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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 23.02.2006
Aktenzeichen: 1 UF 218/05
Rechtsgebiete: BGB, SGB VI


Vorschriften:

BGB § 1601
BGB § 1603 Abs. 2 S. 1
SGB VI § 93
SGB VI § 96 a
SGB VI § 240
SGB VI § 302 b
SGB VI § 311
SGB VI § 312
SGB VI § 313
Auch der Bezieher einer Berufsunfähigkeitsrente hat gegenüber seinen minderjährigen Kindern eine gesteigerte Unterhaltspflicht. Seine Leistungsfähigkeit ist nicht lediglich nach seinem Renteneinkommen zu beurteilen, denn der Bezug der Berufsunfähigkeitsrente gebietet nicht zwingend den Schluss, dass der Rentenbezieher nicht in der Lage ist, leichte Tätigkeiten auszuüben.

Eine Rente wegen Berufsunfähigkeit wird gezahlt, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung so sehr gemindert ist, dass er in seinem erlernten Beruf nur noch weniger als die Hälfte dessen verdienen kann, was ein vergleichbarer gesunder Mensch verdienen könnte. Die Hinzuverdienstgrenze beträgt derzeit in den neuen Bundesländern 602,96 €.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 UF 218/05

Verkündet am: 23.02.2006 In der Familiensache

hat der 1. Familiensenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dünisch, Richterin am Oberlandesgericht Martin und Richter am Oberlandesgericht Knöchel aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02.02.2006 für Recht erkannt: Tenor: I. Das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Mühlhausen vom 22.04.2005 wird wie folgt abgeändert und neu gefasst: 1. Der Kläger wird verurteilt, in Abänderung des Vergleichs des Amtsgerichts- Familiengericht - Mühlhausen vom 28.03.2000 (Az. 5 F 18/2000), Ziffer 1 b) an die Beklagte zu 1) einen monatlichen Kindesunterhalt vom 01.11.2000 bis 30.06.2001 in Höhe von 372,- DM, entspricht 190,20 €, vom 01.07.2001 bis 31.12.2001 in Höhe von 328,- DM, entspricht 167,70 €, vom 01.01.2002 bis 31.08.2002 in Höhe von 169,- €, für September 2002 in Höhe von 132,- €, vom 01.10.2002 bis 22.04.2005 in Höhe von 173,- €, abzüglich gezahlter 551,54 € und ab dem 23.04.2005 keinen Unterhalt zu zahlen. 2. Der Vergleich des Amtsgerichts Familiengericht - Mühlhausen vom 28.03.2000 (Az. 5 F 18/2000), Ziffer 1 a) wird dahingehend abgeändert, dass der Kläger der Beklagten zu 2) ab November 2000 keinen Unterhalt mehr schuldet. 3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen. II. Die Gerichtskosten der I. Instanz tragen der Kläger zu 32 %, die Beklagte zu 1) zu 17 % und die Beklagte zu 2) zu 51 %. Der Kläger trägt 65 % der außergerichtlichen Kosten I. Instanz der Beklagten zu 1). Von den außergerichtlichen Kosten I. Instanz des Klägers tragen die Beklagte zu 1) 17 % und die Beklagte zu 2) 51 %. Im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten I. Instanz selbst. Die Gerichtskosten der Berufungsinstanz tragen der Kläger zu 45 %, die Beklagte zu 1) zu 24 % und die Beklagte zu 2) zu 31 %. Der Kläger trägt 65 % der außergerichtlichen Kosten II. Instanz der Beklagten zu 1). Von den außergerichtlichen Kosten II. Instanz des Klägers tragen die Beklagte zu 1) 24 % und die Beklagte zu 2) 31 %. Im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten II. Instanz selbst. III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. IV. Dem Kläger wird zur Rechtsverteidigung Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ... bewilligt. Der