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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 28.05.2003
Aktenzeichen: 1 UF 503/02
Rechtsgebiete: ZPO, EGBGB, EGFGB/DDR, BGB, FGB


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 1
ZPO § 640 e Abs. 1
EGBGB Art. 234 § 7
EGBGB Art. 234 § 7 Abs. 1
EGBGB Art. 234 § 7 Abs. 4
EGFGB/DDR § 8 Abs. 2
BGB § 1717 a. F.
FGB § 56 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 UF 503/02

Verkündet am: 28.05.2003

In der Familiensache

wegen Vaterschaftsfeststellung

hat der 1. Familiensenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena auf die Berufung der Klägerin vom 18.12.2002 gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Weimar vom 14.11.2002 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dünisch, Richterin am Oberlandesgericht Martin und Richter am Oberlandesgericht Mummert

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.05.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Weimar vom 14.11.2002, Az.: 12 F 284/01, wird aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Amtsgericht - Familiengericht - Weimar zurückverwiesen.

Gründe:

Die am 04.01.1956 geborene Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Beklagte ihr Vater ist.

Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Weimar vom 14.11.2002 Bezug.

Mit diesem Urteil hat das Amtsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen, da ihr das rechtskräftige Urteil des Kreisgerichts Weimar-Land vom 31.03.1957 entgegenstehe.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie beantragt, das Urteil aufzuheben und das Verfahren an das Amtsgericht Weimar zurückzuverweisen.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die Rechtskraft des klageabweisenden Urteils vom 21.03.1957 nicht der Klage auf Feststellung der Vaterschaft des Beklagten entgegenstehe, weil im damaligen Verfahren lediglich beantragt worden sei, den Beklagten zur Zahlung von Unterhalt zu verurteilen. Die Klage sei nur deshalb abgewiesen worden, weil sich nach den damaligen serologischen Untersuchungen weder für den Beklagten noch den Mehrverkehrszeugen, H. G., ein eindeutiger Vaterschaftsausschluss ergeben habe. Daher sei mit dem Urteil nicht rechtskräftig über die Frage entschieden worden, ob der Beklagte ihr Vater ist, so dass kein rechtskräftiger Titel im Sinne des Art. 234 § 7 Abs. 4 EGBGB vorliege.

Die Klage sei auch im Hinblick auf Artikel 8 Abs. 2 EGFGB/DDR nicht ausgeschlossen, da diese Regelung aufgrund der Bestimmungen des Einigungsvertrages gegenstandslos geworden sei.

Der Beklagte vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie wurde ordnungs- und fristgemäß eingelegt sowie begründet.

Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg, denn die Klage ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts und des Beklagten nicht unzulässig.

Zwar sind die Ausgangspunkte des Amtsgerichts, dass

- nach dem Recht der DDR (§ 8 Abs. 2 EGFGB) die Feststellung der Vaterschaft eines Mannes nicht verlangt werden konnte, wenn vor dem Inkrafttreten des Familiengesetzbuches - am 01.04.1966 (vgl. § 1 EGFGB) - die Unterhaltsklage eines Kindes gegen diesen Mann rechtskräftig abgewiesen worden ist, weil er nicht als Vater des Kindes gelte (vgl. dazu: Urteil des OG vom 04.09.1969, NJ 1970, 126 f.; Göldner, NJ 1967 257 ff.)

- nach Art. 234 § 7 Abs. 1 EGBGB Entscheidungen, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangen sind und feststellen, dass der Ehemann der Mutter nicht der Vater ist, wer der Vater des Kindes ist oder dass eine Anerkennung der Vaterschaft unwirksam ist, unberührt bleiben, grundsätzlich zutreffend, jedoch hat sich das Amtsgericht nicht hinreichend mit den Fragen auseinandergesetzt, welche Bedeutung dem Urteil des Kreisgerichts Weimar-Land vom 21.03.1957 beizumessen und ob § 8 Abs. 2 EGFGB/DDR fortgeltendes Recht ist.

Es wird weder vom Amtsgericht, noch von den Parteien in Zweifel gezogen, dass das Urteil des Kreisgerichts Weimar-Land vom 21.03.1957 eine gerichtliche Entscheidung darstellt, die grundsätzlich nach Art. 18 des Einigungsvertrages fortgilt Bedenken gegen die Vereinbarkeit dieser Entscheidung mit rechtsstaatlichen Grundsätzen haben die Parteien nicht vorgetragen und sind auch trotz dessen, dass die Akte, C 134/56 KL, nicht mehr aufgefunden werden konnte, für den Senat nicht ersichtlich.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des vorgelegten Urteils bestehen für den Senat keinerlei Zweifel, dass im Verfahren beim damaligen Kreisgericht Weimar-Land lediglich um die Frage des Unterhalts für die Klägerin gestritten worden ist. Die Klage ist allein deshalb abgewiesen worden, weil nach der damaligen Rechtslage (§ 1717 Abs. 1 BGB) nicht festgestellt werden konnte, dass der Beklagte als Vater gilt, weil die Kindesmutter in der Empfängniszeit mit einem anderen Mann geschlechtlich verkehrt ist und keine Umstände festgestellt worden sind, nach denen es offenbar unmöglich ist, dass die Mutter das Kind aus dieser Beiwohnung empfangen hat.

