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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 12.04.2007
Aktenzeichen: 1 U 911/06
Rechtsgebiete: BGB, Thüringer BauO


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 2
BGB § 1004
Thüringer BauO § 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 911/06

Verkündet am: 12.04.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pfalzer, die Richterin am Oberlandesgericht Zimmermann-Spring und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Brenneisen

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.03.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Verfügungskläger wird das Urteil des Landgerichts M vom 20.09.2006 abgeändert und insgesamt neu gefasst:

a) Die Verfügungsbeklagten haben es zu unterlassen ihr Grundstück, Flurstück.........., in der Gemarkung M, Weg 1, in M, in einem Abstand von unter 3 Metern zur nordöstlichen Grenze des Grundstückes der Verfügungskläger, Flurstück........., in der Gemarkung M, Weg 2, in M, so wie gemäß beigefügter Anlage A6 und gemäß der beigefügten aktuellen Unterlage vom 18.05.2006 dargestellt, zu bebauen, wobei bei der Ermittlung der mittleren Wandhöhe die Höhe des geplanten Daches der Garage zu einem Drittel hinzugerechnet wird.

b) Den Verfügungsbeklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die unter a) ausgesprochene Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festgesetzt werden kann.

2. Von den Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens haben die Verfügungskläger 1/3 und die Verfügungsbeklagten 2/3 zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Verfügungskläger verlangen im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens von den Verfügungsbeklagten die Unterlassung einer Baumaßnahme.

Die Verfügungskläger sind jeweils hälftige Miteigentümer des Grundstücks, Flurstück ........in der Gemarkung M, Weg 2, in M. Auf diesem Grundstück befindet sich ein Wohnhaus, das von den Verfügungsklägern bewohnt wird. Die Verfügungsbeklagten sind Eigentümer des Nachbargrundstücks Flurstück........, auf dem sie derzeit ein Bauvorhaben zur Errichtung eines Wohnhauses durchführen.

Die Stadt M erließ für das Bebauungsgebiet "Vogel", in dessen Bereich die Grundstücke der Parteien liegen, einen Bebauungsplan. Dieser nimmt wegen der einzuhaltenden Abstandsflächen bei der Bebauung der Grundstücke im Textteil unter Abschnitt B 8 Bezug auf §§ 6, 7 der im Zeitpunkt der Erstellung des Bebauungsplanes geltenden Thüringer Bauordnung. Unter Abschnitt B 5 ist in dem Bebauungsplan aufgeführt, dass in Einzelfällen eine Festlegung erfolgen kann. Wegen der Einzelheiten des Bebauungsplanes wird auf die Anlage A 11 verwiesen.

Die Verfügungsbeklagten übersandten den Verfügungsklägern im Rahmen ihres Bauvorhabens einen Lageplan, mit dessen Festsetzungen sie sich durch Unterzeichnung des Planes einverstanden erklärten. Nachdem die Verfügungsbeklagten mit ihrem Bauvorhaben begonnen hatten, kam es zu einem Streit der Parteien darüber, ob die Verfügungsbeklagten hinsichtlich der Höhe der nach Nord-Osten ausgerichteten Garagenwand von den in dem Lageplan enthaltenen Festsetzungen abgewichen sind. Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob bei der Ermittlung der mittleren Wandhöhe der Garage die Höhe des geplanten Daches zu einem Drittel hinzuzurechnen ist.

Die Verfügungskläger haben bei dem Amtsgericht M den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, durch die den Verfügungsbeklagten untersagt werden sollte, innerhalb eines Abstandes von 3 Metern zur Grundstücksgrenze zu bauen. Das Amtsgericht M hat durch Beschluss vom 16.05.2006 die einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen. Nach Erhebung eines gegen den Erlass der einstweiligen Verfügung gerichteten Widerspruchs durch die Verfügungsbeklagten hat das Amtsgericht M Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt. Nachdem die Verfügungsbeklagten in diesem Termin die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts gerügt hatten, hat es das einstweilige Verfügungsverfahren an das Landgericht M verwiesen.

