Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 16.05.2006
Aktenzeichen: 7/1 Sa 176/05
Rechtsgebiete: BGB, KSchG, BetrVG


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
BetrVG § 102
Stützt der Arbeitgeber eine (außerordentliche, hilfsweise ordentliche) Tat- und Verdachtskündigung auf die Mitteilung einer Kundin, sie sei vom Arbeitnehmer sexuell genötigt und bedroht worden, trägt er das Risiko, dass die im Kündigungsschutzprozess als Zeugin vernommene Kundin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme glaubwürdig ist. Eine nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unglaubwürdige Zeugin kann die Kündigung auch nicht als Verdachtskündigung rechtfertigen. Ob die Kundin im Kündigungszeitpunkt glaubwürdig erschien, ist unerheblich.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 16.02.2005 - 1 Ca 2681/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung.

Seit dem 01.09.1969 war der Kläger (geb. am 19.10.1951, verheiratet) bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger beschäftigt, zuletzt als Gasmonteur. Die Beklagte ist ein kommunales Energieversorgungsunternehmen mit 85 Arbeitnehmern.

Am Morgen des 07.09.2004 wechselte der Kläger bei der Kundin M. den Gaszähler. Streitig ist, ob er die Kundin sexuell belästigte und bedroht. Unstreitig gab es in der Folgezeit zwischen beiden regen Funkverkehr, auf den der Ehemann M. aufmerksam wurde. Er fragte zunächst bei der Ehefrau des Klägers telefonisch nach, ob sie von einem Verhältnis wisse, und kam dann mit seiner Ehefrau persönlich vorbei. Mit Schreiben vom 15.10.2004 (Bl. 13 d. A.), eingegangen am 18.10.2004, setzte er die Beklagte davon in Kenntnis, dass seine Ehefrau am 07.09.2004 vom Kläger sexuell belästigt und bedroht worden sei und er sie auch weiterhin per Privat- und Firmenhandy belästige. Zur Klärung des Vorfalles suchten die Geschäftsführer der Beklagten die Familie M. auf. Frau M. bestätigte den Vorwurf. Eine Überprüfung der Verbindungsnachweise des Firmenhandys ergab, dass der Kläger im September 2004 15 Telefonate mit Frau M. geführt und 264 SMS an sie gesendet hatte. Die Kosten belaufen sich auf 51,24 Euro. Der Kläger wurde am 25. und 26.10.2004 angehört. Er bestritt den Vorwurf und gab an, die Handyverbindungen mit Frau M. seien dienstlicher Natur gewesen. Den Abschluss eines Aufhebungsvertrage lehnte er ab. Die Beklagte stellte den Kläger mit sofortiger Wirkung frei und unterrichtete die Staatsanwaltschaft Meiningen mit Schreiben vom 26.10.2004 (Bl. 26 d. A.). Mit Schreiben vom 27.10.2004 hörte sie den Betriebsrat zur beabsichtigen außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung an.

Zur Begründung ist ausgeführt :

Mit Schreiben vom 18.10.2004 der Familie M. werden schwerwiegende Vorwürfe über strafrechtlich relevante Verhaltensweisen gegen Herrn D. erhoben.

In der Vodafone-Information für das Diensthandy von Herrn D. über den Zeitraum 01. bis 30.09.2004 ist ersichtlich, dass Frau M. 12 Mal angerufen und 264 SMS versandt wurden. Die Einzelaufstellung der SMS ist angefordert, liegt aber noch nicht vor.

Da Herr D. in der Zeit vom 18. bis 22.10.2004 Urlaub hatte, fand die erste Anhörung von Herrn D. durch die Geschäftsführung der S. am 25.10.2004 statt.

In Abwägung aller vorliegender Tatsachen und der Schwere der Beschuldigungen ist es dem Unternehmen nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit Herrn D. fortzusetzen.

Insbesondere ist es nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzuführen. Daher ist eine Kündigung mit sofortiger Wirkung angezeigt.

