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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 19.06.2000
Aktenzeichen: 8 Sa 738/99
Rechtsgebiete: ZPO, KSchG


Vorschriften:

ZPO § 91
ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 138 Abs. 4
ZPO § 543 Abs. 1
KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 3
Grundsätze der betriebsbedingten Kündigung und der sozialen Auswahl (Parallelfälle in anderen Kammern)
Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 01.09.1999 - 2 Ca 130/99 - abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

Der am 01.02.1963 geborene und ledige Kläger, der eine Berufsausbildung als Facharbeiter für Nachrichtentechnik hat, war seit dem 01.01.1981 bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängern als Automatenbediener zu einem monatlichen Bruttolohn von zuletzt DM 2.800,00 beschäftigt.

Grundlage des Arbeitsverhältnisses war in den letzten Jahren der am 30.10.1996 abgeschlossene Arbeitsvertrag (Bl. 6 f d. A.).

Die Beklagte fertigt mit mehr als 40 Arbeitnehmern im Wesentlichen stationäre Telefonendgeräte und Bauteile und Baugruppen im fernmeldetechnischen Bereich.

Im Jahr 1998 wurden im Rahmen von ca. 21 Produktgruppen 570.000 Produkte gefertigt, für diese Fertigung war ein Arbeitseinsatz von 42,41 Vollzeitbeschäftigten erforderlich. Von einem Hauptprodukt, welches die Beklagte auf Bestellung gefertigt hatte, wurden in diesem Jahr 448.000 Stück hergestellt. Dieser Auftrag lief aber Ende 1998 aus, ein Anschlussauftrag wurde nicht erteilt.

Wegen dieses und anderer fehlender Anschlussaufträge und wegen der sich abzeichnenden mangelnden Auslastung der Fertigung wurde auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 12.06.1996 (Bl. 133 d. A.) für die Zeit ab Januar 1999 im Benehmen mit dem Betriebsrat die regelmäßige Arbeitszeit auf 6 Stunden pro Arbeitstag und 30-Wochenstunden reduziert (vgl. Bl. 134 d. A.).

Da es dennoch in der Fertigung zu einer Anhäufung von Minusstunden auf den Arbeitszeitkonten der Mitarbeiter kam, beschlossen die Geschäftsführer in einer Besprechung am 15.01.1999 die Arbeitsplätze zunächst im gewerblichen und dann auch im Angestelltenbereich zu verringern, und zwar sollten bis Jahresende je nach Kündigungsfrist 25 bis 30 unbefristete Arbeitsverhältnisse beendet werden. Grundlage dieser Entscheidung war die unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten erstellte Prognose, dass im Jahr 1999 angesichts der fehlenden Aufträge nur noch 147.435 Produkte mit 17 Produktgruppen gefertigt würden und dass wegen dieses erheblichen Auftragsrückgangs 21,29 Arbeitskräfte der Lohngruppen 2 bis 7 in der Fertigung entbehrlich sein würden (vgl. Übersicht über die Verteilung des Arbeitskräftebedarfs in den einzelnen Lohngruppen in den Jahren 1998 und 1999 (Bl. 131 und 132 d. A.). Diesen Übersichten liegen Arbeitspläne für die einzelnen Produkte zugrunde; der Arbeitskräftebedarf für die Fertigung der einzelnen Waren wurden mittels REFA-Methoden ermittelt.

Der Kläger war mit Lohngruppe 4 als Bediener von sog. Radialbestückungsautomaten tätig und mit der Herstellung von Produkten in sämtlichen Produktbereichen beschäftigt. Zeitweise war er auch an sog. SDM-Bestückungsautomaten tätig. Die automatische Bestückung von Leiterplatten erfolgt im Betrieb mit Hilfe von Radialbestückungsautomaten (Bestückung mit bedrahteten Bauelementen) mit SMD-Bestückungslinien (Bestückung mit SMD-Bauelementen).

Die Tätigkeit der Automatenbediener am Radialbestückungsautomaten besteht im Wesentlichen im Laden des Rechners mit dem vorgegebenen Bestückung- und Prüfprogramm gemäß Arbeitsauftrag, im Bestücken des Sequenzers mit Bauelementegurten, Einlegen der Leiterplatten in den Rahmen, Starten des Bestückvorganges, Entnehmen der Leiterplatten nach Beendigung des Stückvorganges aus dem Rahmen, Durchführen einer Sichtkontrolle und Ablegen in Transportbehälter. An SMD-Bestückungsautomaten werden wesentlich qualifiziertere und umfangreichere Tätigkeiten durchgeführt, die nach Lohngruppe 5 vergütet werden.