Kläger hat beginnend ab dem 01.04.2006 monatliche Raten in Höhe von 15,- € an die Landeskasse zu zahlen. Gründe: Der Kläger ist der Vater der am 22.04.1987 geborenen Beklagten zu 1) und der am 08.02.1985 geborenen Beklagten zu 2). Die Parteien haben am 28.03.2000 vor dem AG Mühlhausen (Az. 5 F 18/00) einen Vergleich geschlossen, der Kläger hat sich verpflichtet, einen monatlichen Unterhalt in Höhe von (468,- DM, entspricht) 239,28 € an die Beklagte zu 1) und in Höhe von (483,- DM, entspricht) 246,95 € an die Beklagte zu 2) zu zahlen. Der Kläger nimmt die Beklagten auf Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung ab November 2000 in Anspruch. Der Kläger erhält eine monatliche Rente wegen Berufsunfähigkeit, die ab dem 28.09.2000 1062,52 DM und ab dem 01.07.2003 573,67 € beträgt. Der Kläger hat das Haus, in dem er wohnt, im November 2000 Schenkungsweise seinem Sohn überlassen. In dem notariellen Vertrag ist ein lebenslanges Wohnrecht für den Kläger vereinbart, das auch dinglich gesichert ist. Der Kläger hat bestritten, dass ihm ein Wohnwert zuzurechnen sei. Er zahle derzeit auf eine noch bestehende Belastung bei der Bausparkasse in Höhe von 3600,- € eine monatliche Rate in Höhe von 62,15 €. Der Kredit sei während bestehender Ehe für den Einbau einer Heizungsanlage aufgenommen worden. Er zahle darüber hinaus für Heizkosten monatlich 141,- € und für die übrigen Nebenkosten monatlich 51,48 €. Wegen des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien und der Antragstellung wird Bezug genommen auf das Urteil I. Instanz (Bl. 54 R, 55 d A). Die Beklagten haben vorgetragen, dem Kläger sei ein Wohnwert in Höhe von mindestens 300,- € zuzurechnen. Der Kläger sei verpflichtet, geringfügige Arbeiten auszuüben. Eine Tätigkeit als Telefonist oder Pförtner scheide wohl kaum aus; es werde bestritten, dass der Kläger nach wie vor psychisch beeinträchtigt sei und bei Ausführung dieser Tätigkeiten durch seine Behinderung eingeschränkt sei. Der Kläger sei auch in der Lage, mindere Tätigkeiten auszuüben; das Problem sei wahrscheinlich sein teilweise übermäßiger Alkoholgenuss. Das Amtsgericht hat den Vergleich des AG Mühlhausen vom 28.03.2000 dahingehend abgeändert, dass der Kläger an die Beklagten ab November 2000 keinen Unterhalt mehr zu zahlen hat. Sowohl das Zeit- als auch das Umstandsmoment legten es nahe, von einer Verwirkung auszugehen. Die lange Zeitdauer bis zum Beginn der Zwangsvollstreckung aus dem streitgegenständlichen Titel lasse den Eintritt des sogenannten Zeitmoments ohne weiteres zu. Auch das Umstandsmoment sei erfüllt, da der Kläger, nachdem er seit dem 18.10.2000 mehrere Schreiben an die Beklagten gerichtet habe, worauf keine Reaktion erfolgte, im Verlaufe der vergangenen vier Jahre habe davon ausgehen können, er werde aus dem Vergleich nicht mehr in Anspruch genommen. Die Beklagten haben das Urteil I. Instanz mit der Berufung angegriffen; die Beklagte zu 2) hat im Termin vom 02.02.2006 ihre Berufung zurückgenommen. Die Beklagte zu 1) trägt vor, das Amtsgericht habe zu Unrecht berücksichtigt, dass bereits mit dem Schreiben vom 18.10.2000 eine Herabsetzung auf Null möglich wäre. Der Kläger habe mit Schreiben vom 18.10.2000 gerade nicht umfassend dargelegt, dass er nicht mehr in der Lage sei, einen entsprechenden Unterhaltsbetrag an die Beklagten zu zahlen. Im