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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 30.11.2000
Aktenzeichen: 7 Ta 19/2000
Rechtsgebiete: KSchG, ZPO


Vorschriften:

KSchG § 4
KSchG § 5
ZPO § 85 Abs. 2
§ 85 Abs. 2 ZPO ist auf die Wahrung der Klagefrist nach § 4 KSchG entsprechend anzuwenden.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Erfurt vom 18.01.2000, 3 Ca 3407/99, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 36.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten im Nebenverfahren nach § 5 KSchG über die nachträgliche Zulassung einer verspäteten Kündigungsschutzklage.

Am 27.09.1999 beauftragte der Kläger seinen damaligen Rechtsanwalt, gegen die zum 31.03.2000 ausgesprochene Arbeitgeberkündigung vom 15.09.1999 zu klagen. Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen wurde dem Rechtsanwalt die Akte erst am 26.10.1999 vorgelegt.

Die mit einem Antrag auf nachträgliche Zulassung verbundene Kündigungsschutzklage vom gleichen Tage ging am 27.10.1999 beim Arbeitsgericht ein.

Das Arbeitsgericht hat die nachträgliche Zulassung mit Beschluss vom 18.01.2000 verweigert und zur Begründung ausgeführt, der Kläger müsse sich das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

Der Kläger wechselte den Anwalt und hat gegen den am 22.01.200 zugestellten Beschluss am 07.02.2000, einem Montag, sofortige Beschwerde einlegen lassen.

II.

Die sofortige Beschwerde (§§ 5 Abs. 4 S. 2 KSchG, 78 Abs. 1 ArbGG, 577 Abs. 2, 567 ff ZPO) ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die Kündigungsschutzklage gem. § 5 Abs. 1 KSchG nachträglich zuzulassen. Die Versäumung der Drei-Wochen-Frist nach § 4 KSchG ist im Rechtssinne verschuldet.

A)

Allerdings ist dem Kläger nichts vorzuwerfen. Er hat sich nach Zugang der Kündigung vom 15.09.1999 um seine Angelegenheiten gekümmert und seinem damaligen Rechtsanwalt am 27.09.1999 rechtzeitig Klageauftrag erteilt. Die Klagefrist nach § 4 KSchG wurde versäumt, weil dem Rechtsanwalt die Akte erst am 26.10.1999 wieder vorgelegt wurde. Wo das Versagen lag, ist nicht mehr nachvollziehbar. Schon darin liegt Anwaltsverschulden, da sich die Büroabläufe der Kontrolle entziehen und damit unzureichend organisiert sind. Ein nicht beherrschbarer Ausreißer des Büropersonals wird gerade nicht geltend gemacht.

B)

Das Verschulden des damaligen Bevollmächtigten steht eigenem Verschulden des Klägers nach § 85 Abs. 2 ZPO gleich:

1.

Seit Inkrafttreten des Kündigungsschutzgesetzes (1951) ist umstritten, ob der Arbeitnehmer sich das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der dreiwöchigen Klagefrist nach § 85 Abs. 2 ZPO (direkt oder analog) zurechnen lassen muss. Die Zurechnungsbefürworter werden der Einfachheit halber als "h. M.", die Zurechnungsgegner (in der Rechtsprechung insbesondere LAG Hamm und LAG Hamburg) als "a. A." zusammengefasst. Da das Bundesarbeitsgericht wegen § 78 Abs. 2 ArbGG nicht für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung sorgen kann, eine Verfassungsbeschwerde erfolglos blieb (BVerfG vom 11.04.1983, 1 BVR 1179/82 n. v.), der Gesetzgeber keine Abhilfe schafft sondern im Gegenteil die praktische Bedeutung des Streites noch erhöht hat (§§ 1 Abs. 5 BeschFG, 113 Abs. 2 InsO), hängt die Entscheidung weiterhin davon ab, welches Landesarbeitsgericht als Beschwerdegericht für den Rechtsstreit zuständig ist. Die erkennende Kammer zählt nach ihrer bisherigen Rechtsprechung zu den Zurechnungsbefürwortern. Die Beschwerde weiß das. Sie will eine Entscheidung und hat offenbar den Anwaltsregress im Auge.

