Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 22.05.2001
Aktenzeichen: 7 Sa 806/99
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 179
1. Leistungen aus einer Gruppen-Unfallversicherung, die der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer für die in seinem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ohne deren Einwilligung abschließt, muß er regelmäßig an den versicherten Arbeitnehmer herausgeben (im Anschluß an BAG vom 21.02.1990, v. 17.07.1997 AP Nr. 3, 5 VVG).

2. Nach Eintritt des Versicherungsfalles kann der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer aufgrund seiner gesetzlichen Treuhandstellung auch dann nicht mehr über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag verfügen, wenn keine arbeitsvertragliche Pflicht zum Abschluß einer Unfallversicherung bestand.


Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 20.08.1998 - 3 Ca 2474/97 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt die Entschädigung aus einer Unfallversicherung in Höhe von 14.734,00 DM.

Der Beklagte betreibt ein Gerüstbauunternehmen. Ab 24.03.1992 versicherte er die Arbeitnehmer seines Betriebes bei der V. Versicherung AG mit Gruppen-Unfallversicherungsvertrag gegen Unfälle innerhalb und außerhalb des Berufes. Auf den Versicherungsschein vom 24.04.1992 wird Bezug genommen (Bl. 60 bis 62 d. A.). Versicherungsnehmer war der Beklagte. Der als Gerüstbauer beschäftigte Kläger wusste vom Abschluss dieser Versicherung nichts. Sein Arbeitsvertrag enthielt keine entsprechende Verpflichtung des Beklagten.

Im März 1995 erlitt der Kläger einen Unfall, der schließlich zur Invalidität führte. Die Versicherung zahlte an den Beklagten im April 1995 je 700,00 DM Kranken- und Genesungsgeld und im April 1996 13.334, DM wegen Invalidität aus. Nachdem der Kläger von der V. Versicherung über diese Versicherungsleistung informiert worden war, verlangte er im Juli 1997 vom Beklagten deren Auszahlung. Daraufhin erklärte der Beklagte gegenüber der V. Versicherung die Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen Irrtums und arglistiger Täuschung mit der Begründung, er habe seinen eigenen Ausfallschaden abdecken wollen. Diese akzeptierte die Anfechtung mit Schreiben vom 12.08.1997 (Bl. 15 d. A.). Das Vertragsverhältnis wurde rückabgewickelt. Der Beklagte erstattete die wegen des klägerischen Unfalls ausgezahlten Versicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 14.894,00 DM, die V. Versicherung die geleisteten Beiträge in Höhe von 7.161,69 DM.

Das Arbeitsgericht hat der am 05.08.1997 erhobenen Zahlungsklage mit Urteil vom 20.08.1998, auf dessen Tatbestand wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der dort gestellten Anträge nach § 543 Abs. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird, stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei der Gruppen-Unfallversicherung handele es sich um eine Fremdversicherung, da der Kläger in den Abschluss einer Eigenversicherung entgegen § 179 VVG nicht schriftlich eingewilligt habe. Die Pflicht zur Auskehr der an den Beklagten ausgezahlten Versicherungsleistungen ergebe sich aus der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht. Die schon nicht ausreichend dargelegte Anfechtung sei mit dessen Stellung als Treuhänder unvereinbar.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 23.10.1998 zugestellte Urteil am 16.11.1998 Berufung einlegen lassen, die am 14.12.1998 begründet wurde.

Die Berufung rügt, das Arbeitsgericht habe nicht beachtet, dass der Versicherungsnehmer nach § 76 Abs. 1 VVG über die Rechte, die dem Versicherten aus dem Versicherungsvertrag zustünden, in eigenem Namen verfügen könne. Damit habe der Beklagte den Versicherungsvertrag anfechten können und zwar unabhängig davon, ob der Versicherungsfall zwischenzeitlich eingetreten sei oder nicht. Die Anfechtung sei auch begründet. Der Beklagte habe nämlich eine Versicherung zu eigenen Gunsten abschließen und das Schadensrisiko abdecken wollen, das im Falle eines Unfalles durch den Ausfall der Arbeitskraft entstehe. Der Versicherungsvertreter habe bei Vertragsabschluss dem Beklagten auch bestätigt, dass ihm die Versicherungssumme zustehe und nicht den Arbeitnehmern. Deshalb habe die V. Versicherung die Anfechtung akzeptiert.

Die Berufung beantragt:

Unter Aufhebung des am 20.08.1998 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Gera, Geschäftszeichen 3 Ca 2474/97, wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf ihre zur Akte gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A)

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat richtig entschieden. Mit Anfechtung und Rückabwicklung des Versicherungsvertrages hat der Beklagte das im Innenverhältnis zum Kläger bestehende Treuhandverhältnis verletzt. Er ist daher zu Schadensersatz verpflichtet.

I.

Der Beklagte hat eine Gruppen-Versicherung abgeschlossen gegen Unfälle, die einem anderen (der sog. Gefahrsperson) zustoßen. Ohne schriftliche Einwilligung der Gefahrsperson handelt es sich zwingend um eine Fremdversicherung zugunsten der Gefahrsperson (§ 179 Abs. 2 i. V. §§ 75 bis 79 VVG). Das Einwilligungserfordernis beruht darauf, dass die Rechtsordnung einer Spekulation mit dem Leben oder der Gesundheit eines anderen hinter dessen Rücken nicht zulassen kann. Der Kläger hat eine schriftliche Einwilligung nicht erteilt und ist daher begünstigte Gefahrsperson. Das Bundesarbeitsgericht hat wiederholt erkannt, dass es mit der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht unvereinbar ist, wenn der Arbeitgeber einen Betrag behalten darf, auf den nach den Vorschriften des Versicherungsvertragsrechts der Arbeitnehmer als Gefahrsperson allein Anspruch erheben könnte (Urteile vom 21.02.1990, vom 17.07.1997, AP Nr. 3, 5 zu § 179 VVG).

II.

Die von der Berufung in Anspruch genommene Verfügungsbefugnis des Versicherungsnehmers hilft nicht weiter. Richtig ist, dass der Beklagte bis zum Eintritt des Versicherungsfalles hätte frei über das Versicherungsverhältnis verfügen können, ohne sich schadensersatzpflichtig zu machen. Eine arbeitsvertragliche Pflicht zum Abschluss einer Unfallversicherung bestand nämlich nicht. Mit Eintritt des Versicherungsfalles gilt das aber nicht mehr. Jetzt hat der Versicherungsnehmer aufgrund seiner gesetzlichen Treuhandstellung die Interessen des Versicherten zu wahren (BGH vom 08.02.1960, NJW 1960, 912). Die Anfechtung des Versicherungsvertrages (im Außenverhältnis) ist mit dieser Treuhänderstellung (im Innenverhältnis) unvereinbar. Es kommt somit nicht darauf an, ob der Beklagte ein Anfechtungsrecht hatte, was aber schon deshalb zweifelhaft ist, weil das versicherte Unfallrisiko offensichtlich keinen Bezug zu einem Betriebsausfallrisiko hat, und die Erwartung einer Entschädigung aus dem Unfall eines Dritten (Gefahrsperson), der davon nichts weiß, von der Rechtsordnung gerade nicht gebilligt wird. Der Versicherer hatte keinen Anlass, die Anfechtung nicht zu akzeptieren. Er machte über die Rückabwicklung ein gutes Geschäft, da die Versicherungsleistungen die Beiträge um das Doppelte überstiegen.

B)

Die Kosten seiner ohne Erfolg eingelegten Berufung hat der Beklagte nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.



Ende der Entscheidung

Zurück