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Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 04.11.2009
Aktenzeichen: 8 Ta 77/09
Rechtsgebiete: RVG


Vorschriften:

RVG § 33
Der Wert eines Zeugnisses, über dessen Erteilung außergerichtliche, schriftliche Einigungsversuche gescheitert sind, kann nicht gem. § 33 RVG als Mehrwert festgesetzt werden, weil weder eine Terminsgebühr gem. Nr. 3104 Abs. 1 Ziff. 1 VV RVG entstanden ist noch eine 0.8 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3101 Ziff. 2 VV RVG.
Tenor:

wird die Beschwerde gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Jena vom 31.03.2009 - 1 Ca 461/08 - als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung vom 21.08.2008 zum 31.12.2008. Mit Verfügung vom 26.11.2008 schlug das Arbeitsgericht Jena den Parteien die gütliche Beilegung des Rechtsstreits gem. § 278 Abs. 6 ZPO durch Abschluss eines Vergleichs mit u. a. folgendem Inhalt vor:

Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Kündigung des Beklagten vom 21.08.2008 nicht am 31.12.2008, sondern erst am 31.03.2009 sein Ende finden wird.

Mit Schriftsatz vom 09.12.2008 (Bl. 23 d. A.) teilte die Klägervertreterin mit, dem Vergleichsvorschlag des Gerichts werde mit folgender Ergänzung zugestimmt werden:

Der Beklagte wird der Klägerin ein Zwischenzeugnis mit der Zeugnisnote "eins" erstellen. Diesen ergänzten Vergleichsvorschlag nahm der Beklagte nicht an. Nachdem die Klägervertreterin mit Schriftsatz vom 16.12.2008 diese Abänderungswünsche nicht aufrechterhalten hatte, stellte das Arbeitsgericht Jena mit Beschluss vom 17.12.2008 das Zustandekommen eines Vergleiches mit dem ursprünglich vorgeschlagenen Inhalt fest. Auf den Antrag der Klägervertreterin auf Streitwertfestsetzung setzte das Arbeitsgericht Jena mit Beschluss vom 31.03.2009 (Bl. 46 d. A.) den Streitwert in Höhe von 5.831,31 €, das sind drei Bruttomonatsgehälter, fest. Einen Vergleichsmehrwert setzte das Gericht nicht fest. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägervertreterin vom 28.04.2009, welche am gleichen Tag bei Gericht einging.

Die Beschwerde macht geltend, zu Unrecht sei eine Wertfestsetzung gem. § 33 Abs. 1 RVG unterblieben. Zwar seien die Verhandlungen über die Aufnahme eines qualifizierten Zeugnisses in den Vergleich gescheitert. Der Anwalt verdiene jedoch auch dann eine Verfahrensgebühr, wenn er über nicht rechtshängige Ansprüche antragsgemäß in Verhandlungen trete, die Einigungsverhandlungen jedoch scheiterten.

Die statthafte, zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Die Beschwerde ist gem. § 33 Abs. 3 RVG statthaft.

Das Arbeitsgericht Jena hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 31.03.2009 den Antrag der Klägervertreterin, einen Gegenstandswert gem. § 33 RVG festzusetzen, abgewiesen, wie sich aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses ergibt. Es führt aus, dass einer gerichtlichen Wertfestsetzung solche Vergleichsverhandlungen so lange nicht zugänglich sind, wie sie keinerlei Eingang in den Rechtsstreit gefunden haben.

Die Beschwerde ist auch zulässig. Die Beschwerdefrist gem. § 33 Abs. 3 RVG begann nicht zu laufen, da der Beschluss vom 31.03.2009 der Klägervertreterin lediglich formlos übersandt wurde. Gem. § 33 Abs. 3 S. 3 RVG ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt wird. Eine solche Zustellung ist unterblieben.

Die Beschwerde ist allerdings nicht begründet.

Gem. § 33 Abs. 1 RVG setzt das Gericht den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbständig fest, wenn sich die Gebühren des Anwalts in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen.

