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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 29.01.2009
Aktenzeichen: 1 UF 266/08
Rechtsgebiete: AO, ZPO, GVG


Vorschriften:

AO § 226 Abs. 1
ZPO § 145 Abs. 2, 322 Abs. 2
GVG § 17 Abs. 2
Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten.

Ist die Forderung des Beklagten aus Steuererstattung unstreitig und bedarf nicht der Klärung in einem "fremden" Rechtsweg und macht der Beklagte nur geltend, dass ein Unterhaltsanspruch dem Grunde und der Höhe nach nicht besteht, so fällt die Prüfung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Unterhaltsforderung im Wege der Widerklage in die Sachkompetenz des Familiengerichts.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 UF 266/08

Verkündet am: 29.01.2009

In der Familiensache

hat der 1. Familiensenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Parteina, Richterin am Oberlandesgericht Martin und Richter am Oberlandesgericht Knöchel

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.01.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

I. 1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Widerklage wird abgewiesen.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Kosten der I. Instanz tragen der Kläger zu 84 % und der Beklagte zu 16 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Freistaat Thüringen hat den Beklagten im vereinfachten Verfahren mit dem am 17.05.2006 eingereichten und am 12.07.2006 zugestellten Antrag auf Festsetzung von Unterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages ab dem 01.07.2005 der 2. Altersstufe, derzeit gezahlte 1661,- €, in Anspruch genommen.

Der Beklagte ist der Vater des Kindes S. M., geboren am 05.01.1998, das bei der Kindesmutter lebt. Der Beklagte hat die Vaterschaft anerkannt (Urkunde vom 03.09.1998).

Für das Kind wurden in dem Zeitraum 01.07.2005 bis 31.12.2006 (18 x 151,- € =) 2718,- € zuzüglich Zinsen 01.07.2006 bis 18.12.2006 70,44 €, insgesamt 2788,44 € gezahlt.

Die Rechtswahrungsanzeige wurde dem Beklagten am 10.08.2005 zugestellt Der Beklagte wurde zur Überprüfung des Unterhaltsanspruches zur Auskunftserteilung bis zum 26.08.2005 aufgefordert.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 05.09.2005 und 03.05.2006 gegenüber dem Finanzamt Gera die Aufrechnung nach § 226 Abs. 1 AO mit möglichen Steuererstattungsansprüchen des Beklagten in Höhe des gezahlten Unterhaltsvorschusses erklärt. Das Finanzamt Gera hat 1510,- € und 323,- € an den Kläger aus der Steuerrückerstattung 2004 im Wege der Aufrechnung gezahlt.

Gegen diesen Antrag auf Festsetzung wurde vom Rechtsbeistand des Beklagten Widerspruch eingelegt. Die Behörde hat mitgeteilt, dass der Widerspruch unzulässig sei.

Der Beklagte hat in dem Vordruck Einwendungen angegeben: Fernmeldemonteur, Techniker, seit 05/00 erwerbslos, Kündigung durch Arbeitgeber.

Der Kläger hat vorgetragen, der auf die Rückstände gerichtete Klageantrag werde auf die volle Höhe des Auszahlungsbetrages gerichtet, obwohl bereits zwischenzeitlich zwei Mal auf der Grundlage eines Auskunftsersuchens an das Land Thüringen (Finanzamt ...) Zahlungen in einer Gesamthöhe von 1833,- € aus Steuererstattungen erfolgt seien. Der Gesamttitel über die Rückstände werde deshalb erstrebt, weil nicht bekannt sei, inwieweit der Beklagte gegen die Aufrechnungserklärung des Finanzamtes vorgegangen sei. Regelmäßig werde bei einem Einspruch gegen die Aufrechnung und dem darauf folgenden Klageverfahren vor den Finanzgerichten nach dem nachweislichen Anspruch gefragt, gegen den aufgerechnet werde. Um diesen Nachweis bei Bedarf zu erbringen, werde die Titulierung des Gesamtrückstandes samt Zinsen begehrt. Es werde zugesichert, dass dem Schuldner - selbstverständlich - bereits erfolgte Zahlungen auf den Rückstand bei den Restforderungen zugute gehalten werden können.

