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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 22.04.2002
Aktenzeichen: 8 Sa 457/2001
Rechtsgebiete: MTA-O, BAT-O


Vorschriften:

MTA-O § 1
BAT-O § 1
Hat ein Arbeitnehmer zur Beschäftigung in einer Dienststelle der Bundesanstalt für Arbeit in den alten Bundesländern ein Arbeitsverhältnis begründet, nachdem er eine Ausbildung in einer Dienststelle der Bundesanstalt im Beitrittsgebiet durchlaufen hat, und wird er dann zu einer Dienststelle der Bundesanstalt im Beitrittsgebiet versetzt, hat er Anspruch auf Vergütung nach dem Vergütungstarifvertrag-West, da sein Arbeitsverhältnis nicht im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Beitrittsgebiet begründet worden ist (§§ 1 MTA-O; 1 BAT-O).
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 10.10.2001 - 9/2 Ca 1610/01 - wird kostenpflichtig als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die beiderseits tarifgebundenen Parteien streiten um die Zahlung von Differenzvergütung für die Monate Oktober 2000 bis März 2001, die sich aus der begehrten Anwendbarkeit des einschlägigen Vergütungstarifvertrages West und der tatsächlich erfolgten Anwendung des einschlägigen Vergütungstarifvertrages Ost ergibt und die der Höhe nach unstreitig ist.

Wegen des erstinstanzlichen Parteivortrages, wegen der gestellten Anträge und wegen der richterlichen Feststellungen wird gem. § 543 Abs. 2 ZPO a. F. auf den Tatbestand des angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Erfurt hat der Klage mit Urteil vom 10.10.2001 aus den aus den Entscheidungsgründen (Bl. 95 - 98 d. A.) ersichtlichen Erwägungen stattgegeben.

Gegen dieses der Beklagten am 25.10.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 23.11.2001, der am gleichen Tag beim Berufungsgericht einging, Berufung eingelegt und die Berufung mit dem am 18.01.2002 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 17.01.2002 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist mit Verfügung des Vorsitzenden vom 10.12.2001 bis zum 24.01.2002 verlängert worden war.

Die Beklagte wendet sich mit Rechtsausführungen gegen die Erwägungen des Arbeitsgerichts und vertieft ihre erstinstanzliche Argumentation. Sie weist vor allem darauf hin, dass die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag vom 09.07.1998 nur rein deklaratorische Bedeutung habe und dass deshalb nach der Versetzung der Klägerin nach E. und der damit erfolgten Änderung des Arbeitsortes der für diesen Ort gültige einschlägige Mantel- bzw. Vergütungstarifvertrag Anwendung finde. Deshalb sei von einer ausdrücklichen Vereinbarung der nach der Versetzung gültigen Tarifverträge in der Änderungsvereinbarung vom 10.10.2000 abgesehen worden und nur mit Erlass vom gleichen Tag (Bl. 71 d. A.) auf diese Rechtslage hingewiesen worden.

Darüber hinaus vertritt die Beklagte weiterhin die Auffassung, dass das derzeitige Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet begründet worden sei, weil man der Klägerin ein Angebot auf Arbeitsleistung in E. gemacht habe und weil sie dieses Angebot angenommen habe. Entscheidend sei aber der Ort der gegenwärtig geschuldeten Arbeitsleistung.

Darüber hinaus sei angesichts der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu dieser Problematik, insbesondere des Urteils vom 18.01.2001 (6 AZR 530/99), davon auszugehen, dass es für die Anwendbarkeit der Ost-Tarifverträge ausreiche, wenn die Ausbildung im Beitrittsgebiet erfolgt sei, weil in diesem Falle bei der Übernahme in ein Arbeitsverhältnis mit dem gleichen Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis als im Beitrittsgebiet "begründet" zu gelten habe. Denn die erfolgreich durchgeführte Ausbildung sei Anlass i. S. der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für die Erstanstellung im Bereich der alten Bundesländer gewesen. Insoweit bestehe der gleiche Zusammenhang wie bei einer vorhergehenden Beschäftigung im Rahmen einer ABM-Maßnahme.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 10.10.2001, Az.: 9/2 Ca 1610/01, abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Sie verteidigt die ihr günstigen Erwägungen des Arbeitsgerichts unter Eingehens auf die Darlegungen in der Berufungsbegründung und unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 64 Abs. 2 b ArbGG a. F. statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete und damit insgesamt zulässige Berufung ist nicht begründet, weil das Arbeitsgericht der Klage zu Recht stattgegeben hat.

