betrag von DM 3.510,00 gerundet wurde.

Nach § 10 des Arbeitsvertrages erfolgt eine Zusatzvergütung für Wechselschichtarbeit bei Spät- oder Nachtschicht und für Sonntags- und Feiertagsarbeit nach Anlage 1 des Arbeitsvertrages. Danach werden die Schichtarbeiten mit einem bestimmten Zuschlag auf den Stundenlohn vergütet; beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge ist nur der jeweils höchste Zuschlag zu vergüten, und zwar nach § 7 MTV nachträglich für einen Zeitraum von längsten drei Monaten.

Hinsichtlich der Dauer des jährlichen Urlaubs sieht § 4 Ziff. 1 des Arbeitsvertrages die Gewährung des Tarifurlaubs von 23 Arbeitstagen und die Gewährung eines übertariflichen Urlaubs von sieben Arbeitstagen vor. Die Höhe des zusätzlichen Urlaubsgeldes soll sich gemäß Ziff. 2 nach dem Tarifvertrag für das Elektrohandwerk in Thüringen richten.

Nach § 8 MTV wird in den gesetzlich (z. B. Bundesurlaubsgesetz) oder tariflich festgelegten Fällen der Entgeltberechnung die fortzuzahlende Arbeitsvergütung je Ausfall und Abwesenheitstag bei gewerblichen Arbeitnehmern durch Multiplikation des Wochenfaktors 4,35 mit der individuellen wöchentlichen Arbeitszeit und dem vereinbarten Stundenlohn dividiert durch 21,75 Arbeitstage errechnet.

Nach § 4 des Tarifvertrages zur Regelung des Urlaubs für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte in den Elektrohandwerken des Landes Thüringen vom 15.011.1991 besteht die Urlaubsvergütung aus dem für jeden einzelnen Urlaubstag bzw. jede Wochenstunde nach Maßgabe des Manteltarifvertrages fortzuzahlenden Arbeitsentgelts (Urlaubsentgelt) sowie einer Zahlung in Höhe eines Teiles dieses Betrages (Urlaubsgeld). Nach der Änderungsvereinbarung vom 04.08.1992 beträgt das Urlaubsgeld bis zum dritten Beschäftigungsjahr 17 % des Urlaubsentgelts und erhöht sich dann bei längerer Beschäftigungsdauer um bestimmte Prozentsätze.

Etwaige variable Lohnzuschläge für Schichtarbeit oder Arbeit an Sonn- und Feiertagen werden nach der arbeitsvertraglichen bzw. tarifvertraglichen Regelung der Urlaubsvergütung nicht (weiter-) gezahlt. Der Kläger - wie auch zahlreiche seiner Kollegen in den in der Berufungsinstanz anhängigen bzw. erstinstanzlich ausgesetzten Verfahren - sieht in der Nichtberücksichtigung der Zuschläge bei der Berechnung der Urlaubsvergütung einen Verstoß gegen § 11 BUrlG.

Er hat im Jahr 1998 in einzelnen Monaten folgende Arbeitstage als Urlaub genommen: Im Juli sieben Tage, im September 12 Tage, im Oktober sechs Tage und im November fünf Tage.

Für die einzelnen Urlaubstage erhielt er ein Urlaubsentgelt in Höhe von DM 161,38 pro Urlaubstag. Zusätzlich erhielt er pro Urlaubstag einen Betrag von DM 27,44 (17 %). Die Auszahlung dieses Betrages erfolgte betriebsüblich in Form einer Einmalzahlung mit der Juni-Vergütung. Insgesamt erhielt der Kläger also pro Urlaubstag eine Vergütung von DM 188,82.

Mit der Klage begehrt der Kläger für die Monate Juli, September und Oktober 1998 eine erhöhte Urlaubsvergütung, die er durch Einbeziehung der in den letzten drei Monaten vor Urlaubsantritt abgerechneten Schichtzulagen errechnet und die er tabellenartig in ein Berechnungsformular für das Urlaubsentgelt nach § 11 BUrlG auflistet (vgl. Bl. 5 ff d. A.).

Nach diesen Formularen hat er sich folgende zusätzliche Vergütungsbeträge für die einzelnen Monate errechnet:

Juli 313,74

September 479,04

Oktober 242,48

Seine Ansprüche hat er außergerichtlich mit Schreiben vom 27.08.1998, 28.10.1998 und 01.12.1998 unter Beifügung der jeweiligen Berechnungsformulare geltend gemacht. Diese Schreiben sind der Beklagten am 23.09.1998, 27.11.1998 und 03.12.1998 zugegangen.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivortrages, wegen der gestellten Anträge und wegen der richterlichen Feststellungen wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Eisenach hat die Klage mit Urteil vom 29.04.1999 aus den aus den Entscheidungsgründen (Bl. 78 - 79 d. A.) ersichtlichen Gründen abgewiesen und die Berufung zugelassen.