Es ist beabsichtigt, das Arbeitsverhältnis mit Herrn D. fristlos zum Zeitpunkt nach Rückgabe der Anhörung durch den Betriebsrat zu kündigen; hilfsweise ordentlich zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu kündigen.

Streitig ist, ob der Betriebsratsvorsitzende noch am gleichen Tag mitgeteilt hat, dass der Kündigung nicht widersprochen werde. Am 28.10.2004 wurde dem Kläger die streitige Kündigung vom gleichen Tag (Bl. 14 d. A.) übergeben. Kündigungsschutzklage hat er am 16.11.04 eingereicht .

Frau M. erstattete am 26.10.2004 Strafanzeige gegen den Kläger. Die Staatsanwaltschaft Meiningen stellte das Ermittlungsverfahren am 27.07.05 gem. § 170 Abs. 2 StPO mit der Begründung ein, eine Straftat könne nicht nachgewiesen werden, da Aussage gegen Aussage stehe.

Das Arbeitsgericht hat Frau M. auf Antrag der Beklagten als Zeugin vernommen. Die Zeugin hat ausgesagt, der ihr nur dienstlich bekannte Kläger habe sie am 07.09.2004 gleich von oben bis unten betatscht. Sodann sei sie mit dem Kläger in den Keller gegangen und habe die Taschenlampe gehalten. Nach Austausch des Zählers habe der Kläger in der Wohnung dann weitergefummelt und sie an der Brust betatscht. Sie habe ihn weggeschubst. Dann sei es erst mal gegangen. Nach der Bezahlung habe der Kläger die Wohnung verlassen. Eine Anzeige habe sie zunächst nicht erstatten wollen. Auch ihrem Mann habe sie nichts erzählt, weil sie mit der Sache erst habe klar kommen müssen. Der Kläger habe sie dann aber mit SMS "vollgejuchzelt" in denen gestanden habe, dass er sie bräuchte, liebte und solche Sachen. Sie habe geantwortet und so getan, als ob sie auf ihn stünde. Der Kläger habe auch damit gedroht, sie mit einer Rohrzange zu erschlagen, wenn sie etwas sage. Auf das Protokoll der Beweisaufnahme vom 16.02.2005 (Bl. 84/85 d. A.) wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 16.02.2005 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Vorwurf der sexuellen Nötigung und Bedrohung rechtfertige die streitige Kündigung weder als Tat- noch als Verdachtskündigung. Die Zeugin M. sei nicht glaubwürdig. Die Privatnutzung des Diensthandys sei wegen § 102 BetrVG nicht verwertbar, weil dem Betriebsrat im Anhörungsverfahren dieser Sachverhalt als eigenständiger Kündigungsgrund nicht mitgeteilt worden sei.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 06.04.2005 zugestellte Urteil am 29.04.2005 Berufung eingelegt und am 03.06.2005 begründet .

Die Berufung meint, die Kündigung wegen sexueller Nötigung und Bedrohung sei als Verdachtskündigung auch dann wirksam, wenn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Tatvorwurf nicht nachgewiesen wäre. Maßgeblich seien nach der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 10.02.05, 2 AZR 189/04) nämlich die Verhältnisse bei Kündigungssausspruch, die hier einen dringenden Tatverdacht begründet hätten. Die Beschuldigung der Kundin M. sei glaubwürdig gewesen und im Übrigen indiziell durch die Verbindungsnachweise des Diensthandys bestätigt worden. Der angehörte Kläger habe den so begründeten dringenden Verdacht nicht ausgeräumt. Weitere Erkenntnismöglichkeiten habe es nicht gegeben. Damit sei die Kündigung auch dann gerechtfertigt, wenn die Tat letztlich nicht nachgewiesen werden könne. Sie sei schon deshalb erforderlich gewesen, weil die Außenwirkung ansonsten katastrophal gewesen wäre. Im Übrigen sei die Kündigung nach der Rechtsprechung des LAG Frankfurt (Urteil vom 25.11.04, 5 Sa 1299/04) wegen übermäßiger privater Nutzung des Diensthandys zumindest als ordentliche auch ohne vorausgegangene Abmahnung wirksam. Dieser weitere Kündigungsgrund sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes nicht wegen § 102 BetrVG gesperrt. Nach der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 11.12.03, 2 AZR 536/02) reiche es aus, dass der Arbeitgeber im Anhörungsverfahren den Tatsachenkomplex umreiße, auf den er die Kündigung stütze.