Voraussetzung einer Festsetzung des Wertes gem. § 33 RVG ist, dass es sich um Gebühren für eine anwaltliche Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren handelt. Fehlt es an einem gerichtlichen Verfahren, weil ein solches weder anhängig ist noch anhängig war, z. B. wenn der Rechtsanwalt nur eine ein gerichtliches Verfahren vorbereitende Tätigkeit vorgenommen hat und es dann zu keinem gerichtlichen Verfahren gekommen ist - § 23 Abs. 1 S. 3 RVG - oder wenn die Tätigkeit weder in einem gerichtlichen Verfahren vorgenommen wurde, noch ein solches Verfahren vorbereitet hat, also besonders dann, wenn es sich um die Vergütung für sonstige Angelegenheiten nach VV 2300 handelt, kann eine Festsetzung gem. § 33 RVG nicht erfolgen.

Ist der Rechtsanwalt nur vorgerichtlich tätig, richtet sich seine Vergütung zwar auch nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert. Da der Rechtsanwalt aber an dem gerichtlichen Verfahren nicht beteiligt ist, bindet ihn die Festsetzung des Wertes durch das Gericht gem. § 32 Abs. 1 RVG nicht. Ist der Rechtsanwalt der Auffassung, das Gericht habe den Wert unrichtig festgesetzt, kann er seiner Gebührenberechnung einen anderen Wert zugrundelegen. Ihm bleibt, wenn er sich mit seinem Auftraggeber über die Höhe seiner Vergütung und über den ihr zugrundezulegenden Gegenstandswert nicht einigen kann, nur der Weg der Gebührenklage.

Im vorliegenden Fall ist die außergerichtliche Tätigkeit der Klägervertreterin, gerichtet auf eine gütliche Einigung mit dem Beklagten auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses mit der Zeugnisnote "eins", nicht Gegenstand des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens geworden.

Das Gericht war, außer dass es den Schriftsatz der Klägervertreterin vom 09.12.2008 (Bl. 23 d. A.) der Gegenseite übersandt hat, welcher unter Ziff. 3 die Ergänzung des gerichtlichen Vergleichsvorschlages enthält, wonach der Beklagte der Klägerin ein Zwischenzeugnis mit der Zeugnisnote "eins" erstellen wird, mit diesem Anspruch nicht befasst.

Weder ist über diesen Anspruch ein schriftlicher Vergleich geschlossen worden, so dass gem. Nr. 3104 Abs. 1 Ziff. 1 VV RVG eine Terminsgebühr nicht entstanden ist.

Die Entstehung dieser Gebühr setzt voraus, dass ein Vergleich wirklich zustande gekommen ist, also wirksam geschlossen wurde.

Die von der Klägervertreterin zitierte Fundstelle in Kommentar Gerold/Schmidt/von Eicken-Müller-Rabe zu VV 3104 Rz. 61 (Bl. 40 d. A.) ist insoweit nicht einschlägig, da dort zwar die Entstehung einer Terminsgebühr gem. VV 3104 Abs. 1 Nr. 1 3. Alternative ("oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird") zwar auch für die schriftliche Aushandlung eines Vergleiches über nicht rechtshängige Ansprüche bejaht wird.

Diese Kommentierung ist jedoch im Zusammenhang mit der Rz. 56 zu Nr. 3104 VV RVG Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, 18. Auflage zu sehen, dass der Vergleich wirklich zustande gekommen sein muss.

Über den hier infragekommenden Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses mit der Note "eins" ist gerade kein Vergleich zwischen den Parteien zustande gekommen.

Der Zeugnisanspruch ist auch nicht dadurch Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden, dass in einem Termin über andere rechtshängige Ansprüche auch Verhandlungen zur Einigung über diesen Anspruch geführt worden wären, was eine Terminsgebühr nach 3104 Abs. 2 VV RVG ausgelöst hätte.