Bei dem Klageantrag zu 2) werde der Zeitraum ab dem 01.01.2007 bis dato nicht einbezogen, weil eben gerade in dieser Zeit kein neuerlicher Antrag auf Unterhaltsvorschuss gestellt worden sei und auch nicht mehr gestellt werden könne. Insoweit sei in dieser Zeit kein Anspruch auf das Land Thüringen übergegangen, den es zu sichern gelte.

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn

1. für die Zeit vom 01.07.2005 bis 31.12.2006 einen verauslagten Unterhaltsvorschussbetrag in Höhe von 2718,- € zuzüglich 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 01.07.2005 zu zahlen,

2. zukünftig für die Dauer eventuell wiedereinsetzender Unterhaltsvorschusszahlungen Unterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der zweiten Altersstufe abzüglich des vollen staatlichen Kindergeldes bis maximal zur Vollendung des 12. Lebensjahres des Kindes Shirin Müller bzw. längstens für 72 Monate (UVG-Gesamtbezugsdauer) zu zahlen.

Der Kläger hat im Termin vom 19.05.2008 den Antrag zu Ziffer 2) für erledigt erklärt.

Der Beklagte hat der Erledigungserklärung zugestimmt und beantragt, im übrigen,

1. die Klage abzuweisen,

2. im Wege der Widerklage, den Kläger zu verurteilen, an ihn 1833,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten aus einem Betrag in Höhe von 1510,- € seit dem 25.04.2006 und aus weiteren 323,- € seit dem 09.04.2008 zu zahlen.

Er hat vorgetragen, er habe vom 01.10.2004 bis 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe in Höhe von monatlich 880,20 € und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II vom 01.01. bis 31.05. und vom 01.07. bis 30.11.2005 in Höhe von monatlich 607,29 € bezogen.

Des weiteren habe er in dem Zeitraum 01/05 bis 5/05 beitragspflichtige Einnahmen in Höhe von 400,- €, von 7/05 bis 11/05 in Höhe von 2000,- € und in 12/05 in Höhe von 400,- € gehabt. Er habe in 6/06 481,34 € und von 7/06 bis 11/06 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von je 495,34 € erhalten.

Er sei nicht in der Lage, ein unterhaltsrechtlich relevantes Nettoeinkommen in Höhe von 1300,- € zu erzielen. Er leide seit 1999 unter Depressionen mit gastrointestinalen Beschwerden. Die seit dem Jahre 2000 erstmals aufgetretenen Persönlichkeitsstörungen führten zu Alkoholmissbrauch. Arterielle Hypertonie mit metabol. Stoffwechselstörungen würden seit 1995 mit einer regelmäßigen Tabletteneinnahme behandelt. Letztendlich leide der Beklagte unter chronischer Bulbitis und Antrumgastritis, die erstmals 1999 aufgetreten sei, wobei die Behandlungen bis heute dauerten.

Aufgrund der bestehenden Krankheiten befinde sich der Beklagte neben einer regelmäßigen ambulanten Behandlung in der Zeit vom 01.06.2006 bis 26.07.2006 in stationärer Behandlung der A. Klinik in S.. Eine weitere stationäre Behandlung in dieser Klinik habe vom 24.01.2007 bis 18.03.2007 stattgefunden. Ab dem 19.03.2007 sei der Beklagte in Behandlung der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der S. W.-Klinikum ... gGmbH. An diese Behandlung habe sich nahtlos der Kuraufenthalt in ... angeschlossen.

Aufgrund der immer wieder notwendig gewordenen stationären und dauernd anhaltenden ambulanten Behandlungen sei der Beklagte nicht in der Lage, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Aufgrund der Behandlungen könne der Beklagte sich objektiv auch nicht um eine Arbeitsstelle bemühen.