Schreiben vom 18.10.2000 sei darüber hinaus angekündigt worden, dass umgehend eine Abänderungsklage erhoben werde, was nicht erfolgt sei. Allenfalls wäre zum damaligen Zeitpunkt eine Unterhaltsabänderung auf einen Betrag unterhalb des verglichenen Betrages möglich gewesen. Die Verwirkung eines Unterhaltsanspruches könne nicht im Rahmen eines Verjährungszeitraumes eintreten. Das Amtsgericht verweise darauf, dass der Kläger nicht leistungsfähig sei. Dem sei nicht so. Der Kläger habe ein Renteneinkommen in Höhe von 573,67 € und wohne mietfrei. Der behauptete Kredit sei für den Kindesunterhalt nicht zu berücksichtigen. Selbst wenn man diesen Kreditbetrag vom fiktiven Warmkostenanteil lt. Thüringer Tabelle in Höhe von 50,- € Kaltmiete abziehe, wäre für den streitbefangenen Zeitraum ein Betrag von 250,- € hinzuzurechnen. Die Beklagte zu 1) habe im Juli 2002 die Hauptschule abgeschlossen und nach Vollendung der 9. Klasse am 01.09.2002 eine Ausbildung zur Köchin begonnen. Ab dem 01.09.2002 habe sie eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 192,- € monatlich erhalten. Sie habe für Fahrtkosten täglich 7,- € bei 22 Arbeitstagen im Monat aufgewandt. Sie habe am 22.04.2005 das 18. Lebensjahr vollendet; die Lehrausbildung habe bis Juli 2005 gedauert.

Sie beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Mühlhausen vom 22.04.2005 - Az. 2 F 526/04 - die Klage abzuweisen, soweit festgestellt wurde, dass der Kläger der Beklagten zu 1) keinen Unterhalt mehr schulde. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt das Urteil I. Instanz. Das Amtsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten bereits seit November 2000 verwirkt sei. So seien die Beklagten mit Schreiben vom 18.10.2000, 14.10.2001, 15.03.2001 und 01.06.2001 sowie 17.08.2001 aufgefordert worden, auf ihre Ansprüche aus dem vorliegenden Unterhaltstitel zu verzichten. Auf das Schreiben des Klägers vom 18.10.2000, die Unterhaltszahlung ab November 2000 einzustellen, haben die Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten am 03.11.2000 mitgeteilt, dass für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit des Klägers die zum damaligem Zeitpunkt errechnete Unterhaltszahlung akzeptiert und insofern der überschießende Betrag nicht beigetrieben werde. Der Kläger habe sodann mit Schreiben vom 14.02.2001 noch einmal darauf hingewiesen, dass er nicht in der Lage sei, aufgrund der Berentung und seiner gesundheitlichen Beschwerden den vor dem Amtsgericht geschaffenen Unterhaltstitel zu bedienen. Mit Schreiben vom 01.06.2001 seien die Beklagten dann noch einmal aufgefordert, bis spätestens 10.06.2001 mitzuteilen, dass aus dem vorliegenden Titel keine Rechte mehr hergeleitet werden. Auf den Schriftwechsel hätten die Beklagten in keiner Weise reagiert, so dass er habe davon ausgehen können und auch darauf vertrauen dürfen, dass die Beklagten mit einer Abänderung auf Null einverstanden seien. Er habe die Beklagten auch mit Schreiben vom 18.10.2000, 14.02.2001, 15.03.2001, 01.06.2001 und 17.08.2001 immer wieder über seine wirtschaftliche Situation informiert und entsprechende Belege vorgelegt; insoweit seien Zeit- und Umstandsmoment für die Verwirkung gegeben. Sofern die Beklagten vortragen, der Kläger sei über November 2000 zur Unterhaltszahlung verpflichtet (Mangelfallberechnung), werde auf Folgendes hingewiesen: Aufgrund