2.

Der ewige Streit lässt sich weder durch Abzählen ("h. M.") entscheiden, noch ist das gebetsmühlenartige Wiederholen alter Argumente mit Erkenntnisgewinn verbunden. Vollkommer (Festschrift für Stahlhacke 1995, 599) brachte mit einem in das Zivilprozessrecht zurückführenden neuen methodischen Ansatz wieder Bewegung in die festgefahrene Diskussion (vgl. die Untersuchungen von Francken - Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der Klagefristen des § 4 KSchG, des § 1 Abs. 5 BeschFG und des § 113 Abs. 2 InsO; Diss. Freiburg 1998 - und Holthaus - Versäumung der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG; Nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage trotz Anwaltsverschuldens?, Diss. Bochum 1998). Die Beschwerdekammer bleibt dabei: der im Arbeitsgerichtsprozess über § 46 Abs. 2 ArbGG geltende § 85 Abs. 2 ZPO (Stein/Jonas/Borck, ZPO, 21. Aufl. 1992, § 85 Rz 28) ist auf die Versäumung der Klagefrist nach § 4 KSchG (entsprechend) anzuwenden.

a)

Der alte "Hauptkriegsschauplatz zwischen den Lagern" (Vollkommer, FS, S. 606) - der Streit um die (prozessuale oder materiellrechtliche oder doppelte) Rechtsnatur der Klagefrist des § 4 KSchG - liegt verlassen. Die prozessuale Einordnung führt, wie der Lösungsansatz von Vollkommer zeigt - nicht zwingend zur Anwendung des § 85 Abs. 2 ZPO, die materiellrechtliche Einordnung nicht zwingend zum Ausschluss der Vorschrift, da dann eine analoge Anwendung in Betracht kommt (so LAG Berlin vom 28.08.1978, AP Nr. 2 zu § 5 KSchG, LAG München vom 12.05.1980, BB 1981, 915; Löwisch, KSchG, 7. Aufl. 1997, § 5 Rz 5). Grunsky (Anmerkung zu LAG Hamm vom 11.12.1980, LAGE Nr. 8 zu § 5 KSchG) hat darauf aufmerksam gemacht, dass sich das Verschulden nach § 85 Abs. 2 ZPO auf die im ersten Absatz genannte Prozesshandlung bezieht. Unabhängig von ihrer Rechtsnatur kann die Frist des § 4 KSchG nur durch Klageerhebung gewahrt werden. Die Klageerhebung ist geradezu das Musterbeispiel einer Prozesshandlung. Es setzt sich deshalb die Erkenntnis durch, dass die Rechtsnatur der Klagefrist für die Anwendbarkeit des § 85 Abs. 2 ZPO irrelevant ist (LAG Frankfurt vom 26.10.1993, LAG Köln vom 26.07.1994, LAGE Nr. 64, 67 zu § 5 KSchG; Vollkommer, FS, S. 606, überwundene Begriffsjurisprudenz; APS-Ascheid, 1. Aufl. 2000, § 5 KSchG Rz 28; des in ErfK, 1. Aufl. 1998, § 5 KSchG Rz 5; Holthaus, S. 61 ff; Francken, S 28 ff; Tschöpe/Fleddermann, BB 1998, 157, 159). Auch das LAG Hamm hält die in ständiger Rechtsprechung (gegen BAG vom 26.06.1986, AP Nr. 14 zu § 4 KSchG 1969) vertretene Einordnung als materielle Frist inzwischen für "weniger bedeutsam" (Beschluß vom 21.12.1995, vom 27.02.1996, LAGE Nr. 73, 86 zu § 5 KSchG; anders noch Beschluß vom 27.01.1994, LAGE Nr. 65 zu § 5 KSchG; so jetzt auch Wenzel in Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 5 Rz 91, Stand Juni 1999).

b)