Es werde bestritten, dass die Voraussetzungen des Verzuges vorlägen.

Der Kläger sei bereits mehrfach darauf hingewiesen worden, dass nach der durchgeführten Verrechnung des dem Beklagten aus Steuerrückerstattungen zustehenden Geldbetrages in Höhe von 1833,- € nicht nochmals die Gesamtforderung für den Zeitraum 01.07.2005 bis 31.12.2006 in Höhe von 2718,- € geltend gemacht werden könne. Dabei sei es auch vollkommen unerheblich, dass der Kläger vortrage, dem Schuldner selbstverständlich bereits erfolgte Zahlungen auf den Rückstand bei den Restforderungen zugute halten zu wollen.

Aufgrund der durchgeführten Verrechnung sei die vom Kläger mit Antrag zu 1) geltend gemachte Forderung bereits in Höhe eines Teilbetrages von 1833,- € erfüllt.

Es komme hinzu, dass der geleistete Unterhaltsvorschuss für den Monat Juli 2005 in Höhe von 151,- € von dem Beklagten nicht gefordert werden könne. Nach dem Vortrag des Klägers habe der Beklagte von dem Übergang der Forderung erst im August 2005 erfahren. Des weiteren könne der Kläger den Unterhaltsvorschuss für zwei weitere Monate, mithin einen Betrag in Höhe von 322,- €, nicht erstattet verlangen. Der Beklagte habe sich in stationären Behandlungen befunden und sei in diesen Zeiten objektiv gehindert gewesen, einer Tätigkeit nachzugehen. Unter Berücksichtigung der o.g. Geldbeträge könne der Kläger vom Beklagten für den Zeitraum 01.07.2005 bis 31.12.2006 allenfalls die Erstattung eines Geldbetrages in Höhe von 432,- € verlangen.

Die Anlage B 9 enthalte Kopien von Bewerbungsschreiben des Beklagten in dem Zeitraum 24.03.2006 bis 09.09.2006. Die Bewerbungen seien insgesamt erfolglos geblieben (13 Ablehnungsschreiben in dem Zeitraum März bis Juni 2006; 36 Bewerbungen in dem Zeitraum März bis September 2006). Da die ernsthaften und umfangreichen Bemühungen des Beklagten insgesamt nicht zur Aufnahme einer Tätigkeit führten, habe der Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum auch kein Einkommen erzielt, welches ihm die Möglichkeit zur Zahlung von Unterhalt gab. Damit sei er auch nicht zur Rückzahlung des vom Kläger geleisteten Unterhaltsvorschusses verpflichtet.

Das Amtsgericht hat der Klage - wie aus der Anlage ersichtlich - stattgegeben. Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass den Beklagten eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit trifft. Der Unterhaltsverpflichtete müsse darlegen, seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit vollständig genügt zu haben. Anderenfalls müsse er sich ein Einkommen fiktiv zurechnen lassen, dass ihm die Zahlung des Regelbetrages ermögliche.

Der Sachvortrag des Beklagten aus dem Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 19.06.2008 könne keine Berücksichtigung finden, da insoweit die mündliche Verhandlung bereits geschlossen worden sei. In der mündlichen Verhandlung sei dem Beklagten lediglich nachgelassen worden, schriftlich zu dem neuen Tatsachenvorbringen des Klägers aus dem Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 14.05.2008 Stellung zu nehmen. Der Sachvortrag des Beklagten stelle keine Erwiderung auf das neue Tatsachenvorbringen des Klägers aus dem Schreiben vom 14.05.2008 dar, sondern einen völlig neuen, nachgeschobenen Tatsachenvortrag.

Nachdem der Beklagte seiner Darlegungs- und Beweislast nicht ansatzweise gerecht geworden sei, sei ihm ein Erwerbseinkommen fiktiv anzurechnen. Unter Berücksichtigung des damaligen Selbstbehalts sei davon auszugehen, dass der Beklagte in Höhe von 820,- € leistungsfähig sei.

