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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 18.12.2003
Aktenzeichen: 1 Sa 355/02
Rechtsgebiete: SGB IV


Vorschriften:

SGB IV § 26 Abs. 2
Bei rechtsgrundloser Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen ist der Arbeitnehmer nur um den Erstattungsanspruch aus § 26 Abs. 2 SGB IV oder dessen Wert bereichert. Entfällt der Erstattungsanspruch, weil der Versicherungsträger die Gegenleistung erbracht hat (z. B. Versicherungsschutz gewährt hat), besteht kein weitergehender Bereicherungsanspruch des Arbeitgebers.

Hier: falsche sozialversicherungsrechtliche Einordnung der angestellten Hochschulprofessoren, die nach beamtenrechtlichen Vorschriften bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe haben.


Tenor:

1) Auf die Berufung des Beklagten wird, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen, das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 09.04.2002, Az.: 8 Ca 3445/01, abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.515,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.09.2001 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2) Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 1/7 und der Beklagte 6/7 zu tragen.

3) Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Parteien sind Erstattungsansprüche des Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung streitig.

Der am 08.04.1936 geborene Kläger war beim Beklagten als Hochschulprofessor im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Für die Zeit vom 01.04.1993 bis 31.10.1999 regelte der Anstellungsvertrag vom 18.05./28.06.1993 die gegenseitigen Rechte und Pflichten. Danach fand auf das Arbeitsverhältnis der BAT-O in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Der Kläger erhielt eine Vergütung in Höhe der Bezüge eines Beamten der Besoldungsgruppe C 3 Bundesbesoldungsordnung C. § 4 S. 1 des Anstellungsvertrages lautet:

Für den Umfang der zu übernehmenden Lehrverpflichtungen, hinsichtlich Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall, Erholungsurlaub, Sonderurlaub und Dienstbefreiung, Beihilfe sowie Nebentätigkeit gelten die beamtenrechtlichen Vorschriften des Landes Thüringen in der jeweils geltenden Fassung.

Der Kläger ist zwischenzeitlich wegen Erreichen des Rentenalters aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden.

Der Beklagte hat für den Kläger in der Zeit vom 01.03.1995 bis 31.10.1999 Sozialabgaben wie für einen in der gesetzlichen Sozialversicherung versicherten Arbeitnehmer abgeführt. Wegen der geleisteten Zahlungen wird auf die Aufstellung gem. Bl. 34 - 41 d. A. Bezug genommen.

Der Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 11.10.1999 (Bl. 49 d. A.) darauf hingewiesen, dass er keinen Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung habe und daher ab 01.11.1999 die Zahlung der Zuschüsse eingestellt werde. Mit einem weiteren Schreiben ebenfalls vom 11.10.1999 (Bl. 50 d. A.) hat der Beklagte unter Bezugnahme auf die tarifvertragliche Ausschlussfrist die für die Monate April bis Oktober 1999 gezahlten Zuschüsse in Höhe von insgesamt 2.948,40 DM zurückgefordert.

Beide Parteien haben sodann unter dem 13.12.1999 bei der ...kasse als der für den Kläger zuständigen Einzugsstelle einen Antrag auf Erstattung der zu Unrecht geleisteten Sozialversicherungsbeiträge gestellt. Diesem Antrag war die oben genannte Aufstellung beigefügt. Im Antrag war angekreuzt, dass die zu erstattenden Arbeitnehmeranteile vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer ausgezahlt werden (Bl. 308 d. A.).

Die Einzugsstelle hat mit Schreiben vom 18.05.2000 (Bl. 312, 313 d. A.) mitgeteilt, dass aus den für den Kläger im Zeitraum 01.03.1995 bis 31.10.1999 geleisteten Zahlungen Beiträge in Höhe von 27.678,38 DM erstattet werden. Davon belaufen sich die erstatteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung auf 25.142,00 DM und die erstatteten Beiträge zur Pflegeversicherung auf 2.190,78 DM. Erstattet wurden auch Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 345,60 DM. Dabei handelt es sich um Überzahlungen aus den Monaten März bis Oktober 1999 in Höhe der Differenz zwischen dem allgemeinen und dem ermäßigten Beitragssatz von monatlich 43,20 DM.

