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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 31.08.2001
Aktenzeichen: 1 U 52/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 539
ZPO § 296 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 52/00 3 O 916/99 (Landgericht Mühlhausen)

Verkündet am: 21.09.2000

Scheel, JSHin als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

- Berufungsklägerin und Beklagte -

gegen

- Berufungsbeklagte und Klägerin -

hat der 1. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pfalzer,

die Richterin am Oberlandesgericht Zimmermann-Spring und

den Richter am Amtsgericht Pippert

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31.08.2000

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird die Sache unter Aufhebung des Verfahrens und des Urteils der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mühlhausen vom 08.12.1999 - 3 O 916/99 - zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Gericht des 1. Rechtszuges zurückverwiesen.

2. Von der Erhebung der Gerichtskosten für das Berufungsverfahren wird abgesehen.

Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung - auch hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens - dem Landgericht vorbehalten.

3. Die Beschwer beider Parteien beträgt jeweils 24.868,57 DM.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von Restwerklohn für die Ausführung von Erd-, Maurer- und Betonarbeiten beim Neubau eines Omnibusbetriebshofes mit Verwaltungsgebäude in Sondershausen gemäß dem zwischen den Parteien am 24.04.1997 (Bl. 5 f, Band I d. A.) auf der Grundlage des Angebotes und der Vertragsbedingungen vom 20.03.1997 (Bl. 59 ff, Band I d. A.) geschlossenen Werkvertrag. Die Abnahme der Bauleistungen der Klägerin erfolgte am 23.09.1998 unter Ausschluss der Fugen (vgl. Blatt 17, Band I d. A.).

Mit Schlussrechnung vom 04.11.1998 (Blatt 7 ff, Band I d. A.) stellte die Klägerin der Beklagten insgesamt 1.159.394,90 DM netto (= 1.344.898,- DM brutto) in Rechnung und forderte sie nach Abzug der geleisteten Abschlagszahlungen von 1.137.457,20 DM netto (= 1.319.450,30 DM brutto) zur Zahlung von noch 25.447,66 DM (brutto) auf.

Mit Mahnschreiben vom 07.01.1999 (Blatt 12, Band I d. A.) forderte die Klägerin die Beklagte zur Schlusszahlung bis spätestens 20.01.1999 auf.

Mit Schreiben vom 30.07.1999 (Blatt 74, Band I d. A.) übersandte das von der Beklagten mit Architektenleistungen beauftragte Ingenieurbüro H. der Klägerin die geprüfte Massenermittlung zu der Schlussrechnung und kündigte die Übersendung der überprüften Schlussrechnung (Blatt 76 ff, Band I d. A.) und Lieferscheinnachweise nach Eingang einer Kostenbeteiligung von 100,00 DM an.

Die Rechnungssumme wurde ausweislich des Schreibens vom 30.07.1999 und der Schlusszahlungsfreigabe (Blatt 75, Band I d. A.) nach erfolgter Prüfung durch das Ingenieurbüro Hahner auf 1.127.398,92 DM netto (bzw. unter Abzug eines Bauwasseranteils von 150,00 DM netto auf 1.127.248,90 DM netto bzw. 1.307.608,70 DM brutto) korrigiert. Hiernach ergab sich eine Überzahlung durch die Beklagte in Höhe von 4.260,20 DM.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Die Schlussrechnung vom 04.11.1998 sei sachlich und rechnerisch richtig. Die von der Beklagten in der geprüften Schlussrechnung vorgenommenen Kürzungen seien nicht gerechtfertigt.

Die Schlussrechnung wie auch die Massenaufstellungen und Abrechnungszeichnungen habe sie der Beklagten in zweifacher Ausfertigung eingereicht. Erstmals mit Schreiben vom 11.01.1999 (Blatt 68, Band I d. A.) habe die Beklagte angeblich fehlende Unterlagen gerügt.

Die von der Beklagten geprüfte Schlussrechnung sei ihr erstmals als Anlage zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 14.10.1999 zur Kenntnis gebracht worden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 25.447,66 DM nebst 12 % Zinsen hieraus seit dem 21.01.1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Die Klägerin habe die Schlussrechnung und die Abrechnungsunterlagen entgegen ihrer vertraglichen Verpflichtung (gem. Nr. 29 V b der Vertragsbedingungen) nur einfach und die Abrechnungsunterlagen außerdem nur unvollständig vorgelegt, worauf der Architekt Dipl.-Ing. H. sie auch mehrfach hingewiesen habe (mit Schreiben vom 11.01., 29.03., 26.05. und 25.06.1999).

