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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 04.12.2003
Aktenzeichen: 1 Ws 374/03
Rechtsgebiete: StPO, UVollzO


Vorschriften:

StPO § 119
UVollzO Nr. 30
UVollzO Nr. 32
UVollzO Nr. 34
1. Zur Ablehnung des Antrags eines ausländischen Untersuchungsgefangenen auf Gestattung eines Telefonats mit der Botschaft seines Landes.

2. Die Weiterleitung eines Schreibens eines ausländischen Untersuchungsgefangenen an die für ihn zuständige diplomatische Vertretung unterliegt nicht der Ausnahmeregelung nach Nr. 30 Abs. 2 UVollzO.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

1 Ws 374/03 1 Ws 377/03

In dem Strafverfahren

wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln

hier: Anhalten eines ausgehenden Schreibens, Gestattung eines Telefongespräches

hat auf die Beschwerden des Angeklagten gegen die Beschlüsse des Landgerichtes Erfurt vom 01.08.2003 der 1. Strafsenat des Thüringer Oberlandesgerichtes durch

Richter am Oberlandesgericht Dr. Schwerdtfeger als Vorsitzenden, Richter am Oberlandesgericht Schulze und Richterin am Amtsgericht stVDir Pesta

04. Dezember 2003

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerden des Angeklagten werden auf seine Kosten verworfen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer wurde in dieser Sache durch Urteil der 2. großen Strafkammer des Landgerichtes Erfurt am 13.05.2002 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 128 Fällen schuldig gesprochen und insoweit unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichtes Gotha vom 03.07.2001 verhängten Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren verurteilt. Weiterhin wurde er in dieser Entscheidung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 11 Fällen, davon in einem Fall mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt.

Auf die vollumfänglich eingelegte Revision des Angeklagten hob der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichtes Erfurt vom 13.05.2002 im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren mit den zugehörigen Feststellungen auf und verwies die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung in eine andere Kammer des Landgerichtes zurück. Die weitergehende Revision wurde verworfen.

Mit Urteil vom 05.06.2003 verurteilte die 3. große Strafkammer des Landgerichtes Erfurt den Angeklagten erneut unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichtes Gotha vom 03.07.2001 verhängten Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren. Auch gegen dieses Urteil hat der Angeklagte das Rechtsmittel der Revision eingelegt.

Obwohl das Urteil der 2. Großen Strafkammer des Landgerichtes Erfurt vom 13.05.2002 hinsichtlich der Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren seit dem 12.02.2003 rechtskräftig ist, wurde und wird derzeit - aus für den Senat nicht nachvollziehbaren Gründen - weiterhin Untersuchungshaft vollzogen.

Im Juli 2003 beantragte der Angeklagte, ihm ein Telefonat mit der Botschaft des Libanon zu gestatten und gab weiterhin in einem verschlossenen Brief ein Schreiben an die Libanesische Botschaft in Berlin zur Post.

Durch Beschlüsse vom 01.08.2003 wies die 3. Strafkammer des Landgerichtes den Antrag des Angeklagten auf Telefonerlaubnis mit der Libanesischen Botschaft zurück und ordnete an, dass das verschlossene Schreiben des Angeklagten an die Libanesische Botschaft angehalten und an den Angeklagten zurückgegeben wird.

Gegen diese Beschlüsse hat der Angeklagten mit Schreiben vom 28. und 19.08.2003 Beschwerden eingelegt.

Das Landgericht hat den - einfachen - Beschwerden nicht abgeholfen (Beschlüsse vom 03.09. und 24.09.2003) und die Sachen dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Beschwerden des Angeklagten sind nicht begründet.

Das Landgericht hat den Antrag des Angeklagten, ihm ein Telefonat mit der Libanesischen Botschaft zu gestatten, zu Recht zurückgewiesen.

