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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 15.12.1998
Aktenzeichen: 1 WF 87/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1603 I
BGB § 1603 II
Rechtliche Grundlage:

BGB § 1603 I, 1603 II

1. Für die Dauer einer Umschulung, die arbeitsmarktpolitisch und individuell sinnvoll ist, um nach Arbeitslosigkeit wieder bessere Beschäftigungsmöglichkeiten zu erhalten, kann sich der Unterhaltsschuldner auch gegenüber minderjährigen Kindern auf Leistungsunfähigkeit berufen, wenn das bezogene Unterhaltsgeld unter dem notwendigen Selbstbehalt eines Nichterwerbstätigen liegt.

2. Der Unterhaltsschuldner ist zur Steigerung seiner Leistungsfähigkeit für die Dauer der Umschulung nicht verpflichtet, gleichzeitig eine Nebenbeschäftigung auszuüben.

3. Um der gesteigerten Erwerbsobliegenheit im Sinne des § 1603 II BGB zu genügen, sind durchschnittlich 20 ernsthafte Erwerbsbemühungen im Monat erforderlich.

Thüringer Oberlandesgericht, Familiensenat, Beschluß vom 15.12.1998 - 1 WF 87/98 -


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluß

1 WF 87/98 6 F 88/98 ( AG Nordhausen)

In der Familiensache

- Kläger und Beschwerdeführer -

Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwältin K

gegen

- Beklagte und Beschwerdegegnerin -

Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt R

hat der Senat für Familiensachen des Thüringer Oberlandesgerichts auf die Beschwerde des Klägers vom 13.5.1998 gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Nordhausen vom 16.4.1998 (6 F 88/98) - Nichtabhilfeentscheidung vom 18.5.1998

am 15.12.1998

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des Amtsgericht - Familiengericht - Nordhausen vom 16.4.1998 (6 F 88/98) - abgeändert.

Dem Kläger wird Prozeßkostenhilfe bewilligt, soweit er beantragt, den am 6.8.1997 vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Nordhausen (6 F 189/97) geschlossenen Vergleich dahingehend abzuändern, daß er ab dem 3.8.1998 keinen Unterhalt mehr schuldet.

Das weitergehende Prozeßkostenhilfegesuch wird zurückgewiesen.

Die Beiordnung eines Rechtsanwalts bleibt dem Amtsgericht vorbehalten (§ 121 ZPO).

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers ist gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässig und in der Sache überwiegend begründet. Denn seine Rechtsverfolgung erscheint insoweit nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand nicht aussichtslos i S v. § 114 ZPO.

Die weitere Bedürftigkeit der Beklagten, die während des maßgeblichen Zeitraums Schülerin und als solche ohne eigene Einkünfte war, ist unbestritten. Da der titulierte Unterhaltsbetrag den Mindestunterhalt sogar unterschreitet, bedurfte es keiner weiteren Darlegung zu ihrer Bedürftigkeit.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat er der ihm obliegenden Darlegungslast, für die Zahlung des geschuldeten Unterhaltsbetrages nicht leistungsfähig zu sein, für den Zeitraum 1.1. - 2.8.1998, nicht genügt, § 1603 Abs. 1, 2 BGB. Zwar richtet sich der Unterhaltsbedarf minderjähriger unverheirateter Kinder nach den Lebensverhältnissen des unterhaltsverpflichteten Elternteils. Die unbestrittenen Einkünfte des Klägers aus Arbeitslosengeld reichen ohne Gefährdung des geltenden Selbstbehalts nicht aus, um den titulierten Kindesunterhalt für die Beklagte zu zahlen. Da bei minderjährigen Kinder die Möglichkeit ausscheidet, durch eigene Anstrengungen zur Deckung des Unterhalts beizutragen, wird die Leistungsfähigkeit des Klägers nicht nur durch die tatsächlich vorhandenen Mittel, sondern auch durch solche Mittel bestimmt, die er bei gutem Willen durch zumutbare Erwerbstätigkeit, u. U. im Wege eines Orts- und Berufswechsels erzielen könnte (BGH, FamRZ 1993, 1304, 1306). Unterläßt er dies, so muß er sich so behandeln lassen, als ob er seiner unterhaltsrechtlichen Obliegenheit nachgekommen wäre (Schwab - Borth, Scheidungsrecht, 3. Auflage, V. Kapitel, Rdnr. 130).

Im Rahmen der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast für eine erfolglose Arbeitsuche hat der Kläger im einzelnen in nachprüfbarer Weise darzulegen und im Falle des Bestreitens unter Beweis zu stellen, welche konkreten Bemühungen er unternommen hat, eine Arbeitsstelle zu finden (vgl. Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 6. Auflage, Rdnr. 622). Die vorgetragenen vier Bewerbungen (je 2 Bewerbungen vom 8.5 und 12.5.1998) in einem Zeitraum von mehr als acht Monaten seit dem Ausspruch der Kündigung, reichen allein von der Zahl her nicht aus, um der gesteigerten Erwerbsobliegenheit i. S. des § 1603 Abs. 2 BGB zu genügen; nach der Rechtsprechung des Senats sind durchschnittlich zwanzig ernsthafte Erwerbsbemühungen im Monat vorauszusetzen.

Auch ist nicht ersichtlich, daß die vorübergehenden Krankschreibungen des Klägers vom 13. - 17.10.1997, 18. - 28.11.1997, 9.2. - 10.3.1998 ihn daran gehindert haben, nach seiner jeweiligen Genesung Erwerbsbemühungen i. S. der Rechtsprechung vorzunehmen.

Für die Dauer der Umschulung kann sich der Kläger im Hinblick auf die Unterhaltsverpflichtung auf seine fehlende Leistungsfähigkeit berufen. Die Entscheidung des Klägers, vom 3.8.1998 - 31.7.2000 an einer vom Arbeitsamt angebotenen Umschulung zum Systemelektroniker teilzunehmen, um auf diese Weise seine Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen, ist unterhaltsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 6. Auflage, Rdnr. 625). Da die Umschulungsmaßnahme vom Arbeitsamt bewilligt wurde, ist davon auszugehen, daß diese arbeitsmarktpolitisch und individuell sinnvoll ist und bessere Beschäftigungsmöglichkeiten als die bisherige Ausbildung bieten wird, nachdem der Kläger in der Vergangenheit seine Arbeitsstelle verloren hat.

Für den Umschulungszeitraum richtet sich die Leistungsfähigkeit des Klägers nicht mehr nach dem vor dem Arbeitsplatzverlust erzielten Einkommen, sondern nach dem nunmehr bezogenen Unterhaltsgeld in Höhe von 973,74 DM monatlich. Da der Kläger an einer längerdauernden Umschulungsmaßnahme teilnimmt und damit nach den Umständen nicht quantifizierbare Mehrkosten hat, ist ihm gemäß der ständigen Rechtsprechung des Senats der Selbstbehalt für Erwerbstätige in Höhe von 1350,- DM zu belassen (vgl. OLG Hamm, FamRZ 1984, 727).

Damit der Erfolg der Maßnahme nicht gefährdet wird, ist der Kläger nicht verpflichtet, während der Umschulung Nebentätigkeiten auszuüben, die seine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit steigern. Nach Abschluß der Maßnahme trifft ihn wiederum die Verpflichtung, sich mit der gebotenen Intensität um einen neuen Arbeitsplatz zu kümmern.

Ende der Entscheidung

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