Auf Grund des drastischen für das Jahr 1999 prognostizierten Auftragsrückgangs, bedingt insbesondere durch den Verlust des Großauftrages betreffend das Produkt A, wurde Anfang 1999 ein Beschäftigungsrückgang an Radialbestückungsautomaten für mindestens fünf Arbeitnehmer prognostiziert, wobei allein durch den Wegfall des Großauftrages des Produktes A 4,66 Arbeitskräfte entbehrlich erschienen. Bei Arbeiten mit der Bewertung nach Lohngruppe 5 wurde ein Rückgang des Beschäftigungsbedarfs in Höhe von ca. 1,5 Arbeitskräften vorausgesagt.

Trotz des erheblichen Abbaus von Arbeitskräften und trotz der Anwendung sonstiger Maßnahmen zur Kostensenkung im Unternehmen, wie Anordnung von Null-Kurzarbeit vom 01.03. - 01.04.1999 und ganzjähriger Anwendung der sechs-Stunden-Regelung, konnte der Umsatzplan für das Jahr 1999 nur zu 68 % erfüllt werden. Die Beklagte erlitt für dieses Geschäftsjahr ein negatives Betriebsergebnis von 2,7 Mio. DM.

Hinsichtlich der beabsichtigten Kündigungen wurde der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat wie folgt beteiligt:

Am 04.02.1999 informierte die Geschäftsleitung den Betriebsrat über die aktuelle wirtschaftliche Situation der Beklagten. Ihm wurde die Produktplanung für das Jahr 1999 eingehend erläutert. Unter Bezugnahme auf den ermittelten Arbeitskräftebedarf bezogen auf die einzelnen Produktgruppen in den Jahren 1998 und 1999 wurde der Betriebsrat unterrichtet, dass nur noch 20 bis 21 Arbeitnehmer ausgelastet beschäftigt werden könnten und dass deshalb ein Personalabbau im Bereich der Fertigung von 25 bis 30 Mitarbeitern unumgänglich sei.

Bei einer weiteren Besprechung am 09.02.1999 wurde die wirtschaftliche Lage der Beklagten nochmals eingehend anhand der für 1998 vorgelegten Daten und Unterlagen und der für 1999 prognostizierten bzw. bereits vorliegenden Daten (Monat Januar) erörtert.

Unter dem 11.02.1999 wurden Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs und eines Sozialplanes aufgenommen. Man verständigte sich darauf, dass als erster Schritt nur im Bereich der Lohnempfänger Personalabbau durchgeführt werden sollte. Dem Betriebsrat wurde eine Liste von 15 zur Kündigung anstehenden Mitarbeitern überreicht. Diese Mitarbeiter, darunter auch der Kläger, waren mit ihren persönlichen Daten, ihrer Tätigkeit und der individuellen Kündigungsfrist aufgeführt.

Nach weiteren Verhandlungen am 16.02. und 17.02.1999 schlossen Unternehmensleitung und Betriebsrat am 17.02.1999 einen Interessenausgleich und Sozialplan ab (Bl. 136 und 137 f d. A.).

Am 18.02.1999 fand unter Zugrundelegung der bereits ausgiebig erörterten wirtschaftlichen Daten und des Arbeitskräftebedarfs für das Jahr 1999 eine Anhörung des Betriebsrats zu den einzelnen beabsichtigten Kündigungen, u. a. des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses, statt. Von Seiten der Geschäftsleitung wurden 16 Anhörungsschreiben zur Kündigung von 16 Mitarbeitern, darunter des Klägers übergeben.

Der stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrates entgegnete darauf, dass dem Betriebsrat aus den geführten Verhandlungen sowie den bisher übergebenen Unterlagen die betriebliche Situation der Beklagten und die daraus resultierenden Notwendigkeit der beabsichtigten Kündigungen umfassend bekannt seien.

Im weiteren Verlauf erläuterte die Geschäftsleitung die anhand des Punktebewertungssystems aus dem Sozialplan durchgeführte Sozialauswahl und erläuterte unter Benennung der einzelnen sozialen Daten, welcher Arbeitnehmer als miteinander vergleichbar in die Sozialauswahl einbezogen worden seien.