Mithin ist keiner der beiden Männer als Vater ausgeschlossen oder festgestellt worden, so dass sich die Rechtskraft des damaligen Urteils lediglich auf die Frage der Unterhaltspflicht des Beklagten bezieht.

Die Situation entspricht der bei Inkrafttreten des Nichtehelichengesetzes vom 19.08.1969 im Altbundesgebiet. Dazu hat der BGH (FamRZ 1974, 87) entschieden, dass der frühere Grundsatz aufrecht erhalten worden ist, wonach ein Statusurteil die Rechtskraft eines Unterhaltsurteils durchbricht.

Somit steht das klageabweisende Urteil von 1957 der Klage auf Feststellung der Vaterschaft des Beklagten nicht entgegen.

Die Klägerin ist auch nicht durch § 8 Abs. 2 EGFGB/DDR an der Klage gehindert, denn diese Vorschrift ist gegenstandlos und kein fortgeltendes Recht (OLG Celle, DtZ 1991, 350; Staudinger/Rauscher, 1996, Art. 234 § 7 EGBGB, Rn. 40; Seidel, Münchener Kommentar, EGBGB, Art. 234 § 7, Rn. 9).

Grundsätzlich ist mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 03.10.1990 gemäß Art. 230 EGBGB das BGB in Kraft getreten, soweit sich aus den Übergangsvorschriften (Art. 231 ff. EGBGB) nichts anderes ergibt. Derartige Maßgaben enthält Art. 234 EGBGB für das Familienrecht und dessen § 7 für Abstammungsfragen.

Nach Art. 234 § 7 EGBGB bleiben aber nur die Entscheidungen unberührt, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangen sind und feststellen,

- dass der Ehemann der Mutter nicht der Vater des Kindes ist

- wer der Vater des Kindes ist oder

- dass die Anerkennung der Vaterschaft unwirksam ist.

Gleiches gilt für Anerkennungen der Vaterschaft, die in der Zeit vom 31.03.1966 bis 03.10.1990 wirksam geworden sind, sowie schließlich für andere Entscheidungen und Erklärungen, die nach dem bisherigen Recht die Wirkungen einer Vaterschaftsfeststellung haben (Art. 234 § 7 Abs. 4 EGBGB).

Die Abweisung einer Unterhaltsklage nach § 1717 BGB a. F. wird von diesem Katalog fortgeltender Entscheidungen und Erklärungen nicht erfasst, denn damit ist weder festgestellt worden, dass der Beklagte der Vater der Klägerin ist, noch, dass er es nicht ist.

Zutreffend verweist das OLG Celle (a.a.O) darauf, dass in den Gesetzesmaterialien zu Art. 234 § 7 EGBGB (BT-Drucksache 11/7817, S. 44 f.) weder auf § 8 Abs. 2 EGFGB/DDR Bezug genommen wird, noch, dass an diese Vorschrift irgendwelche Rechtsfolgen angeknüpft werden sollten. Vielmehr heißt es in der Gesetzesbegründung (a.a.O.) ausdrücklich, dass sich die Möglichkeit künftiger Statusverfahren mit der Überleitung des BGB nach dem neuen Recht bestimmt.

Da bisher nicht rechtskräftig über die Frage der Vaterschaft des Beklagten entschieden worden ist, ist die Klage zulässig.

Die Klägerin ist auch nicht durch die Frist des § 56 Abs. 2 FGB an der Klage gehindert, denn diese Vorschrift ist nach dem Inkrafttreten des BGB, das eine Frist zur Erhebung der Vaterschaftsfeststellungsklage nicht kennt, ebenfalls gegenstandslos geworden (BGH, NJW 1997, 2053 ff.; Staudinger/Rauscher, a.a.O., Rn. 22).

Da das Amtsgericht nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden hat, war das angefochtene Urteil auf den Antrag der Klägerin aufzuheben und das Verfahren zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).

Nach alledem kann dahinstehen, dass das Amtsgericht darüber hinaus nicht beachtet hat, dass es sich vorliegend um ein Kindschaftsverfahren handelt, in dem die Mutter des Kindes, soweit sie nicht Partei des Rechtsstreites ist, gemäß § 640 e Abs. 1 ZPO beizuladen ist. Das Unterlassen der Beiladung stellt einen Verfahrensfehler dar (BGHR 2003, 224).

Ende der Entscheidung

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