Die Verfügungskläger haben dort beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts M vom 16.05.2006 zu bestätigen, hilfsweise, den Beschluss des Amtsgerichts M vom 16.05.2006 mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, als den Verfügungsbeklagten aufgegeben wird, es zu unterlassen, ihr Grundstück, Flurstück ....... in der Gemarkung M, Weg 1, in M, in einem Abstand von unter 3 Metern zur nordöstlichen Grenze des Grundstückes der Verfügungskläger, Flurstück in der Gemarkung M, Weg 2, in M, sowie in dem Schnitt B gemäß beigefügter Anlage A 6 sowie gemäß der beigefügten aktuellen Unterlage vom 18.05.2006 dargestellt zu bebauen.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen (Bl. 88-95 d. A.).

Das Landgericht hat durch Urteil vom 20.09.2006 die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts M aufgehoben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses Urteil haben die Verfügungskläger Berufung eingelegt.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgen sie ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Die Verfügungskläger behaupten, das von den Verfügungsbeklagten begonnene Bauvorhaben entspreche hinsichtlich der Garage nicht dem Lageplan, dem sie als Nachbarn zugestimmt hätten. Die Garage sei, bezogen auf die Nordostansicht, um ca. 2,40 m nach rechts versetzt, wodurch die Baulichkeit insgesamt höher aus dem Hang herausrage. Dadurch übersteige die Wandhöhe der Garage ohne Berücksichtigung des Daches im Mittel drei Meter. Die Garage sei deshalb hinsichtlich der einzuhaltenden Abstandsflächen nicht mehr gemäß § 6 Abs. 7 ThürBO in der Fassung vom 01.05.2004 privilegiert. Noch gravierender sei die Höhenüberschreitung der Wandfläche, wenn nach § 6 Abs. 4 ThürBO noch ein Drittel der Dachhöhe hinzugerechnet werde. Die Verfügungskläger sind der Auffassung, das Landgericht habe § 6 Abs. 7 ThürBO rechtsfehlerhaft ausgelegt. Aus der Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift ergebe sich, dass auch bei privilegierten Bauten die mittlere Wandhöhe nach § 6 Abs. 4 ThürBO zu ermitteln sei. Hinzu komme, dass das Erstgericht die mittlere Wandhöhe mathematisch fehlerhaft berechnet habe, da es die Verwaltungspraxis für die Thüringer Bauordnung nicht beachtet habe. Danach seien bei unregelmäßigen Geländeneigungen Teilabschnitte zur Berechnung der Wandhöhe zu bilden, um den sich aus der Hanglage ergebenden Höhenunterschieden zu entsprechen. Diesen Anforderungen genügten die in der aktuellen Unterlage vom 18.05.2006 enthaltenen Festsetzungen hinsichtlich der Höhe der nordöstlichen Garagenwand nicht.

In der mündlichen Verhandlung des Senats haben die Verfügungskläger die Berufung zurückgenommen, soweit das Landgericht ihren Hauptantrag zurückgewiesen hat.

Die Verfügungskläger beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts M vom 20.09.2006, die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts M, Beschluss vom 16.05.2006, Az.: 21 C 713/06, mit der Maßgabe wieder zu erlassen, dass den Verfügungsbeklagten aufgegeben wird, es zu unterlassen, ihr Grundstück, Flurstück in der Gemarkung M, Weg 1, in M in einem Abstand von unter 3 Metern zur nordöstlichen Grenze des Grundstückes der Verfügungskläger, Flurstück ........, in der Gemarkung M, Weg 2, in M, so wie in dem Schnitt B-B gemäß beigefügter Anlage A 6 sowie gemäß der beigefügten aktuellen Unterlage vom 18.05.2006 dargestellt zu bebauen, wobei bei der Ermittlung der mittleren Wandhöhe die Höhe des geplanten Daches der Garage zu einem Drittel hinzugerechnet wird.

Die Verfügungsbeklagten beantragen,

die Berufung der Verfügungskläger zurückzuweisen.