Das Arbeitsgericht hat unter offensichtlicher Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur West-Ost-Problematik in überzeugender und erschöpfender Weise dargelegt, dass auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nach der Versetzung der Klägerin in das Beitrittsgebiet weiterhin der MTA (West) und die ihn ergänzenden Tarifverträge, so auch der einschlägige Vergütungstarifvertrag, anwendbar sei und dass der Klägerin deshalb die rechtzeitig geltend gemachte Differenzvergütung zustünde.

Da das Berufungsgericht nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage seinen Erwägungen in den Entscheidungsgründen voll inhaltlich beitritt, wird darauf gem. § 543 Abs. 1 ZPO a. F. Bezug genommen.

Die Rechtsausführungen der Beklagten in der Berufungsinstanz vermögen kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1.

Zu Recht führt die Beklagte allerdings aus, dass es auf die - trotz beiderseitiger Tarifbindung erfolgte - Bezugnahme auf den Manteltarifvertrag für die Angestellten der BA vom 21.04.1961 (MTA) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung in § 2 des Arbeitsvertrages vom 09.07.1998 nicht entscheidend ankomme. Denn die dynamische Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge in einem von einem tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Vertrag ist nach der ständigen Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts typischerweise als Gleichstellungsabrede aufzufassen (vgl. zuletzt Urteil vom 26.09.2001, 4 AZR 544/2000), die nur bewirken soll, dass die Arbeitsbedingungen der ggf. nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer den Arbeitsbedingungen der die der Arbeitgeber gleichfalls tarifgebundenen Arbeitnehmer gleichgestellt werden sollen und dass auf diese Weise auch die nichttarifgebundenen Arbeitnehmer so behandelt werden, als seien sie ebenfalls tarifgebunden.

Da der öffentliche Arbeitgeber wegen seiner Bindung an das Haushaltsrecht im Zweifel nur die Leistungen gewähren will, zu denen er tariflich verpflichtet ist, folgt aus diesem Regelungszweck der Bezugnahmeklausel, dass der Arbeitsvertrag nur das beinhalten soll, was nach allgemeinen Grundsätzen des Tarifrechts für tarifgebundene Arbeitnehmer gelten soll (vgl. nur BAG Urteil vom 25.02.1999, 6 AZR 490/97, ZTR 99, 511). Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag hat deshalb keine rechtsbegründende Wirkung, sondern nur deklaratorischen Charakter (so Bundesarbeitsgericht Urteil vom 15.07.1999, 6 AZR 699/97, ZTR 2000, 169, 170 ff).

Aus dem gleichen Grund hat der Erlass der Beklagten vom 10.10.2000 keinen rechtsbegründenden, sondern nur deklaratorischen Charakter. Er will der Klägerin nur vor Augen halten, was nach der - allerdings rechtsirrigen - Auffassung der Beklagten nach ihrer Versetzung tarifrechtlich Geltung haben soll. Eine für sie ungünstigere vertragliche Vergütungsregelung wäre überdies wegen der Tarifbindung beider Parteien nach § 4 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz unwirksam.

2.

Die Auffassung der Beklagten, das zwischen ihr und der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis sei am 10.10.2000 neu begründet worden und deshalb sei wegen seiner Beziehung zum Beitrittsgebiet der MTA-Ost und die ihn ergänzenden Tarifnormen anwendbar, ist rechtsirrig.