Die Berufung beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichtes Suhl vom 16.2.2005, 1 Ca 1681/04, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angegriffene Entscheidung und behauptet weiter, mit der Zeugin M. keine sexuellen Kontakte gehabt zu haben.

Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf ihre zur Akte gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die streitige Kündigung vom 28.10.2004 hat das Arbeitsverhältnis weder außerordentlich noch ordentlich beendet. Die angegriffene Entscheidung überzeugt.

I. Die Kündigung ist unwirksam, weil die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs.1 BGB bzw. für eine ordentliche Kündigung nach § 1 Abs.2 KSchG nicht erfüllt sind.

1. Der Vorwurf der sexuellen Nötigung und Bedrohung der Kundin M. ist geeignet, das Arbeitsverhältnis außerordentlich zu beenden. Die Beweislast hat die Beklagte. Auf ihren Antrag hat das Arbeitsgericht die Kundin M. als Zeugin vernommen und ihr zu Recht nicht geglaubt. Damit scheidet dieser Vorwurf für eine Tatkündigung und für eine Verdachtskündigung aus.

a. Eine Tatkündigung scheitert daran, dass die Beklagte den Kündigungsvorwurf nicht beweisen konnte. Die Aussage der Zeugin M. ist nicht glaubhaft, wie das Arbeitsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung überzeugend dargelegt hat. Der Zeugin ist nicht abzunehmen, dass sie vom dem ihr nicht näher bekannten Kläger gleich von oben bis unten abgetatscht wird, sie danach mit ihm in den Keller geht und beim Zähleraustausch hilft, es in der Wohnung dann erneut zu Zudringlichkeiten kommt, die Angelegenheit aber zunächst auf sich beruhen sollte. Die von der Berufung unter Hinweis auf das Schamgefühl sexuell genötigter Opfer angezogenen Erkenntnisse der forensischen Psychologie über den Zeitraum zwischen Tat und Offenbarungszeitpunkt helfen hier nicht weiter. Mit den Erkenntnissen der forensischen Psychologie ist schwerlich zu erklären, dass die Zeugin nach eigener Aussage in der Folgezeit die ihr zugeneigten SMS des Klägers ("Liebesgejuchzel") wohlwollend beantwortet hat.

Weder der Zeugin noch dem Kläger kann geglaubt werden. Es spricht alles dafür, dass sich die Zeugin mit der Beschuldigung vor ihrem Ehemann rechtfertigen wollte, der die SMS des Klägers kontrolliert hatte. Der Ehemann der Zeugin war es auch, der die Angelegenheit ins Rollen brachte und zunächst die Ehefrau des Klägers und dann die Beklagte informierte. So erklärt sich auch die Verteidigung des Klägers, wonach der rege Handyverkehr geschäftlicher Natur gewesen sein soll. Auch er hatte sich vor seiner Ehefrau zu rechtfertigen. Auf deutsch: war es so, dass der Kläger und die Zeugin ein Verhältnis hatten, waren beide gegenüber ihren Ehegatten in Erklärungsnot. Der empörte Ehegatte der Zeugin informierte die Beklagte. Die Angelegenheit lief aus dem Ruder. Eine erneute Vernehmung der Zeugin war nicht erforderlich. Die erstinstanzlich protokollierte Zeugenaussage wird in Übereinstimmung mit der Vorinstanz gewürdigt. Nur bei abweichender Beurteilung ihrer Glaubwürdigkeit hätte sich des Berufungsgericht einen persönlichen Eindruck verschaffen müssen. Anhaltspunkte dafür, dass von einer erneuten Vernehmung neue Erkenntnisse zu erwarten sind, hat die Berufung nicht vorgetragen. Im Gegenteil. Sie hat mit Blick auf die vorsorgliche Ladung der Zeugin die Auffassung vertreten, dass deren erneute Vernehmung zum Beweisthema der sexuellen Nötigung und Bedrohung unnötig sei. Unerheblich ist damit, dass die Zeugin ohne Entschuldigung ausgeblieben ist. Die Sache war entscheidungsreif.

