Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 29.09.2004
Aktenzeichen: 4 U 1116/03
Rechtsgebiete: GG, BGB, StVZO


Vorschriften:

GG Art. 34
BGB § 839
StVZO § 32
1. Grundsätzlich erfordert die Verkehrssicherungspflicht nicht, den Luftraum über den Straßen generell in der nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 StVZO max. zulässigen Höhe von 4 m freizuhalten. Für den Umfang der Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf Bäume, deren Äste in den Luftraum über öffentlichen Straßen hineinragen, gibt es keine starren Grundsätze. Allerdings sind Bundes- und Ausfallstraßen grundsätzlich von in das Lichtraumprofil hineinragenden Ästen freizuhalten. Für Nebenstraßen untergeordneter Bedeutung und Feldwege gilt dies aber nicht.

2. Nach der Rechtsprechung des Senats bestimmen folgende Kriterien die vom Verkehrssicherungspflichtigen einzuhaltenden Pflichten in Bezug auf in den Straßenraum hineinragenden Ästen:

- Verkehrsbedeutung der (jeweiligen) Straße unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung für den Verkehr von Fahrzeugen mit hohen Aufbauten;

- Fahrbahnbreite;

- Erkennbarkeit der Gefahrenstelle,

- Höhe des in den Luftraum über der Straße hineinragenden Astwerks

- ökologisches Interesse an der Erhaltung des Baumes


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 1116/03

Verkündet am: 29.09.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Richterin am Oberlandesgericht Billig, Richter am Amtsgericht Lübbers und Richter am Landgericht Schur

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25.08.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 05.11.2003 - Az.: 3 O 629/03 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 960,16 € nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 08.04.2003 zu bezahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin keine Ansprüche aus dem Unfall vom 28.05.2002 gegen 13:55 Uhr auf der Löbstedter Straße in Jena hat.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagte 74% und die Klägerin 26%. Von den Kosten des zweiten Rechtszuges übernimmt die Beklagte 43% und die Klägerin 57%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt 20.000,00 € nicht.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten in Anspruch.

An der Löbstedter Straße in Jena, an der sich auch die Zufahrt zu dem Betriebsgelände (Schlachthof) der Beklagten befindet, stand auf der rechten Seite ein Straßenbaum, für welchen die Beklagte verkehrssicherungspflichtig war. Die letzte Kontrolle des Baumes erfolgte am 18./19.07.2001, bei der der Baum von Todholz befreit und ein Lichtraumprofilschnitt vorgenommen wurde.

Mit Schreiben vom 10.09.2002 machte die Beklagte Schadensersatzansprüche i.H.v. 2.605,00 € gegen die Versicherung der Klägerin geltend, weil am 28.Mai 2002 das Fahrzeug der Klägerin, amtl. Kennzeichen J-DV 90 in Jena, in der Löbstedter Straße einen städtischen Baum beschädigt habe.

Die Klägerin behauptet, an dem fraglichen Baum hätten die Äste so tief in den Straßenraum hineingeragt, dass der LKW der Klägerin MAN 14t Diesel am 28.05.2002 gegen 13:55 Uhr mit dem Kofferaufbau an den Ästen hängen geblieben sei. Dabei sei der Aufbau des LKWŽs beschädigt worden, der Schaden der Klägerin betrage 2.227,58 €. Nach dem Unfall sei die Krone des Baumes zusammengebrochen und habe durch die Feuerwehr beseitigt werden müssen. Dabei sei festgesellt worden, dass der Baum vollkommen morsch und brüchig gewesen sei.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt habe, weil die Löbstedter Straße in einer Höhe von bis zu 4 m von in das Lichtraumprofil hineinragenden Ästen habe freigehalten werden müssen. Zudem habe die Beklagte den streitgegenständlichen Baum nicht in einem ausreichenden Abstand auf Krankheitsanzeichen untersucht.

Im übrigen wird wegen des weiteren Sach- und Streitstandes und die erstinstanzlich gestellten Anträge gem. § 540 Nr.1 ZPO ergänzend auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 05.11.2003 festgestellt, dass der Beklagten gegenüber der Klägerin keine Ansprüche aus dem Unfall vom 28.05.2002 gegen 13:55 Uhr auf der Löbstedter Straße in Jena zustehen und die Klage im übrigen abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, dass eine eventuelle Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten hinter dem überwiegenden Verschulden des Fahrers der Klägerin zurücktreten müsse.

Hiergegen richtet sich mit Schriftsatz vom 27.11.2003 eingelegte und am 07.01.2004 begründete Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlich gestellten Antrag auf Zahlung von 2.227,58 € weiterverfolgt.