Bei einer weiteren Betriebsratssitzung am 22.02.1999 wurde dem Betriebsrat eine Liste mit sämtlichen vergleichbaren Mitarbeitern der einzelnen Lohngruppen unter Anführung ihrer persönlichen Daten übergeben. Im Hinblick auf den Kläger wurden Art und Weise der sozialen Auswahl unter Berücksichtigung der anderen vergleichbaren in Lohngruppe 4 tätigen Mitarbeiter im Einzelnen erläutert.

Der Betriebsratsvorsitzende teilte am gleichen Tag gegen 14.30 Uhr mit, dass der Betriebsrat beschlossen habe, gegen die 15 Kündigungen keinen Widerspruch einzulegen, und erklärte, dass dies eine abschließende und endgültige Stellungnahme des Gremiums sein sollte.

Darauf sprach die Beklagte mit Schreiben vom 24.02.1999 gegenüber dem Kläger die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30.06.1999 aus (vgl. Bl. 9 d. A.).

Der Kläger hat die Kündigung erstinstanzlich deshalb als unwirksam betrachtet, weil er nach seiner Auffassung mit den nach Lohngruppe 4 vergüteten und dauernd am SDM-Bestückungsautomaten beschäftigen Mitarbeiter M. S. vergleichbar sei und weil dieser Mitarbeiter angesichts seines vier Jahre jüngeren Lebensalters und seiner drei Jahre geringeren Beschäftigungszugehörigkeit sozial stärker einzuschätzen sei. Unstreitig ist allerdings im Hinblick auf diesen Mitarbeiter, dass er verheiratet und seiner Ehefrau gegenüber unterhaltspflichtig ist.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivortrages, wegen der gestellten Anträge und wegen der richterlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils gemäß § 543 Abs. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Nordhausen hat der Klage mit Urteil vom 01.09.1999 aus den aus den Entscheidungsgründen (Bl. 47 - 49 d. A.) ersichtlichen Gründen stattgegeben.

Gegen dieses ihrem Prozessbevollmächtigten am 10.12.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit dem am 13.12.1999 eingegangenen Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 10.12.1999 Berufung eingelegt und die Berufung mit dem am 11.02.2000 eingegangenen Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 09.02.2000 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist durch Verfügung des Vorsitzenden vom 14.11.1999 bis 13.02.2000 verlängert worden war.

Die Beklagte wendet sich unter erheblicher Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages gegen die tragenden Gründe der angefochtenen Entscheidung, trägt nochmals - wie im unstreitigen Teil des Tatbestandes dieses Urteils wiedergegeben - die dringenden betrieblichen Gründe für den Ausspruch der Kündigung und den Ablauf der Beteiligung des Betriebsrates vor und legt nochmals vertiefend dar, aus welchen Gründen sie den Mitarbeiter M. S. wegen seiner qualifizierteren Arbeitsleistung für mit dem Kläger nicht vergleichbar hält und aus welchen Gründen sie ihn deshalb in die soziale Auswahl nicht einbezogen hat.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 01.09.1999, 2 Ca 130/99, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt:

Die Berufung wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Er verteidigt die tragenden Gründe der angefochtenen Entscheidung unter Eingehens auf den Berufungsvortrag. Er vertritt insbesondere die Auffassung, dass sich dem Vortrag der Beklagten nicht entnehmen lasse, welcher konkreter Arbeitskräftebedarf in den einzelnen Produktsegmenten bestünde, und dass es nicht erkennbar sei, in welchem Produktsegment der Kläger eingesetzt worden sei und welche Auswirkungen ein möglicher oder behaupteter Umsatzrückgang gerade auf seinen konkreten Arbeitsplatz gehabt habe. Desweiteren hält er auch an seiner Auffassung fest, dass die vom Mitarbeiter S. ausgeübte Tätigkeit mit seiner eigenen Tätigkeit durchaus vergleichbar sei, so daß dieser Mitarbeiter angesichts seines geringeren Lebensalters und seiner geringeren Betriebszugehörigkeit an seiner Stelle hätte entlassen werden müssen. Und letztlich bestreitet er die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates unter Hinweis darauf, dass von der Beklagten nicht dargelegt sei, welche konkreten Informationen im Hinblick auf die Notwendigkeit der Kündigung man dem Betriebsrat gegeben habe und dass man ihn über die betrieblichen Auswirkungen auf den konkreten Arbeitsplatz des Klägers informiert habe. Desweiteren sei auch offensichtlich nicht mitgeteilt worden, dass der Mitarbeiter S. aus den Seitens der Beklagten angeführten Gründe nicht in die Sozialauswahl einbezogen worden sei.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete und damit insgesamt zulässige Berufung ist begründet, weil die gegenüber dem Kläger erklärte betriebsbedingte Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist am 30.06.1999 zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat.