b. Auch die Berufung kann vor dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Augen nicht verschließen und rückt die Verdachtskündigung in den Vordergrund. Die Verdachtskündigung ist aber kein Auffangtatbestand zur Tatkündigung, der immer dann erfüllt wäre, wenn die Tat nicht nachgewiesen werden kann. Voraussetzung ist vielmehr, dass trotz Nichterweislichkeit der Tat ein dringender kündigungserheblicher Tatverdacht bei Kündigungsausspruch bestehen bleibt, der nach den objektiven Verhältnissen begründet sein muss (BAG vom 14.9.1994, 2 AZR 164/94, BAGE 78, 30). Nicht entscheidend ist also, ob die Beklagte der Zeugin M. im Kündigungszeitpunkt subjektiv geglaubt hat, sondern ob die Anschuldigung der Belastungszeugin M. nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme objektiv glaubwürdig ist, was dann aber schon die Tatkündigung rechtfertigen würde. Ein unglaubwürdiger Belastungszeuge kann weder den Tatvorwurf noch einen objektiven Tatverdacht begründen. Deshalb ist auch die von der Berufung angezogene Entscheidung des BAG vom 10.02.05 (2 AZR 189/04, AP Nr. 79 zu § 1 KSchG 1969) nicht einschlägig. Obwohl sich die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung nach den Verhältnissen im Kündigungszeitpunkt beurteilt, kann der Arbeitnehmer selbst objektive Verdachtsgründe durch Entlastungsvortrag rückwirkend entkräften (BAG vom 26.09.02, 2 AZR 424/01, AP Nr. 37 zu § 626 BGB Strafbare Handlung). Das gilt erst recht, wenn ein im Kündigungszeitpunkt sicher scheinender Belastungszeuge des Arbeitgebers in der Beweisaufnahme seine Aussage ändert (BAG vom 14.09.1994, 2 AZR 164/94, a. a. O.) oder sich wie hier um seine Glaubwürdigkeit bringt. Es sollte einleuchten, dass das Institut der Verdachtskündigung nicht dazu führen kann, ein Arbeitsverhältnis wegen unglaubwürdiger Anschuldigungen aufzulösen.

2. Für den Fall, dass der Kläger und die Zeugin M. ein Verhältnis hatten, stützt die Berufung die Kündigung im Nachgang auf ein arbeitsvertragswidriges Intimverhältnis während der Arbeitszeit. Dieser Kündigungsgrund ist dem Betriebsrat im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG zweifellos nicht mitgeteilt worden. Er kann im Kündigungsschutzprozess also nicht verwertet werden. Er wäre im Übrigen auch nicht geeignet, die Kündigung des seit 1969 bestehenden Arbeitsverhältnisses ohne vorausgegangene einschlägige Abmahnung zu rechtfertigen.

3. Letztlich ist die Kündigung auch nicht wegen Privatnutzung des Diensthandys wirksam. Zu Recht hat das Arbeitsgericht diesen Kündigungsgrund wegen unzureichender Unterrichtung des Betriebsrates im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG nicht zugelassen. Zwar wurde der Betriebsrat auch über die Privatnutzung des Diensthandys informiert, aber nur als bestätigende Hilfstatsache für den Vorwurf der sexuellen Nötigung und Bedrohung. Für die Willensbildung des Betriebsrates ist es ein erheblicher Unterschied, ob die Kündigung auf die sexuelle Nötigung und Bedrohung einer Kundin gestützt wird oder auf die Privatnutzung des Diensthandys. Es bedarf keiner besonderen Hervorhebung, dass er im ersten Fall eher geneigt sein wird, der Kündigung nicht zu widersprechen. Im Einklang mit der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 05.02.1981, 2 AZR 1135/81, AP Nr. 1 zu § 72 LPVG NW) hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, dass die Beklagte im Kündigungsschutzprozess an ihren dem Betriebsrat mitgeteilten Kündigungsgrund der sexuellen Nötigung und Bedrohung gebunden ist und die Privatnutzung des Diensthandys als eigenständiger Kündigungsgrund nicht nachgeschoben werden kann. Die von der Berufung angezogene Entscheidung des BAG vom 11.12.2003, 2 AZR 536/02 (AP Nr. 65 zu § 1 KSchG 1969) ist nicht einschlägig. Im Rechtsstreit hier hat die Beklagte ihren Kündigungsgrund ("schwerwiegende Vorwürfe der Familie M. über strafrechtlich relevante Verhaltensweisen") benannt. Der Betriebsrat hatte keine Veranlassung, sich mit der Handynutzung als weiterem eigenständigen Kündigungsgrund zu befassen.