Ein Termin über andere rechtshängige Ansprüche, in welchem über den nicht rechtshängigen Zeugnisanspruch eine gütliche Einigung versucht worden wäre, hat vorliegend nicht stattgefunden.

Eine Terminsgebühr für diesen Anspruch ist schließlich auch nicht gem. Vorbemerkung 3 Abs. 3 durch Mitwirkung an einer auf die Vermeidung des Verfahrens über diesen Anspruch gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts entstanden. Eine solche Besprechung zwischen den Parteien hat außergerichtlich nicht stattgefunden.

Der Zeugnisanspruch ist schließlich auch nicht dadurch Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden, dass die Klägervertreterin beantragt hat, eine Einigung über in vorliegenden Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche festzustellen (§ 278 Abs. 6 ZPO) was eine Verfahrensgebühr gem. VV 3101 Ziff. 2 in Höhe von 0,8-Gebühren ausgelöst hätte. Die Entstehung dieser sogenannten Differenzgebühr setzt voraus, dass der Rechtsanwalt in einem Verfahren andere, nicht rechtshängige Ansprüche beim Gericht einer gütlichen Einigung zuführen soll, indem er entweder beantragt, eine solche Einigung zu Protokoll zu nehmen, eine solche Einigung gem. § 278 Abs. 6 ZPO festzustellen oder hinsichtlich solcher Ansprüche Einigungsgespräche vor Gericht führt.

Eine solche "Einigung" über den Anspruch auf Erteilung des begehrten Zwischenzeugnisses hat jedoch nicht stattgefunden.

Das RVG spricht zwar auch beim Antrag auf Feststellung gem. 278 Abs. 6 ZPO von einer Feststellung der "Einigung". Da § 278 Abs. 6 ZPO aber nur bei einem Vergleich eingreift, setzt die Entstehung einer 0,8-Terminsgebühr in diesem Fall einen Vergleich, d. h. ein gegenseitiges Nachgeben, und nicht nur eine Einigung voraus (Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, VV 3101 Rz. 83).

Es fehlt im vorliegenden Fall sowohl an einer Einigung, als auch an einem Vergleich.

Im vorliegenden Fall in Betracht kommt allein die Entstehung einer 0,8-Verfahrensgebühr gem. 3101 Nr. 1 VV RVG. Diese erhält der Verfahrensbevollmächtigte, dessen Auftrag endet, bevor er die Klage erhoben hat. Dieser Anspruch entsteht schon dann, wenn der Verfahrensbevollmächtigte irgendeine unter die Verfahrensgebühr fallende Tätigkeit ausgeübt hat. Es genügt die Entgegennahme der Information durch den Mandanten oder das Anschreiben an den Gegner, wenn bereits ein unbedingter Klageauftrag erteilt wurde.

Im vorliegenden Fall hat der Auftrag offensichtlich dadurch geendet, dass die Klägerin eine gerichtliche Durchsetzung des Zwischenzeugnisses mit der begehrten Bewertung auch aufgrund der vergleichsweisen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2009 nicht mehr wünschte.

Von der Entstehung dieser Gebühr ist jedoch ihre Festsetzbarkeit zu unterscheiden. Diese Gebühr ist im vorliegenden Fall allein durch die außergerichtliche Tätigkeit der Klägervertreterin entstanden. Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens, sei es durch Verhandlung in einem Termin oder durch Aufnahme in einen Vergleich, ist dieser Anspruch nicht geworden. Der Anspruch kann deshalb bei einer Streitwertfestsetzung nicht gem. § 33 RVG berücksichtigt werden. Es spielt keine Rolle mehr, dass die anwaltliche Tätigkeit und die gerichtliche Tätigkeit sich nicht decken. Dies ist nicht die alleinige Voraussetzungen für eine Festsetzung gem. § 33 RVG. Voraussetzung ist darüber hinaus, dass der Anspruch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens geworden ist.

Die Beschwerde war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht.

Ein Rechtsmittel ist gegen diesen Beschluss nicht gegeben.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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