Da wegen der Rechtskraft des Berufungsurteils eine Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag entbehrlich ist und weil der Kläger in der Berufungsinstanz seinen Hilfsantrag offensichtlich nicht weiterverfolgt hat, ist deshalb die Klage unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils abzuweisen.

Im Einzelnen gilt folgendes:

I.

Die Kündigung ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht schon deshalb unwirksam, weil die Beklagten den bei ihr gebildeten Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört hat.

Unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 16.03.2000, 2 AZR 75/99, DB 2000, 1524) ist das Vorbringen der Beklagten hinsichtlich der zur Anhörung des Betriebsrates behaupteten Tatsachen als vom Kläger zugestanden anzusehen, weil er dieses Vorbringen mit der Folge des § 138 Abs. 3 ZPO nur unzureichend bestritten hat.

Die Beklagte hat sehr ausführlich dargelegt, in welcher sehr intensiven Art und Weise der Betriebsrat vor Abschluss des Interessenausgleichs und des Sozialplanes sowie vor Ausspruch der einzelnen Kündigungen über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens, den für das Jahr 1999 prognostizierten Arbeitskräftebedarf sowie über die Auswirkungen des auf Grund REFA-Methoden für die zu fertigenden Produkte prognostizierten Kräftebedarf auf die einzelnen Arbeitsplätze informiert worden ist und in welcher Form er im Rahmen der Entscheidungen über die Arbeitszeitreduzierung, über den Abschluss eines Interessenausgleichs bzw. eines Sozialplans und über den Ausspruch der einzelnen Kündigungen beteiligt worden ist. Diese sehr intensive Beteiligung führte zu der unstreitigen Schlussfolgerung des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden, dass dem Betriebsrat die betriebliche Situation und die daraus resultierende Notwendigkeit der beabsichtigten Kündigungen umfassen bekannt seien.

Angesichts dieser Äußerungen und angesichts der schlüssigen Darlegungen der dem Betriebsrat im Rahmen der Kündigungsanhörung mitgeteilten Tatsachen kann die Auffassung des Klägers, es sei bis zum heutigen Tag nicht nachvollziehbar, welche konkreten Informationen dem Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigungen gegeben worden seien, von Seiten der Berufungskammer nicht nachvollzogen werden. Soweit der Kläger angesichts dieser sehr eingehenden Darlegungen der Beklagten weiterhin bestreitet, dass der Betriebsrat über die betrieblichen Auswirkungen der geplanten Maßnahmen auf das konkrete Arbeitsgebiet des Klägers umfassend informiert worden sei, verkennt er die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze der sog. "subjektiven Determination" der Betriebsratsanhörung und hätte zur Vermeidung der Folge des § 138 Abs. 3 ZPO schon näher darlegen müssen, welche der von der Beklagten insoweit vorgetragenen Tatsachen aus welchen dem Kläger bekannten Umständen unter welchem Blickwinkel bestritten werden sollen, um nämlich für das Berufungsgericht erkennbar zu machen, über welche einzelnen Behauptungen der Beklagten als beweisbelasteter Partei Beweis erhoben werden soll. Hervorzuheben ist insoweit auch, dass der Kläger nicht deutlich gemacht hat, er bestreite mangels eigener Wahrnehmungen den gesamten Sachvortrag der Beklagten zur Betriebsratsanhörung mit Nichtwissen nach § 138 Abs. 4 ZPO.

Auch soweit der Kläger rügt, die Betriebsratsanhörung sei deshalb nicht ordnungsgemäß, weil die Beklagte dem Betriebsrat nicht die sozialen Daten des vom Kläger als vergleichbar angesehenen Mitarbeiters S. mitgeteilt habe, ist sein Vortrag unbeachtlich. Denn nach dem Grundsatz des sog. "subjektiven Determination" braucht der Arbeitgeber dem Betriebsrat nur die sozialen Daten der Mitarbeiter mitzuteilen, die er aus seiner Sicht für vergleichbar hält und die er deshalb in die Sozialauswahl einbeziehen will. Die Daten der von ihm nicht für vergleichbar gehaltenen Mitarbeiter sind nicht mitzuteilen. Ergibt sich im Verlaufe des Kündigungsschutzprozesses, dass weitere Mitarbeiter wegen vergleichbarer Tätigkeit in die Auswahl hätten einbezogen werden müssen und dass diese Mitarbeiter sozial stärker sind als der betreffende Kläger, dann erweist sich wohl die soziale Auswahl ggf. als falsch, nicht aber erweist sich nachträglich die Anhörung des Betriebsrats als fehlerhaft (vgl. BAG, Urteil vom 17.02.2000, 2 AZR 913/98, NZA 2000, 761).