Im Übrigen hängt die an-sich-Eignung dieses Kündigungsgrundes mit Blick auf die fehlende Abmahnung davon ab, nach welchen Regeln die Nutzung des Diensthandys erfolgte. Erheblich ist, ob die Privatnutzung in gewissem, hier aber überschrittenen Umfang erlaubt oder grundsätzlich verboten war (vgl. Stahlhacke/Preis, 9. Aufl. 2005, Rz 731; LAG Hamm vom 30.05.2005, 8 (17) Sa 1773/05 - juris -). Auch dazu wurden dem Betriebsrat keine Tatsachen mitgeteilt. Ein Extremfall, der die ordentliche (LAG Frankfurt vom 25.11.04, LAGE Nr. 87 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung: Kosten i. H. v. 1.700,00 Euro für private Telefonate in einem Zeitraum von 4 Monaten) oder gar außerordentliche (BAG vom 04.03.2004, 2 AZR 147/03, BAGE 110 ,1: Kosten i. H. v. 1.355,76 Euro wegen privater Telefonate nach Mauritius mit einer Gesamtdauer von über 18 Stunden) Kündigung wegen übermäßiger Privatnutzung ohne vorausgegangene Abmahnung an sich rechtfertigen könnte, liegt nicht vor.

II. Da die Kündigung schon materiellrechtlich unwirksam ist, kann offen bleiben, ob der Betriebsratsvorsitzende noch am 27.10.2004 eine abschließende Stellungnahme abgegeben hat und die Kündigung am 28.10.2004 damit nicht entgegen § 102 Abs.2 BetrVG vorzeitig erklärt wurde.

III. Die Geschäftsführer der Beklagten haben an der Berufungsverhandlung teilgenommen und die Frage gestellt, wie sie auf die Anschuldigung der Kundin M. hätten anders reagieren sollen als mit Kündigung, ohne dass in der Öffentlichkeit (Presse) Schaden gedroht hätte. Wegen der beschränkten Aufklärungsmöglichkeiten wäre es der Außenwirkung nicht abträglich gewesen, wenn die Beklagte den jahrzehntelang beschäftigten Kläger nicht schon auf die von ihm zurückgewiesene Beschuldigung hin gekündigt, sondern die Kundin M. auf eine Strafanzeige bzw. einen Strafantrag verwiesen und die Kündigung vom Ausgang des strafrechtlichen Verfahrens abhängig gemacht hätte (BAG vom 14.02.1996, 2 AZR 274/96, AP Nr. 26 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung). Richtig ist, dass der Kläger die Reaktion der Beklagten mit seiner unglaubwürdigen Verteidigung, der Funkverkehr mit der Kundin M. sei dienstlicher Natur gewesen, befördert hat. Für die Wirksamkeit der Kündigung ist aber nicht die Glaubwürdigkeit der Verteidigung des Klägers, sondern die der Anschuldigung der Zeugin entscheidend. Dieses Risiko hat sich zum Nachteil der Beklagten verwirklicht.

B. Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung hat die Beklagte nach § 97 Abs.1 ZPO zu tragen.

Ende der Entscheidung

Zurück