Der Beklagte könne sich nicht ohne weiteres darauf berufen, krankheitsbedingt eingeschränkt zu sein. Er habe Art und Umfang der gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Leiden genau zu bezeichnen und die Auswirkungen auf den erlernten Beruf darzulegen; das habe er nicht getan. Er habe weder die konkreten Beschwerden, die bei ihm aufgetreten seien, noch die einzelnen Auswirkungen auf die Berufstätigkeit ausgeführt. Auch auf den gerichtlichen Hinweis hin sei keine Konkretisierung des diesbezüglichen Sachvortrages erfolgt. Lediglich für die Monate Juni und Juli 2006 mangele es an der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Beklagten, da er in diesem Zeitraum zu einer stationären Behandlung im Krankenhaus gewesen sei.

Für den Monat Juli 2005 fehle es am Verzug. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Zahlung von 2265,- € für die Monate August 2005 bis Mai 2006 sowie August bis Dezember 2006 zu.

In Höhe von 1833,- € sei die ursprünglich bestehende Forderung durch Aufrechnung erloschen. Er sei eine Aufrechnung des Klägers mit Ansprüchen des Beklagten aus dem Steuerschuldverhältnis erfolgt. Insoweit sei die Klage abzuweisen.

Die Zinsentscheidung beruhe auf §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Ein Grund für die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung sei nicht ersichtlich. Über die Widerklage sei vorliegend nicht zu entscheiden, da eine Widerklage nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zulässig sei.

Am 19.05.2008 sei die mündliche Verhandlung gemäß § 136 Abs. 4 ZPO durch Bestimmung eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung geschlossen worden. Soweit dem Beklagten noch eine Schriftsatzfrist eingeräumt war, ermächtige ihn das nur zur Erwiderung auf das neue Tatsachenvorbringen des Klägers, jedoch nicht zum Nachschieben einer Widerklage. Da die Widerklage erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereicht wurde, sei über sie in diesem Verfahren nicht zu entscheiden.

Soweit der Kläger hinsichtlich des Antrages auf Zahlung des zukünftigen Unterhalts das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt habe, seien die diesbezüglichen Kosten dem Beklagten aufzuerlegen. Dies entspreche billigem Ermessen, da er ohne das erledigende Ereignis - fehlender Antrag von Unterhaltsvorschuss im Jahre 2007 - in diesem Verfahren unterlegen wäre.

Nach § 7 Abs. 4 UVG könne das Land bis zur Höhe der bisherigen monatlichen Aufwendungen auch auf künftige Leistungen klagen, wenn die Unterhaltsleistung voraussichtlich auf längere Zeit gewährt werden müsse. Das sei im Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahre 2006 noch der Fall. Da die Mutter der minderjährigen S. M. nachfolgend keinen weiteren Antrag auf UVG gestellt habe, sei ein erledigendes Ereignis eingetreten.

Der Beklagte greift das Urteil I. Instanz mit der Berufung an.

Er führt an, das Amtsgericht hat zu Unrecht der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Amtsgericht Gera gehe rechtsirrig davon aus, der Beklagte sei in dem Zeitraum 01.07.2005 bis 31.12.2006 leistungsfähig gewesen.

Der Beklagte hat dargelegt und unter Beweis gestellt, dass er in Höhe des Mindestunterhalts nicht leistungsfähig sei. Das Amtsgericht Gera wäre gehalten gewesen, die Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 19.06.2008 zur Grundlage seiner Entscheidung zu machen.

Des weiteren sei das Amtsgericht Gera in seiner Entscheidung vom 07.07.2008 in keiner Weise darauf eingegangen, dass die Klägerin Steuerrückerstattungsansprüche des Beklagten, die das Finanzamt Gera zu zahlen habe, nicht verrechnen durfte. Der Vortrag der Klägerin in dem erstinstanzlichen Verfahren enthalte keine rechtlichen Ausführungen, welche rechtliche Grundlage die Verrechnung haben solle. Sofern für die Verrechnung eine Berechtigung bestanden habe, habe die Klägerin für den Zeitraum 01.07.2005 bis 31.12.2006 noch einen Erstattungsanspruch in Höhe von 432,- €.

