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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 15.11.2000
Aktenzeichen: 2 WF 195/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 115
Im Rahmen der Prozeßkostenhilfe kann ein Kind dann nicht auf seinen Vorschußanspruch verwiesen werden, wenn dem Unterhaltspflichtigen der angemessene Unterhalt nicht verbliebe. Insoweit kommt auch eine Ratenzahlungsverpflichtung nicht in Betracht.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluß

2 WF 195/00

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena auf die Beschwerde der Klägerin vom 7.7.2000 gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Eisenach vom 24.5.2000 - Nichtabhilfeentscheidung vom 13.7.2000 - durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hükelheim,

Richterin am Oberlandesgericht Zoller und

Richter am Oberlandesgericht Wilms

am 15.11.2000

beschlossen:

Tenor:

In Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Eisenach vom 24.5.2000 wird der Klägerin ratenfreie Prozeßkostenhilfe bewilligt.

Gründe:

Der minderjährigen Klägerin ist Prozeßkostenhilfe für eine Stufenklage auf Auskunft und Unterhaltszahlung gegen ihren Vater, den Beklagten, bewilligt worden. Mit der Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Ratenzahlungsverpflichtung in Höhe von 150,- DM, die den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ihrer Mutter entspricht.

Die Beschwerde ist gem. § 127 Abs. 3 ZPO zulässig und begründet, denn die minderjährige Klägerin ist letztlich nicht verpflichtet, Raten in Höhe von 150,- DM monatlich auf die Prozeßkosten zu zahlen.

Zu Recht weist das Amtsgericht allerdings darauf hin, daß nach allgemeiner Meinung in der Rechtsprechung und im Schrifttum dem minderjährigen Kind gem. § 1601, 1360a BGB grundsätzlich ein Prozeßkostenvorschußanspruch gegen seine unterhaltspflichtigen Eltern zusteht, der zudem der staatlichen Prozeßkostenhilfe vorgeht (vgl. Zöller-Philippi, ZPO, 21. Auflage, § 115 RZ 67 ff.; OLG München, FamRZ 1993, 714, OLG Jena, FamRZ 1998, 1302).

Da ein Kind regelmäßig über kein Vermögen und insbesondere über keine eigenen Einkünfte verfügt, erhielte es ansonsten immer Prozeßkostenhilfe, auch wenn es in guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt und die Eltern bzw. der gesetzliche Vertreter ohne weiteres im Rahmen der Unterhaltspflicht die Prozeßkosten aufbringen könnte. Verfügt also z.B. der Elternteil, der das Kind in einem bestimmten Rechtsstreit gesetzlich vertritt, über ein so hohes Einkommen oder Vermögen, daß er seinerseits keine Prozeßkostenhilfe bekäme, so kann das klagende Kind ebenfalls keine staatliche Prozeßkostenhilfe beanspruchen, sondern hat sich im Rahmen seines Unterhaltsanspruchs an diesen zu halten.

Das Kind kann allerdings dann nicht auf einen solchen Prozeßkostenvorschußanspruch gegen seine unterhaltspflichtigen Eltern verwiesen werden, wenn die Inanspruchnahme im konkreten Einzelfall unzumutbar ist. Auch insoweit besteht in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit (vgl. Zöller-Philippi, ZPO, 21. Auflage, § 115 RZ 67 ff; Kalthoener/Büttner Wrobel-Sachs, Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Auflage, Rdnr. 37 ff).

Nicht einheitlich wird im Rahmen dieser Einzelfallprüfung dann allerdings der in der Praxis häufige Fall gewertet, in welchem der gesetzliche Vertreter seinerseits die Kosten des Rechtsstreits nur ratenweise aufbringen könnte.

1. Teilweise wird vertreten, daß es dann dem gesetzlichen Vertreter zumutbar ist, gerade diese Raten auf den Unterhaltsanspruch des Kindes zu leisten mit der Folge, daß auch das Kind zu eben diesen Raten im Rahmen der Prozeßkostenhilfe verpflichtet ist (OLG Jena, 1. Familiensenat, FamRZ 1998, 1302).

2. Nach der Gegenmeinung trifft das Kind in diesem Fall überhaupt keine Ratenzahlungsverpflichtung, da dies unzumutbar sei (OLG Naumburg, FamRZ 2000, 1095, Zöller-Philippi, aaO., Rdnr. 70).

3. Eine dritte Ansicht stellt in einem solchen Fall darauf ab, daß sich der Verpflichtete jedenfalls auf die Wahrung seines angemessenen Selbstbehalts berufen kann (OLG Nürnberg, EzFamR aktuell 2000, 293; OLG Köln, FamRZ 1999, 792, Kalthoener/Büttner Wrobel-Sachs, Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Auflage, Rdnr. 371). Die Verpflichtung des unterhaltspflichtigen Angehörigen entfällt also mit der Gefährdung des angemessenen Unterhalts, der deutlich über dem notwendigen Selbstbehalt liegt.

Der Senat schließt sich der dritten Meinung an. Das prozeßkostenhilfebegehrende Kind kann jedenfalls dann nicht auf seinen Prozeßkostenvorschußanspruch verwiesen werden, wenn dem Unterhaltspflichtigen ein angemessener Unterhalt nicht mehr verbliebe, weil z.B. der notwendige (unterhaltsrecht-liche) Selbstbehalt (1.645,- DM nach der derzeitigen Thüringer Tabelle) unterschritten würde. Daneben kann die Inanspruchnahme im Einzelfall auch unzumutbar sein, wenn etwa der Unterhaltspflichtige nur zu einer geringen Ratenzahlung leistungsfähig wäre und die Raten dementsprechend lange zu zahlen hätte.

Im vorliegenden Fall verfügt die gesetzliche Vertreterin der Klägerin nach der Berechnung des Amtsgerichts über ein bereinigtes Nettoeinkommen von rund 1.200,- DM, womit sie ohne weiteres unterhalb des eigenen notwendigen Selbstbehalts liegt. Die Klägerin kann dann aber nicht verpflichtet werden, gem. § 115 ZPO Raten in Höhe von 150,- DM zu zahlen.

Eine Kostentscheidung war nicht veranlaßt, § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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