Obgleich abgerechnete Teile der Leistungen immer noch nicht prüfbar nachgewiesen worden seien und Mehrschriften nicht vorgelegen hätten, habe das Ingenieurbüro H. die Schlussrechnung der Klägerin geprüft und eine Bruttoabrechnungssumme in Höhe von 1.307.608,70 DM ermittelt, so dass sich nach Abzug der geleisteten Abschlagszahlungen in Höhe von 1.311.868,90 DM eine Überzahlung durch die Beklagte in Höhe von 4.260,20 DM ergebe. Die geprüfte Rechnung (einschließlich Schlusszahlungsfreigabe Nr. 77, Blatt 75, Band I d. A.) sei der Klägerin mit Schreiben vom 30.07.1999 übersandt worden; ein Widerspruch gegen die Schlussrechnungsprüfung sei nicht erfolgt.

Die vorgenommenen Kürzungen der Schlussrechnungen seien - so die Beklagte - berechtigt, wozu sie mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 14.10.1999 (Blatt 47 ff, 50 ff, Band I d. A.) im Einzelnen vorgetragen und Beweis angeboten hat.

Der vorerwähnte Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 14.10.1999, mit der diese auf die Klagerung erwidert, ist am 14.10.1999 per Telefax beim Landgericht Mühlhausen eingegangen (vgl. Blatt 36 d. A.).

Die Klage war der Beklagten am 12.08.1999 zugestellt worden. Hierbei war sie aufgefordert worden, die Absicht der Verteidigung gegen die Klage binnen einer Notfrist von 2 Wochen ab Zustellung der Klageschrift anzuzeigen (was mit am 20.08.1999 per Telefax eingegangenem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 19.08.1999 erfolgt ist) und innerhalb einer Frist von 3 Wochen nach Ablauf dieser Notfrist schriftlich auf die Klage zu erwidern. Einem ersten Antrag der Beklagten auf Verlängerung der Klageerwiderungsfrist bis zum 30.09.1999 hat das Landgericht Mühlhausen mit Verfügung vom 20.09.1999 (Blatt 27, Band I d. A.) entsprochen.

Auf den am 30.09.1999 beim Landgericht eingegangenem zweiten Antrag des Beklagtenvertreters auf Verlängerung der Klageerwiderungsfrist, den dieser damit begründet hatte, dass zur Ausarbeitung einer umfassenden Klageerwiderung eine Besprechung mit dem zuständigen Ingenieurbüro Hahner erforderlich sei, mit dem ein entsprechender Termin bislang noch nicht habe vereinbart werden können, hat das Landgericht mitgeteilt, dass über diesen Antrag erst nach Anhörung der Klägerin entschieden werde, die bereits durchgeführt werde. Nachdem der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 06.10.1999 mitgeteilt hat, er werde einer weiteren Fristverlängerung nicht zustimmen (Blatt 30, Band I d. A.), hat das Landgericht mit Beschluss vom 07.10.1999, abgesandt an den Beklagtenvertreter am 11.10.1999, die erneute Verlängerung der Frist zur Klageerwiderung mit der Begründung abgelehnt, dass die Klägerin dieser widersprochen habe und eine weitere Verzögerung nicht mehr zumutbar erscheine (vgl. Blatt 33, Band I d. A.).

Mit Beschluss vom gleichen Tage (Blatt 31, Band I d. A.) ist die Sache gemäß § 348 Abs. 1 ZPO der Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen worden. Mit Verfügung vom 13.10.1999 (Blatt 3, Band I d. A.) hat das Landgericht den Haupttermin vor dem Einzelrichter auf den 17.11.1999 anberaumt.

Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung am 17.11.1999 hat das Landgericht die Beklagte mit Urteil vom 08.12.1999 unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 24.868,57 DM verurteilt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Restwerklohn aus dem streitgegenständlichen Werkvertrag in Höhe des ausgeurteilten Betrages. Die vom Ingenieurbüro Hahner am 26.07.1999 geprüfte Schlussrechnung entfalte nicht die Ausschlusswirkung des § 16 Nr. 3 Abs. 2 und 3 VOB/B, da weder hierin noch in dem Schreiben des Ingenieurbüros H. vom 30.07.1999 ein Hinweis auf die Ausschlusswirkung im Sinne von §16 Nr. 3 Abs. 2 und 3 VOB/B enthalten sei und ohnedies in dem der Beklagten am 12.08.1999 zugestellten Schriftsatz des Klägersvertreters vom 02.07.1999 ein Widerspruch im Sinne von § 16 Nr. 3 Abs. 2 und 3 VOB/B zu sehen sei. demgemäß könne es dahinstehen, ob die geprüfte Schlussrechnung der Klägerin, wie von der Beklagten behauptet, am 30.07.1999 übersandt worden sei. Der von der Beklagten eingewandte Umstand, die Klägerin habe die Schlussrechnung und unvollständige Abrechnungsunterlagen nur einfach vorgelegt, habe keinen Einfluss auf die Fälligkeit der Schlussrechnung, zumal das angebliche Fehlen von Unterlagen erstmals mit Schreiben vom 11.01.1999 gerügt worden sei, also zu einem Zeitpunkt, zu welchem die Fälligkeit gemäss § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B bereits eingetreten gewesen sei.

Die von der Beklagten geltend gemachten Kürzungen der Schlussrechnungen seien nur in Höhe von 579,09 DM (brutto) berechtigt, nämlich bezüglich der Rechnungspositionen 2.0090, 3.0020, 3.0330 und 4.0220. Die Kürzungen zu den Rechnungspositionen 1.0050 seien unberechtigt, da sich aus den Vertragsbedingungen (Ziffern 14, 15 und 16) nicht ergebe, dass das mit dieser Position in Rechnung gestellte Gerüst in den Einheitspreis der Rechnungsposition 7.0040 einzukalkulieren gewesen sei.

Die weiteren von der Beklagten geltend gemachten Kürzungen der Schlussrechnung in Bezug auf die Rechnungspositionen 1.0060, 2.0040, 2.0080, 2.0130, 2.0150, 2.0170, 3.0340, 4.0040, 4.0170, 4.0180, 7.0040 a, 8.0010 bis 8.0110, 8.0080 und bezüglich der Nachträge vom 23.07.1998, 10.08.1998 und 27.08.1998 seien unberechtigt, weil das Gericht das Vorbringen der Beklagten bezüglich der von ihr begehrten Kürzungen hinsichtlich dieser Rechnungspositionen wegen Verspätung gemäß § 296 Abs. 1 ZPO zurückweise. Ihre entsprechenden Verteidigungsmittel habe die Beklagte nämlich erst nach Ablauf der mit Verfügung vom 09.08.1999 gesetzten und mit Verfügung vom 20.09.1999 bis zum 30.09.1999 verlängerten Klageerwiderungsfrist mit am 14.10.1999 eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tage vorgebracht. Die Zulassung dieser Verteidigungsmittel würde nach freier Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreites verzögern, weil ein Sachverständigengutachten eingeholt und Zeugen vernommen werden müssten (was das Gericht im Einzelnen mit Bezug auf die jeweiligen Rechnungspostionen dargestellt hat). Das Gericht habe die Verspätung auch nicht durch zumutbare Vorbereitungsmaßnahmen gemäß § 273 ZPO ausgleichen und damit eine drohende Verzögerung abwenden können. Es sei dem Gericht nicht möglich gewesen, vor dem auf den 17.11.1999 anberaumten Haupttermin ein Sachverständigengutachten einzuholen, und es sei auch nicht möglich gewesen, die von der Beklagten sowie in der Folge hierauf von der Klägerin benannten Zeugen H. bzw. W., V. und K. bereits zum 17.11.1999 zu laden und in diesem Termin zu vernehmen. Eine solch umfangreiche Beweisaufnahme hätte in dem auf den 17.11.1999, 12.45 Uhr anberaumten Haupttermin nicht durchgeführt werden können. Die nächste Verhandlung sei bereits auf 13.00 Uhr terminiert und eine Terminsverlegung am Verhandlungstag vor allem im Hinblick auf die durchzuführenden Beweisaufnahmen in drei weiteren Sachen nicht möglich gewesen. Bei der Anberaumung des Termins in der vorliegenden Sache sei das Gericht insbesondere deshalb, weil innerhalb der Klageerwiderungsfrist und auch bis zum 13.10.1999 keine Klageerwiderung eingegangen sei, davon ausgegangen, dass die für den Haupttermin eingeplante Zeit zur Erörterung und Verhandlung von 15 Minuten ausreichend sei. Eine Vernehmung der Zeugen wäre nur dann möglich gewesen, wenn das Gericht den Haupttermin auf einen Terminstag deutlich nach dem 17.11.1999 verlegt hätte, was jedoch dem im Zivilprozess geltendem Beschleunigungsgebot zuwider gelaufen wäre. Schließlich liege auch keine genügende Entschuldigung der Verspätung des Vorbringens vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Urteilsgründe (Blatt 139 ff, 143 ff, Band I d. A.) verwiesen.