Sie behaupten, die mittlere Wandhöhe der Garage übersteige eine Höhe von drei Metern nicht. Die Verfügungsbeklagten sind der Auffassung, die Garage entspreche den in § 6 Abs. 11 ThürBO in der Fassung vom 16.03.1994 enthaltenen Vorgaben. Diese Fassung der Thüringer Bauordnung sei vorliegend anwendbar, weil der Bebauungsplan ausdrücklich auf dieses Gesetz verweise. Selbst wenn die Thüringer Bauordnung in der Fassung vom 1.05.2004 Anwendung fände, sei die von den Verfügungsbeklagten errichtete Garage zulässig, da es sich um ein privilegiertes Bauvorhaben i. S. von § 6 Abs. 7 Nr. 1 ThürBO handele. Solche Bauwerke seien ohne Einhaltung von Abstandsflächen zulässig, wenn die mittlere Wandhöhe drei Meter nicht übersteige. Die Berufung verkenne, dass die in § 6 Abs. 4 Satz 2 i. V. mit Satz 3 ThürBO enthaltenen Regelungen nicht auf die in § 6 Abs. 7 ThürBO genannten privilegierten Bauwerke anwendbar seien. Der Schutz des Nachbars werde bei den privilegierten Bauvorhaben dadurch erreicht, dass die baulichen Anlagen auf eine Länge von 15 Metern beschränkt seien. Aus der Begründung zur Gesetzesänderung der Thüringer Bauordnung zu § 6 Abs. 7 ThürBO ergebe sich, dass der Gesetzgeber die bisherige Regelung des § 6 Abs. 9 ThürBO in der Fassung vom 16.03.1994 in der Vorschrift des § 6 Abs. 4 ThürBO n. F. übernommen habe und dabei ausdrücklich keine Änderungen betreffend der Wandhöhe beabsichtigt habe. Die Dachhöhe sei dementsprechend vorliegend nicht zu berücksichtigen, da das Dach eine Dachneigung von weniger als 45 Grad habe.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Verfügungskläger hat in der Sache Erfolg.

Den Verfügungsklägern steht ein Anspruch auf Unterlassung der von den Verfügungsbeklagten beabsichtigten Bebauung zu, da ihre Garagenwand hinsichtlich der einzuhaltenden Abstandsflächen die Vorschrift des § 6 Abs. 7 ThürBO in der Fassung vom 01.05.2004 verletzt. Die bauordnungsrechtlichen Vorschriften über die Abstandsflächen sind - wie das Landgericht zu Recht feststellt - Schutzgesetz i. S. von § 823 Abs. 2 BGB ist, deren Verletzung einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 begründet.

1. Das erstinstanzliche Gericht ist - entgegen der Ansicht der Berufungserwiderung - auch zutreffend davon ausgegangen, dass hinsichtlich der Berechnung der Abstandsflächen die Vorschriften der Thüringer Bauordnung in der seit dem 01.05.2004 geltenden Fassung Anwendung finden. Nach § 83 Abs. 1 Ziff. 5 ThürBO, der durch die Fassung der Thüringer Bauordnung vom 01.05.2004 keine inhaltliche Änderung erfahren hat, ist es zwar den Gemeinden gestattet von § 6 ThürBO abweichende Maße der Abstandsflächentiefe in ihren Satzungen festzusetzen. Der Bebauungsplan der Stadt M enthält indes keine eigenen abweichenden Regelungen zu den in der Thüringer Bauordnung geregelten Abstandsflächen. Er nimmt vielmehr allgemein Bezug auf die im Zeitpunkt der Erstellung des Bebauungsplanes geltenden bauordnungsrechtlichen Regelungen, nämlich §§ 6, 7 ThürBO in der Fassung vom 16.03.1994. Diese allgemeine Bezugnahme auf die im Zeitpunkt der Erstellung des Bebauungsplanes geltenden gesetzlichen Vorschriften führt lediglich dazu, dass die jeweils geltenden rechtlichen Vorschriften der Thüringer Bauordnung anzuwenden sind. Die Berufungserwiderung verkennt zudem, dass auch nach der früher geltenden Fassung der Thüringer Bauordnung (§ 6 Abs. 11 ThürBO) bei der Ermittlung der mittleren Wandhöhe ein Drittel der Giebelhöhe hinzurechnen war (vgl. Thüringer OVG, Urteil vom 16.08.2001, - Az. 1 KO 946/00 -, ThürVBl 2002, 89).