Denn im Oktober 2000 wurde kein neues Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien vereinbart, sondern der am 09.07.1998 in Bremen geschlossene Arbeitsvertrag wurde nach der ausdrücklichen Regelung im Vertrag vom 10.10.2000 nur hinsichtlich seines § 1 geändert, d. h. geändert wurde die Einsatzdienststelle der Klägerin: Statt Arbeitsamt B. nunmehr Arbeitsamt E.. Hinsichtlich dieser Änderung der Einsatzdienststelle wurden zwar zwei korrespondierende Willenserklärungen gewechselt; sie bezogen sich aber nur auf die Änderung der Dienststelle, nicht auf eine Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses.

Im Übrigen wäre es für die Anwendbarkeit der Tarifverträge West oder der Tarifverträge Ost nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch unerheblich, wenn formaliter im Oktober 2000 ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen worden wäre, weil es auch in diesem Falle nicht so angesehen werden könnte, als sei das Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet neu "begründet" worden. Durch eine solche Handhabung könnte ein einheitliches Arbeitsverhältnis, dass sich inhaltlich nur im Hinblick auf die Einsatzdienststelle änderte, nicht in zwei verschiedene Arbeitsverhältnisse aufgeteilt werden. Dies wäre eine Umgehung und Aushöhlung der Regelung in § 1 MTA-Ost, die angesichts der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu dieser Problematik keinen Bestand haben könnte.

3.

Der zwischen der Ausbildung im Beitrittsgebiet und dem Beginn des einheitlichen Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien natürlich bestehende Zusammenhang vermag nicht dazu führen, dass auf das Arbeitsverhältnis ab 01.10.2000 der MTA-Ost und der Vergütungstarifvertrag Ost Anwendung findet.

Obwohl die Klägerin - wie die Beklagte zu Recht ausführt - nur deshalb in B., also im Bereich der alten Bundesländer, eingestellt wurde, weil sie ihre Ausbildung in G., also in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet, erfolgreich abgeschlossen hatte, führt dieser Zusammenhang nicht dazu, dass vorliegend der MTA-Ost anzuwenden ist, weil die Tarifvertragsparteien - wie auch im BAT-Ost - eindeutig darauf abstellen, dass diese Osttarifverträge nur dann Geltung haben sollten, wenn das Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet begründet wurde. Das Arbeitsgericht hat dazu lakonisch zutreffend ausgeführt: "Ein Ausbildungsverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis i. S. des § 1 MTA-Ost".

a)

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinne der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zuberücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien, wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAG Urteil vom 24.10.2001, 10 AZR 132/2001, EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Entscheidung 165).

b)

Der Wortlaut der Regelung in § 1 MTA-Ost ist eindeutig. Der Tarifvertrag spricht von einem Arbeitsverhältnis, das im Beitrittsgebiet begründet worden ist, und nicht von einem Ausbildungsverhältnis.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass im Bereich der Tarifverträge der öffentlichen Arbeitgeber zwischen Tarifverträgen, die für Arbeitnehmer, und solchen, die für Auszubildende gelten, scharf differenziert wird. So richtete sich das Berufsausbildungsverhältnis der Klägerin gem. § 3 des Berufsausbildungsvertrages u. a. nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Auszubildenden in der BA (TV-Auszubildende) vom 10.04.1975 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen sowie nach der Verordnung über die Berufsausbildung zur Fachangestellten für Arbeitsförderung vom 06.06.1988.