Der Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 05.10.2000 unter Hinweis darauf, dass in der Vergangenheit zu Unrecht Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung geleistet worden seien, davon in Kenntnis gesetzt, dass er die Beitragserstattung in Höhe von 15.107,38 DM (12.571,00 DM + 2.190,78 DM + 345,60 DM) mit seinem - des Beklagten - Anspruch auf Rückzahlung der zu Unrecht gezahlten Zuschüsse in gleicher Höhe verrechnen werde.

Mit Schreiben vom 04.05.2001 hat der Beklagte die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung spezifiziert. Danach beläuft sich der Beitragszuschuss zur Krankenversicherung auf 17.019,17 DM und zur Pflegeversicherung auf 2.190,78 DM, insgesamt ergebe sich daher ein Rückforderungsanspruch in Höhe von 19.209,95 DM. Nach Aufrechnung innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist mit einem Betrag von 2.948,40 DM verbleibe ein Betrag von 12.158,98 DM. Auch gegen diesen dem Kläger zustehenden Erstattungsbetrag könne jedoch mit den Rückforderungsansprüchen bezüglich der zu Unrecht geleisteten Zuschüsse aufgerechnet werden, weil die Berufung des Klägers auf die Ausschlussfrist rechtsmissbräuchlich wäre. Der zugunsten des Beklagten verbleibende Restbetrag in Höhe von 4.102,57 DM werde nicht zurückgefordert.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte die zu Unrecht geleisteten Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung nicht von ihm zurückverlangen könne. Eine Gegenforderung, mit der gegen seinen Anspruch auf Herausgabe der von der Einzugsstelle erstatteten Beiträge in Höhe von insgesamt 15.107,38 DM bzw. 7.724,28 € aufgerechnet werden könne, bestehe nicht, zumindest sei sie nicht innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist geltend gemacht. Die Berufung auf die Ausschlussfrist sei auch nicht rechtsmissbräuchlich.

Der Kläger hat die Klage gegen die Oberfinanzdirektion als die für ihn zuständige Gehaltsstelle gerichtet.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.724,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat die Auffassung vertreten, die zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche seien wegen Eingreifens der tarifvertraglichen Ausschlussfrist erloschen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt des Urteils (Bl. 110 - 123 d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 28.05.2002 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 28.06.2002 Berufung eingelegt und die Berufung am 29.07.2002 begründet.

Der Beklagte ist unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags der Auffassung, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zuschuss zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung gehabt. Er hätte vielmehr die Beiträge in voller Höhe aus eigenen Mitteln selbst aufbringen müssen. Er sei durch die von ihm - dem Beklagten - erbrachten Zuschusszahlungen von einer eigenen Verbindlichkeit befreit und insoweit bereichert. Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung sei auch nicht verspätet geltendgemacht, denn der Anspruch unterfalle nicht der tarifvertraglichen Ausschlussfrist. Für den Fall, dass die Aufrechnung wegen der Eigenart des Schuldverhältnisses ausgeschlossen sei, werde der Rückforderungsanspruch hilfsweise im Wege der Widerklage geltendgemacht.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise widerklagend,

den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 7.724,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und den hilfsweise gestellten Widerklageantrag abzuweisen.

Der Kläger hat im Berufungsrechtszug die Bezeichnung des Beklagten, wie aus dem Rubrum ersichtlich, berichtigt.

Er verteidigt das angefochtene Urteil mit den aus der Berufungsbeantwortung vom 02.09.2002 (Bl. 211 - 224 d. A.) und dem Schriftsatz vom 17.11.2003 (Bl. 319 - 322 d. A.) ersichtlichen Gründen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nur teilweise begründet.

I) Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat gem. § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO den Beklagten als Partei hinreichend genau bezeichnet. Zwar hat der Kläger den Beklagten erstinstanzlich nur unter dem Namen der Behörde, die für die Gehaltsfestsetzung zuständig ist, verklagt. Seine Identität war jedoch von vornherein bestimmbar. Die in der Berufungsinstanz nachgeholte Berichtigung des Beklagtenrubrums führt folglich auch nicht zu einem Parteiwechsel.

II) Die Klage ist begründet, soweit der Kläger die Herausgabe der erstatteten Arbeitnehmeranteile zur Arbeitslosenversicherung und zur Krankenversicherung begehrt. Weitergehende Ansprüche des Klägers bestehen nicht, ebensowenig aufrechenbare Gegenforderungen des Beklagten.