II.

Die Kündigung ist auch nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, weil dringende betriebliche Erfordernisse vorlagen, die einer weiteren Beschäftigung des Klägers im Betrieb entgegenstanden.

Betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung können sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmens-entscheidung, z. B. Rationalisierung, Änderung der betrieblichen Organisation, Auslagerung von Arbeiten etc.) oder aus außerbetrieblichen Umständen (wie z. B. Auftragsmangel) ergeben. Diese betrieblichen Erfordernisse müssen "dringend" sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes unvermeidbar machen. Ein Auftrags- oder Umsatzrückgang kann eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn dadurch der Arbeitsanfall so zurückgeht, dass für einen oder mehrere Arbeitnehmer das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung entfällt. Nicht entscheidend ist - entgegen der Auffassung des Klägers -, ob der konkrete Arbeitsplatz in Wegfall geraten ist, entscheidend ist das Entfallen einer konkreten Beschäftigungsmöglichkeit (vgl. BAG, Urteil vom 05.05.1994, 2 AZR 917/93, EzA § 1 KSchG, Soziale Auswahl, Entsch. 31). Wortlaut und Sinn des § 1 Abs. 2 KSchG stellen nämlich darauf ab, dass ein dringendes betriebliches Erfordernis vorliegen muss, dass der Weiterbeschäftigung eines - letztlich durch die Sozialauswahl ermittelten und personifizierten - Arbeitnehmers entgegensteht. Betriebsbedingt kann also der entlassen werden, den es unter ausreichend beachteten sozialen Auswahlgesichtspunkten letztlich trifft.

Ob hier eine Bindung der Beklagten dadurch eingetreten ist, dass erstinstanzlich ausschließlich außerbetriebliche Gründe vorgetragen wurden, die ein Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Klägers entfallen ließen (vgl. BAG, Urteil vom 15.06.1989, 2 AZR 600/88, EzA § 1 KSchG, Betriebsbedingte Kündigung, Entsch. 63) oder ob der Beklagten noch möglich ist, ihren Kündigungsentschluss auf die unternehmerische Entscheidung zu stützen, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren (vgl. BAG, Urteil vom 17.06.1999, 2 AZR 522/98, EzA § 1 KSchG, Betriebsbedingte Kündigung, Entsch. 101), kann dahingestellt bleiben.

Denn diese strikte Differenzierung wird wohl in der zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17.06.1999 aufgegeben, wenn es heißt:

"In diesen Fällen muss der Arbeitgeber vielmehr darlegen, in welchem Umfang die fraglichen Arbeiten ... zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand anfallen, d. h. es geht um die Darlegung einer näher konkretisierten Prognose der Entwicklung auf Grund außerbetrieblicher Faktoren oder unternehmerischer Vorgaben, z. B. nurr noch eine geringere Zahl von Aufträgen anzunehmen .... und wie diese Arbeiten von dem verbliebenen Personal ohne überobligatorische Leistungen erledigt werden können".

In beiden Fallkonstellationen muss der Arbeitgeber substantiiert dartun, wie sich die Umsetzung seiner Entscheidung auf die Beschäftigungsmöglichkeiten ausgewirkt hat. Sowohl die durch äußere Anlässe bedingte wie auch die autonome gestaltende Unternehmerentscheidung muss sich in greifbaren betrieblichen und damit objektivierbaren Formen niederschlagen.