Für den Beklagten sei weiter vorgetragen worden, dass dieser für die Zeit vom 01.07.2005 bis 31.12.2006 überhaupt nicht zur Erstattung eines Vorschusses herangezogen werden könne. Zum einen sei der Beklagte zu den bereits vorgetragenen Zeiten während der stationären Aufenthalte zur Ausübung einer Arbeitstätigkeit nicht in der Lage gewesen. Zum anderen habe der Beklagte sich ernsthaft um Arbeit bemüht, jedoch keine Tätigkeit gefunden, die es ihm ermöglich hätte, Mindestunterhalt für das Kind S. M. zu bezahlen. Zum Nachweis der Bemühungen des Beklagten zur Aufnahme einer Arbeitstätigkeit werde auf die mit Schriftsatz vom 19.06.2008 überreichten Anlagen B 8 und B 9 verwiesen. Die Anlage B 8 umfasse Kopien von Schreiben, die der Beklagte auf seine Bewerbungen in der Zeit vom 16.03. bis 27.07.2006 erhalten habe. Sämtliche Bewerbungen des Beklagten seien erfolglos geblieben. Er habe entweder überhaupt keine Antwort auf seine Bewerbungsschreiben erhalten oder eben die in der Anlage B 8 zusammengefassten Absageschreiben. Die Anlage B) enthalte Kopien der Bewerbungsschreiben des Beklagten in dem Zeitraum 24.03. bis 09.09.2006. Er habe auf diese Bewerbungsschreiben keine Zusagen erhalten. Die von dem Beklagten unternommenen Bemühungen zur Aufnahme einer Arbeit seien insgesamt erfolglos geblieben.

Da die ernsthaften und umfangreichen Bemühungen des Beklagten nicht zur Aufnahme einer Tätigkeit führten, habe der Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum auch kein Einkommen erzielt, welches ihm die Möglichkeit zur Zahlung von Unterhalt gebe.

Die Auffassung, dass der Beklagte in Bezug auf den erledigten Teil des Rechtsstreits die Kosten zu tragen habe, könne ebenfalls nicht akzeptiert werden.

Die Klägerin habe mit Schriftsatz vom 18.12.2006 wegen übergegangener Unterhaltsansprüche Klage erhoben. Gleichzeitig sei für die Dauer zukünftiger Unterhaltsvorschusszahlungen, längstens für 72 Monate, Erstattung begehrt worden. Zu dieser Zeit habe der Klägerin überhaupt kein Antrag der Kindesmutter auf Zahlung von Unterhaltsvorschussleistungen ab dem 01.01.2007 vorgelegen. Der Antrag sei von Anfang an unbegründet gewesen. Die Klägerin habe deshalb auch die Kosten dieses Antrages zu tragen.

Er beantragt,

1. unter Abänderung des am 07.07.2008 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Gera, Az. 3 F 90/07, wird die Klage abgewiesen,

2. die Klägerin wird im Wege der Widerklage verurteilt, an den Beklagten 1833,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in Höhe von 1510,- € seit dem 25.04.2006 und aus weiteren 323,- € seit dem 09.04.2008 zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

1. die Berufung wird zurückgewiesen,

2. die Widerklage wird abgewiesen.

Er verteidigt das Urteil I. Instanz.

Das Amtsgericht Gera habe im Rahmen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit des Beklagten zutreffend die Schlussfolgerung gezogen, dass der Beklagte im ausgeurteilten Zeitraum leistungsfähig war. Der Beklagte habe in I. Instanz nicht ansatzweise seiner Darlegungs- und Beweislast genügt. Im Schriftsatz vom 04.10.2007 habe der Beklagte lediglich vorgetragen, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen nach dem SGB bezogen habe. Über diese Einkünfte hinaus habe er noch Einnahmen in Höhe von 400,- € im Mai 2005, in Höhe von 2000,- € von Juli 2005 bis November 2005 und in Höhe von 400,- € im Dezember 2005 erzielt.