1) Anspruchsgrundlage für den Herausgabeanspruch des Klägers ist die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung vom 13.12.1999. Unter diesem Datum haben die Parteien gemeinsam einen "Antrag auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung" bei der ...kasse gestellt. Die ...kasse ist zuständige Einzugsstelle für den auf den Lohn des Klägers entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28 h Abs. 1 SGB IV). Dem Antrag war eine Aufstellung der im Zeitraum vom 01.03.1995 bis 31.10.1999 für jede Beitragsart gezahlten Beiträge und zu zahlenden Beiträge, jeweils unterschieden nach Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteilen, beigefügt. Aus der Differenz beider Positionen ergaben sich Erstattungsbeträge lediglich in der Arbeitslosenversicherung und in der Pflegeversicherung.

Der Antrag enthält u. a. die Abrede: Die Arbeitnehmeranteile werden vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer ausgezahlt.

a) Die ...kasse hat für den oben genannten Zeitraum am 18.05.2000 - per Zahlungseingang beim Beklagten vom 26.05.2000 (Bl. 314 d. A.) - den Gesamtbeitrag zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von 25.142,00 DM erstattet. Der Arbeitnehmeranteil beläuft sich gem. § 346 Abs. 1 SGB III auf die Hälfte des Gesamtbeitrags, mithin auf 12.571,00 DM. Nur in dieser Höhe war im Antrag vom 13.12.1999 auch die Erstattung von Arbeitnehmeranteilen beantragt worden (Bl. 308 d. A.).

b) Erstattet wurden ferner - und zwar außerhalb des Erstattungsantrages vom 13.12.1999 - zu viel gezahlte Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 345,60 DM. Diese Beitragserstattung betrifft nicht die Frage, ob der Kläger zu Recht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert war, sondern nur die Frage, in welcher Höhe die Beiträge unter der Voraussetzung einer bestehenden Versicherungspflicht zu leisten waren. Insoweit wurden für den Kläger für die Monate März bis Oktober 1999 Beiträge in Höhe der Differenz zwischen dem ermäßigten und dem allgemeinen Beitragssatz erstattet. Der Arbeitnehmeranteil beläuft sich gem. § 249 Abs. 1 SGB V auf die Hälfte des erstatteten Betrages, mithin auf 172,80 DM.

Die erstatteten Arbeitnehmeranteile belaufen sich demnach insgesamt auf 12.743,80 DM bzw. 6.515,80 €. Insoweit ist die Klage begründet, denn die erstatteten Beiträge stehen dem Kläger zu. Der Beklagte hat sie gleichsam als Zahlstelle nur vereinnahmt und sich zur Auszahlung an den Kläger verpflichtet.

2) Die Klage war abzuweisen, soweit der Kläger auch die Herausgabe der erstatteten Arbeitgeberanteile zur Krankenversicherung sowie der vom Arbeitgeber geleisteten Beiträge zur Pflegeversicherung begehrt. Es handelt sich nicht um Arbeitnehmeranteile, so dass ein Herausgabeanspruch bereits aus der Vereinbarung vom 13.12.1999 nicht besteht. § 26 Abs. 3 SGB IV bestimmt im Übrigen, dass der Erstattungsanspruch demjenigen zusteht, der die Beiträge getragen hat.

a) Dies war im Falle der erstatteten Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe der Hälfte des Erstattungsbetrages (172,80 DM) der Arbeitgeber, also der Beklagte.

b) Auch der aus den Leistungen für die Pflegeversicherung erstattete Betrag (2.190,78 DM) ist eine Leistung, die der Arbeitgeber getragen hat.

Der Erstattungsbetrag beläuft sich auf die Hälfte der insgesamt für die Pflegeversicherung im fraglichen Zeitraum geleisteten Beiträge. Dies bedeutet, dass für die beim Sozialversicherungsträger verbliebene - nicht erstattete - Hälfte die Beiträge zu Recht geleistet wurden. Bei diesen letztgenannten Beiträgen kann es sich nur um Beiträge handeln, die der Arbeitnehmer, also der Kläger, zu tragen hat. Dabei kann zunächst dahinstehen, wie der Kläger sozialversicherungsrechtlich einzuordnen ist. Wäre er in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert, so hätte er gem. § 58 Abs. 1 S. 2 i. V. mit § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI den Beitrag zur Hälfte zu tragen. Als in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig Versicherter hätte er gem. § 59 Abs. 4 SGB XI den Beitrag zwar alleine zu tragen, würde jedoch gem. § 61 Abs. 1 SGB XI einen Beitragszuschuss vom Arbeitgeber erhalten. Auch wenn ein Fall des § 55 Abs. 1 S. 2 SGB XI anzunehmen wäre, weil der Kläger nach beamtenrechtlichen Grundsätzen Anspruch auf Beihilfe hat, hätte er zwar nur die Hälfte des Beitrags zu zahlen, aber gem. § 61 Abs. 8 SGB XI keinen Anspruch auf einen Beitragszuschuss durch den Arbeitgeber.