Auch wenn die Klageerhebung nach § 4 KSchG (fristgebundene) Prozesshandlung ist, folgt daraus nicht automatisch die Zurechnung von Vertreterverschulden bei Fristversäumung. § 85Abs. 2 ZPO bezieht sich auf die prozessualen Folgen des Verschuldens (Stein/Jonas/Borck, a. a. O., Rz 2, 10; MK-v. Mettenheim, ZPO 1992, § 85 Rz 1; Musialek/Weth, ZPO, 2. Aufl. 2000, § 85 Rz 10; AK-Christian, ZPO, 1987, § 85 Rz 3), also auf verschuldensrelevante Säumnistatbestände der ZPO/ des ArbGG (Vollkommer, FS, S. 606, 608). Auf den sondergesetzlichen Verschuldenstatbestand nach § 5 KSchG ist die Zurechnungsnorm nicht direkt anwendbar.

c)

Eine Analogie scheitert entgegen LAG Hamm (Beschluss vom 21.12.1995, vom 27.02.1996, LAGE Nr. 73, 86 zu § 5 KSchG im Anschluß an Rieble, Anm. zu LAG Hamm vom 27.01.1994, LAGE Nr. 65 zu § 5 KSchG) nicht schon daran, dass ein Prozessrechtsverhältnis erst mit Zustellung der Klage begründet wird, das nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnende Verschulden also vor Prozessbeginn liegt. Prozesshandlungen gibt es, wie die Erteilung der Prozessvollmacht gerade zeigt, schon vor Prozessbeginn (Vollkommer, Anmerkung zu LAG Hamm vom 21.12.1995, MDR 1996, 1181; Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 80 Rz 3). § 85 Abs. 2 ZPO differenziert nicht zwischen Prozesshandlungen innerhalb eines anhängigen Verfahrens oder solchen zur Einleitung des Verfahrens (Grunsky, a. a. O.). Die prozessuale Verschuldenszurechnung greift mit Annahme des Mandates und Erteilung der Prozessvollmacht (BGHZ 47, 320; Stein/Jonas/Bork, a. a. O. Rz 12; Zöller/Vollkommer, a. a. O, § 85 Rz 12; Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl. 1999, § 85 Rz 7, 14; Brehm, Anmerkung zu LAG Hamm vom 21.12.1995, LAGE Nr. 73 zu § 5 KSchG; Francken, S. 32 ff; Holthaus, S. 51 ff).

d)

Andererseits kann die Analogie auch nach der ZPO-Vereinfachungsnovelle vom 03.12.1976 nicht allein mit dem Hinweis auf die Parallelität der Verfahren nach § 5 KSchG und §§ 233 ff ZPO gerechtfertigt werden (so aber LAG Schleswig-Holstein vom 16.04.1998, AnwBl 1998, 664; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 9. Aufl. 2000, § 136 Rz 39). Ob ein Wertungswiderspruch vorliegt, wenn Vertreterverschulden bei Versäumung der Klagefrist nach § 4 KSchG nicht zugerechnet wird, wohl aber bei Versäumung etwa der Einspruchsfrist gegen ein im Gütetermin ergangenes klagabweisendes Versäumnisurteil oder bei Versäumung der Berufungsfrist gegen ein klagabweisendes Endurteil, ist zu begründen. Unterschiedliche Lebenssachverhalte können unterschiedlich geregelt werden (KR-Friedrich, a. a. O. Rz 16). Ob die Interessenlage vergleichbar ist, bestimmt der Normzweck des § 85 Abs. 2 ZPO.

e)

Im Kern geht es um die Frage, ob § 85 Abs. 2 ZPO als allgemeiner Rechtsgedanke auf sondergesetzliche Klagefristen erweitert werden kann (so Stein/Jonas/Borck, a. a. O., Rz 10; Wiezcorek/Schütze/Steiner, a. a. O., Rz 9) oder als Ausnahmevorschrift nicht analogiefähig ist (so AK-Christian, a. a. O., Rz 12; Musialek/Weth, a. a. O., Rz 10; Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 85 Rz 11).

aa)