Sie trägt vor, dass das Landgericht nicht berücksichtigt habe, dass bereits erstinstanzlich vorgetragen worden sei, dass die Schädigungen an dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht durch den in den Fahrbahnbereich hineinragenden Ast, sondern durch andere morsche Äste, die sich von dem streitgegenständlichen Baum gelöst hätten, beschädigt worden sei. Zudem habe das Landgericht zu Unrecht dem Fahrer der Klägerin grobe Fahrlässigkeit unterstellt und dabei den Vortrag der Klägerin in erster Instanz übergangen, wonach es dem Fahrer der Klägerin aufgrund des Wendekreises des LKWŽs nicht möglich gewesen sei, dem in die Fahrbahn hineinragenden Ast auszuweichen.

Die Klägerin beantragt:

Unter Abänderung des am 05.11.2003 verkündeten Urteils des Landgerichts Gera, Az.: 3 O 629/03, wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 2.227,58 € nebst 5% Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die gegnerische Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Wegen ihres weiteren Vortrages wird auf die Berufungserwiderung vom 20.01.2004 (Bl. 139/141 d.A.), den Schriftsatz vom 09.06.2004 (Bl. 157/162 d.A.) und vom 16.08.2004 (Bl. 174/175 d.A.) Bezug genommen. II.

Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Gera vom 05.11.2003 hat nur zum Teil Erfolg.

Im Gegensatz zur Auffassung des Landgerichts ist vorliegend eine Haftung der Beklagten wegen der in den Luftraum der Straße hineinragenden Äste des streitgegenständlichen Baumes aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG gegeben.

Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Verkehrssicherungspflicht es nicht erfordert, den Luftraum über den Straßen generell in der nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 StVZO für Fahrzeuge max. zulässigen Höhe von 4 m freizuhalten. Die in dieser Regelung festgesetzte Höhenbegrenzung für Fahrzeuge auf 4 m betrifft nur eine zulassungsrechtliche Bauvorschrift und besagt nicht, dass der Luftraum über einer Straße in jedem Fall bis zu dieser Höhe frei von Hindernissen - und damit auch von Baumstämmen und Ästen - gehalten werden muss (vgl. OLG Köln, VersR 1992, 1370 - 1371; OLG Celle, OLGR 1998, 63 - 64; OLG Naumburg, DAR 1998, 18 - 19; OLG Schleswig, VersR 1994, 359; OLG Dresden, VersR 1997, 336 - 337; OLG Brandenburg, VersR 1995, 1051 - 1052; OLG Rostock, OLGR 1996, 303; OLG Hamm, VersR 1995, 1206 - 1207; LG Osnabrück, Urteil v. 03.02.2003, Az. 1 O 3106/02).

Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Straßen nicht grundsätzlich auch den Schutz vor Gefahren umfassen würde, die von Straßenbäumen ausgehen, deren Stämme oder Äste in den Luftraum über die Fahrbahn ragen und zu Beschädigungen an Fahrzeugen mit hohen Aufbauten führen können. Für den Umfang der Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf Bäume, deren Äste in den Luftraum einer Straße hineinragen, gibt es in der Rechtsprechung keine für jeden Fall geltenden Grundsätze. Einigkeit besteht in der Rechtsprechung jedoch weitestgehend, dass Bundes- und Ausfallstraßen von in das Lichtraumprofil hineinragenden Ästen freizuhalten sind, nicht aber Nebenstraßen oder Feldwege mit nur untergeordneter Verkehrsbedeutung. In allen anderen Fällen ist eine Abwägung nach den Umständen des Einzelfalles vorzunehmen, wobei von der Rechtsprechung folgende Kriterien aufgestellt worden sind, nach denen sich die von dem Verkehrssicherungspflichtigen einzuhaltenden Pflichten bei dem Schutz von Verkehrsteilnehmern von in das Lichtraumprofil einer Straße hineinragenden Ästen im Einzelfall bestimmen (vgl. OLG Celle, OLGR 1998, 63 - 64):

- Verkehrsbedeutung der Straße unter besonderer Berücksichtigung ihrer Bedeutung für den Verkehr von Fahrzeugen mit hohen Aufbauten,