Ein solcher substantiierter Vortrag hat die Beklagte im Hinblick auf die Prognose für das Jahr 1999 geleistet. Sie hat nämlich in allen Einzelheiten und durchaus nachvollziehbar dargelegt, wie sich der zu erwartende dauerhafte Auftragsrückgang - der dann ja auch eingetreten ist -auf die Beschäftigungsmöglichkeiten für die Arbeitnehmer in den einzelnen Lohngruppen auswirken würde. Für die nach Lohngruppe 4 vergüteten Fertigungsmitarbeiter ergibt sich ein verringerter Beschäftigungsbedarf von ca. 4 Arbeitnehmern und für die nach Lohngruppe 5 vergüteten Fertigungsmitarbeiter ein verringerter Beschäftigungsbedarf von ca. 1,5 Mitarbeitern. Damit hat die Beklagte überzeugend dargestellt, dass in beiden Lohngruppen für ca. 5,5 Arbeitnehmer auf der Grundlage der Prognose für das Jahr 1999 kein Beschäftigungsbedarf mehr vorhanden ist.

Es bedurfte - wie oben dargelegt - entgegen der Auffassung des Klägers keiner Darlegungen, ob der konkrete Arbeitsplatz des Klägers von der Prognostizierung eines geringeren Beschäftigungsbedarfs betroffen war, denn entscheidend ist die Verringerung des Beschäftigungsbedarfs auf Grund außer- oder innerbetrieblicher Umstände. Wenn der Kläger insoweit vortragen lässt, es sei aus dem Vortrag der Beklagten nicht erkennbar, in welchem Produktsegment er eingesetzt gewesen sei, so berührt dies schon etwas merkwürdig, denn der Kläger muss doch am besten wissen, mit welchen Produkten er bei seiner Arbeit am Radialbestückungsautomaten befasst gewesen ist. Dieser Vortrag ist darüber hinaus auch unerheblich, weil der Kläger unstreitig mit dem als Produkt A bezeichneten Großauftrag im Vorjahr befasst gewesen ist und weil dieser Großauftrag im Jahr 1999 unstreitig weggefallen ist und weil dadurch ein Beschäftigungsbedarf von 4,6 Arbeitnehmern der Lohngruppe 4 entfallen ist.

Zu diesem schlüssigen Vortrag der Beklagten hätte der Kläger im Einzelnen nach der vom Bundesarbeitsgericht geforderten abgestuften Darlegungslast Stellung nehmen müssen; dies wäre ihm auch aus seiner bisherigen Tätigkeit unschwer möglich gewesen. Dass er dieser nunmehr ihn treffenden Darlegungslast praktisch überhaupt nicht nachgekommen ist, auch sein bloßes Bestreiten nicht etwa auf Nichtwissen stützt, führt dazu, dass der Vortrag der Beklagten im Hinblick auf die die Betriebsbedingtheit nachweisenden Kündigungsgründe als unstreitig zu behandeln ist. Dieser somit nach § 138 Abs. 3 ZPO unstreitige Vortrag ist schlüssig und trägt die Überzeugung der Berufungskammer, dass hier durch dringende betriebliche Gründe der Beschäftigungsbedarf für den Kläger weggefallen ist.

III.

Gegen die von der Beklagten durchgeführte Sozialauswahl bestehen ebenfalls keine Bedenken.

Der Kläger hat insoweit nur die getroffene Auswahl mit der Behauptung angegriffen, er sei mit diesem Mitarbeiter vergleichbar und sozial stärker.

Ob der Arbeitnehmer S. aber eine im Verhältnis zum Kläger vergleichbare Tätigkeit ausgeübt hat, kann dahingestellt bleiben. Denn wenn das wirklich so wäre, dann hätte die Beklagte nicht den Mitarbeiter S. anstelle des Klägers zur Kündigung auswählen müssen. Herr S. ist nämlich entgegen der Auffassung des Klägers nicht sozial stärker als er selber.

Bei der Sozialauswahl ist derjenige Arbeitnehmer zuerst zu kündigen, der auf seinen Arbeitsplatz am wenigsten angewiesen ist. In diesem Rahmen wird dem Arbeitgeber nach der gesetzlichen Regelung ein Bewertungsspielraum eingeräumt, die verschiedenen sozialen Hauptgesichtspunkte wie Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltsverpflichtungen in eine einzelfallbezogene Abwägung einzubeziehen.

Keinem dieser drei Hauptgesichtspunkte kommt dabei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein genereller oder absoluter Vorrang zu. Allerdings wird offensichtlich in der neueren Rechtsprechung der Betriebszugehörigkeit ein noch höherer Stellenwert als dem Lebensalter beigemessen (vgl. Etzel in KR, 4. Aufl., § 1 KSchG Rz 579, m. w. N. aus der Rechtsprechung, Pauly, MDR 1997, 513 f, 514), wo hingegen die Bedeutung des Lebensalters zurücktreten soll (vgl. Seidel, ZTR 1996, 450, 451 m. w. N.).