Gegen dieses seinem Prozessbevollmächtigten am 15.06.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 15.07.1999, der am gleichen Tag beim Berufungsgericht einging, Berufung eingelegt und die Berufung mit dem am 25.08.1999 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 24.08.1999 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist durch Verfügung des Vorsitzenden vom 12.08.1999 bis zum 16.09.1999 verlängert worden war.

Der Kläger wendet sich gegen die tragenden Gründe der angefochtenen Entscheidung. Er vertritt die Auffassung, dass sich die Berechnung der ihm zustehenden Urlaubsvergütung nach § 11 BUrlG richten müsse, weil die Tarifverträge der CGM nicht kraft vertraglicher Inbezugnahme auf das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten Anwendung fänden. Denn zum einen sei der gesamte Betrieb der Fa. O. in E. dem Metallindustriebereich und nicht dem Bereich des Elektrohandwerks zuzuordnen und zum anderen seien die von CGM abgeschlossenen Tarifverträge im Bereich des Elektrohandwerks in Thüringen unwirksam, weil es sich bei ihr nicht um eine tariffähige Gewerkschaft handele. Der Kläger vertritt weiter die Auffassung, dass § 8 MTV nicht § 11 BUrlG modifizieren wolle und dass das durch § 11 BUrlG festgelegte Lohnausfallprinzip auch bei der Berechnung der Urlaubsvergütung beachtet werden müsste.

Der Kläger beantragt,

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Eisenach, 3 Ca 1740/98, vom 29.04.1999 wird abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.039,26 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Die Kosten beider Rechtszüge werden der Beklagten auferlegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt den Ausführungen des Klägers unter weitgehender, aber erheblich vertiefender Wiederholung ihrer erstinstanzlichen Argumentation entgegen und meint, die Frage der Tariffähigkeit der CGM sei für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung, da es nur um eine individualrechtliche Bezugnahme des nach dem Geltungsbereich anwendbaren Tarifvertrages gehe; überdies sei die CGM durchaus tariffähig.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründete und damit insgesamt zulässige Berufung ist nicht begründet, weil das Arbeitsgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.

1.

Es besteht zwischen den Parteien kein Streit darüber, dass der Kläger seine Ansprüche rechtzeitig gegen die Beklagte außergerichtlich geltend gemacht hat.

2.

Die erstmals in der Berufungsbegründung vom Kläger angesprochene Frage der Tariffähigkeit der CGM ist für die Entscheidung des Rechtsstreits - wie die Beklagte durchaus zutreffend sieht - unerheblich und bedarf deshalb keiner Beantwortung durch das Berufungsgericht.

Denn zum einen geht es vorliegend nicht um die Frage, ob beide Seiten kraft Tarifgebundenheit i. S. der §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG an die von CGM für das Elektrohandwerk mit dem Landesinnungsverband Elektrohandwerk in Thüringen abgeschlossenen Tarifverträge gebunden sind. Eine Tarifgebundenheit ist deshalb ausgeschlossen, weil nur die Beklagte Mitglied einer der tarifschließenden Parteien ist, nicht aber der Kläger. Vorliegend geht es um die Frage, ob die Tarifverträge des Elektrohandwerks kraft wirksamer Inbezugnahme in den einzelnen Arbeitsverträgen auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden.