Vollkommer (FS, S. 606 ff) - der Wegbereiter des prozessualen Verständnisses der Frist des § 4 KSchG (AcP 161, 332) - versteht den § 85 Abs. 2 ZPO als Ausnahmenorm, die auf (sondergesetzliche) Klagefristen nicht entsprechend angewandt werden könne. Die ZPO/das ArbGG kenne mit Ausnahme der klageförmig ausgestalteten außerordentlichen Rechtsbehelfe (§§ 587 ff ZPO) keine Klagefristen. Der Anwendungsbereich des § 85 Abs. 2 ZPO liege bei den Prozessfristen, in der Hauptsache bei den dem Recht der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unterliegenden Rechtsmittel- (behelfs-) fristen. Hier diene die Verschuldenszurechnung dazu, die Rechtskraft von ergangenen Entscheidungen zu sichern. Der Verlust weiteren gerichtlichen Rechtsschutzes sei im Interesse der Rechtssicherheit hinnehmbar. Bei Versäumung von Klagefristen führe die Zurechnung von Vertreterverschulden dagegen zu einer völligen Vorenthaltung des gerichtlichen Rechtsschutzes in der Sache, ohne daß diese Fristenstrenge im Interesse der Rechtssicherheit gerechtfertigt wäre. Eine analoge Anwendung des § 85 Abs. 2 ZPO auf Klagefristen führe zu einer unzumutbaren Erschwerung des ersten Zuganges zum staatlichen Rechtsschutz. Das LAG Hamm - Esponent des materiell-rechtlichen Verständnisses des § 4 KSchG - hat den neuen Ansatz übernommen (Beschluss vom 21.12.1995; vom 27.02.1996, a. a. O.; ebenso Wenzel, a. a. O.; zustimmend auch KR-Friedrich, a. a. O., Rz 7, 70 und Ascheid, a. a. O., unter Aufgabe seiner in Kündigungsschutzrecht, 1993, Rz 732, vertretenen Auffassung).

bb)

Die erkennende Kammer versteht den § 85 Abs. 2 ZPO anders. Auch nach Vollkommer findet die Verschuldenszurechnung ihre Rechtfertigung im Repräsentationsprinzip. § 85 Abs. 2 ZPO liegt der Gedanke zugrunde, dass die Partei, die ihren Rechtsstreit durch einen Vertreter durchführen lässt, in jeder Weise so behandelt wird, als wenn sie den Prozess selbst geführt hätte (BGHZ 2, 207; Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 85 Rz 2; Stein/Jonas/Borck, a. a. O. Rz 8). Mit Vollkommer sichert diese Risikoverteilung bei Versäumung der Rechtsmittel -(behelfs-) fristen die Rechtskraft. Darin erschöpft sich der Anwendungsbereich des § 85 Abs. 2 ZPO aber nicht. Brehm (Anmerkung zu LAG Hamm vom 21.12.1995, a. a. O.) beanstandet mit Recht einen unzulässig verengten Blick, der zu einem zu engen teleologischen Verständnis des § 85 Abs. 2 ZPO führt. § 586 Abs. 1 ZPO belegt, dass die Vorschrift auch auf Klagefristen innerhalb der ZPO anzuwenden ist, wobei allerdings zugegeben werden muss, dass die fristgebundene Wiederaufnahmeklage nicht den ersten Zugang zum gerichtlichen Rechtsschutz eröffnet und eine rechtsmittelähnliche Ausnahmestellung hat (Holthaus, S. 77 f). Bei den verschuldensrelevanten Präklusionsvorschriften spielt die Sicherung der Rechtskraft aber keine Rolle. § 85 Abs. 2 ZPO will verhindern, dass die Einschaltung eines Vertreters dazu führt, das Prozessrisiko zu Lasten des Gegners zu vergrößern. Ansonsten liefen die prozessualen Vorschriften, die Nachteile an ein Verschulden knüpfen, weitgehend leer. Zur Exkulpation würde genügen, einen ordentlichen Anwalt ausgesucht zu haben.

cc)