Gegen dieses ihrem Prozessbevollmächtigten am 07.12.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 10.01.1999 eingegangenem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom gleichen Tage Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Die Beklagte bezieht sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ferner vor:

Die Zurückweisung ihres Vorbringens als verspätet sei verfahrensfehlerhaft und verstoße gegen das "Verbot der Überbeschleunigung". Insbesondere dürfe verspätetes Vorbringen dann nicht ausgeschlossen werden, wenn - wie hier - offenkundig sei, dass dieselbe Verzögerung auch bei rechtzeitigem Vortrag eingetreten wäre. Zudem hätte der 2. Antrag auf Verlängerung der Klageerwiderungsfrist nicht allein mit der Begründung abgelehnt werden dürfen, der Gegner habe der erneuten Verlängerung nicht zugestimmt. Das Landgericht habe auch nicht alles ihm Zumutbare getan, um eine Verzögerung des Verfahrens zu verhindern, sondern seine Pflicht zur Verfahrensförderung verletzt. Schließlich hätte das Gericht in der verbliebenen Zeit nach Eingang der Klageerwiderung darauf hinweisen müssen, dass es die Vorschrift des § 296 ZPO anzuwenden gedenke.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen und die Kosten des Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen sowie

die Revision zum Bundesgerichtshof zuzulassen.

Die Klägerin verteidigte das angegriffene Urteil. Sie ist der Ansicht, das Landgericht Mühlhausen habe das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 14.10.1999 zu Recht als verspätet zurückgewiesen. Angesichts der verstrichenen Frist zur Klageerwiderung habe die anwaltlich vertretene Beklagte auch mit einer Zurückweisung des Vorbringens als verspätet rechnen können und müssen, weshalb es eines ausdrücklichen Hinweises hierauf durch das Gericht nicht mehr bedurft habe. Weiter meint die Beklagte, die Revision sei zuzulassen, da der vorliegend in Streit stehenden Frage, ob und inwieweit der nach Ablehnung des erneuten Fristverlängerungsantrages erfolgte Sachvortrag der Beklagten zu Recht als verspätet zurückgewiesen worden sei, grundsätzliche Bedeutung zukomme (§ 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle über die Verhandlungen vor dem Landgericht Mühlhausen und dem Senat.

Entscheidungsgründe

I.

1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie einen vorläufigen Erfolg.

2. Das Verfahren des ersten Rechtszuges leidet an einem wesentlichen Mangel, auf dem das Urteil beruht (§ 539 ZPO), so dass das Urteil aufzuheben und die Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen war.

2.1. Der Prozessvortrag der Beklagten (hier: Klageerwiderung im Schriftsatz vom 14.10.1999) durfte nicht nach § 296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückgewiesen werden.

Zutreffend ist zwar, dass die Erwiderung auf die der Beklagten am 12.08.1999 zugestellte Klage erst am 14.10.1999 und damit nicht binnen der - gemäss gerichtlicher Verfügung vom 20.09.1999 bis zum 30.09.1999 verlängerten - Klageerwiderungsfrist bei Gericht eingegangen ist. Die Versäumung dieser Frist durfte aber nicht zur Zurückweisung des Vortrages der Beklagten als verspätet führen.

2.2. Von einer Verzögerung des Rechtsstreites im Sinne des § 296 Abs. 1 ZPO bei Berücksichtigung des verspätet eingereichten Verteidigungsvorbringens durfte das Landgericht hier nicht ausgehen.