Aus allem folgt, dass der aus der Pflegeversicherung erstattete Beitrag dem Beklagten zusteht. Dies wird bestätigt durch den Erstattungsantrag vom 13.12.1999. Aus der dem Antrag beigefügten Aufstellung geht hervor, dass lediglich für die unter der Rubrik "Arbeitgeberanteile" geleisteten Zahlungen zur Pflegeversicherung eine Beitragserstattung beantragt war. Die Zentrale Gehaltsstelle hat nicht nur diese Aufstellung selbst gefertigt, sondern auch die Zuordnung der Erstattungsbeträge zu den einzelnen Versicherungsarten und innerhalb dieser wiederum zu den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteilen vorgenommen. Bereits von daher ist völlig unverständlich, weshalb im Nachhinein auch der Beklagte entgegen der von ihm selbst getroffenen Zuordnung meint, der Erstattungsbetrag für die Pflegeversicherung stehe an sich dem Kläger zu. Noch im Antrag vom 13.12.1999 wurde die Erstattung von Arbeitgeberanteilen in Höhe von 14.761,78 DM beantragt. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus den Arbeitgeberanteilen zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von 12.571,00 DM und den Arbeitgeberanteilen zur Pflegeversicherung in Höhe von 2.190,78 DM.

3) Der Anspruch des Klägers auf Herausgabe bzw. Zahlung der erstatteten, vom Beklagten aber einbehaltenen Arbeitnehmeranteile ist nicht durch Aufrechnung gem. § 389 BGB erloschen. Die behauptete Gegenforderung besteht nicht.

a) Soweit der Beklagte mit dem für die Pflegeversicherung geleisteten Beitrag in Höhe von insgesamt 2.190,78 DM gegen einen dem Kläger angeblich zustehenden Erstattungsbetrag in gleicher Höhe aufrechnet, scheitert die Aufrechnung bereits daran, dass die Hauptforderung nicht besteht. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Herausgabe der für die Pflegeversicherung erstatteten Beiträge. Der Erstattungsanspruch stand vielmehr von vornherein dem Beklagten zu. Auf die obigen Ausführungen kann verwiesen werden.

Auch in Höhe des erstatteten Arbeitgeberanteils zur Krankenversicherung fehlt ein Anspruch des Klägers, gegen den aufgerechnet werden könnte.

b) Bezüglich der übrigen im Zeitraum vom 01.03.1995 bis 31.10.1999 geleisteten Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe des Arbeitgeberanteils, nämlich in Höhe von 16.846,37 DM (17.019,17 DM - 172,80 DM), besteht keine Gegenforderung. Dem Beklagten steht gegen den Kläger kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 BGB zu.

aa) Der Kläger war gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei, da er gem. § 4 des Anstellungsvertrages vom 18.05./28.06.1993 nach beamtenrechtlichen Vorschriften bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe hatte. Es wären daher für ihn keinerlei Beiträge an eine gesetzliche Krankenversicherung zu leisten gewesen. Die Abführung von Arbeitnehmeranteilen zur Krankenversicherung hätte ebenso unterbleiben müssen, wie die Abführung von Arbeitgeberanteilen bzw. die Zahlung eines Arbeitgeberzuschusses in gleicher Höhe. Dennoch hat der Beklagte den Kläger behandelt wie einen in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Arbeitnehmer. Dabei kann dahinstehen, ob eine gesetzliche Versicherungspflicht oder eine freiwillige Versicherung gem. § 257 Abs. 1 S. 1 SGB V angenommen wurde, die dann gegeben ist, wenn der Versicherte nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei ist. Zwar hat der Beklagte behauptet, die von ihm erbrachten Leistungen seien Beitragszuschüsse i. S. der letztgenannten Vorschrift gewesen. Dies findet in der vom Beklagten selbst gefertigten Aufstellung zum Erstattungsantrag vom 13.12.1999 allerdings keine Stütze, denn dort sind die Krankenversicherungsbeiträge, wie alle dort genannten Versicherungsbeiträge, nur unter den Rubriken Arbeitnehmeranteile bzw. Arbeitgeberanteile aufgeführt. Von einem Zuschuss ist nichts erwähnt. Die Einzugsstelle erstattet im Übrigen gem. § 26 SGB IV nur Beiträge und keine Zuschüsse. Zahlt der Arbeitgeber Zuschüsse, so trägt der Arbeitnehmer den Beitrag in voller Höhe. Dieser Fall wurde aber für den Erstattungsantrag der Parteien nicht angenommen, wie sich aus der dem Antrag beigefügten Aufstellung der Gesamtversicherungsbeiträge ergibt.