der Trennungssituation sei er kurze Zeit nach der Trennung an einer depressiven Symptomatik erkrankt. Er sei zunächst ab dem 16.08.2000 arbeitsunfähig gewesen. Er habe sich dann in der Zeit vom 16.08. bis 27.09.2000 im Krankenhaus im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme befunden. Nach deren Beendigung habe er einen Rentenantrag gestellt. Ihm sei rückwirkend ab dem 28.09.2000 mit Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 10.01.2001 Rente wegen Berufsunfähigkeit gewährt worden. Derzeit beziehe er eine Rente in Höhe von 573,67 € monatlich. Aufgrund seiner körperlichen und seelischen Beeinträchtigung habe er am 25.09.2000 einen Antrag nach § 48 des 10. Buches des SGB i V m § 4 des Gesetzes zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft gestellt. Das Versorgungsamt habe ihm mit Bescheid vom 09.03.2001 einen Grad der Behinderung von 70 % zuerkannt. Ausweislich des erstinstanzlich überreichten Bescheides des Versorgungsamtes vom 09.03.2001 seien bei ihm folgende Behinderungen diagnostiziert worden:

Hörbehinderung, obstruktives Schlafapnoe - Syndrom, psychisch - seelische Behinderung, Arthrose beider Kniegelenke, Funktionsminderung der Wirbelsäule bei degenerativer Schädigung. Darüber hinaus leide er an einer Arthrose beider Fußgelenke sowie Beschwerden der Ellbogengelenke. Die gesundheitlichen Beschwerden seien derart gravierend, dass er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sei. Aufgrund seiner Beeinträchtigung könne er keine Zeitungen austragen. Eine Tätigkeit als Telefonist oder Pförtner scheide schon deshalb aus, weil er nach wie vor psychisch beeinträchtigt und bei Ausführung der Tätigkeit durch seine Behinderung eingeschränkt sei. Hinzu komme, dass er lediglich den Abschluss der 8. Klasse besitze und ursprünglich den Beruf eines Maurers erlernt habe. Aufgrund seines Bildungsgrades sei er nicht in der Lage, irgendwelche Tätigkeiten auszuüben, bei denen er geistig gefordert werde oder die eventuell noch stressbelastet seien (Beweis: Sachverständigengutachten). Die Beklagten übersähen weiter, dass er aufgrund seiner Schwerbehinderteneigenschaft schwer vermittelbar sei (Beweis: wie vor). Die von ihm bezogene Berufsunfähigkeitsrente lege eindeutig unter dem ab November 2000 geltenden Selbstbehalt der Thüringer Tabelle. Das Amtsgericht habe zutreffend darauf hingewiesen, dass ihm ein Wohnwert nicht anzurechnen sei, da er nach wie vor für die Zahlung eines Kredites, der im Zusammenhang mit dem Einbau einer Heizungsanlage aufgenommen worden sei, aufkomme und weitere Hausnebenkosten trage. Es werde bestritten, dass die Beklagte zu 1) lediglich Bafög in Höhe von 192,- € monatlich erhalte und 154,- € Busgeld zu liquidieren habe. II. Die Berufung der Beklagten zu 1) ist zulässig; sie ist statthaft und auch im übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Die Berufung ist teilweise begründet. Da Vergleiche nur formell der prozessualen Regelung des § 323 ZPO unterfallen, richtet sich ihre Anpassung nach den Regeln des materiellen Rechtes und damit nach den aus § 242 BGB abgeleiteten Grundsätzen über die Veränderung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage (OLG Hamm, FamRZ 1999, 150). Das Vorbringen des Klägers reicht für die Feststellung, die Grundlagen des Vergleichs des Amtsgerichts Mühlhausen vom 28.03.2000, hätten sich wesentlich