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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 10.10.2003
Aktenzeichen: 1 Ws 293/03
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56c Abs. 2 Nr. 1
Die Weisung, die begonnene Ausbildung zu einem bestimmten Beruf bei einem bestimmten Betrieb fortzusetzen und sich nach Kräften um einen erfolgreichen Abschluss zu bemühen, ist nicht zulässig.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

1 Ws 293/03

In der Strafsache

wegen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz

hier: Verlängerung der Bewährungszeit und Erteilung

weiterer Weisungen (§ 56f Abs. 2 StGB)

hat auf die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der 5. Strafkammer des Landgerichts Gera vom 31. März 2003 - in der durch Beschluss vom 30.04.2003 berichtigten Fassung - der 1. Strafsenat des Thüringer Oberlandesgerichts durch

Richter am Oberlandesgericht Dr. Schwerdtfeger als Vorsitzenden, Richterin am Amtsgericht stVDir Pesta und Richterin am Landgericht Diedrich

am 10. Oktober 2003

beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde des Verurteilten wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die erteilte Weisung über die Fortsetzung der Ausbildung zum Kommunikationselektriker aufgehoben und wie folgt neu gefasst wird:

Dem Verurteilten wird die Weisung erteilt, entweder die begonnene Ausbildung zum Kommunikationselektriker bei der Kopier S. GmbH fortzusetzen und sich nach Kräften um einen erfolgreichen Abschluss zu bemühen oder eine andere seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechende Ausbildung aufzunehmen und sich um einen erfolgreichen Abschluss zu bemühen. Die Fortsetzung der Ausbildung, die Aufnahme einer neuen Ausbildung sowie einen Ausbildungsabschluss hat der Verurteilte durch schriftliche Bestätigung der jeweiligen Ausbildungsstätte gegenüber dem Bewährungshelfer nachzuweisen.

2. Der Verurteilte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts Gera vom 07.03.2001 (Az.: 840 Js 34662/00 - 5 Kls), rechtskräftig seit dem selben Tage, wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung für die Dauer von drei Jahren - somit bis zum 06.03.2004 - zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ferner wurde dem Verurteilten in dem Bewährungsbeschluss auferlegt, jeden Wechsel des tatsächlichen Wohnortes und der Arbeitsstelle dem Landgericht Gera mitzuteilen.

Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Gotha vom 04.04.2002 (Az.: Cs 110 Js 4888/02), rechtskräftig seit dem 27.06.2002, wurde der Beschwerdeführer wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (Tatzeit 13.01.2002) zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 5,- € verurteilt, seine Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von fünf Monaten verhängt.

Nachdem die Staatsanwaltschaft Gera dahingehend Stellung genommen hatte, dass sie keinen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung beantrage, hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 31.03.2003 hinsichtlich des Verurteilten folgende Entscheidungen getroffen:

Die mit Beschluss der Kammer vom 07.03.2001 auf drei Jahre festgesetzte Bewährungszeit wird um ein Jahr verlängert und endet somit am 06.03.2005.

Der Verurteilte wird für die Dauer von 18 Monaten der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt.

Dem Verurteilten wird die Weisung erteilt, die begonnene Ausbildung zum Kommunikationselektriker bei der Kopier S. GmbH fortzusetzen und sich nach Kräften um einen erfolgreichen Abschluss zu bemühen. Die Fortsetzung der Ausbildung hat er zum 01.06.2003 und 01.09.2003, den Abschluss der Ausbildung zum 15.12.2003 jeweils durch schriftliche Bestätigung der Ausbildungsstätte gegenüber dem Bewährungshelfer nachzuweisen.

Nach Abschluss der Ausbildung hat er sich um eine Arbeitsstelle zu bemühen und diese Bemühungen, bzw. die Eingehung und jeden Wechsel eines Arbeitsverhältnisses unverzüglich gegenüber dem Bewährungshelfer nachzuweisen.

Der Verurteilte wird ferner angewiesen, binnen sechs Monaten nach näherer Weisung des Bewährungshelfers an einem Aufbauseminar nach § 35 Abs. 8 StVG teilzunehmen oder sich einer verkehrspsychologischen Beratung nach § 35 Abs. 9 StVG zu unterziehen.