Eine Gleichsetzung von Arbeitsverhältnis und Ausbildungsverhältnis verbietet sich also schon angesichts der differenzierten tariflichen Regelungen im Hinblick auf diese verschiedenartigen Rechtsverhältnisse.

c)

Darüber hinaus entspricht es allgemeinen Auslegungsgrundsätzen, dass Tarifvertragsparteien bei der Verwendung eines Rechtsbegriffs, der im juristischen Sprachgebrauch eine bestimmte "einzigartige" Bedeutung hat, diesen Begriff auch in ihren Tarifverträgen in aller Regel in dieser allgemeinen juristischen Bedeutung verwenden wollen. Unter diesem Aspekt wird im allgemeinen juristischen Sprachgebrauch ein Arbeitsverhältnis nicht mit einem Ausbildungsverhältnis gleichgesetzt. Bei einer anderen Betrachtungsweise wäre § 3 Abs. 2 BBilG überflüssig, wonach auf dem Berufsausbildungsvertrag, soweit sich aus seinem Wesen und Zweck und aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze anzuwenden sind. Diese Unterscheidung hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 17.08.2000 (8 AZR 578/99 NZA 01, 150 = EzA § 16 BBilG Entscheidung 3) im zweiten Leitsatz sehr deutlich herausgestellt, wo es heißt: "Ausbildungsverhältnis und Arbeitsverhältnis können wegen der unterschiedlichen Pflichtenbindung nicht gleichgesetzt werden". Dem ist nichts hinzuzufügen.

Der Wortlaut des § 1 MTA-Ost spricht also ganz entscheidend dafür, dass Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieses Tarifvertrages und der ihn ergänzenden Tarifverträge die Begründung eines Arbeitsverhältnisses im Beitrittsgebiet ist.

d)

Sinn und Zweck der Differenzierung zwischen MTA und MTA-Ost hätten ggf. dafür sprechen können, bei der Frage der Anwendbarkeit der West- oder Osttarifverträge der Begründung des Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien durch einen Arbeitsvertrag die Begründung durch einen Ausbildungsvertrag gleichzusetzen. Aber abgesehen davon, dass die Tarifvertragsparteien eine solche Gleichsetzung offensichtlich nicht beabsichtigten, wäre es ein nach Art. 9 Abs. 3 GG unerlaubter Eingriff in die Tarifautonomie, wenn die Gerichte für Arbeitssachen den Tarifvertragsparteien durch eine "ausdehnende Auslegung" von § 1 MTA-Ost eine Regelung aufdrängen würden, die sie offensichtlich gerade nicht wollten, nur weil diese Auslegung zu einer zweckmäßigeren und sinnvolleren Lösung führen würde.

e)

Was Sinn und Zweck der Regelung in § 1 MTA-Ost anbelangt, so stößt das erkennende Gericht allerdings an seine Grenzen, weil sich der tarifliche Regelungszweck auch nach reiflicher Überlegung nicht enthüllt.

Das Bundesarbeitsgericht hat zwar gemeint, dass die unterschiedlichen Tarifregelungen den unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnissen in den alten und neuen Bundesländern Rechnung tragen wollten (vgl. Urteil vom 24.02.1994, 6 AZR 588/93, NZA 95, 133 = EzA § 4 Tarifvertragsgesetz Geltungsbereich Entscheidung 4; ebenso Urteil vom 15.07.1999 a. a. O.) Diese Auffassung dürfte aber gerade bei einem einheitlichen Arbeitsverhältnis mit einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem Bund oder eben auch der Bundesanstalt für Arbeit und den daraus folgenden Versetzungsmöglichkeiten zwischen Ost und West kaum tragfähig sein.

Denn die wirtschaftlichen Bedingungen des Beitrittsgebietes vermögen eine Differenzierung hinsichtlich der Vergütung in den beiden Grundkonstellationen: Ost-West bzw. West-Ost kaum zu begründen. Aus welchem Grund ein Arbeitnehmer, der auf Grund eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses mit der Bundesanstalt für Arbeit nach Abschluss des Arbeitsverhältnisses und einmonatiger Tätigkeit beim Arbeitsamt E. Vergütung nach Ost-Grundsätzen und bei einer unter Umständen jahrelangen Verwendung beim Arbeitsamt E. Vergütung nach West-Grundsätzen erhalten hat, nach seiner Rückversetzung zum Arbeitsamt E. nun wieder auf Dauer Ost-Vergütung erhalten soll, während ein Arbeitnehmer, der sein Arbeitsverhältnis in E. begründet hat und dann beim dortigen Arbeitsamt mit West-Vergütung einen Monat tätig war, nach seiner auf Dauer geplanten Versetzung zum Arbeitsamt E. nunmehr weiterhin auf Dauer Vergütung nach West-Grundsätzen erhalten soll, ist mit unterschiedlichen wirtschaftlichen Ausgangslagen nicht zu erklären. Diesen unterschiedlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten wäre für diese Konstellationen wohl besser Rechnung getragen worden, wenn man die Anwendbarkeit der Tarifverträge West oder Ost allein vom Einsatzort abhängig gemacht hätte, nicht aber von dem Ort der Begründung des Arbeitsverhältnisses.