geändert, nicht aus. Dem Protokoll des Vorprozesses (AG Mühlhausen, Az. 5 F 18/2000) ist zu entnehmen, dass die Kindeseltern bei Vergleichsabschluss davon ausgegangen sind, dass der Kindesvater bei einem anrechenbaren Nettoeinkommen zwischen 2700,- bis 3100,- DM und einer Höherstufung um eine Gruppe aufgrund zwei Unterhaltspflichten in die Thüringer Tabelle, Stand 01.07.1999, Gruppe 4, III. Alterstufe, einzuordnen ist. Soweit der Kläger nunmehr darauf abhebt, er beziehe derzeit eine begrenzte Rente wegen Arbeitsunfähigkeit in Höhe von monatlich 573,67 € sowie die Bezugnahme auf eine Seite des Bescheides des Versorgungsamtes Erfurt vom 09.03.2001, wonach er bei einem Grad der Behinderung von 70 % an einer Hörbehinderung, einer obstruktiven Schlafapnoe - Syndrom, einer psychisch - seelischen Behinderung, einer Arthrose beider Kniegelenke und einer Funktionsminderung der Wirbelsäule bei degenerativer Schädigung leide, ist dies nicht ausreichend, um dazulegen, dass er nicht imstande ist, durch leichte Tätigkeiten etwas hinzuzuverdienen, um weiterhin Unterhalt an die Beklagte zu 1) zu zahlen. Der Kläger ist aufgrund seiner erweiterten Unterhaltspflicht gegenüber der Beklagten zu 1) während ihrer Minderjährigkeit gemäß § 1603 Abs. 2 BGB zu einer gesteigerten Ausnutzung seiner Arbeitskraft verpflichtet. Seine Leistungsfähigkeit wird nicht nur durch die tatsächlich vorhandenen, sondern auch durch solche Mittel bestimmt, die er bei gutem Willen durch zumutbare Erwerbstätigkeit erzielen könnte (BGH, FamRZ 1998, 357, 359). Die Tatsache, dass der Kläger eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erhält, reicht nicht aus, um unterhaltsrechtlich seine Leistungsfähigkeit lediglich nach dem Renteneinkommen zu bestimmen. Denn der Bezug einer Rente gebietet nicht zwingend den Schluss, dass der Rentenbezieher nicht in der Lage ist, leichte Tätigkeiten auszuüben (OLG Düsseldorf, FamRZ 2001, 1477). Insbesondere ergibt sich dies nicht aus der gesetzlichen Regelung der Berufsunfähigkeitsrente. Mit Wirkung vom 01.01.2001 wurden die frühere Berufsunfähigkeitsrente und Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung durch die Erwerbsminderungsrente ersetzt. Die Neuregelung gilt für alle Fälle, in denen die Rente ab 01.01.2001 beginnt. Ist - wie im vorliegenden Fall - bereits vor dem 01.01.2001 ein Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente und Erwerbsunfähigkeitsrente entstanden, werden diese Renten weiter unverändert nach dem bis zum 31.12.2000 geltenden Recht gezahlt. Die Rente des Klägers beginnt gemäß Rentenbescheid vom 10.01.2001 bereits am 28.09.2000. Eine Rente wegen Berufsunfähigkeit wird gezahlt, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung so sehr gemindert ist, dass er in seinem erlernten Beruf nur noch weniger als die Hälfte dessen verdienen kann, was ein vergleichbarer gesunder Mensch verdienen könnte. Die Hinzuverdienstgrenze beträgt in den neuen Bundesländern derzeit 602,96 € (§§ 93, 96a, 240, 302b, 311, 312, 313 SGB VI). Dass der Kläger wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 400,- € erreicht, ergibt sich nicht aufgrund der in dem Bescheid des Versorgungsamtes vom 09.03.2001 genannten Behinderungen, die leichte Tätigkeiten zulassen. Weitere gesundheitliche Veränderungen hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Dem Beweisantritt