Die mit Beschluss der Kammer vom 07.03.2001 erteilte Weisung, jeden Wechsel der Wohnanschrift dem Landgericht Gera mitzuteilen, bleibt aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluss hat der Verurteilte durch seinen Verteidiger am 25.04.2003 Beschwerde eingelegt, mit der Begründung, dass der angefochtene Beschluss nicht mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang zu bringen sei.

Mit Beschluss vom 30.04.2003 hat die Kammer ihren Beschluss vom 31.03.2003 wegen eines offensichtlichen Schreibversehens insoweit berichtigt, das der Verurteilte angewiesen wurde, binnen sechs Monaten nach näherer Weisung des Bewährungshelfers an einem Aufbauseminar nach § 4 Abs. 8 StVG teilzunehmen oder sich einer verkehrspsychologischen Beratung nach § 4 Abs. 9 StVG zu unterziehen. Der Beschwerde gegen den Beschluss vom 31.03.2003 hat die Kammer nicht abgeholfen.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft beantragt in ihrer Stellungnahme vom 15.09.2003, die Beschwerde mit der Maßgabe zu verwerfen, dass dem Verurteilten die Weisung erteilt wird, entweder die begonnene Ausbildung zum Kommunikationselektriker bei der Kopier S. GmbH fortzusetzen und sich nach Kräften um einen erfolgreichen Abschluss zu bemühen oder eine andere den Fähigkeiten und Neigungen des Verurteilten entsprechende Ausbildung aufzunehmen und sich um einen erfolgreichen Abschluss zu bemühen.

II.

Die Beschwerde gegen nachträgliche Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung beziehen, kann nach § 453 Abs. 2 StPO nur darauf gestützt werden, dass eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist oder das die Bewährungszeit nachträglich verlängert worden ist. Eine getroffene Anordnung ist gesetzwidrig, wenn sie im Gesetz nicht vorgesehen, unverhältnismäßig oder unzumutbar ist oder sonst die Grenzen des eingeräumten Ermessens überschreitet (Karlsruher Kommentar-Fischer, StPO, 5. Aufl., § 453 Rdnr. 13).

Die Verlängerung der zunächst auf drei Jahre festgesetzten Bewährungszeit um ein Jahr ist nicht zu beanstanden.

Nach § 56f Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB verlängert das Gericht die Bewährungszeit, wenn der Verurteilte in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat und es ausreicht, die Bewährungs- oder Unterstellzeit zu verlängern. Die Erwartung des straffreien Verhaltens ist grundsätzlich durch jede Tat von nicht ganz unerheblichen Gewicht widerlegt, nicht etwa nur durch solche, wie sie der ausgesetzten Strafe zugrunde lagen (Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 56f Rdnr. 8)

Vorliegend ist der Verurteilte am 13.01.2002 und somit in der Bewährungszeit erneut straffällig geworden. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Gotha vom 04.04.2002 wurde er wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 5,- € verurteilt. Des Weiteren wurde ihm seine Fahrerlaubnis entzogen sowie eine Sperre für die Neuerteilung von fünf Monaten verhängt. Zwar stehen fahrlässige Taten einer neuerlichen günstigen Prognose bei Vorliegen neuer tatsächlicher Umstände nicht stets entgegen (Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 56f Rdnr. 8); jedoch ist es im Hinblick darauf, dass die neuerliche Tat nur etwas über ein Jahr nach der Verurteilung durch das Landgericht Gera begangen wurde und die Tat ebenfalls im Zusammenhang mit einem Rauschmittel steht, vertretbar den Rückschluss zu ziehen, dass sich die in den Verurteilten gesetzte Erwartung, er werde sich straffrei führen - trotz der inzwischen begonnenen Ausbildung - nicht erfüllt hat.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Unterstellung unter die Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers für die Dauer von 18 Monaten nicht als unverhältnismäßig anzusehen. Dem steht nicht entgegen, dass die Kammer im Urteil vom 07.03.2001 auf die Unterstellung des Verurteilten unter einen Bewährungshelfer verzichtet hat. Gerade die neuerliche Begehung einer Straftat zeigt, dass es erforderlich ist, dem Verurteilten einen Bewährungshelfer zur Seite zu stellen, um der neuerlichen Begehung von Straftaten entgegen zu wirken.

