Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 24.08.2001
Aktenzeichen: 1 Ta 41/01
Rechtsgebiete: KSchG, GVG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

KSchG § 4
GVG § 17 Abs. 4
ZPO § 569 Abs. 2
ZPO § 577 Abs. 2
ArbGG § 48 Abs. 1
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 b
In den sic-non-Fällen (hier: Kündigungsschutzklage) genügt die Rechtsbehauptung des Klägers, es liege ein Arbeitsverhältnis vor, auch dann zur Bejahung der Rechtswegezuständigkeit der Arbeitsgerichte, wenn der Kläger gleichzeitig behauptet, der Arbeitsvertrag sei nur zum Schein geschlossen worden (Arbeitsvertrag mit Konzessionsträger im Handwerksbetrieb). Die widersprüchliche oder unsinnige Rechtsbehauptung ist nicht anders zu beurteilen als ein unschlüssiges Vorbringen.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 02.02.2001, Az.: 4 Ca 367/2000, abgeändert.

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.

Gründe:

I.

Das Beschwerdeverfahren betrifft die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat behauptet, eine von der Beklagten mit Schreiben vom 10.07.2000 zum 31.08.2000 ausgesprochene ordentliche Kündigung sei sozialwidrig.

Der Kläger hat behauptet, das mit Arbeitsvertrag vom 18.07.1997 mit Wirkung ab 01.10.1997 begründete Arbeitsverhältnis sei nur zum Schein abgeschlossen worden und nie tatsächlich in Vollzug gesetzt worden. Der Vertrag habe nur dazu gedient, ihn als Konzessionsträger für die Gewerbeanmeldung der Beklagten gegenüber der Handwerkskammer zu präsentieren. Er habe noch bis zum 31.12.1998 seinen eigenen Betrieb geführt. Bis zu diesem Datum habe er von der Beklagten keinerlei Lohn bezogen.

Ab dem 01.01.1999 sei er von der Beklagten zu einem Bruttolohn von 2.000,00 DM monatlich eingestellt worden. Der Lohn sei ordnungsgemäß abgerechnet und nach Abführung der öffentlich-rechtlichen Abgaben an ihn ausgezahlt worden. Die Vergütung sei später auf 1.000,00 DM brutto monatlich reduziert worden. Das ab 01.01.1999 bestehende Arbeitsverhältnis sei Gegenleistung für die Übernahme seines Betriebes, bestehend aus Kundenstamm, Materialvorräten und Werkzeugen durch die Beklagte gewesen. Es sei vereinbart worden, daß er von der Erbringung jeglicher Arbeitsleistung freigestellt wird. Das Arbeitsverhältnis sei bis zur Vollendung des 64. Lebensjahres befristet gewesen.

Die Beklagte habe das Arbeitsverhältnis nur gekündigt, weil nunmehr die Ehefrau ihres Geschäftsführers nach Besuch der Meisterschule als Konzessionsträger habe auftreten können und er daher für die Legitimation der Gewerbeanmeldung nicht mehr benötigt worden sei. Mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses werde er um die vereinbarte Gegenleistung gebracht.

Das Arbeitsgericht hat seine Rechtswegezuständigkeit verneint und den Rechtsstreit an das Amtsgericht verwiesen.

Der Kläger wendet sich gegen diesen ihm am 15.03.2001 zugestellten Verweisungsbeschluß mit seiner am 29.03.2001 beim Arbeitsgericht eingegangenen und begründeten sofortigen Beschwerde.

Er ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe nicht hinreichend zwischen den einzelnen Abschnitten der Vertragsgestaltung unterschieden. Für die Zeit bis 31.12.1998 habe tatsächlich ein Scheingeschäft vorgelegen. Es sei nur darum gegangen, ihn als Konzessionsträger zu führen. Er habe weder eine Arbeitsleistung erbracht noch eine Vergütung erhalten.

Anders sei dies für die Zeit nach dem 01.01.1999 zu beurteilen. Das Arbeitsverhältnis sei ab diesem Datum insofern in Vollzug gesetzt worden, als Gehaltsabrechnungen erstellt und die Vergütung ausgezahlt worden sei. Von der Erbringung einer Arbeitsleistung sei er allerdings ausdrücklich freigestellt worden.

Der Beklagten wurde rechtliches Gehör zur Beschwerde gewährt. Sie hat Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gem. den §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 Abs. 4 GVG statthaft. Sie ist gem. § 569 Abs. 2 ZPO formgerecht und gem. § 577 Abs. 2 ZPO fristgerecht eingelegt worden und damit insgesamt zulässig.

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist abzuändern, da der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zulässig ist.

Mit der im Klagebegehren enthaltenen Rechtsbehauptung des Klägers, zwischen ihm und der Beklagten habe ein Arbeitsverhältnis bestanden, ist die Rechtswegezuständig der Gerichte für Arbeitssachen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 b ArbGG zu bejahen.