Eine Verzögerung des Verfahrens tritt ein, wenn die Fristversäumung den Prozessablauf kausal und in erheblichem Umfang verlängert (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 21. Auflage, Rz. 11 ff. zu § 296 ZPO). Welche Vergleichsgröße für die Feststellung einer Verzögerung im Rahmen dieser Prognoseentscheidung zugrunde zu legen ist, wird in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beurteilt. Nach dem sogenannten absolutem Verzögerungsbegriff ist eine Verfahrensverzögerung bereits dann zu bejahen, wenn die Zulassung des nach Fristablauf eingegangenen Vortrages zu irgendeiner zeitlichen Verschiebung des Prozessablaufes zwingt. Die Gegenansicht beurteilt die Verzögerung relativ und verneint sie, wo trotz einer Fristüberschreitung das Verfahren aus anderen Gründen ohnedies noch nicht entscheidungsreif gewesen wäre (vgl. OLG Dresden, NJW-RR 1999, Seite 214 f.).

Das Landgericht Mühlhausen hat bei seiner Beurteilung den sogenannten absoluten Verzögerungsbegriff zugrunde gelegt und ausgeführt, dass sich der Rechtsstreit bei Berücksichtigung des Vordringens der Beklagten im Schriftsatz vom 14.10.1999 - verglichen mit einer Zurückweisung als verspätet - verzögere, weil die Beachtung dieses Verteidigungsvorbringens eine umfangreiche Beweisaufnahme über den Umfang verschiedener von der Beklagten erbrachter Leistungen und die Menge verschiedener von ihr eingesetzter Materialien, die Zahl von Arbeitsstunden, Aufmaßkorrekturen sowie die Angemessenheit und Ortsüblichkeit verschiedener von der Beklagten eingesetzter Einheitspreise - teilweise durch Vernehmung von Zeugen, teilweise durch Einholung eines Sachverständigengutachtens - erforderlich machen würde.

Bei dieser Sachlage ist aber offenkundig, dass das Verfahren auch bei fristgerechtem Eingang der Klageerwiderung nicht früher hätte beendet werden können.

Denn jedenfalls zur Angemessenheit und Ortsüblichkeit von Einheitspreisen (bezüglich Position 7.0040 a, bezüglich Nachtrag vom 23.07.1998 und bezüglich Nachtrag vom 10.08.1998) wie auch in Bezug auf von der Klägerin berechnete Mengen (zu Positionen 2.0040, 2.0150, gegebenenfalls Position 2.0170) und bezüglich der Richtigkeit der Abrechnung bei einzelnen Rechnungspositionen (Positionen 2.0040, 2.0130, 3.0340, 4.0040 a, 4.0170 und 4.0180) war die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich. Dies hat das Landgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils selbst ausgeführt.

Der Rechtsstreit hätte daher auch bei fristgerechtem Eingang des Verteidigungsvorbringens unzweifelhaft nicht früher beendet werden können als bei Berücksichtigung des verspäteten Sachvortrages. Selbst eine vorherige Zeugenvernehmung - etwa durch Erlass eines Beweisbeschlusses vor der mündlichen Verhandlung gemäss § 358 a ZPO und Vernehmung der Zeugen in dem anberaumtem Verhandlungstermin - hätte die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht erübrigt. Nach Eingang des Sachverständigengutachtens hätte hierüber mündlich verhandelt werden müssen. Und zu diesem Termin hätten die zu vernehmenden Zeugen ebenfalls geladen werden können.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, das die Anwendung des absoluten Verzögerungsbegriffes grundsätzlich für mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör vereinbar erklärt hat (vgl. BVerfG NJW 1987, 2733), kommt eine Zurückweisung als verspätet nicht in Betracht wenn - wie hier - offenkundig ist, dass dieselbe Verzögerung auch bei rechtzeitigem Vortrag eingetreten wäre (vgl. BVerfG NJW 1987, 2733; BVerfG NJW 1995, 1417; OLG Dresden NJW-RR 1999, 214, m.w.N.).

In diesem Fall liegt ein rechtsmissbräuchlicher Verstoß gegen Artikel 103 Abs. 3 GG vor, weil die Anwendung von prozessualen Verspätungsvorschriften im Ergebnis - zu Lasten der materiellen Gerechtigkeit - zu einer sogenannten "Überbeschleunigung" führt, die vom Gesetzgeber mit der Einführung der Verspätungsvorschriften nicht bezweckt war. Sinn der Verspätungsregeln ist nämlich nicht, eine noch schnellere Erledigung des Rechtsstreites herbeizuführen, als dies bei Einhaltung der Fristen und ordnungsgemäßem prozessförderndem Verhalten der Parteien der Fall wäre. Darüber hinaus ist bei einer verlässlich gleich langen Verfahrensdauer im Falle rechtzeitigen Vorbringens die verspätete Einreichung des betreffenden Schriftsatzes auch nicht kausal für die längere Prozessdauer (vgl. hierzu OLG Dresden NJW-RR 1999, 214 f. m.w.N.).

