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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 23.04.2009
Aktenzeichen: 1 UF 11/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 78 Abs. 2
ZPO § 538 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 623 Abs. 1 S. 1
1. Wenn ein Anerkenntnisurteil erlassen wurde, obwohl ein Anerkenntnis fehlt, hat das Berufungsgericht das Urteil aufzuheben und zurückzuweisen.

2. Zur Erfüllung aller Prozesshandlungsvoraussetzungen ist es erforderlich, dass im Anwaltsprozess das Anerkenntnis vom Prozessbevollmächtigten erklärt wird.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 UF 11/09

Verkündet am: 23.04.2009

In der Familiensache

hat der 1. Familiensenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Parteina, Richterin am Oberlandesgericht Martin und Richter am Oberlandesgericht Knöchel

im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzschluss vom 09.04.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Antragsgegners vom 12.01.2009 wird Ziffer 6 und 7 des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht Weimar vom 6.10.2008, zugestellt am 13.12.2008, aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Durchführung der Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Weimar zurückverwiesen.

2. Das Amtsgericht hat auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden.

3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf (12 x 639 €=) 7668,- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien haben am 23.07.1988 geheiratet. Die Parteien leben seit Dezember 2005 voneinander getrennt. Aus der Ehe der Parteien sind die Kinder K. G., geboren am 06.07.1990 und C. G., geboren am 14.03.1992, hervorgegangen.

Auf Antrag der Antragstellerin hat das Amtsgericht - Familiengericht - Weimar durch Verbundurteil vom 06.10.2008 die Ehe geschieden, die elterliche Sorge geregelt, den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Antragsgegner "aufgrund Anerkenntnis" verurteilt, ab Rechtskraft der Ehescheidung für die Tochter der Parteien C. G., geboren am 14.03.1992, monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 361,- € bis zum Sommer 2011, dem voraussichtlichen Ende der im August 2008 begonnenen Ausbildung der Tochter (Ziffer 5) und an die Antragstellerin einen monatlichen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 639,- €, befristet bis zum 31.12.2014 zu zahlen

Der in I. Instanz nicht anwaltlich vertretene Antragsgegner hat im Termin vom 06.10.2008 erklärt, "er erkenne den Antrag in Höhe von 639,- € monatlich betreffend nachehelichen Unterhalt an, allerdings zeitlich befristet zunächst bis Dezember 2014. Abänderungsmöglichkeiten bei veränderter Einkommenslage auf beiden Seiten oder veränderter Zahl der Unterhaltsverpflichtungen auf Seiten des Antragsgegners bleiben vorbehalten" und "es sei eine Parteivereinbarung dahingehend getroffen worden, dass er allein die Kosten des Verfahrens trage".

Der Antragsgegner greift Ziffer 6 und 7 des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Weimar mit der Berufung an.

Er trägt vor, das Familiengericht sei zu einer Verurteilung in den Ziffern 5, 6 und 7 des Urteils vom 06.10.2008 aufgrund eines Anerkenntnisses bzw. einer Erklärung des Antragsgegners im Termin vom 06.10.2008 gekommen. Im Urteil des Gerichts werde in den Entscheidungsgründen Kindes- und nachehelicher Unterhalt ausgeführt: "Die Verurteilung erfolgt auf Antrag der Antragstellerin, der Antragsgegner hat beide Forderungen anerkannt". Zur Kostenentscheidung sei das Amtsgericht aufgrund der Vereinbarung der Parteien gekommen, dass der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens alleine trage.

Mit seiner Entscheidung habe das Familiengericht hinsichtlich der Folgesachen Kindesunterhalt und nachehelicher Ehegattenunterhalt sowie in Bezug auf die Kostenverteilung gegen § 78 Abs. 2 i. V. m. § 621 Abs. 1, Ziffer 4 und 5 ZPO i. V. m. § 307 ZPO verstoßen.

Die Erklärung des Antragsgegners, dass er die Unterhaltsansprüche anerkenne und die Kosten des Verfahrens übernehme, seien nicht wirksam geworden, weil im vorliegenden Fall nur ein Rechtsanwalt entsprechende Erklärungen vor dem Familiengericht hätte wirksam abgeben können.

