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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 27.01.2004
Aktenzeichen: 5 Sa 131/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 615
BGB § 623
1. Annahmeverzug des Arbeitgebers setzt die Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers voraus. Diese fehlt, wenn der Arbeitnehmer durch Zustimmung zu einem Aufhebungsvertrag dokumentiert, ab einem darin bestimmten Zeitpunkt nicht mehr Arbeitsleistung erbringen zu wollen, auch dann, wenn der Aufhebungsvertrag mangels Schriftform formnichtig ist.

2. Unentschieden bleibt, wer die Beweislast für fehlende bzw. vorhandene Leistungsbereitschaft trägt.


Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 05.10.2001 - 5 Ca 3968/00 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 766,94 € festgesetzt.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum 18. bis 30.06.2000.

Der Kläger war vom 06.05. bis 31.07.2000 beim Beklagten beschäftigt zu einem monatlichen Bruttolohn von 2.500,00 DM = 1.278,23 €.

Der Kläger erbrachte nach dem 17.06.2000 keinerlei Arbeitsleistung mehr für den Beklagten.

Der Kläger hat behauptet, er sei am Montag, dem 19.06.2000 vom Beklagten in den Betrieb einbestellt worden. Dort habe dieser zu ihm gesagt: "Geh, du kannst zu Hause bleiben, ich brauche dich nicht mehr. Geh zum Arbeitsamt, du brauchst nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen."

Der Kläger hat beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger noch ausstehenden Lohn für den Zeitraum vom 18.06.2000 bis 30.06.2000 in Höhe von 1.500,00 DM brutto zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.08.2000.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, er habe sich mit dem Kläger am Samstag, den 17.06.2000 getroffen und mit diesem eine Aussprache geführt. Diese habe damit geendet, dass sie sich einig gewesen wären, das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 18.06.2000 einvernehmlich aufzuheben. Dieses Gespräch habe in seinem, des Beklagten Betriebsbüro stattgefunden (Beweis für alles: Zeugnis der Frau B. K.). Es sei vereinbart worden, dass er, der Beklagte, diese mündliche Vereinbarung schriftlich fassen und dem Kläger zusenden solle. Das habe er auch getan. Der Kläger habe diese nicht gegengezeichnet und zurückgeschickt.

Mit Urteil vom 05.10.2001 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass dahingestellt sein könne, ob die Parteien am 17.06.2000 einen Aufhebungsvertrag geschlossen hätten, weil die Grundsätze, welche das Bundesarbeitsgericht zur Begründung des Annahmeverzuges nach einer Kündigung wegen fehlender Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers (Nichtzurverfügungstellung eines eingerichteten Arbeitsplatzes) auch auf die Situation des Aufhebungsvertrages anwendbar sei. Abgesehen davon bestehe der Zahlungsanspruch, weil der Beklagte nicht hinreichend substantiiert bestritten habe, dass der Kläger am 19.06.2000 im Betrieb erschienen und vom Beklagten zurückgeschickt worden sei.

Gegen dieses ihm am 11.02.2002 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit am 11.03.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 11.04.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er wendet sich aus Rechtsgründen gegen die Auffassung des Arbeitsgerichtes, auf einen Aufhebungsvertrag seien hinsichtlich der Begründung des Annahmeverzuges dieselben Grundsätze anzuwenden wie bei einer arbeitgeberseitig veranlassten Kündigung und rügt, dass Arbeitsgericht habe seinen Vortrag aus dem Schriftsatz vom 06.04.2001, mit welchem die Behauptung des Klägers über Montag, den 19.06.2000 ausdrücklich bestritten habe, nicht unberücksichtigt sein lassen dürfen.

Er beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Erfurt vom 05.10.2001 zu Az.: 5 Ca 3968/00 wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger und Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil im Wesentlichen unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Aufgrund der vor dem 01.01.2002 durchgeführten mündlichen Verhandlung ist diesbezüglich das Recht in der Fassung bis zum 31.12.2001 anzuwenden. Mit Zustellung des Urteils am 11.02.2002 sowie Berufungseingang einen Monat später und Begründungseingang einen weiteren Monat später, sind die Fristen gewahrt.

Die Berufung ist begründet, denn die Klage ist nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum 18. bis 30.06.2000, denn er ist hinsichtlich der Voraussetzungen dieses Anspruchs beweisfällig geblieben.

Einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage ist der § 611 i. V. mit dem Arbeitsvertrag i. V. mit § 615 BGB. Der Kläger hat unstreitig keine Arbeitsleistung erbracht, so dass er für den Zeitraum nur Vergütung verlangen könnte, wenn entweder eine gesonderte Anspruchsgrundlage vorhanden wäre oder eine anspruchserhaltende Norm erfüllt wäre. Dies hat der Kläger darzulegen und im Bestreitensfalle zu beweisen. Ein Beweisangebot hat der Kläger in den gesamten zwei Rechtszügen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht gemacht für seinen Vortrag.

Der Kläger hat vorgetragen, dass er am 19.06.2000, einem Montag, zum Beklagten gegangen sei, dort seine Arbeitskraft mithin körperlich anwesend, tatsächlich angeboten habe und der Beklagte mit den Worten, dass er nach Hause gehen könne, diese Arbeitsleistung abgelehnt habe. Wäre dem so gewesen, wäre neben den anderen Voraussetzungen des Annahmeverzuges sowohl Arbeitswilligkeit, als auch ein Angebot sowie die Ablehnung des Angebotes, mithin der Annahmeverzug belegt. Diesen Vortrag hat der Beklagte allerdings, worauf er zu Recht hinweist, im Schriftsatz vom 06.04.2001, also bereits im ersten Rechtszug, im dritten Druckabschnitt so ausführlich bestritten, wie es ihm möglich ist (Bl. 43 d. A.). Da der Beklagte weiterhin behauptet, dass der Kläger am 19.06.2000 überhaupt nicht in seinem Betrieb gewesen sei, kann er nicht mehr dazu schreiben, als dass er die einzelnen diesbezüglichen Behauptungen ausdrücklich aufgreift und dazu bemerkte, dass er dies bestreite.