Und in dieser Hinsicht ist es anerkannt, dass im Arbeitsvertrag auch nicht mehr wirksame oder von Anfang unwirksame Tarifverträge in Bezug genommen werden können. Denn im Rahmen der Vertragsfreiheit steht es im Belieben der Parteien, ihr Arbeitsverhältnis auch unwirksamen Tarifnormen zu unterstellen, weil es ihnen auch arbeitsvertraglich nicht verwehrt werden könnte, rechtliche Regelungen zu vereinbaren, die im Rahmen eines Tarifvertrages wegen entgegenstehender gesetzlicher Regelungen nicht wirksam vereinbart werden können (so zu Recht Oetker in: Wiedemann, TVG, 6. Aufl. 1999, § 3 Rz 241; anderer Auffassung wohl Münch.-AR/Löwisch, § 262 Rz 12). Auch soweit das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 07.12.1977 (4 AZR 474/76, AP 4 TVG, Nachwirkung, Entsch. 9) verlangt, dass der Willen der Arbeitsvertragsparteien, auch die Geltung eines unwirksamen Tarifvertrages einzelvertraglich zu vereinbaren, eindeutig erkennbar sein müsste, liegen diese Voraussetzungen hier vor. Denn die Beklagte hat den Kläger vor Vertragsschluss ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Tarifverträge für das Elektrohandwerk auf sein Arbeitsverhältnis wie auch auf die Arbeitsverhältnisse aller anderen im Betrieb arbeitenden Mitarbeiter anwendbar sein sollten und der Kläger war damit ausdrücklich einverstanden. Darüber hinaus haben die Parteien in der zurückliegenden Zeit seit seiner Begründung das Arbeitsverhältnis in jeglicher Hinsicht ausschließlich unter Berücksichtigung der verschiedenen tarifvertraglichen Regelungen des Elektrohandwerks durchgeführt und haben noch vor dem Berufungsgericht - in Kenntnis der möglichen Unwirksamkeit dieser Tarifverträge - erklärt, sie seien auch bemüht, das Arbeitsverhältnis in Zukunft in Anlehnung an die tarifvertraglichen Regelungen durchzuführen. Damit ist hier der Wille beider Parteien eindeutig erkennbar, die Tarifverträge des Elektrohandwerks in Thüringen auch bei ihrer etwaigen Unwirksamkeit wegen fehlender Tariffähigkeit der CGM anzuwenden.

Und zum anderen wäre das Ergebnis des Rechtsstreits - wie noch zu zeigen sein wird - auch kein anderes, wenn die Inbezugnahme der Tarifverträge des Elektrohandwerks wegen mangelnder Tariffähigkeit der CGM und daraus folgender Unwirksamkeit rechtlich nicht möglich sein sollte und sich deshalb die Berechnung der Urlaubsvergütung des Klägers direkt nach § 11 BUrlG richten sollte.

Und zum dritten erscheint der Einwand des Klägers, die in Bezug genommenen Tarifverträge seien wegen fehlender Tariffähigkeit der CGM unwirksam, als eine rechtsmissbräuchliche Handlungsweise, weil er gegen Treu und Glauben i. S. des § 242 BGB in der Ausprägungsform des "Verbots des widersprüchlichen Handelns" verstößt. Denn es ist schlechterdings nicht hinzunehmen, dass der Kläger sämtliche durch die Tarifverträge des Elektrohandwerks vermittelten Leistungen wie über das gesetzliche Maß erheblich erhöhte Urlaubsdauer, Zahlung von Urlaubsgeld, Zahlung von Sonderleistungen etc. Jahrelang unbeanstandet hingenommen hat und nur die Berechnung der Urlaubsvergütung mit dem Argument angreift, alle diese Tarifverträge seien unwirksam und rechtlich ohne Bedeutung für das Arbeitsverhältnis. Wenn der Kläger diese Tarifverträge tatsächlich für unwirksam halten sollte - und wenn es sich nicht nur um ein allzu durchsichtiges Argument der hinter dem Kläger stehenden Gewerkschaft IG-Metall handeln sollte -, dann müsste er auch die Konsequenzen tragen, die darin bestehen, dass sämtliche aufgeführten tariflichen (Zusatz) Leistungen wegfallen, er also nach § 612 BGB vergütet wird, Urlaub in Höhe von 24 Werktagen nach § 3 Abs. 1 BUrlG erhält sowie Sonderleistungen wie zusätzliches Urlaubsgeld oder Gratifikation wegfallen. Dass er diese Konsequenz nicht gezogen hat, und auch in Zukunft nicht ziehen will, lässt seine Argumentation im Hinblick auf die durch die angebliche Tarifunfähigkeit der CGM verursachte Unwirksamkeit der Tarifverträge als rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich erscheinen.

Weil es also nach alledem auf die Frage der Tariffähigkeit der CGM für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankommt, bedarf es auch keiner Aussetzung des Verfahrens zum Zwecke der Durchführung des Beschlussverfahrens nach § 2 a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG entsprechend § 97 Abs. 5 ArbGG.

3.

Die Klage ist deshalb unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung einer erhöhten Urlaubsvergütung hat. Die im Betrieb in Anlehnung an die tarifliche Regelung durchgeführte Berechnung der Urlaubsvergütung unter Außerachtlassung der Schicht- und Feiertagszuschläge dürfte zwar gegen die Grundprinzipien der §§ 1, 11 BUrlG verstoßen und damit zu einer zu geringen Vergütung pro Tag des gesetzlichen Urlaubs - nicht des darüber hinausgehenden zusätzlichen vertraglichen Urlaubs - führen. Dies wirkt sich aber im konkreten Falle aber nicht zu Lasten des Klägers aus, so daß sein Anspruch auf Korrektur der Berechnung der Urlaubsvergütung nicht besteht.