Den Beklagten treffe gegenüber seinem minderjährigen Kind eine erhöhte Erwerbsverpflichtung. Der Beklagte berufe sich in seiner Berufungsbegründung auf seinen erstinstanzlichen Vortrag in dem Schriftsatz vom 19.06.2008. Unabhängig davon, dass dieses Vorbringen völlig zutreffend als verspätet zurückgewiesen worden sei und in dem Urteil erster Instanz keine Berücksichtigung habe finden können, da die mündliche Verhandlung bereits am 19.05.2008 gemäß § 136 Abs. 4 ZPO geschlossen worden sei, beinhalte der Schriftsatz vom 19.06.2008 keinerlei Vortrag zu den Erwerbsbemühungen des Beklagten. Die Anlagen 8 und 9 lägen dem Kläger nicht vor. Auch könnten Anlagen keinen Sachvortrag ersetzen. Es werde auch bestritten, dass sich der Beklagte ausreichend und umfassend beworben hätte.

Der Beklagte sei arbeitsunfähig, also krank, offensichtlich nicht. Der Beklagte habe weder im Verfahren der ersten Instanz noch im Berufungsverfahren Art und Umfang seiner behaupteten gesundheitlichen Beschwerden vorgetragen.

Das Amtsgericht habe zutreffend berücksichtigt, dass der Beklagte in den Monaten Juni und Juli 2006 wegen eines stationären Krankenhausaufenthalts als tatsächlich nicht leistungsfähig anzusehen sei. Für diese beiden Monate habe das Erstgericht dem Kläger auch den Rückforderungsanspruch versagt.

Der Beklagte habe in I. Instanz die Verrechnung mehrfach ausdrücklich anerkannt. Nochmals im Schriftsatz vom 19.06.2008 habe der Beklagte zugestanden, dass die Zahlungsverpflichtung des Beklagten aufgrund der vom Kläger vorgenommenen Verrechnung in Höhe eines Teilbetrages von 1833,- € erfüllt sei. Selbst in der Berufungsbegründung gestehe der Beklagte zu, dass der Kläger gegen den Beklagten nur einen Erstattungsanspruch in Höhe von 432,- € besitzen würde. Dies sei genau der Betrag aus Ziffer 1 des nunmehr angegriffenen Urteils.

Es werde der Einwand erhoben, dass die Widerklage prozessual unzulässig sei. Forderungen gegen das Land Thüringen aus dem Steuerschuldverhältnis seien dem öffentlichen Recht zugehörig und deshalb ausschließlich der Finanzgerichtsbarkeit zugewiesen.

Da die Widerklage verspätet erhoben wurde, dürfte sie für das nunmehrige Berufungsverfahren unzulässig sein, ungeachtet der Tatsache, dass sie auch unbegründet sei. Bei einer Verhandlung des Antrages vor dem Thüringer Oberlandesgericht würde dem Kläger eine Instanz fehlen. Die Widerklage sei deshalb als unzulässig und auch als unbegründet zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Kosten des erledigten Teils schließe man sich der Begründung des Erstgerichts an.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung des Beklagten und die Widerklage sind unbegründet.

Der Vortrag des Beklagten in dem Schriftsatz vom 19.06.2008 ist nicht verspätet. Das Amtsgericht hat den Beklagten im Termin vom 19.05.2008 darauf hingewiesen, dass sein Sachvortrag zu seinen Erkrankungen und den Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit nicht ausreichend substantiiert sei und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 09.06.2008 gegeben. Die Frist zur Stellungnahme wurde bis zum 19.06.2008 verlängert. Der Beklagte hat innerhalb der verlängerter Stellungnahmefrist zu Art und Umfang seiner Bewerbungsbemühungen vorgetragen. Die Berücksichtigung des Vorbringens hätte die Entscheidung des Rechtsstreits nicht verzögert, da die Beurteilung der Frage, ob der Beklagte durch die vorgelegten Bewerbungen seiner Erwerbsobliegenheit genügt hat, eine Rechtsfrage ist.