Als einziger Grund für die Regelung in § 1 BAT-O oder MTA-Ost bleibt wohl nur die Absicht der Tarifvertragsparteien, dem ursprünglich in den alten Bundesländern eingestellten Arbeitnehmer auch nach einer Versetzung in das Beitrittsgebiet deshalb weitere Vergütung nach West-Tarifverträgen zu zahlen, um ihm bei einem Wechsel keinen Vergütungsnachteilen auszusetzen und ihm durch diesen Bestandsschutz den Wechsel ins Beitrittsgebiet mit ggf. erheblich besseren Beförderungsmöglichkeiten reizvoll zu machen.

Der so gedeutete Sinn der tariflichen Regelungen spricht deshalb bei der vorliegenden Konstellation für die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin weiterhin Vergütung nach Vergütungstarifvertrag West zu zahlen. Denn der tariflich vorgesehene Vergütungs"bestandsschutz" bildete einen Anreiz, dass in den alten Bundesländern begründete Arbeitsverhältnis bei einer Dienststelle im Beitrittsgebiet fortzusetzen, wobei das Gericht keineswegs verkennt, dass auch die Klägerin unter Umständen ein erhebliches Interesse daran hatte, ihren Lebensmittelpunkt wieder nach Thüringen zu verlegen. Solche unterschiedlichen subjektiven Interessen und Pläne können in die Tarifauslegung selbstverständlich nicht einfließen.

f)

Da Sinn und Zweck der Tarifregelung nach alledem recht vage bleiben, Tarifgeschichte, Entstehungsgeschichte und praktische Tarifübung vorliegend keinen Auslegungswert haben, erscheint der Wortlaut des § 1 MTA-Ost dafür ausschlaggebend, dass dieser Tarifvertrag und die ihn ergänzenden Tarifverträge nur dann anwendbar sind, wenn ein Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet begründet worden ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des 6. Senats des Bundesarbeitsgerichts zum Geltungsbereich des BAT-Ost und gleichlautender Tarifverträge ist ein Arbeitsverhältnis in dem in Art. 3 Einigungsvertrag genannten Gebiet begründet, wenn dort der Grund der Entstehung des Arbeitsverhältnisses liegt und der Bezug zum Beitrittsgebiet gegenwärtig noch besteht. Wird ein Arbeitnehmer für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt und wird er dort auf unbestimmte beschäftigt, sind diese Voraussetzungen gegeben. Für den gegenwärtigen Bezug zum Beitrittsgebiet ist grundsätzlich die Lage des Arbeitsplatzes entscheidend. Wird ein Angestellter, der für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt wurde, vorübergehend auf nicht absehbare Zeit im Geltungsbereich des BAT beschäftigt, findet für die Dauer dieser Tätigkeit der BAT Anwendung. Nach Rückkehr auf einen Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet unterfällt das Arbeitsverhältnis wieder dem BAT-Ost. Angestellte, deren Arbeitsverhältnis in den alten Bundesländern begründet worden sind, unterfallen nicht dem Geltungsbereich des BAT-Ost, denn der Entstehungsgrund für ihre Arbeitsverhältnisse liegt nicht im Beitrittsgebiet. Sie wurde nicht für eine Tätigkeit in dem in Art. 3 EV genannten Gebiet eingestellt, sondern für eine Tätigkeit in den alten Bundesländern. Deshalb gelten für sie ausschließlich die Bestimmungen des BAT, und zwar auch dann, wenn sie später - vorübergehend oder auf nicht absehbare Zeit - im Beitrittsgebiet eingesetzt werden (vgl. BAG Urteil vom 26.11.1998, 6 AZR 335/97, ZTR 99, 362 ff; BAG Urteil vom 25.02.1999, 6 AZR 490/97, ZTR 99, 511, jeweils mit eingehenden Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass der Geltungsbereich des BAT-Ost und der gleichlautenden tariflichen Bestimmungen zwar an die Lage des derzeitigen Arbeitsplatzes anknüpft, für die Tarifgeltung aber neben dem gegenwärtigen Bezug zum Beitrittsgebiet auch entscheidend ist, dass der Arbeitnehmer für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt wurde, "denn § 1 Abs. 1 BAT-O stellt darauf ab, ob das Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet begründet ist" (so BAG Urteil vom 15.07.1999, 6 AZR 699/97, ZTR 2000, 169; vgl. die Übersicht zur Rechtsprechung des 6. Senats bei Schmitt, Tarifrecht Ost oder West? AuA 2000, 157 ff).