bb) Fest steht immerhin, dass die Beiträge zur Krankenversicherung zu Unrecht entrichtet wurden, so dass grundsätzlich gem. § 26 Abs. 2 SGB IV ein Erstattungsanspruch gegeben wäre. Es greift jedoch die Ausnahmeregelung ein, wonach der Erstattungsanspruch dann entfällt, wenn der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Anspruchs aufgrund der Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat. Dies bedeutet, dass trotz einer rechtsgrundlosen Beitragsleistung ein faktisches Versicherungsverhältnis unterstellt wird, weil die Gegenleistung, nämlich der Versicherungsschutz, erbracht wurde. Folgerichtig entfällt der Erstattungsanspruch.

In richtiger Erkenntnis dieser Rechtslage haben beide Parteien die Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge gar nicht erst beantragt. Der Antrag wäre erfolglos gewesen.

cc) Bezogen auf den Bereicherungsanspruch bedeutet dies, dass § 26 Abs. 2 SGB IV eine Spezialregelung bei rechtsgrundloser Beitragsleistung darstellt. Der Rechtsgrund wird bei möglicher oder tatsächlicher Inanspruchnahme der Leistungen als gegeben unterstellt. Im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer könnten demnach Bereicherungsansprüche nur bestehen, wenn wegen der rechtsgrundlosen Beitragsleistung ein Erstattungsanspruch gegeben wäre. Stünde er dem Arbeitnehmer zu, so wäre dieser um den Erstattungsanspruch oder dessen Wert bereichert (BAG vom 29.03.2001, AP Nr. 1 zu § 26 SGB IV). Dem Kläger steht jedoch kein Erstattungsanspruch zu. Er ist insoweit nicht bereichert.

dd) Da die Rückabwicklung des faktisch gegebenen Versicherungsverhältnisses gem. § 26 Abs. 2 SGB IV ausgeschlossen ist, ist auch die Annahme des Beklagten verfehlt, der Kläger sei durch seine - des Beklagten - Beitragsleistung von einer eigenen Verbindlichkeit befreit und insoweit bereichert.

Die Befreiung von einer Verbindlichkeit setzt voraus, dass überhaupt eine Verbindlichkeit bestanden hat. Die vom Beklagten gemeinte Verbindlichkeit kann nur in einer Verpflichtung des Klägers gesehen werden, sich privat gegen Krankheit zu versichern. Dies wäre selbstverständlich auch, wenn auch zu anderen Konditionen, bei der ...kasse möglich gewesen, deren Mitglied der Kläger war. Für den Abschluss einer derartigen Privatversicherung bestand jedoch für den Zeitraum bis zur Stellung des Erstattungsantrages keine Veranlassung und schon gar keine Verpflichtung des Klägers, denn er war mit der erbrachten Beitragsleistung versichert, wenn auch nur in einem faktischen Versicherungsverhältnis.