Es gibt wohl keinen Streit darüber, dass sich der Gesetzgeber in § 11 BUrlG nicht für ein reines Referenzprinzip und auch nicht für ein reines Lohnausfallprinzip, sondern eher für ein gemischtes System entschieden hat. So wird der Geldfaktor für die Berechnung des täglichen Urlaubsentgeltes nach einem teilweise abgewandelten Referenzprinzip berechnet, während für den Zeitfaktor auf das Lohnausfallprinzip zurückgegriffen wird (vgl. ErfK-Dörner, § 11 BUrlG Rz 4 und 5). Das in früheren Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts stets herausgestellte sog. Lebensstandardprinzip soll nach der neueren Rechtsprechung, die im Schrifttum weitgehend Zustimmung erhalten hat, keine Bedeutung mehr haben (vgl. ErfK/Dörner, a. a. O. Rz 6; Leinemann-Linke, Urlaubsrecht 1995, § 11 Rz 16; Schütz-Hauck, Gesetzliches und tarifliches Urlaubsrecht 1996, Rz 770, 771).

Kraft Tarifgebundenheit anzuwendende oder in Bezug genommene Tarifnormen können nach § 13 Abs. 1 S. 1 und 2 BUrlG das durch § 11 BUrlG vorgesehene modifizierte Referenzprinzip durch das Lohnausfallprinzip ersetzen (vgl. BAG, Urteil vom 19.09.1985, 6 AZR 460/84, EzA § 13 BUrlG, Entsch. 24). Mit Rücksicht auf die in § 1 BUrlG festgeschriebene Lohnfortzahlungspflicht sind aber solche tariflichen Regelungen nur zulässig, wenn damit gewährleistet wird, dass für den gesetzlichen Mindesturlaub der Lohnanspruch des Arbeitnehmers erhalten bleibt (vgl. Leinemann-Linke, a. a. O., Rz 112).

Daraus folgt, dass nach neuerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 12.01.1989, 8 AZR 404/87, EzA § 11 BUrlG, Entsch. 27) arbeitsvertraglich vereinbarte Schicht- und Zeitzuschläge auch dann bezahlt werden müssen, wenn der Arbeitnehmer Urlaub macht, d. h. sie sind in die Urluabsentgeltberechnung einzubeziehen.

Die Nichtberücksichtigung dieser Zeitzuschläge bei der Berechnung der Urlaubsvergütung verstößt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts deshalb gegen § 1 BUrlG, der tariflich nicht abdingbar ist, weil dem Arbeitnehmer damit ein Bestandteil seines Entgelts für die Dauer des Urlaubs vorenthalten würde. Die Kürzung des Entgelts ist gesetzwidrig (zustimmend: Leinemann-Linke, a. a. O., § 13 BUrlG, Rz 104; Schütz-Hauck, a. a. O., Rz 768; GK-Stahlhacke, 5. Aufl., § 11 BUrlG, Rz 102 f).

Zu beachten ist allerdings, dass die Nichtberücksichtigung der Zuschläge nach der referierten herrschenden Meinung nur dann gegen § 1 BUrlG verstößt, wenn der Arbeitnehmer im fraglichen Zeitraum, wenn er nicht Urlaub gehabt hätte, zusätzlich zu vergütende Schicht- oder Feiertagsarbeit tatsächlich hätte verrichten müssen und somit einen Anspruch auf diese Zuschläge gehabt hätte. Mit dieser Anspruchsvoraussetzung verlässt das Bundesarbeitsgericht das § 11 BUrlG zugrundeliegende modifizierte Referenzprinzip, denn es verlangt die Berücksichtigung der Zuschläge bei der Berechnung der Urlaubsvergütung nicht bereits dann, wenn der Arbeitnehmer in den letzten drei Abrechnungsmonaten vor Urlaubsantritt solche Zuschläge erhalten hat, sondern erst dann, wenn diese Zuschläge auch bei einer Arbeitsleistung im Urlaubszeitraum gezahlt worden wären; dies ist die Anwendung des Lohnausfallprinzips.