Um die Sicherung der Rechtskraft geht es bei § 4 KSchG nicht. § 7 KSchG schafft aber einen vergleichbaren Vertrauenstatbestand (Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 7. Aufl. 1999, Rz 1137). Der Arbeitgeber darf davon ausgehen, dass die materielle Wirksamkeit (soziale Rechtfertigung) seiner Kündigung nur unter der Voraussetzung des § 5 KSchG in Frage steht. Rechnet man Vertreterverschulden nicht zu, tritt ein, was § 85 Abs. 2 ZPO gerade verhindern will: die Einschaltung eines Vertreters wirkt sich zum Nachteil des Gegners aus. Vollkommer (FS, S. 614) verneint die Vergleichbarkeit der Vertrauensanknüpfung kraft Fristablaufs mit der kraft rechtskräftiger Entscheidung, weil der Arbeitgeber wegen § 270 Abs. 3 ZPO nicht zuverlässig davon ausgehen könne, dass vor Fristablauf keine Kündigungsschutzklage eingereicht worden sei und er selbst bei Fristversäumung immer mit der Möglichkeit einer nachträglichen Klagezulassung rechnen müsse. Das überzeugt nicht. Es geht um einen gesetzlich begründeten Vertrauenstatbestand und nicht darum, ob der Arbeitgeber im konkreten Fall die Rechtslage tatsächlich überblickt und bedeutungsvolle Dispositionen getroffen hat. Wurde die Kündigungsschutzklage erst nach Fristablauf eingereicht, ist das Vertrauen des Arbeitgebers in die materielle Wirksamkeit seiner Kündigung unabhängig von § 270 Abs. 3 ZPO geschützt. Zwar besteht dann noch die Möglichkeit der nachträglichen Klagezulassung. Auch bei der Versäumung einer Rechtsmittel-(behelfs-) frist gilt aber der Vorbehalt der Wiedereinsetzungsmöglichkeit. Dort ist der Eintritt der formellen Rechtskraft nach § 234 Abs. 3 ZPO sogar ein Jahr lang gefährdet, während die nachträgliche Klagezulassung nach § 5 Abs. 3 S. 1 KSchG schon nach sechs Monaten nicht mehr in Betracht kommt. Der Gesetzgeber misst dem Schutz der Frist nach § 4 KSchG also größere Bedeutung zu als dem Schutz der formellen Rechtskraft ergangener Entscheidungen. Die Einhaltung der Klagefrist wird strenger behandelt als die Einhaltung von Prozessfristen innerhalb anhängiger Verfahren (Francken, S. 45). Gebietet die vergleichbare Interessenlage die entsprechende Anwendung des § 85 Abs. 2 ZPO, kann darin keine unzumutbare Erschwerung des ersten Zuganges zum gerichtlichen Rechtsschutz liegen. Verfassungsrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) garantiert nicht den unbeschränkten ersten Zugang zum Gericht. Unzulässig ist nur die aus Sachgründen nicht gerechtfertigte Zugangsbeschränkung (BVerfG vom 29.11.1989 NJW 1990, 1104).

f)

Der Normzweck des § 5 KSchG steht der analogen Anwendung des § 85 Abs. 2 ZPO nicht entgegen. Die von Friedrich (KR, a. a. O. Rz 70) gerügte Diskrepanz zur bloßen Rechtsberatung besteht nur auf den ersten Blick. Die Nichtzurechnung von Vertreterverschulden bei (nur) fehlerhafter Beratung hinsichtlich der Klagefrist erklärt sich daraus, dass im vorprozessualen Bereich eine Zurechnungsnorm fehlt, sofern nicht auf § 278 BGB abgestellt wird (so Rieble, a. a. O.). Mit Klageauftrag gilt Prozessrecht und damit § 85 Abs. 2 ZPO. Die Nichtzurechnung von Vertreterverschulden lässt sich also nicht mit dem erst-recht-Schluss begründen, der im Sinne des § 5 KSchG sorgfältiger handelnde - weil Klagauftrag erteilende - Arbeitnehmer könne nicht schlechter gestellt werden als der, der sich nur beraten lasse und damit weniger intensiv um die Abwehr der Kündigung bemühe. Der Sachverhalt ist nicht vergleichbar. Mit Klageauftrag gelten besondere (Prozessförderungs-) Pflichten. Wer einen Stellvertreter in die Klageerhebung einspannt, muss sich dessen Verhalten wegen § 85 Abs. 1 und 2 ZPO zurechnen lassen (Francken, S. 38).

III.

Die Kosten seiner erfolglosen Beschwerde hat der Kläger entsprechend § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Der Streitwert folgt dem Hauptsachewert (§ 12 Abs. 7 ArbGG entsprechend).

Gegen diesen Beschluss findet keine weitere Beschwerde statt (§ 78 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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