Angriffs- und Verteidigungsmittel, die das Amtsgericht mit Recht zurückgewiesen hat, können in II. Instanz erneut vorgebracht werden, wenn nicht § 615 Abs. 1 ZPO entgegensteht (Zöller/Philippi, ZPO, 27. Auflage, § 615, Rdnr. 10). Der Beklagte hat in II. Instanz seinen Vortrag zu seinen Erwerbsbemühungen wiederholt; sein erstinstanzlicher Vortrag war - wie vorstehend ausgeführt - nicht verspätet.

Die Bewerbungsbemühungen des Beklagten sind aber nicht ausreichend. Die Bewerbungsversuche (13 Ablehnungsschreiben in dem Zeitraum März bis Juni 2006; 36 Bewerbungen in dem Zeitraum März bis September 2006) reichen schon von der Anzahl nicht aus. Der Senat verlangt in ständiger Rechtsprechung, dass ein Erwerbstätiger 20 Bewerbungsversuche pro Monat und ein Nichterwerbstätiger 8 Bewerbungsversuche pro Monat unternimmt. Die Parteien streiten über den Unterhaltszeitraum 01.07.2005 bis 31.12.2006. Der Kläger hat seine Bewerbungsversuche "nur" auf den Zeitraum März bis September 2006 beschränkt. Die Bewerbungen reichen auch von der zusammenhängenden Dokumentation nicht aus (Bezug der Bewerbung, Bewerbungsschreiben und Absage, Zusage etc.).

Auch zu den in I. Instanz behaupteten gesundheitlichen Einschränkungen des Beklagten, die er nicht ausdrücklich zum Gegenstand seines Vortrages in der Berufungsinstanz macht, ist den Feststellungen des Amtsgerichts zu folgen. Der Beklagte hat über den Zeitpunkt des stationären Aufenthalts hinaus nicht dargelegt, inwiefern die vorgetragenen gesundheitlichen Beschwerden sich auf seine Arbeitsfähigkeit auswirken.

Der Kläger hat die Erfüllung durch Aufrechnung bei der Antragstellung nicht berücksichtigt, um gegenüber dem Finanzamt den Nachweis zu führen, dass der Beklagte ihm die Forderung in Höhe von 151,- € monatlich in voller Höhe schuldet.

In materiell-rechtlicher Hinsicht beurteilt sich die Klägeraufrechnung nach den §§ 387 ff. BGB. Aufrechnen kann nicht nur der (materielle) Schuldner, sondern auch der (materielle) Gläubiger.

In prozessualer Hinsicht hat die Klägeraufrechnung keine Regelung im Gesetz gefunden. Die §§ 145 Abs. 2 und 322 Abs. 2 ZPO sprechen nur die Aufrechnung durch den Beklagten an. Die gesetzliche Regelungslücke wird darauf zurückzuführen sein, dass der Gesetzgeber an die Möglichkeit der Aufrechnung durch den angreifenden Kläger nicht gedacht hat angesichts des Charakters der Aufrechnung als Verteidigungsmittel. Der Kläger hätte, um ein Prozessrisiko zu umgehen, in der Klageschrift nur den überschiessenden Teil der Klageforderung einklagen dürfen (Niklas, Die Klägeraufrechnung, MDR 1987, 96).