Andererseits können nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.01.1995 (8 AZR 914/93, EzA Art. 20 EV, Entsch. 43 unter III 3) als zu berücksichtigende soziale Gesichtspunkte zunächst das Lebensalter und die Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers in Betracht kommen ("älteren Arbeitnehmern und solchen mit Unterhaltspflichten kommt ein höherer Schutz zu"). Demgegenüber soll die Bedeutung der Betriebszugehörigkeit für die neuen Bundesländer deutlich zurücktreten, weil dem Gesichtspunkt der Betriebszugehörigkeit durch die Berücksichtigung des Lebensalters regelmäßig ausreichend Rechnung getragen sei. "Eine freie Wahl des Arbeitsplatzes bestand in der ehemaligen DDR praktisch nicht. Die Berufsausbildung im Anschluss an die Ausbildung war weitgehend vorgegeben" (so auch BAG, Urteil vom 29.08.1996, 8 AZR 35/95, EzA Art. 20 EV, Soziale Auswahl, Entsch. 1 unter II 1 e).

Der Kläger ist zwar ca. vier Jahre älter als der Arbeitnehmer S., aber diesem Umstand kann bei den in den neuen Bundesländern im Bereich der Nachrichtentechniker bestehenden hohen Arbeitslosenrate und der äußerst schwierigen Vermittlungsmöglichkeiten für alle Jahrgänge kein hoher Stellenwert bei der sozialen Auswahl zugeordnet werden (vgl. BAG vom 08.08.1995, AP 10 zu § 1 KSchG, Soziale Auswahl). Unterhalb der Grenze von 40 Jahren haben Altersunterschiede bei der Abwägung des § 1 Abs. 3 KSchG keine ausschlaggebende Bedeutung, weil zwar einerseits bei pauschalierter Betrachtungsweise jüngere Arbeitnehmer vielleicht flexibler und agiler sind und sie deshalb leichter als ältere Arbeitnehmer anderer Arbeitsbereiche erschließen können, weil aber andererseits ein höheres Alter und eine regelmäßig damit verbundene höhere Berufserfahrung je nach Art der ausgeübten Tätigkeit von besonderem Wert bei der Weitervermittlung auf dem Arbeitsmarkt sein kann (vgl. Rost, ZIP 1982, 1397). Bei der Frage nach der Bedeutung des Lebensalters ist deshalb sinnvollerweise weniger auf eine solche pauschalierende Betrachtungsweise abzustellen, als vielmehr das konkrete Leistungsprofil in den Vordergrund zu stellen, welches letztlich über die Aussichten des gekündigten Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt entscheidet. Hinsichtlich des Leistungsprofils sieht sich der Kläger aber gegenüber dem Mitarbeiter S. als durchaus vergleichbar an, zumal sie offensichtlich beide eine gleiche oder ähnliche Ausbildung haben und nach Auffassung des Klägers eine gleichartige Tätigkeit ausgeübt haben.

Auch die etwas längere Betriebszugehörigkeit des Klägers vermag die getroffene Auswahl nicht als falsch zu kennzeichnen. Denn der verheiratete Mitarbeiter S. ist anders als der Kläger gegenüber einer Person unterhaltspflichtig. Die Unterhaltsverpflichtung ist ein wichtiges Indiz für die soziale Schutzbedürftigkeit eines Arbeitnehmers. Wer mit seinem Einkommen einen oder mehrere Unterhaltsberechtigte zu versorgen hat, ist auf seinen Arbeitsplatz in evidenter Weise mehr angewiesen, als jemand, der nur sich allein oder einen geringeren Kreis von Unterhaltsberechtigten zu unterhalten hat.

Angesichts dieser Umstände kann nicht gesagt werden, dass die Beklagte soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt hat und ihren Beurteilungsspielraum überschritten hat. "Beurteilungsspielraum heißt aber, dass innerhalb dieses Rahmens eine eigene Bewertung des Gerichts anstelle des Arbeitgebers nicht stattfindet (so zu Recht Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20.11.1997, 2 AZN 832/97 n. v.).

Aus alledem folgt also, dass die angegriffene Kündigung zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses geführt hat. Die Klage ist deshalb unter Abänderung des angefochtenen Urteils als unbegründet abzuweisen.

Der Kläger hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 ZPO).

Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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