Der Kläger hat eine Kündigungsschutzklage gem. § 4 KSchG erhoben. Nach seinen Angaben zur Beschäftigungsdauer und zur Beschäftigtenzahl ist das Kündigungsschutzgesetz anwendbar. Der Kläger hat behauptet, die Kündigung sei sozialwidrig und im übrigen unwirksam, da eine Zeitbefristung vereinbart worden sei. Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage ist die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis aus Anlaß einer bestimmten Kündigung zu dem in dieser Kündigung genannten Termin aufgelöst ist oder nicht. Damit setzt die beantragte Feststellung voraus, daß zum Zeitpunkt der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat. Folglich kann die Klage nur Erfolg haben, wenn der Kläger Arbeitnehmer ist. Es handelt sich um einen sog. sic-non-Fall, denn die Tatsachen, die die Zuständigkeit des Rechtswegs begründen, sind notwendige Tatbestandsmerkmale des Anspruchs (doppelrelevante Tatsachen).

Nach der zwischenzeitlich gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts genügt in den sic-non-Fällen die bloße Rechtsbehauptung des Klägers, er sei Arbeitnehmer, zur Bejahung der Rechtswegezuständigkeit der Arbeitsgerichte (BAG AP Nr. 1 zu § 2 ArbGG Zuständigkeit; BAG AP Nr. 2 zu § 2 ArbGG Zuständigkeitsprüfung; im übrigen: Reinecke, NZA 99, 729 ff).

Das Bundesarbeitsgericht hat für die sic-non-Fälle angenommen, daß nicht nur die Tatsachen, sondern auch die Rechtsansichten des Klägers "doppelrelevant" seien. Wenn nur darauf abgestellt werde, ob das Tatsachenvorbringen schlüssig sei, müsse das zunächst angegangene Gericht bei unschlüssigem Vortrag verweisen, obwohl die Verweisung in einen anderen Rechtsweg sinnlos wäre. Die Klage wäre in jedem Fall - auch vom Gericht des anderen Rechtsweges - als unbegründet abzuweisen. Auch die Interessenlage der Parteien erfordere keine andere Beurteilung. Der Kläger sei nicht schutzwürdig. Er erhalte eine Sachentscheidung des Gerichts, vor dem er geklagt habe. Es sei auch kein berechtigtes Interesse des Klägers anzuerkennen, seinen Vortrag vor einem von ihm nicht angerufenen Gericht in tatsächlicher Hinsicht ergänzen zu können. Der Beklagte habe ohnehin ein Interesse daran, daß die Klage möglichst bald (als unbegründet) abgewiesen werde.

An diesen Grundsätzen ändert sich nichts dadurch, daß der Kläger im Streitfalle von vornherein widersprüchlich vorträgt und einerseits mit der Kündigungsschutzklage inzident behauptet, es liege ein Arbeitsverhältnis vor, andererseits selbst - zumindest für einen zeitlichen Anteil des Vertragsverhältnisses - zugesteht, das Arbeitsverhältnis sei nur zum Schein begründet worden. Der hier offensichtlich gegebene Widerspruch selbst in der Rechtsbehauptung ist nicht anders zu beurteilen als eine unschlüssige Klagebegründung, denn nach wie vor könnte das Klagebegehren nur erfolgreich sein, wenn ein Arbeitsverhältnis vorliegt.

Dies gilt auch für die vom Kläger behauptete Vertragsgestaltung für die Zeit ab dem 01.01.1999. Zwar gesteht der Kläger für das ab diesem Datum möglicherweise bestehende Vertragsverhältnis nicht ausdrücklich ein, daß ein zum Schein geschlossener Arbeitsvertrag vorliege. Wenigstens nach seiner Rechtsbehauptung soll dies der Fall sein. Dennoch ist auch hier offenkundig, daß die Behauptung unschlüssig ist, denn die Begründung des Arbeitsverhältnisses war erklärtermaßen Gegenleistung für den Kauf materieller und immaterieller Betriebsmittel des Klägers durch die Beklagte. Ein für das Arbeitsverhältnis allein denkbares Austauschverhältnis zwischen abhängiger Dienstleistung und Vergütung liegt folglich auch nach der Darstellung des Klägers nicht vor. Auch hier handelt es sich jedoch um eine Frage der Begründetheit des Anspruchs und nicht der Rechtswegezuständigkeit.

Die von der Beklagten in der Beschwerdebeantwortung zitierte Entscheidung des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 09.03.2001 (Az.: 5 Sa 10/2001) ist nicht einschlägig. Die Entscheidung befaßt sich nicht mit der Rechtswegezuständigkeit, sondern mit der Frage, ob die Vereinbarung mit einem Konzessionsträger materiell wirksam ist oder nicht.

Da die Beschwerde erfolgreich war, ist eine Kostenentscheidung nicht zu treffen (Nr. 9302 der Anlage 1 zu § 12 Abs. 1 ArbGG; Germelmann, ArbGG, 2. Aufl., § 48 Anm. 97).

Gründe für die Zulassung der weiteren sofortigen Beschwerde sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

Zurück