Insofern war diese Tatsache beweisbedürftig, denn der Klage kann nicht aus anderen Gesichtspunkten stattgegeben werden. Der Kläger hat überhaupt keinen Alternativvortrag zu dem Vortrag, er habe seine Arbeitskraft am 19.06.2000 vergeblich angeboten, gehalten. Er ist aber für die Voraussetzungen des Vergütungsanspruches darlegungspflichtig. Insofern fehlt es schon am Vortrag, der zu einer Alternativbegründung führen könnte. Er hat sich auch nicht hilfsweise das Vorbringen des Beklagten hinsichtlich des Abschlusses des formnichtigen Aufhebungsvertrages zu Eigen gemacht, sondern diesen nachdrücklich und durchgehend bestritten. Davon abgesehen würde auch das Alternativvorbringen des Beklagten nicht zur Begründung des Annahmeverzuges führen. § 615 BGB setzt u. a. auch voraus, dass Arbeitswilligkeit besteht. Ein Arbeitnehmer, der sich mit seinem Arbeitgeber darauf verständigt, ab einem bestimmten Zeitpunkt keine Arbeitsleistung mehr zu erbringen, ist aber nicht willig, ab diesem Zeitpunkt Arbeitsleistung zu erbringen. Damit entfällt die Mitwirkungspflicht für den Arbeitgeber und die Pflicht, einen eingerichteten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Mithin entfällt die Grundlage für Bestehen eines Annahmeverzuges. Deshalb ist unerheblich, ob der Arbeitsvertrag rechtswirksam durch den Aufhebungsvertrag aufgehoben wurde oder ob dieser, wie hier, formnichtig ist. Ein Arbeitnehmer, der durch eigene, wenngleich formnichtige, Willenserklärung bekundet, sich nicht mehr zu Arbeitsleistung verpflichtet zu fühlen, fehlt die für die Begründung des Annahmeverzuges vorausgesetzte Arbeitswilligkeit und es kann der Arbeitgeber nicht in Verzug geraten.

Die Rechtsfolge ist auch nicht zu beseitigen durch den in § 623 BGB angelegten Rechtsgedanken, dass ein Arbeitnehmer vor den Folgen einer übereilten Erklärung geschützt werden soll, in dem dort Schriftformzwang für alle Beendigungstatbestände für ein Arbeitsverhältnis normiert ist. Geschützt werden soll der Arbeitnehmer vor Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund übereilt abgegebener Erklärung. Nicht aber Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, ihn vor allen möglichen negativen Folgen seiner einmal abgegebenen Erklärung zu bewahren. Ein Arbeitnehmer, den seine mündlich abgegebene Erklärung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses reut, verliert nicht sein Arbeitsverhältnis und hat es in der Hand durch ebenso einfache Erklärung, wieder arbeiten zu wollen und sich nicht an seine mündliche Erklärung halten zu wollen, z. B. den Annahmeverzug wieder zu begründen. Diesen Sachvortrag hätte er dann aber darzulegen und zu beweisen.

Die Sache war zur Entscheidung reif. Dem Kläger brauchte nicht noch einmal Gelegenheit gegeben zu werden, einen Beweis für sein Vorbringen durch Schriftsatznachlass noch anzubieten.

Das Gericht hat gem. § 139 ZPO den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 27.01.2004 den erforderlichen Hinweis auf das fehlende Beweisangebot gegeben. Dies ist auch in der Sitzungsniederschrift, auf die Bezug genommen wird, protokolliert. Es wäre dem Kläger zumutbar gewesen, sich in der mündlichen Verhandlung zu der Frage des Beweisangebotes zu erklären, denn er muss schließlich wissen, wer z. B. also Zeuge für das Gespräch am 19.06.2000 in Betracht kommen könnte oder welche anderen Beweismittel ihm hierfür zur Verfügung stehen. Der Klägervertreter hat zwar nicht ausdrücklich Schriftsatznachlass diesbezüglich beantragt, aber er hat im Laufe der mündlichen Verhandlung durchaus hierum gebeten, dass ihm nachgelassen werde, dieses Beweisangebot nach Rücksprache mit dem Kläger noch vorbringen zu dürfen. Allerdings verhilft die fehlende Möglichkeit des Prozessbevollmächtigten den Kläger kurzfristig zu kontaktieren, ihm nicht dazu, dass es etwa unzumutbar gewesen wäre, in der mündlichen Verhandlung den entsprechenden Vortrag zu ergänzen. Schließlich hat das Gericht alles ihm Mögliche getan, für eine solche Möglichkeit zu sorgen, denn das persönliche Erscheinen des Klägers war angeordnet. Dieser ist mit für die Kammer nicht hinreichender Erklärung dem Termin ferngeblieben ohne, wie er es in früheren Terminen getan hat, vorher zu beantragen, ihn vom Erscheinen zu entbinden. Damit führt das eigene Verhalten hier zu den Nachteilen, die schließlich sich aus der vom Gericht nicht für notwendig gehaltenen Vertagung ergeben.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 Abs. 1 ZPO als unterlegene Partei.

Den Wert des Streitgegenstandes hat die Kammer deklaratorisch in den Entscheidungstenor aufgenommen, weil sie dies wegen der zwischenzeitlichen Währungsumstellung für zweckmäßig erachtet hat, den Wert in Euro umgerechnet anzugeben.

Gründe für die Zulassung der Revision waren für die Kammer nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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