- Fahrbahnbreite,

- Erkennbarkeit der Gefahrenstelle,

- Höhe des hineinragenden Astwerkes,

- ökologisches Interesse an der Erhaltung des Baumbestandes

Vorliegend hat die Klägerin zwar eine erhebliche Verkehrsbedeutung der Löbstedter Straße nicht darlegen können. Der streitgegenständliche Baum befand sich jedoch nach dem in erster Instanz unstreitig gebliebenen Vortrag der Klägerin ca. 20 m gegenüber der Zufahrt zu ihrem Betriebsgelände und damit an einer Stelle, die besonders durch zu- und abfahrende LKWŽs betroffen war. Soweit die Beklagte diese bisher unstreitige Tatsache nunmehr erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 25.08.2004 in Zweifel gezogen hat, ist dieses Bestreiten verspätet i.S.v. § 531 Abs.1 Nr.3 ZPO und kann daher nicht mehr berücksichtigt werden. Im übrigen kommt es auf den genauen Standort des Baumes auch nicht an, denn nach Auffassung des Senates ist an der Löbstedter Straße insgesamt ein Lichtraumprofil von 4 m einzuhalten. Insofern ist auch das OLG Zweibrücken (Urteil vom 19.01.1994, Az. 1 U 213/92) davon ausgegangen, dass der Straßenraum einer Zufahrtsstraße zu einem Gewerbegebiet, die von einer nicht geringen Anzahl großräumiger Fahrzeuge benutzt wird, bis zu einer Höhe von 4 m von Ästen freizuhalten ist, die geeignet sind, erhebliche Schäden an vorüberfahrenden Fahrzeugen hervorzurufen. So liegt der Fall hier. Dass eine Straße, an der sich u.a. ein Schlacht­hof befindet, besonders häufig von LKWŽs mit Kühlaufbau frequentiert wird, die über eine Höhe von 3,60 m bis 3,70 m verfügen, liegt auf der Hand. Mithin wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, zumindest solche Äste zu entfernen, die geeignet sind, Fahrzeuge mit Kühlaufbau, welche die Löbstedter Straße als Zufahrt zum Betriebsgelände der Klägerin befahren müssen, zu beschädigen.

Dementsprechend reichte es auch nicht aus, dass die Löbstedter Straße stadteinwärts mit dem Verkehrszeichen 101 und dem Zusatz: "Achtung, eingeschränktes Lichtraumprofil" versehen war. Die Aufstellung eines Hinweisschildes als Warnung vor einem eingeschränkten Lichtraumprofil genügt nach der Rechtsprechung nämlich nur dann, wenn die Freihaltung eines Lichtraumprofils bis zu 4 m dem Verkehrssicherungspflichtigen z.B. aufgrund geringer Verkehrsbedeutung der Straße nicht zumutbar ist (vgl. OLG Naumburg, DAR 1998, 18 - 19; OLG Köln, VersR 1991, 1265).

Die beklagte Gemeinde trifft an der Beschädigung des klägerischen LKWŽs durch die in das Lichtraumprofil hineinragenden Äste auch ein Verschulden. Bereits in der von der Beklagten vorgelegten Anordnung vom 17.02.1993 (Anlage B 2), wurde darauf hingewiesen, dass "an den betreffenden Straßen", darunter auch die Löbstedter Straße, das Lichtraumprofil durch Straßenbäume derart eingeschränkt ist, dass es zu Schäden an Fahrzeugen kommen kann. Des Weiteren ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten in der Klageerwiderung vom 02.05.2003, dass bei der Überprüfung des Baumes am 16.03.2001 ein Lichtraumprofilschnitt angeordnet wurde. Weshalb die von der Beklagten zu Recht als notwendig angesehene Maßnahme im Folgejahr dann unterblieben ist, ist nicht ersichtlich.

Mithin kommt es nicht darauf an, ob die Beschädigungen an dem LKW der Klägerin durch den Ast selbst, an dem der Kofferaufbau des LKW hängen geblieben ist, verursacht worden sind oder ob diese durch herabfallendes Astwerk entstanden sind. Eine Beweisaufnahme über diese zwischen den Parteien strittige Frage ist daher nicht veranlasst. Die Beklagte ist nämlich unstreitig ihrer Verpflichtung zur halbjährlichen Kontrolle des Baumes nicht nachgekommen. Nach dem Vortrag der Beklagten wurde bei der Kontrolle am 18./19.07.2001 bereits Todholz an dem Baum nachgewiesen. Bei dem Unfall am 28.05.2002 war die Krone des Baumes ausweislich den Feststellungen in dem polizeilichen Verkehrsunfallprotokoll vom 28.05.2002 (Bl. 52 d.A.) bereits so morsch, dass sie nach dem Unfall zusammenbrach und durch die Feuerwehr beseitigt werden musste. Bei dieser Sachlage ist jedoch nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises davon auszugehen, dass bei der nächsten, routinemäßigen Sichtkontrolle erneut Todholz und abgestorbene Äste festgestellt worden wären (OLG Dresden, OLGR 2001, 233 - 235). Zwar hat der durch eine Amtspflichtverletzung Geschädigte grundsätzlich auch den Beweis zu führen, dass der ihm entstandene Schaden auf die Amtspflichtverletzung zurückzuführen ist. Wenn allerdings die Amtspflichtverletzung und der zeitlich nachfolgende Schaden feststehen, so kann der Geschädigte der öffentlichen Körperschaft den Nachweis überlassen, dass der Schaden nicht auf die Amtspflichtverletzung zurückzuführen ist. Dies gilt jedoch nur, wenn nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder eine tatsächliche Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang besteht; anderenfalls bleibt die Beweislast beim Geschädigten (BGH NZV 2004, 454, 455; BGH NJW 1983, 2241, 2242). Eine solche überwiegende Wahrscheinlichkeit ist im vorliegenden Fall aber anzunehmen: Wenn bei der Sichtkontrolle am 18./19.07.2001 bereits abgestorbene Äste und Todholz festgestellt wurde und am 28.05.2004 die Krone des Baumes so morsch war, dass diese zusammenbrach und von der Feuerwehr beseitigt werden musste, liegt es nahe, dass bei einer zeitnäheren Kontrolle ebenfalls Todholz und morsche Äste entdeckt worden wären.