2. Das Landgericht hat indes verkannt, dass die Garage der Kläger in der Ausführung, wie sie in der Anlage 6 und in der Unterlage vom 18.05.2006 dargestellt ist, gegen § 6 Abs. 7 ThürBO verstößt. Ein Verstoß ergibt sich daraus, dass die von den Verfügungsbeklagten errichtete Garagenwand die zulässige Höhe von 3 m übersteigt.

a) Nach § 6 Abs. 7 ThürBO dürfen die in dieser Vorschrift aufgeführten Bauvorhaben ohne Einhaltung von Abstandsflächen gebaut werden, wenn die mittlere Wandhöhe dieser Gebäude drei Meter nicht übersteigt. Der Begriff der mittleren Wandhöhe ist in dieser Vorschrift nicht definiert worden. Daraus kann indes nicht geschlossen, dass die Dachhöhe bei der Ermittlung der mittleren Wandhöhe einer Garage nicht hinzuzurechnen ist. Der Gesetzgeber hat zwar in bewusster Vereinfachung auf viele Anrechnungsvorschriften für Dächer und Dachteile in der neuen Fassung der Thüringer Bauordnung verzichtet. Auch eine Sonderberechnung für Giebelflächen findet seit der im Jahr 2004 eingeführten Novelle der Thüringer Bauordnung nicht mehr statt. Das bedeutet allerdings nicht, dass insoweit diese Bereiche für die Abstandsflächen außer Betracht zu bleiben haben. Vielmehr sind - entgegen den Ausführungen in der Vollzugsbekanntmachung zur Thüringer Bauordnung vom 13. Juli 2004 (vgl. ThStAnz. 2004 Seite 1971) - bei der Berechnung der Wandhöhe einer Grenzbebauung die allgemeinen Regeln des § 6 Abs. 4 ThürBO heranzuziehen (vgl. Dirnberger in: Jäde/Dirnberger/Michel/Bauer /Böhme/Radeisen/Reimus, Bauordnungsrecht Thüringen, Loseblattsammlung 34. Al Dezember 2005, § 6 Rdnr. 126 ff., 173). Die Vorschrift des § 6 Abs. 7 ThürBO stellt zwar eine spezielle - abstandsrechtliche - Regelung u. a. auch für Grenzgaragen dar. Diese Norm regelt jedoch die Berechnung der Wandhöhe von Grenzanlagen nicht abschließend, da sie selbst den Begriff der Wandhöhe nicht definiert und keine Bestimmung darüber trifft, wie bei geneigter Geländeoberfläche zu verfahren ist. Sie enthält auch keine Regelung über die Anrechnung von Dächern und Dachteilen sowie von Giebelflächen im Bereich des Daches, wenn - wie im vorliegenden Fall - seine Seiten eine Neigung von weniger als 70 Grad haben.

b) Der Teilregelungscharakter des § 6 Abs. 7 ThürBO n. F. ergibt sich auch aus seiner Entstehungsgeschichte und dem allgemeinen Regelungszweck der Abstandsflächenvorschriften.

aa) Die Vorschrift des § 6 Abs. 7 ThürBO n. F. nimmt nach der Gesetzesbegründung die Regelung des bisherigen § 6 Abs. 11 ThürBO auf (vgl. LT-Drucksache 3/3287 vom 23.03.2003, Seite 60). Auch die frühere Regelung hat eine ausdrückliche Definition der mittleren Wandhöhe nicht enthalten. Die verwaltungsrechtliche Rechtsprechung (vgl. Thüringer OVG, Urteil vom 16.08.2001, - Az. 1 KO 946/00 - ThürVBl 2002, 89) hat deshalb - schon unter der Geltung der alten Fassung der Thüringer Bauordnung - für die Berechung der mittleren Wandhöhe die Bestimmungen des § 6 Abs. 4 Satz 4 Nr. 2 c ThürBO a. F. herangezogen, der § 6 Abs. 4 Satz 3 ThürBO n. F. inhaltlich entspricht. Das Thüringer OVG (ThürVBl 2002, 89) hat dies damit begründet, dass durch die Außerachtlassung der Höhe von Giebelflächen oder von Dächern bzw. von Dachteilen bei einer beiderseitigen Dachneigung von weniger als 70 Grad an der Grenze relativ hohe Gebäudekörper entstehen könnten, welche die Belange des durch eine Grenzbebauung ohnehin stärker beeinträchtigten Nachbarn in nicht mehr hinnehmbaren Maß verletzen würden (vgl. auch Meißner/Gräf, Das Baurecht in Thüringen, Loseblattsammlung, Stand 1998, § 6 Rdnr. 29).