Der Antragsgegner wolle nur das unwirksame Anerkenntnis des nachehelichen Unterhalts und des Tragens der Verfahrenskosten angreifen. Der Antragsgegner sei nicht anwaltlich vertreten worden. Unter Beachtung der Vorschrift des § 78 Abs. 2 ZPO hätte das Gericht kein entsprechendes Urteil fällen können, sondern den Antragsgegner darauf hinweisen müssen, dass er sich anwaltlich vertreten lassen müsse, um eine entsprechende Erklärung abzugeben.

Nach der gesetzlichen Kostenregelung hätten die Kosten gegeneinander aufgehoben werden müssen. Wenn überhaupt hätte die Antragstellerin einen Antrag auf Freistellung gegenüber ihrem geschiedenen Ehemann beantragen können. Eine Festsetzung der Kostentragungslast im Urteil hätte nicht erfolgen können. Nur materielle Gründe könnten dazu führen, dass von der gesetzlichen Kostentragungspflicht abgewichen werde. Hierzu sei allerdings nichts vorgetragen und auch keinerlei Begründung des Gerichts enthalten, so dass auch die Kostentragung abzuändern sei.

Auch sei eine Anspruchsgrundlage für den Nachscheidungsunterhalt nicht ersichtlich. Die Ermittlung des Einkommens des Antragsgegners sei nicht nachvollziehbar und werde bestritten. Die Dauer des Betreuungsunterhalts bis 2014 über die Dauer von über sechs Jahren sei nicht nachvollziehbar.

Der Antragsgegner beantragt,

1. sofern das Gericht in der Sache selbst entscheidet, das Urteil des Amtsgerichts Weimar, Familiengericht, zu dem Az. 12 F 1/08 vom 06.10.2008, zugestellt am 13.12.2008, hinsichtlich des Tenors zu Ziffer 6 und 7 abzuändern und den Antrag auf Ehegattenunterhalt zurückzuweisen sowie die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben,

2. sofern das Berufungsgericht die Sache zurückverweist, beantragt, das Urteil des Amtsgerichtes Weimar, Az. 12 F 1/08, Ziffer 6 und 7 aufzuheben und an das Amtsgericht Weimar zurückzuverweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

das Verfahren an das Amtsgericht Weimar zurückzuverweisen.

II.

Das Rechtsmittel des Antragsgegners hat insoweit Erfolg, als Ziffer 6 und 7 des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Weimar vom 06.10.2008 aufzuheben waren und das Verfahren zur erneuten Durchführung der Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Weimar zurückverwiesen war.

Die Aufhebung und Zurückverweisung beruhen auf entsprechender Anwendung der für Versäumnisurteile in § 538 Abs. 1 Nr. 6 ZPO getroffenen Regelung (Zöller/Heßler, ZPO, 27. Auflage, § 538, Rdnr. 54; Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 307, Rdnr. 11). Die Analogie ist angesichts der vom Gesetzgeber vorgenommenen weitgehenden Gleichstellung von Anerkenntnis- und Versäumnisurteilen gerechtfertigt (§ 313 b ZPO).

Der Erlass eines Anerkenntnisurteils trotz fehlenden Anerkenntnisses ist dem Erlass eines Versäumnisurteils trotz fehlender Säumnis in der prozessualen Behandlung durchwegs vergleichbar, denn das prozessuale Anerkenntnis nach § 307 ZPO ist ausschließlich Prozesshandlung (OLG München, FamRZ 1991, 795 unter Hinweis auf BGH, MDR 1989, 803).

Die Wirksamkeit eines Anerkenntnisses ist von der Abgabe einer entsprechenden Erklärung durch den Antragsgegner, von der Erfüllung der Prozesshandlungsvoraussetzungen und von seiner Zulässigkeit abhängig. Zur Erfüllung aller Prozesshandlungsvoraussetzungen ist es erforderlich, dass im Anwaltsprozess das Anerkenntnis vom Prozessbevollmächtigten erklärt wird (Musielak, ZPO, 6. Auflage, § 307, Rdnr. 11; Zöller/Vollkommer, a. a. O., vor §§ 306, 307, Rdnr. 12).