Die Klägeraufrechnung wächst auch in Rechtskraft. Die Vorschrift des § 322 Abs. 2 ZPO beschränkt sich zwar nur auf die Beklagtenaufrechnung. Die Frage der Klägeraufrechnung ist demnach nur im Wege der Analogie zu lösen. Es stellt sich die Frage, ob eine Regelungslücke vorliegt oder aber der Gesetzgeber eine abschließende Regelung gewollt hat. Für eine Analogiefähigkeit spricht, dass die fehlende Regelung der Klägeraufrechnung darauf zurückzuführen ist, dass im Regelfall nur der Beklagte aufrechnet, nicht aber der Kläger, der Gesetzgeber also diese Konstellation nicht gesehen und damit auch nicht geregelt hat (Niklas, a.a.O. m w N).

Der Kläger hätte seine Aufrechnungsforderung als Abzug von der Klageforderung in den Rechtsstreit einbeziehen müssen. Das Amtsgericht hat daher die aufgerechnete Forderung zu Recht als Erfüllung von der Klageforderung in Abzug gebracht; insoweit ist der Kläger in der Rolle des Unterlegenen geraten.

Die von dem Beklagten erhobene Widerklage ist zulässig, aber unbegründet. Das Amtsgericht hat die Widerklage nicht berücksichtigt, da sie nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereicht wurde. In der Berufungsinstanz ist die Widerklage nur zulässig, wenn der Kläger zustimmt oder das Gericht die Geltendmachung für sachdienlich hält und der Streitstoff durch die Widerklage nicht erweitert wird (§ 533 Nr. 1, 2 ZPO; vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Auflage, § 33, Rdnr. 10). Die letzteren beiden Voraussetzungen liegen vor; die Widerklage ist somit zulässig.

Das Gericht des zulässigen Rechtswegs entscheidet den Rechtsstreit nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG "unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten". Diese Bestimmung eröffnet eine rechtswegüberschreitende Sachkompetenz, sofern der beschrittene Rechtsweg zu dem angerufenen Gericht für einen Klagegrund zulässig ist (vgl. BT-Drucks 11/7030, S. 37). Das angerufene Gericht ist demnach verpflichtet, in Fällen, in denen die Klagforderung auf mehrere, an sich verschiedenen Rechtswegen zugeordnete Anspruchsgrundlagen gestützt werden kann, über sämtliche Klagegründe zu entscheiden, sofern der beschrittene Rechtsweg für einen von ihnen gegeben ist. Die Ausweitung des Prüfungsumfanges durch die zum 01.01.1991 in Kraft getretene Neuregelung des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG erstreckt sich jedoch nicht auf den Fall der Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Gegenforderung (VG Bremen, Az. 5 K 3144/07, Quelle juris). Denn die zur Aufrechnung gestellte rechtswegfremde Forderung stellt keinen "rechtlichen Gesichtspunkt" im Sinne des § 17 Abs. 2 GVG dar. Es handelt sich vielmehr ein selbständiges Gegenrecht, das dem durch die Klage bestimmten Streitgegen-stand einen weiteren selbständigen Gegenstand hinzufügt. Die Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Forderung ist daher vergleichbar mit den Fällen der objektiven Klagehäufung und der Widerklage, für die ebenfalls keine Entscheidungsbefugnis besteht (Zöller/Lückemann, ZPO, 27. Auflage, § 17 GVG, Rdnr. 10).

Im vorliegenden Fall besteht aber die Besonderheit, dass die Forderung des Beklagten aus Steuererstattung unstreitig ist und der Klärung in einem "fremden" Rechtsweg nicht bedarf. Dies gilt somit auch (für die Aufrechnung, die in II. Instanz nicht Streitgegenstand ist) und auch für die Widerklage, insoweit macht der Beklagte nur geltend, dass ein Unterhaltsanspruch dem Grunde und der Höhe nach nicht besteht. Insoweit greift eine Ausweitung des Prüfungsumfangs gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 GVG ein. Die Prüfung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Unterhaltsforderung fällt in die Sachkompetenz des Familiengerichts.

Die Widerklage ist aber unbegründet, da die geltend gemachte Forderung - wie vorstehend ausgeführt - durch die Aufrechnung verbraucht ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Schutzanordnungen nach den §§ 711, 712 ZPO waren wegen § 713 ZPO nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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