bb) Der Zweck, der § 6 Abs. 11 ThürBO a. F. zugrunde lag, ist durch die Novellierung der Thüringer Bauordnung nicht verändert worden, da auch durch diese Vorschrift eine ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung auf den Nachbargrundstücken gewährleistet werden soll (vgl. Dirnberger in: Jäde/Dirnberger/Michel/Bauer/Böhme/Radeisen/Reimus,Bauordnungsrecht Thüringen, Loseblattsammlung 34. Al Dezember 2005, § 6 Rdnr. 126 ff., 173). Dieses Ergebnis kann jedoch nur dadurch erreicht werden, dass bei einem Dach mit einer Neigung von weniger als 70 Grad die Höhe zu einem 1/3 anzurechnen ist. Denn im Hinblick auf den Nachbarschutz ist es auch unter der Geltung der neuen Fassung der Thüringer Bauordnung nicht gewollt, dass sowohl von den Giebelflächen als auch von den Dächern bzw. deren Firsthöhen Beeinträchtigungen für den Nachbarn ausgehen. Diese stehen in einem engen Zusammenhang mit der Dachneigung des Giebels und der Höhe des Daches. Demgemäß muss zur Wandhöhe einer Garage, wenn diese ein Dach besitzt, ein Höhenanteil als Zuschlag zugerechnet werden, der sich aus der Höhe des Giebels oder des Daches bzw. der Firsthöhe ergibt. Dieser Zuschlag muss in Relation zum Störungsgrad, der von dem Giebel oder von dem Dach ausgeht, stehen (vgl. Temmer/Heinz, Abstandsflächen und Abstände, 5. Aufl., § 6 Rdnr. 209). Bei einem Dach mit einer Neigung von weniger als 70 Grad kann dem auf den Nachbarn ausgehenden Störungsgrad dadurch begegnet werden, dass - wie es auch § 6 Abs. 4 Satz 3 ThürBO vorsieht - 1/3 der Dachhöhe angerechnet wird.

cc) Für die Berechnung der mittleren Wandhöhe ist oberer Bezugspunkt der Schnittpunkt der Außenwand mit der Dachhaut. Der so ermittelten Wandhöhe ist mithin gemäß § 6 Abs. 4 Satz 3 ThürBO die Dachhöhe zu einem Drittel hinzuzurechnen, wenn die Grenzanlage - wie hier - ein Dach besitzt, das eine Neigung von weniger als 70 Grad hat (vgl. Dirnberger in: Jäde/Dirnberger/ Michel/Bauer/Böhme/Radeisen/Reimus, Bauordnungsrecht Thüringen, Loseblattsammlung 34. Al Dezember 2005, § 6 Rdnr. 126 ff., 173). Ausgangspunkt für die Berechnung der Dachhöhe ist die Linie, die den Schnittpunkt des Außenwand mit der Dachhaut verbindet, also die gleiche Linie, die den oberen Bezugspunkt der Wandhöhe bildet, damit die Dachhöhe jeweils nur einmal zum Ansatz kommt. Endpunkt bei der Ermittlung der Dachhöhe ist der Dachfirst (vgl. Dirnberger in: Jäde/Dirnberger/Michel/ Bauer/Böhme/Radeisen/ Reimus, Bauordnungsrecht Thüringen, Loseblattsammlung, 34. AL. Stand 2005, § 6 Rdnr. 127 ff.). Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die tatsächlich errichtete mittlere Giebelhöhe zu einem Drittel der Garagenwand hinzuzurechnen ist, weil das Dach eine beiderseitige Neigung von weniger als 70 Grad aufweist. Unter Berücksichtigung der von dem Landgericht ermittelten Höhe der Garage ohne Dach von 3,065 m (bei einer Aufschüttung von 50 cm) bzw. 2,938 m (bei einer Aufschüttung von 40 cm) überschreitet die Garage die nach § 6 Abs. 7 ThürBO zulässige Höhe von 3 m weit, wenn ihrer Wandhöhe ein Drittel der Giebelhöhe hinzugerechnet wird, die nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien 1,80 m bis 1,90 m beträgt. Im Übrigen ist auch ohne Berücksichtigung des Dachgiebels bei einer Aufschüttung des Baugrundstücks von 0,50 cm bereits eine Überschreitung der zulässigen Wandhöhe gegeben.