Dies hat das Landgericht nicht genügend beachtet.

2.3. Die Zurückweisung als verspätet erweist sich aber noch aus anderen Gründen als unzulässig.

Das Landgericht hätte die von der Beklagten beantragte - zweite - Verlängerung der Klageerwiderungsfrist nicht ohne Weiteres unter Hinweis auf die fehlende Zustimmung des Prozessgegners mit der pauschalen Begründung, dass eine weitere Verzögerung nicht mehr zumutbar erscheine, ablehnen dürfen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (Beschluss vom 09.12.1999 - NJW 2000, 944) verstößt es gegen Artikel 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, wenn im Zivilprozess der zweite Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist (hier: Klageerwiderungsfrist) unter Hinweis auf § 225 Abs. 2 ZPO allein mit der Begründung abgelehnt wird, der Prozessgegner habe der erneuten Verlängerung nicht zugestimmt.

Der Beschluss des Landgerichtes vom 07.10.1999, mit welchem der zweite Fristverlängerungsantrag abgelehnt wird, lässt jedoch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien vermissen. Auf die von der Beklagten vorgebrachten Gründe für die beantragte Fristverlängerung, nämlich die Notwendigkeit einer Rücksprache mit dem bauleitenden Architekten, ist das Landgericht in seinem Beschluss nicht eingegangen.

2.4. Darüber hinaus dürfte (worauf es aber wegen der oben beschriebenen Fehler im Ergebnis nicht ankommt) die der Beklagten - aufgrund Ablehnung des zweiten Verlängerungsantrages - gesetzte Frist zur Klageerwiderung zu kurz gewesen sein, weshalb ihr Vorbringen auch aus diesem Grunde nicht als verspätet hätte zurückgewiesen werden dürfen.

Eine unangemessen kurze Klageerwiderungsfrist bringt den Beklagten in prozessordnungswidriger Weise in Zeitdruck und behindert ihn damit in seiner Verteidigung (vgl. BGH NJW 1994, 736). Dies gilt umso mehr, wenn ein entsprechendes Fristverlängerungsgesuch zuvor abgelehnt worden war. Stellt sich nach Ablehnung eines Fristverlängerungsgesuches nachträglich heraus, dass die Frist zur Klageerwiderung nicht ausreichend ist, weil sich aus der verspätet eingereichten Klageerwiderung ergibt, dass die Sachlage äußerst umstritten ist und von schwierigen rechtlichen und tatsächlichen Fragen abhängt, kommt eine Zurückweisung als verspätet nicht mehr in Betracht (vgl. OLG Dresden, NJW-RR 1999, 214 f.).

Der Umfang des abgerechneten Bauvorhabens mit zahlreichen Streitpunkten in Bezug auf die Abrechnung, die der Beklagtenvertreter in der Klageerwiderung vom 14.10.1999 im einzelnen dargestellt hat, wie auch der Umstand, dass - wie vom Beklagtenvertreter angekündigt - zur Vorbereitung der umfangreichen Klageerwiderung eine Besprechung mit dem bauleitenden Architekten notwendig war, lassen darauf schließen, dass die am 30.09.1999 endende Frist zur Klageerwiderung in der Tat zu kurz bemessen war.

2.5. Darüber hinaus hat das Landgericht auch nicht alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine Verzögerung des Verfahrens durch prozessleitende Maßnahmen zu verhindern.

Wird ein verspätetes Angriffs- oder Verteidigungsmittel dem Gericht so rechtzeitig vorgetragen, dass es bei der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung noch berücksichtigt werden kann, hat das Gericht zu prüfen, ob nicht zur Vermeidung einer Verzögerung in der Erledigung des Rechtsstreites vorbereitende Maßnahmen gemäss § 273 Abs. 2 ZPO möglich und geboten sind. Kann die Verspätung noch durch zumutbare Maßnahmen des Prozessgerichtes ausgeglichen werden, so ist das verspätete Vorbringen zuzulassen (vgl. BGH NJW 1971, 1564; BayVerfGH NJW 1977, 243).

