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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 15.02.2000
Aktenzeichen: 1 W 627/99
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO


Vorschriften:

BRAGO § 134
BRAGO § 118 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 97
Zur Frage der erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten für einen Rechtsstreit im Beitrittsgebiet und Beauftragung einer überörtlichen Sozietät mit Rechtsanwälten sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern.

Thüringer Oberlandesgericht, 1. Zivilsenat, Beschluss vom 15.02.2000 1 W 627/99


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

1 W 627/99 4 O 1792/98 (Landgericht Gera) In dem Kostenfestsetzungsverfahren ............... - Beschwerdeführerin und Klägerin - Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte B., 01309 Dresden gegen

................. - Beschwerdegegner und Beklagter - Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwältin O., 07973 Greiz hat der 1. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts durch Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Pfalzer Richter am Amtsgericht Pippert Richterin am Landgericht Brenneisen am 15.02.2000

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichtes Gera vom 13.7.1999 wird zurückgewiesen.

2. Der Klägerin fallen die Kosten der Beschwerde zur Last.

3. Der Beschwerdewert beträgt 384,93 DM. Gründe: A. Nach dem rechtskräftigen Teil-Anerkenntnis- und Endurteil des LG Gera vom 12.1.1999 hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

Diese meldete die Klägerin mit Antrag vom 2.2.1999 zur Festsetzung an, wobei der mit Kanzleisitz in Dresden domizilierende Rechtsanwalt Dr. N., der mit anderen Anwälten , die ihren Kanzleisitz in Freiburg haben, in überörtlicher Sozietät verbunden ist, seine Kosten als "Hauptbevollmächtigter" mit 100% geltend machte, ohne die Ermäßigung von 10 % entsprechend Anl. I Kap. III Sachgeb. A Abschn. III Nr. 26 lit. a S.1,lit e EinigungsV i.V. § 134 BRAGO und §§ 1 ff. Ermäßigungssatz-Anpassungsverordnung vom 15.4.1996 ( BGBl. I ,604) zu berücksichtigen.Neben diesen Anwaltsgebühren des Dr. Nolting in Höhe von 3.457,20 DM machte die Klägerin die Kosten eines "Unterbevollmächtigten" geltend ( in Höhe von 2821,10 DM ).Zusammen mit den verauslagten Gerichtskosten von 3.820 DM beanspruchte die Klägerin damit insgesamt 10.099,40 DM.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.7.1999 setzte die Rechtspflegerin nur 6.967,80 DM nebst Zinsen gegen den Beklagten fest, die sich aus den Kosten eines ( 1 ) Rechtsanwaltes, gekürzt um 10 % , und den Gerichtskosten von 3.118,50 DM zusammensetzen. Außerdem nahm sie weitere Kürzungen vor, die nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind.

Gegen diesen dem Klägervertreter am 11.8.1999 zugestellten Beschluss richtet sich seine "Beschwerde" vom 11.8.1999, die am gleichen Tage beim Landgericht Gera eingegangen ist. Sie ist ausdrücklich auf die Frage beschränkt, als bei der Kostenfestsetzung "eine Kürzung der Anwaltsgebühren auf 90 % der "West-Tabelle" praktiziert wurde".

Die Rechtspflegerin hat der mit weiterem Schriftsatz vom 7.9.1999 näher begründeten " Beschwerde" nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Der Beklagte hat auf Zurückweisung der "Beschwerde" angetragen. B.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ( als solche ist die "Beschwerde" anzusehen, da durch die Neufassung des § 11 RpflG aufgrund des Dritten Gesetzes zur Änderung des Rechtspflegergesetzes und anderer Gesetze vom 6.8.1998, das am 1.10.1998 in Kraft getreten ist, gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse die sofortige Beschwerde gem. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO das allein statthafte Rechtsmittel ist ) ist zwar zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt, in der Sache aber unbegründet.

Der Senat hatte sich schon wiederholt mit den von der Klägerin erneut zur Entscheidung gestellten Frage befasst und im Beschluß vom 22.1.1997 ( 1 W 545/96 ) hierzu ausgeführt: Die im Rechtsstreit unterlegene Partei hat dem Gegner lediglich zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Da der vorliegende Rechtsstreit vor dem Landgericht E. zu führen war, mußte die Klägerin einen bei diesem Landgericht postulationsfähigen Rechtsanwalt zum Prozeßbevollmächtigten bestellen. Postulationsfähig vor dem Landgericht E. ist nur ein Rechtsanwalt, der seinen Kanzleisitz in einem der neuen Bundesländer hat.