ee) Der Kläger war auch nicht - gleichsam stillschweigend - privat krankenversichert, so dass anzunehmen wäre, der von ihm gezahlte Arbeitnehmerbeitrag sei die vertraglich geschuldete Beitragsleistung gewesen, die Zahlung des Arbeitgeberanteils durch den Beklagten stelle unter diesen Voraussetzungen eine ungerechtfertigte Bereicherung dar. Falls der Beklagte durch sein wiederholtes Insistieren darauf, dass der Kläger ein freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung gewesen sei, auf eine solche Rechtskonstruktion abstellt, kann dem nicht gefolgt werden. Die Begründung einer freiwilligen Mitgliedschaft würde einen bewussten Rechtsakt durch den Kläger voraussetzen, der gerade nicht stattfand. Der Beklagte hat den Kläger rechtsirrig sozialversicherungsrechtlich falsch eingeordnet und zwar, wie aus der Aufstellung zum Erstattungsantrag vom 13.12.1999 hervorgeht, in die gesetzliche Pflichtversicherung. Der Kläger hat hierzu überhaupt keine Willenserklärung abgegeben und musste dies auch nicht tun, allein deshalb, weil die Sozialversicherungspflicht nicht zur Disposition der Parteien des Arbeitsvertrages steht. Unter Bereicherungsgesichtspunkten wäre aber auch hier nur erheblich, ob der Kläger verpflichtet gewesen sein könnte, freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung zu werden und von dieser Verpflichtung durch die Zahlung des Beklagten befreit wurde. Dies ist aus den bereits genannten Gründen zu verneinen.

4) Da die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nicht bestanden hat, kann die vom Arbeitsgericht erörterte Frage dahinstehen, ob Ausschlussfristen eingreifen.

5) Abschließend ist der Hinweis angebracht, dass die ohnehin schwierige Materie dadurch verkompliziert wurde, dass der Gehaltsstelle des Beklagten auch bei der Rückabwicklung des Sozialversicherungsverhältnisses des Klägers Fehler unterlaufen sind, die für zusätzliche Verwirrung sorgen mussten. Der Beklagte hat nämlich dem Kläger fälschlich Erstattungsleistungen zugeordnet, obwohl bereits aus einem schlichten Vergleich zwischen den im Erstattungsantrag mitgeteilten Zahlen und dem Erstattungsbetrag zu ersehen gewesen wäre, dass die Zuordnung nicht zutreffen kann. So geht der Beklagte in der Forderungsaufstellung vom 04.05.2001 davon aus, dass der erstattete Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 345,60 DM ebenso dem Kläger zusteht, wie die erstatteten Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 2.190,78 DM. Es wurde nicht gesehen, dass in dem einen Betrag (Krankenversicherung) die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile enthalten waren, im anderen Betrag (Pflegeversicherung) aber nur der Arbeitgeberanteil. Die dem Kläger zustehenden Erstattungsleistungen beliefen sich daher von vornherein nur auf 12.743,80 DM und nicht, wie der Beklagte seiner Forderungsaufstellung zugrundelegte, auf 15.107,38 DM. Es versteht sich von selbst, dass die falschen Ausgangszahlen auch die rechtliche Einordnung nicht gerade erleichtert haben. Hätte die Gehaltsstelle die Angelegenheit wenigstens bei der Rückabwicklung mit der Sorgfalt bearbeitet, die man von ihr billigerweise erwarten kann, hätte vermutlich die ganze gerichtliche Auseinandersetzung - und nicht zuletzt die dadurch verursachte Kostenbelastung - vermieden werden können.

III) Bezüglich der Nebenforderungen ist anzumerken, dass der Kläger im Klageantrag, auch soweit er im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils wiedergegeben wurde, keinen Zeitpunkt für den Beginn der Zahlung der Verzugszinsen angegeben hat. Das arbeitsgerichtliche Urteil hat dieses Versehen stillschweigend korrigiert und Zinsen ab Rechtshängigkeit zugesprochen. Diese Entscheidung wurde mit der Berufung nicht gesondert angegriffen, so dass das arbeitsgerichtliche Urteil insoweit nicht abzuändern war.

IV) Der vom Beklagten im Berufungsrechtszug hilfsweise gestellte Widerklageantrag ist nicht angefallen.

V) Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Bei einem Gegenstandswert von 7.724,28 € hat der Kläger mit 6.515,80 € obsiegt, dies ergibt eine Kostenquotelung von 6/7 zu 1/7 zu Lasten des Beklagten.

VI) Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die tatsächlichen Auswirkungen der Entscheidung sind von wirtschaftlicher Tragweite für einen größeren Teil der Allgemeinheit. Dies ist anzunehmen, wenn die Entscheidung für mehr als 20 gleich oder ähnlich liegende Arbeitsverhältnisse rechtliche Bedeutung hat (Germelmann, ArbGG, 4. Aufl., § 72, Rnr. 16 m. w. Nachw.). Nach der Mitteilung des Beklagten sind mehr als 20 im Landesdienst angestellte Professoren von einer vergleichbaren Fallkonstellation betroffen.

Ende der Entscheidung

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