3. Das Landgericht hat zudem verkannt, dass die Ausgangslinie für die Berechnung der Wandhöhe die Schnittlinie der Außenwand mit der natürlichen Geländeoberfläche ist. Die Thüringer Bauordnung in der Fassung vom 01.05.2004 enthält zwar keine ausdrückliche Definition der Geländeoberfläche mehr. Nach allgemeiner Meinung (vgl. Dirnberger in: Jäde/Dirnberger/Michel/Bauer/Böhme/Radeisen/Reimus, Bauordnungsrecht Thüringen, Loseblattsammlung, 34. AL. Stand 2005, § 6 Rdnr. 117 ff. m. w. N.) handelt es sich bei der Geländeoberfläche aber grundsätzlich um die natürliche Geländeoberfläche, soweit nicht gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 BBauG oder in der Baugenehmigung eine andere Geländeoberfläche festgesetzt ist. Unter der natürlichen Geländeoberfläche ist dabei die nicht künstlich veränderte Geländeoberfläche zu verstehen (vgl. Dirnberger in: Jäde/Dirnberger/ Michel/Bauer/Böhme/Radeisen/Reimus, Bauordnungsrecht Thüringen, Loseblattsammlung 34. AL. Dezember 2005, § 6 Rdnr. 117 ff.). Die Geländeoberfläche ergibt sich damit allein aus dem natürlichen Verlauf des Baugrundstückes und richtet sich nicht nach dem tatsächlichen Zustand des Nachbargrundstückes (vgl. Saarländisches OVG, Baurecht 2003, 1865). Dadurch können sich unterschiedliche Wandhöhen ergeben und auch unterschiedliche tiefe Abstandsflächen entstehen. In diesen Fällen kann die Bauaufsichtsbehörde eine in der Höhe gemittelte Abstandsfläche festlegen. (vgl. Dirnberger in: Jäde,/Dirnberger/Michel/Bauer/Böhme /Radeisen/Reimus, Bauordnungsrecht Thüringen, Loseblattsammlung 34. AL. Dezember 2005, § 6 Rdnr. 121). Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts war danach nicht nur die von den Verfügungsklägern behauptete Aufschüttung zu der sichtbaren Wandhöhe hinzuzurechnen, sondern auch der sich aus der Unterlage vom 18.05.2006 ergebende Bereich des natürlichen Geländeverlaufs. Ausgangslinie für die Ermittlung der Wandhöhe ist daher der Verlauf des natürlichen Geländes. Bei Heranziehung dieser Linie als unterer Bezugspunkt ist auch ohne Berücksichtigung der Dachhöhe eine erhebliche Überschreitung der zulässigen Wandhöhe von 3 m gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO. Soweit die Verfügungskläger die Berufung teilweise zurückgenommen haben, waren ihnen insoweit die Kosten aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, i. V. m. § 711, 713 ZPO.

Die Revision ist nach § 542 Abs. 2 ZPO nicht statthaft, so dass eine Entscheidung über ihre Zulassung nicht zu treffen war.

Ende der Entscheidung

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