Ein Rechtsanspruch auf Gestattung eines Telefongespräches mit Dritten außerhalb der Justizvollzugsanstalt ist nur in besonders wichtigen Fällen gegeben (vgl. KMR, StPO, § 119 Rn. 24). Ferngespräche können nur genehmigt werden, wenn ein besonderes berechtigtes Interesse des Untersuchungsgefangenen hieran besteht (vgl. OLG Frankfurt, StV 1992, 281, OLG Düsseldorf, StV 1989, 255). Ein Angeklagter hat indes keinen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zur Durchführung eines Telefongespräches, sondern nur auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag, vgl. KK-Boujong § 119 Rn. 56.

Der angefochtene Beschluss lässt bei der Prüfung des Begehrens des Angeklagten keine Rechtsfehler erkennen.

Der Angeklagte hat weder im Antragsschreiben vom 15.07.2003, im weiteren Schreiben an das Landgericht vom 21.07.2003 noch im Beschwerdeschreiben vom 28.08.2003 Gründe für ein besonderes berechtigtes Interesse an einem Telefonat mit der Libanesischen Botschaft in Deutschland dargetan. Das Landgericht Erfurt hat daher zu Recht von dem ihm zur Verfügung stehenden Ermessen Gebrauch gemacht und die Erteilung der Telefonerlaubnis abgelehnt. Die Beschwerde des Angeklagten vom 28.08.2003 ist mithin nicht begründet.

Soweit in diesem Schriftsatz auch die Erteilung einer Erlaubnis für ein Telefongespräch mit Angehörigen seiner Familie begehrt wird, wird, soweit die Untersuchungshaft weiter fortdauert, das Landgericht noch zu befinden haben.

Auch die Beschwerde gegen das Anhalten des an die Botschaft der Libanesischen Republik gerichteten verschlossenen Briefes des Beschwerdeführers hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung eine Weiterleitung dieses Briefes abgelehnt.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers unterliegt die Weiterleitung eines Briefes eines inhaftierten Ausländers an die für ihn zuständige diplomatische oder konsularische Vertretung nicht der Ausnahmevorschrift der Nr. 30 Abs. 2 UVollzO. Danach werden nämlich nur Schreiben an Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie an deren Mitglieder, soweit die Schreiben an die Anschriften dieser Volksvertretungen gerichtet sind und den Absender zutreffend angeben, sowie an die Europäische Kommission für Menschenrechte nicht überwacht. Die vom Beschwerdeführer in seinem Rechtsmittel in Bezug genommene Entscheidung des Oberlandesgerichtes Celle betrifft keine dem vorliegenden Fall entsprechende Fallgestaltung.

Die Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (RiVASt) sehen in Nr. 135 zudem ausdrücklich vor, dass der Schriftverkehr zwischen dem inhaftierten Ausländer und der für ihn zuständigen diplomatischen oder konsularischen ausländischen Vertretung der Überwachung und Beschränkung nach den allgemeinen Vorschriften unterliegt.

Das gegenständliche Schreiben unterliegt damit der Kontrolle nach Nr. 30 Abs. 1 UVollzO und es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht das Schreiben nicht weitergeleitet hat. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass das Anhalten nicht aus den in Nr. 34 UVollzO genannten Gründen geschehen ist, sondern ausschließlich deshalb, weil das Schreiben nicht unverschlossen in einen Begleitumschlag gelegt worden ist, Nr. 32 Abs. 1 UVollzO. Es ist dem Beschwerdeführer nicht verwehrt, das gleiche Schreiben in einem geöffneten Umschlag erneut zur Weiterbeförderung, bei der gem. Nr. 30 Abs. 1 UVollzO erforderlichen Kontrolle durch den Richter, aufzugeben. Er hat jedoch kein Recht auf ungeöffnete Weiterleitung eines derartigen Schreibens.

Nach alledem waren beide Beschwerden des Angeklagten mit der Kostenfolge nach § 473 Abs. 1 StPO zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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