Keinen Bestand haben kann jedoch die Weisung der Kammer, die begonnene Ausbildung zum Kommunikationselektriker bei der Kopier S. GmbH fortzusetzen und sich nach Kräften um einen erfolgreichen Abschluss zu bemühen und die Fortsetzung der Ausbildung bis zum 01.06.2003, 01.09.2003 sowie den Abschluss der Ausbildung zum 15.12.2003 jeweils durch schriftliche Bestätigung der Ausbildungsstätte gegenüber dem Bewährungshelfer nachzuweisen. Zwar kann die Weisung trotz der Formulierung "sich nach Kräften um einen erfolgreichen Abschluss zu bemühen" noch als hinreichend bestimmt bezeichnet werden, da das Bemühen im Rahmen der Weisung dadurch konkretisiert wird, dass dem Verurteilten aufgegeben wird, den Fortschritt der Ausbildung dem Bewährungshelfer schriftlich nachzuweisen. Jedoch ist bei Weisungen bezüglich der Arbeit der Zwang zu einer bestimmten Arbeit nicht zulässig (Leipziger Kommentar-Gribbohm, StGB, 11. Aufl., § 56c Rdnr. 6). Dadurch, dass dem Verurteilten hier aufgegeben wird, die Ausbildung zum Kommunikationselektriker bei der genannten Firma zum Abschluss zu bringen, wird auf ihn Zwang dahingehend ausgeübt, dieser speziellen Tätigkeit nachzugehen und sie zu einem Abschluss zu bringen. Die Weisung war aus diesem Grunde aufzuheben und dahingehend abzuändern, dass der Verurteilte alternativ zur Fortsetzung der Ausbildung zum Kommunikationselektriker eine andere seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechende Ausbildung aufzunehmen hat. Gemäß § 309 Abs. 2 StPO ist der Senat zu dieser Entscheidung in der Sache selbst berufen und zuständig (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 309, Rn. 3 f.).

Demgegenüber begegnet die Weisung, sich nach Abschluss der Ausbildung um eine Arbeitsstelle zu bemühen und diese Bemühung dem Bewährungshelfer nachzuweisen, keinen Bedenken. Darin ist nicht der Zwang zur Aufnahme einer bestimmten Arbeit zu sehen. Ein Verstoß gegen die negative Berufsfreiheit aus Art. 12 Grundgesetz ist darin nicht zu erkennen, da das Grundrecht der Berufsfreiheit insoweit unter allgemeinem Gesetzesvorbehalt steht und mithin durch die Regelung des § 56c StGB verfassungskonform eingeschränkt wird.

Auch die Weisung, an einem Aufbauseminar teilzunehmen oder sich einer verkehrspsychologischen Beratung zu unterziehen, ist durch § 56c StGB gedeckt. Unzulässig sind danach nur Weisungen, die einen so einschneidenden Eingriff in die Lebensführung des Verurteilten enthalten, dass sie ihm nicht zuzumuten ist. Dies ist jedoch bei der Teilnahme an einem Aufbauseminar oder einer verkehrspsychologischen Beratung offensichtlich nicht der Fall. Auf die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 8, Abs. 9 StVG kommt es dabei nicht an, da die Weisung ihre Rechtsgrundlage in § 56c StGB findet und dessen Voraussetzungen zu beachten sind. Es ist nicht ersichtlich, dass Aufbauseminare oder verkehrspsychologische Beratungen nur demjenigen offen stehen, der eine Anordnung der Fahrerlaubnisbehörde vorzuweisen hat.

Somit erweist sich der Beschluss des Landgerichts Gera vom 31.03.2003 nur insoweit als rechtsfehlerhaft, als dem Verurteilten die Weisung erteilt wurde, die begonnene Ausbildung zum Kommunikationselektriker bei der Kopier S. GmbH fortzusetzen und sich nach Kräften um einen erfolgreichen Abschluss zu bemühen und der Beschluss war in diesem Umfang aufzuheben und abzuändern. Im Übrigen war die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO, da es nicht unbillig ist, den Verurteilten auch hinsichtlich seines als geringfügig einzustufenden Teilerfolges seiner - einfachen - Beschwerde mit den gesamten Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie der Tragung seiner notwendigen Auslagen zu belasten.

Ende der Entscheidung

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