Sachverständigengutachten nachzugehen, liefe auf eine Ausforschung hinaus. Eine Verwirkung des Anspruches der Beklagten zu 1) auf rückständigen Unterhalt kommt nicht in Betracht. Eine Verwirkung ist nach allgemeinen Grundsätzen anzunehmen, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (vgl. BGHZ 25, 47, 51 f). Von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen ist, ist eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen zu erwarten, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung des Anspruchs bemüht. Tut er das nicht, erweckt sein Verhalten in der Regel den Eindruck, er sei in dem fraglichen Zeitraum nicht bedürftig (vgl. Knorn, FamRZ 1964, 283, 285). Nach § 1615 i Abs. 2 S. 1 BGB a.F. konnten rückständige Unterhaltsbeträge für ein nichteheliches Kind, die länger als ein Jahr vor Anerkennung der Vaterschaft oder Erhebung der Klage auf Feststellung der Vaterschaft fällig geworden sind, zur Vermeidung unbilliger Härten auf Antrag erlassen werden. Der BGH (FamRZ 1988, 370, 372) hat diesen Rechtsgedanken aufgegriffen und im Rahmen der Bemessung des "Zeitmoments" für die Verwirkung von rückständigem Unterhalt in der Weise Rechnung getragen, dass bereits ein Verstreichenlassen einer Frist von mehr als einem Jahr ausreichen kann. Vorliegend hat die gesetzliche Vertreterin der Beklagte zu 1) erstmals am 09.06.2004 dem Kläger die Vollstreckung angedroht und ist damit über einen Zeitraum von fast 4 Jahren untätig geblieben. Neben dem "Zeitmoment" kommt es für die Verwirkung auf das sogenannte "Umstandsmoment" an, d. h., es müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Unterhaltsverpflichtete sich nach Treu und Glauben darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass der Unterhaltsberechtigte sein Recht nicht mehr geltend machen werde (BGHZ 84, 280, 281 = FamRZ 1982, 898; OLG München, OLGZ 1976, 216, 219 f.). Sieht ein Unterhaltsgläubiger von einer zeitnahen Durchsetzung seiner Ansprüche ab, erweckt sein Verhalten in aller Regel den Eindruck, er sei in dem fraglichen Zeitraum nicht bedürftig. Im vorliegenden Fall besteht aber die Besonderheit, dass die Beklagte erst am 22.04.2005 volljährig geworden ist; die Klageschrift datiert vom 04.10.2004. Nach § 207 Abs. 1 S. 2 BGB sind Unterhaltsansprüche zwischen Eltern und Kindern während der Minderjährigkeit der Kinder gehemmt. Da die Beklagte zu 1) erst während des laufenden Verfahrens volljährig geworden ist, hat sie nicht eine Frist von mehr als einem Jahr verstreichen lassen, ohne ihren Unterhaltsanspruch durchzusetzen. Das Zeitmoment ist damit nicht erfüllt. Bei dem Kläger sind auf der Einnahmenseite die Rente in Höhe von 1062,52 DM, ein möglicher Zuverdienst in Höhe von 400,- € (entspricht 782,33 DM), den der Senat nach § 287 ZPO auch aufgrund des Einkommens, das der Kläger im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses erzielt hat, schätzt und der Vorteil mietfreien Wohnens, ermäßigt um die Rate Badenia in Höhe von 62,15 €, entspricht 121,55 DM monatlich, zu berücksichtigen. Es ergibt sich folgende Unterhaltsberechnung:

Zeitraum 01.11.2000 - 30.06.2001