Im Umfang des Anwaltszwangs müssen sich die Parteien durch einen zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen (§ 78 Abs. 2 ZPO). Anwaltsprozesse vor dem Familiengericht sind Ehesachen und Folgesachen (§ 78 Abs. 2, 1. Alt. ZPO). Folgesachen sind die in dem Katalog des § 621 Abs. 1 ZPO abschließend aufgeführten "anderen Familiensachen" (hier: Unterhaltssachen), über die im Verbundverfahren mit der Scheidungssache "für den Fall der Scheidung" zugleich zu entscheiden ist oder war (§ 623 Abs. 1 S. 1 ZPO, vgl. Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 78, Rdnr. 30).

Innerhalb der Berufungsfrist gegen das amtsgerichtliche Verbundurteil vom 06.10.2008, zugestellt am 13.12.2008, die für den Antragsgegner am 13.01.2009 ablief, hat der Antragsgegner die Ziffern 1-5 des Urteils nicht mit einem eigenen Rechtsmittel angefochten. Damit erwuchs das Verbundurteil aber noch nicht in Rechtskraft.

Vielmehr eröffnete § 629 a Abs. 3 Satz 1 ZPO die Möglichkeit, dass nach Einlegung der Berufung in der Folgesache Nachscheidungsunterhalt durch den Antragsgegner eine Änderung "anderer Teile" der Verbundentscheidung, "die eine andere Familiensache" betrafen, noch bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung der Rechtsmittelbegründung, bei mehreren Zustellungen bis zum Ablauf eines Monats nach der letzten Zustellung, beantragt werden konnte. Als anderer Teil der Verbundentscheidung, der eine andere Familiensache betraf, kamen hier der Scheidungsausspruch, die elterliche Sorge, der Versorgungsausgleich und der Kindesunterhalt in Betracht, gegen den die Parteien sich auf diesem Weg noch nachträglich wenden konnten.

Zur Anschließung befugt ist der Rechtsmittelgegner. Für das Verbundverfahren bedeutet dies, dass sich jeder Ehegatte dem Rechtsmittel des anderen Ehegatten anschließen kann (Zöller/Philippi, a.a.O., § 629a, Rdnr. 26). Von dieser Möglichkeit hat die Antragstellerin bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründung am 17.02.2009 an die Vertreterin der Antragstellerin bis zum Ablauf des 17.03.2009 keinen Gebrauch gemacht.

Verfahrensbeteiligte Dritte können sich nur anschließen, soweit sie Gegner des Hauptmittelrechtführers sind (Zöller/Philippi, a.a.O., § 629a, Rdnr. 29). In der Folgesache Nachscheidungsunterhalt kommt nur die Antragstellerin als Anschlussberechtigte in Betracht.

Mit der Regelung des § 629 a Abs. 3 ZPO verfolgt das Gesetz den Zweck, die vorzeitige (Teil-) Rechtskraft einzelner Entscheidungen eines Verbundurteils, insbesondere des Scheidungsausspruchs, unabhängig von dem weiteren Schicksal der (sonstigen) Folgesachen zu ermöglichen (vgl. BGH, FamRZ 1998, 1024).

Da das im vorliegenden Verfahren nicht geschehen ist, ist es am 17.03.2009 zur vorzeitigen Teilrechtskraft des Scheidungsausspruchs und der Folgesachen elterliche Sorge, Versorgungsausgleich und Kindesunterhalt gekommen.

Mit dem Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsausspruchs wurden diese aus dem Verbund herausgelöst (BGH, a. a. O.) mit der Folge, dass sie von dem weiteren Schicksal der "Verbund"- Entscheidung Nachscheidungsunterhalt nicht mehr beeinflusst wurde.

Das Amtsgericht wird daher in der Sache zu klären haben, ob und in welchem Umfang der von der Antragstellerin geltend gemachte Nachscheidungsunterhalt begründet ist.

Die Kostenentscheidung, auch für die Berufungsinstanz, war dem Amtsgericht zu übertragen.

Das Amtsgericht wird für die I. Instanz eine amtswegige Kostenentscheidung nach der gesetzlichen Kostenregelung zu treffen haben, worauf der Antragsgegner zu Recht hingewiesen hat. Eine amtswegige Kostenentscheidung ohne Antragsbindung ist in jeder mit der Sache befassten Instanz zu treffen (Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 308, Rdnr. 9).

Ende der Entscheidung

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