Nachdem der Beklagtenvertreter bei Beantragung der zweiten Fristverlängerung eine - nach Rücksprache mit dem bauleitenden Architekten zu fertigende - umfangreiche Klageerwiderung angekündigt hat, konnte das Landgericht (entgegen den Ausführungen in dem angefochtenen Urteil) nicht davon ausgehen, dass die bei der (am 13.10.1999 erfolgten) Terminierung eingeplante Zeit von 15 Minuten zur Erörterung und Verhandlung der Sache ausreichend sein werde. Bei der dementsprechenden gebotenen Anberaumung eines längeren Verhandlungstermins aber hätte das Landgericht nach Eingang der Klageerwiderung am 14.10.1999 vor dem (auf den 17.11.1999) anberaumten Verhandlungstermin ohne weiteres den von der Beklagten benannten Zeugen und gegebenenfalls kurzfristig darüber hinaus auch noch die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 09.11.1999 benannten Zeugen laden und im Termin vernehmen können.

2.6. Die Zurückweisung des Vorbringens der Beklagten in dem Klageerwiderungsschriftsatz vom 14.10.1999 stellt sich schließlich auch deshalb als fehlerhaft dar, weil der eine zweite Verlängerung der Klageerwiderungsfrist ablehnende Beschluss des Landgerichts vom 07.10.1999 erst am 11.10.1999 abgesandt worden ist und der Beklagtenvertreter, der über die Durchführung der Anhörung des Prozessgegners informiert war, zunächst davon ausgehen durfte, dass seinem Fristverlängerungsgesuch im Hinblick auf die hierin angeführte Begründung (Notwendigkeit der Rücksprache mit dem bauleitenden Architekten sowie erheblicher Umfang der Klageerwiderung) stattgegeben werde. Die bereits zwei Tage später am 13.10.1999, also einen Tag vor dem angekündigten Eingang der Klageerwiderungsschrift, verfügte Anberaumung des lediglich eine Zeitdauer von 15 Minuten umfassenden Haupttermins auf den 17.11.1999 dürfte vor diesem Hintergrund auch den Grundsatz des fairen Verfahrens verletzen.

3. Der Senat hält es für angebracht, den Rechtsstreit gemäss § 539 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen, da das erstinstanzliche Verfahren keine tragfähige Entscheidungsgrundlage geschaffen hat.

Durch vorbereitende Maßnahmen des Senates gemäss 273 ZPO konnte der Rechtsstreit nicht zur Entscheidungsreife gebracht werden, da eine umfangreiche Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung und Einholung eines Sachverständigengutachtens durchzuführen ist. Auch zur Wahrung des Instanzenzuges erscheint die Zurückverweisung sachdienlich.

II.

Die Kostenentscheidung war dem Landgericht vorzubehalten, weil sich der Umfang des - endgültigen - Obsiegens und Unterliegens der Parteien zur Zeit nicht feststellen lässt. Hinsichtlich der Gerichtskosten hat der Senat von § 8 Abs. 1 S. 1 GKG Gebrauch gemacht.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen für deren Zulassung gemäss § 546 Abs. 1 ZPO nicht gegeben sind.

Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 546 Abs. 1 S.2 Nr. 1 ZPO erfordert das Vorliegen einer klärungsbedürftigen, vorbehaltlich enger Ausnahmen bisher höchstrichterlich nicht entschiedenen Frage von grundsätzlicher und damit allgemeiner Bedeutung. Darunter ist zu verstehen, dass sich die Auswirkungen der Entscheidung in qualitativer Hinsicht nicht in der Regelung der Beziehung der Parteien, auch über das Streitobjekt hinaus, oder in einer von vornherein überschaubaren Anzahl gleichgelagerter Angelegenheiten erschöpfen dürfen, sondern eine unbestimmte Vielzahl von Fällen betreffen müssen. In qualitativer Hinsicht dürfen die Auswirkungen der Entscheidung nicht nur auf tatsächlichem Gebiet liegen.

Zu den Voraussetzungen für die Zurückweisung von Vorbringen als verspätet gibt es indes eine Vielzahl höchstrichterlicher Erkenntnisse, die der Senat seiner Entscheidung auch zugrunde gelegt hat. Zudem handelt es sich vorliegend - gemessen an den vorstehend erwähnten Kriterien zu § 546 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZPO - lediglich um eine Einzelfallentscheidung.

Schließlich kam auch die Zulassung der Revision wegen Divergenz (§ 546 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO) nicht in Betracht.

Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hatte zu unterbleiben, da das Urteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.

Den Wert der Beschwer hat der Senat gemäss § 546 Abs. 2 S. 1 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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