Der Kaltmietanteil der Thüringer Tabelle, Stand 01.07.1999 beträgt 300,- DM. Bringt man hiervon die Belastung Badenia in Abzug, so verbleiben (300,- - 121,55 DM = ) 178,55 DM. Zuzüglich der Rente des Klägers in Höhe von 1062,52 DM und eines fiktiven Zuverdienstes in Höhe von 782,33 DM ergeben sich 2023,40 DM. Beide Beklagte befinden sich in der III. Alterstufe. Der geschuldete Kindesunterhalt beträgt bei Höherstufung um eine Gruppe je 510,- DM. Der Selbstbehalt des Klägers in Höhe von 1280,- DM (Mittelwert zwischen 1370,- DM und 1190,- DM, da der Kläger nur teilweise arbeitet,) wird unterschritten. Von der Verteilungsmasse in Höhe von (2023,40 DM - 1280,- DM = ) 743,40 DM entfallen auf die Beklagten je aufgerundet 372,- DM. Eine Kindergeldanrechnung unterbleibt, da der Regelunterhalt in Höhe von 465,- DM nicht erreicht wird. Tituliert sind 468,- DM und 483,- DM. Insoweit kommt eine Herabsetzung in Betracht. Ab dem 01.07.2001 erhöhen sich die Selbstbehalte auf 1465,- DM und 1270,- DM; der Mittelwert macht 1367,50 DM aus. Die Verteilungsmasse verringert sich auf (2023,40 DM - 1367,50 DM = ) 655,90 DM. Auf jedes Kind entfallen aufgerundet 328,- DM. Ab dem 01.01.2002 entsprechen (1062,52 DM + 782,33 DM = ) 1844,85 DM, 943,26 €. Hinzuzuaddieren ist der Vorteil mietfreien Wohnens in Höhe von (155,- € - 62,15 € = ) 92,85 €, so dass sich ein Einkommen in Höhe von 1036,11 € errechnet. Der interpolierte Selbstbehalt beträgt 700,- €; die Verteilungsmasse 336,11 €. Auf jedes Kind entfallen (336,11 € : 2 = ) aufgerundet 169,- €. Ab 01.09.2002 erhält die Beklagte zu 1) Bafög in Höhe von 192,- €. Ihr Unterhaltsanspruch ermäßigt sich auf (239,28 € - 96,- € = ) 143,82 €. Der Kläger schuldet insgesamt (246,95 € + 143,82 € =) 390,77 €; der Kläger ist bei einer Verteilungsmasse in Höhe von 336,11 € in Höhe titulierter Beträge nicht leistungsfähig. Bei einem Bedarf gemäß der Thüringer Tabelle, Stand 01.01.2002, Gruppe c) in Höhe von 269,- € und (269,- € - 96,- € = ) 173,- €, insgesamt 442,- € entfallen auf die Beklagte zu 1) (76,04 % x 173,- € = ) 132,- € und auf die Beklagte zu 2) (76,04 % x 269,- € = ) 205,- €. Ab dem 01.10.2002 gerät der Unterhaltsanspruch der Beklagten zu 2) in Wegfall, da sie weder zur Schule gegangen noch eine Berufsausbildung aufgenommen hat. Der Kläger schuldet der Beklagten zu 1) den titulierten Unterhalt in Höhe von 269,- €, abzüglich hälftiges Bafög in Höhe von 96,- €, 173,- € bis zum Eintritt der Volljährigkeit (22.04.2005) und ist insoweit leistungsfähig. Die Beklagte zu 1) hat die angeführten Fahrtkosten in Höhe von (7,- € x 220 AT : 12 = ) 128,33 € monatlich, die der Kläger bestritten hat, entgegen der Ankündigung nicht belegt; sie sind somit nicht abzugsfähig. Ab dem Eintritt der Volljährigkeit (22.04.2005) trifft beide Elternteile - und damit auch die Kindesmutter -gegenüber der Beklagten zu 1) eine anteilige Barunterhaltspflicht, (§ 1606 Abs. 3 S. 1 BGB); sie haften entsprechend ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen anteilig für den Kindesunterhalt. Da sich der Vortrag der Beklagten zu 1) nicht ansatzweise über die Einkünfte ihrer Mutter verhält, fehlt es auch insoweit an einer schlüssigen Darlegung ihres Unterhaltsanspruches. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92 Abs. 1, 100 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO. Schutzanordnungen nach §§ 711, 712 ZPO zugunsten des Schuldners waren gemäß § 713 ZPO nicht veranlasst.

Hinsichtlich der Ratenhöhe wird auf die anliegende Aufstellung Bezug genommen.

Ende der Entscheidung

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