Wegen dieser von ihm angenommenen Verwechslung der Berechnung für den Geldfaktor mit der Berechnung für den Zeitfaktor lehnt Dörner in seiner Kommentierung im Erfurter Kommentar diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12.01.1989 ab (vgl. § 11 BUrlG, Rz 6, 14, 31; seine in der Kommentierung in § 13 BUrlG, Rz 48 versuchte "Rettung" dieser Entscheidung durch Auslegung kann angesichts der klaren und nicht weiter auslegbaren Kernsätze dieses Urteils nicht nachvollzogen werden). Auch das von Däubler (Tarifvertragsrecht, Rz 768) geäußerte "Erstaunen" über diese Entscheidung dürfte sich auf diese Berücksichtigung des Lohnausfallprinzips im Hinblick auf die Einbeziehung der Zuschläge in die Urlaubsvergütung beziehen.

Wendet man mit der herrschenden Meinung die vom Bundesarbeitsgericht herausgestellten Grundsätze auf die vorliegende Fallgestaltung an, dann hat der Kläger schon deshalb keinen Anspruch auf höhere Urlaubsvergütung, weil die Klage unschlüssig ist. Denn der Kläger hat mit keinem Wort dargelegt, dass und in welchem Umfang er im Falle seiner fiktiven Arbeitsleistung an einzelnen Urlaubstagen Schichtarbeit geleistet und damit die vertraglich vereinbarten Zuschläge verdient hätte. Eine solche Darlegung wäre aber angesichts seines Beharrens auf die Anwendung des Lohnausfallprinzips in beiden Instanzen notwendig gewesen. Wegen dieser in den Schriftsätzen der Klägervertreter dokumentierten Kenntnis der Rechtslage schien es der Berufungskammer nicht notwendig, den Kläger auf das Erfordernis einer "Nachbesserung" seiner Darlegungen im Hinblick auf die Schlüssigkeit der Klage aufmerksam zu machen.

Ein solcher Hinweis erschien auch deshalb nicht erforderlich, weil der Kläger vorliegend von der Beklagten nur unwesentlich weniger an Urlaubsvergütung erhalten hat, als ihm nach § 11 BUrlG zustehen würde. Denn das von der Beklagten zusätzlich gezahlte Urlaubsgeld ist als Teil der Urlaubsvergütung anzusehen und führt zu einer im Ergebnis günstigeren und damit rechtswirksamen tariflichen Entgeltregelung (vgl. BAG, Urteil vom 13.11.1986, 8 AZR 224/84, EzA § 13 BUrlG, Entsch. 20; Schütz-Hauck, a. a. O., Rz 910).

Zu dem korrekt berechneten Urlaubsentgelt in Höhe von DM 161,38 hat der Kläger zusätzlich pro Urlaubstag einen Betrag von DM 27,44 erhalten.

Für Juli 1998 begehrt er zwar für jeden Urlaubstag eine höhere Vergütung von DM 44,82. Bei Herausrechnung der unzutreffenderweise in die Berechnung eingeführten vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von DM 52,00 und des zusätzlich in die Berechnung für die Monate Oktober und September eingefügten Beträge für Urlaubsentgelt, stünde ihm pro Urlaubstag ein Betrag von DM 190,25 zu. Erhalten hat er DM 188,82, so daß ein Rest pro Urlaubstag von DM 10,43 brutto verbleibt.

Für September berechnet er für jeden Urlaubstag eine höhere Vergütung von DM 39,95. Bei korrekter Berechnung stünde ihm ein Betrag von 189,47 zu; es bestünde also pro Tag eine Differenz von DM 0,65.

Für Oktober begehrt er für jeden Urlaubstag eine höhere Vergütung von DM 41,08. Bei korrekter Berechnung ergäbe sich ein Betrag von DM 183,25 pro Urlaubstag. Der Kläger hat also für diesen Monat mehr erhalten, als ihm nach seiner eigenen Berechnung zustehen würde. Im Übrigen ist gegen die Berechnung von fünf Urlaubstagen in diesem Monat schon deshalb nichts einzuwenden, weil insoweit der übergesetzliche Urlaub in Frage steht und weil die Vergütung dieses Urlaubs durch die Arbeitsvertragsparteien sich nicht an die Regelungen des § 11 BUrlG halten muss. Der Kläger hat nämlich im Juli und September 19 Arbeitstage an Urlaub erhalten; unter Hinzurechnung eines Tages im Oktober ergibt sich also das mit 20 Arbeitstagen der gesetzliche Urlaubsanspruch von 24 Werktagen erfüllt ist, so daß sich die restlichen fünf Urlaubstage im Oktober als übergesetzlicher Urlaub darstellt.

Aus alledem folgt also, dass das Arbeitsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung des Rechtsstreits zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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