Die Konsequenz für die hier zu beurteilende Konstellation ist, dass die Klägerin Anspruch auf Vergütung nach den Vergütungstarifverträgen im Bereich des MTA hat, denn ihr Arbeitsverhältnis wurde nicht "im" Beitrittsgebiet begründet und es hatte auch bei seiner Begründung als Arbeitsverhältnis keinen anderen Bezug zum Beitrittsgebiet. Da diese Tarifkomponente also fehlt, reicht das Vorliegen der zweiten Tarifkomponente, der am 01.10.2000 bestehende Bezug zum Beitrittsgebiet, nicht aus, um die Anwendbarkeit des MTA-Ost und der im Beitrittsgebiet geltenden Vergütungstarifverträge zu bejahen.

5.

Aus dem von ihr zitierten Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 08.01.2001 (6 AZR 530/99) kann sich die Beklagte - worauf die Klägerin bereits zu Recht hingewiesen hat - zur Begründung ihrer Rechtsauffassung nicht berufen, weil bei der dort zugrunde liegenden Fallkonstellation das Arbeitsverhältnis zunächst als bis zum 28.02.1992 befristetes Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet begründet worden war und der Kläger als ABM-Kraft zunächst für eine Tätigkeit als Arbeitnehmer im Beitrittsgebiet eingestellt worden war. Daran schloss sich ohne zeitliche Unterbrechung ein unbefristetes Arbeitsverhältnis im West-Bereich an. Das Bundesarbeitsgericht hat aus diesen Umständen zu Recht den Schluss gezogen, dass auf dieses Arbeitsverhältnis nach Rückkehr des Arbeitnehmers in das Beitrittsgebiet die Vergütungstarifverträge Ost Anwendung finden, weil der Grund für die Entstehung dieses einheitlichen Arbeitsverhältnisses in der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und damit im Beitrittsgebiet lag, "weil das Arbeitsverhältnis dort begonnen wurde" (so das BAG in dieser Entscheidung, zitiert nach der Berufungsbegründungsschrift).

Vorliegend wurde aber - wie ausgeführt - kein Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet begonnen, sondern es wurde nur ein Ausbildungsverhältnis in diesem Bereich begonnen und beendet und das sich anschließende Arbeitsverhältnis im Bereich der alten Bundesländer begonnen und begründet.

Dies ist das ausschlaggebende Unterscheidungsmerkmal, welches die Entscheidung vom 18.01.2001 als nicht analogiefähig ansehen lässt.

Es ergibt sich also nach alledem, dass das Arbeitsgericht der Klage zu Recht stattgegeben hat.

Die Begründetheit des Zinsanspruches folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 1 BGB a. F.

Die Berufung ist demnach als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssage nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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