Die Bestellung allein eines solchen Rechtsanwalts hätte um ein Fünftel geringere Kosten verursacht. Denn die Gebühr eines Rechtsanwalts in einem der neuen Bundesländer für eine Tätigkeit vor einem Gericht dort beträgt nur vier Fünftel der vollen Gebühr. Allein die Gebühren in dieser Höhe sind notwendige Kosten im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin mit dem Rechtsstreit Rechtsanwälte einer überörtlichen Kanzlei befaßt hat, von denen einige ihren Sitz in einem neuen Bundesland und andere ihren Sitz in einem alten Bundesland haben. Prozeßvollmacht, also Vollmacht zur Vertretung in einem Rechtsstreit vor einem hiesigen Gericht, kann nach der Natur der Sache allein einem dort zugelassenen Rechtsanwalt erteilt werden. Anderen Rechtsanwälten mag eine Vollmacht erteilt werden. Eine Prozeßvollmacht ist das nicht. Es war Sache der Klägerin, unter den mehreren Rechtsanwälten der überörtlichen Kanzlei diejenigen auszuwählen, die zur Vertretung vor Gericht im Stande waren, auf diese die Vollmacht und so die Kosten auf das nötige Maß zu beschränken. Hat sie das aus Unkenntnis unterlassen und sieht sie sich nunmehr einer höheren Forderung der Rechtsanwälte ausgesetzt, kann sie hiergegen mit einer Schadensersatzforderung aufrechnen und sich auf diese Weise von ihrer Schuld wegen der Mehrforderung befreien. Denn ein Rechtsanwalt hat die Pflicht, einem Mandanten den für diesen kostengünstigsten Weg aufzuzeigen. Verletzt er diese Pflicht, so schuldet er aus positiver Vertragsverletzung Schadensersatz in Höhe des unnütz verursachten Betrages der Mehrforderung. Wer als Rechtsanwalt weiß, daß er mangels Zulassung am Prozeßgericht eine Partei nicht vertreten kann, hat sich auf die Auskunft hierzu zu beschränken und den Ratsuchenden an denjenigen zu verweisen, der zur Vertretung im Prozeß im Stande ist. Das gilt auch für Mitglieder einer überörtlichen Sozietät. Es kann sein, daß eine Partei ein besonderes Interesse an der Beauftragung einer überörtlichen Kanzlei hat, weil sie in einer Bündelung von Wissen, Erfahrung oder in einem sonstigen Umstand einen Vorteil sieht. Auf entsprechenden Hinweis des Rechtsanwalts wegen der Mehrkosten mag die Partei abwägen, ob ihr dieser Vorteil das dafür geforderte Mehr an Entgelt wert ist, und gegebenenfalls das Mandat - für die Prozeßvertretung unnütz - auf alle Rechtsanwälte erstrecken. Notwendig im hier allein erheblichen Sinne werden die Mehrkosten dadurch nicht. Dies läßt das Kammergericht in seinem Beschluß vom 22. Dezember 1992 - 1 W 4118/92 -, auf welchen sich die Klägerin beruft, außer Acht. Es hebt allein darauf ab, daß im Falle der Beauftragung einer überörtlichen Kanzlei ein Vertrag mit allen Rechtsanwälten dieser Kanzlei zustande komme. Das ist für die Antwort auf die Frage nach der Notwendigkeit von Kosten ohne Belang. Die Erwägung des hier angefochtenen Beschlusses, die Freiheit der Wahl eines Anwalts werde beschnitten, wenn Mehrkosten im Falle einer Beauftragung einer überörtlichen Kanzlei mit Sitz sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern nicht erstattet würden, trifft die Sache nicht. Hier geht es nicht darum, welchen Rechtsanwalt an welchem Ort eine Partei wählen darf - das steht in ihrem Belieben -, sondern allein darum, auf wessen Kosten das Ergebnis der Wahl gehen soll. Andere Gründe, welche die hier streitigen Mehrkosten ganz oder teilweise rechtfertigten, sind nicht ersichtlich. Die vom Senat vertretene Ansicht wird auch vom 7. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgericht ( Beschluss vom 27.6.1996 - 7 W 290/95 , OLGR Jena 1997,30 ) geteilt. Das OLG Nürnberg ( Beschluss vom 17.8.1998 - 3 W 1814/98 - OLGR Nürnberg 1998,382) sowie das Brandenburgische OLG ( Beschluss vom 9.6.1997 - 8 W 158/97 - OLGR 1997,276 ) haben in gleicher Weise entschieden.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Kürzung der Anwaltsgebührenbestehen nicht (BVerfG JurBüro 1998,256). Der mit der Beschwerde ergänzend "hilfsweise" gemachte Tatsachenvortrag zum behaupteten Anfall einer 10/10 Geschäftsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO für den in Freiburg tätigen Rechtsanwalt Dr. von Rummel ist schon deshalb für die Entscheidung der Sache ohne Belang, da nach ganz überwiegender Ansicht grundsätzlich diese Gebühren im Kostenfestsetzungsverfahren nicht festgesetzt werden können ( Zöller/Herget, ZPO, 21. Aufl. Rn. 21 zu §§ 103,104 Stichwort " Vorprozessuale Kosten" ) . C. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Beschwerde zu tragen, § 97 ZPO.

Der Wert der Beschwerde beträgt 384,93 DM ( Kürzungsbetrag von 10% aus den festgesetzten Anwaltsgebühren von 3.849,30 DM).

Ende der Entscheidung

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