Die Beklagte kann hiergegen nicht einwenden, dass auch bei einer zeitnäheren Kontrolle keine Verdachtsmomente erkennbar gewesen wären, die auf einen krankhaften Zustand des Baumes hätten schließen lassen. Zwar reicht im Regelfall zweimal jährlich eine äußere Sichtprüfung bezogen auf die Gesundheit und Standsicherheit des Baumes aus. Eine eingehendere Untersuchung ist aber dann vorzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die der Erfahrung nach auf eine besondere Gefährdung hindeuten, wie etwa eine spärliche oder trockene Belaubung, trockene Äste, äußere Verletzungen, Wachstumsauffälligkeiten oder Pilzbefall. Dies entspricht gefestigter Rechtsprechung (vgl.: OLG Dresden, a.a.O.; OLG Hamm, VersR 1997, 1148; VersR 1998, 188; OLG Brandenburg, OLGR 2000, 169; OLG Celle, OLGR, 1999, 42; BGH, VersR 1965, 475).

Die Beklagte hat den der Klägerin zugute kommenden Anscheinsbeweis auch nicht entkräften können. Insbesondere hat die Beklagte eine in Betracht kommende alternative Schadensursache (z.B. einen Sturmschaden wie in dem von dem BGH NZV 2004, 454 entschiedenen Fall) nicht aufzeigen können.

Hinzu kommt, dass die Beklagte nach Auffassung des Senats auch gehalten gewesen wäre, in einem angemessenen zeitlichen Abstand einen Lichtraumprofilschnitt durchzuführen. Hätte die Beklagte aber den in den Straßenraum ragenden Ast, gegen den der Fahrer der Klägerin geraten ist, entsprechend ihrer Verpflichtung beseitigt, wäre es ebenfalls nicht zu dem Schaden an dem klägerischen Fahrzeug gekommen, da davon auszugehen ist, dass sich die Äste erst dadurch gelöst haben, dass der Fahrer des klägerischen LkW gegen den in den Straßenraum ragenden Ast geraten ist.

Es kann entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht davon ausgegangen werden, dass die an dem LKW der Klägerin eingetretenen Beschädigungen außerhalb des Schutzzweckes der Norm liegen würden. Die Verpflichtung der Gemeinde zur Kontrolle und ggf. zur Beseitigung von abgestorbenen Ästen bei Straßenbäumen dient dem Zweck, Verkehrsteilnehmer vor herabfallenden Ästen zu schützen. Insofern liegt es aber nicht außerhalb des Schutzzweckes der Norm, wenn der Fahrer eines LKWŽs gegen einen in das Lichtraumprofil ragenden Ast fährt und dadurch das Herabfallen von weiteren Ästen ausgelöst wird, die bei der erforderlichen routinemäßigen Sichtkontrolle durch den Verkehrssicherungspflichtigen hätten entfernt werden müssen. Mithin wäre von einer Schadensersatzverpflichtung der Beklagten auch dann auszugehen, wenn entsprechend dem Vortrag der Klägerin in der Berufungsbegründung die Schäden an dem LKW der Klägerin nicht durch den Ast selbst, gegen den der Fahrer der Klägerin geraten ist, sondern durch herabfallendes Todholz verursacht worden sind.

Eine Beweisaufnahme ist im übrigen auch nicht deshalb geboten, weil die Beklagte erstinstanzlich den Unfall als solchen mit Nichtwissen bestritten hat. Die Beklagte hat nämlich mit Schreiben vom 10.09.2002 wegen des Baumschadens einen eigenen Schadensersatzanspruch i.H.v. 2.605,00 € ggü. der Klägerin geltend gemacht. Nach dem Grundsatz des "venire contra factum proprium" kann die Klägerin jedoch nicht einerseits das Schadensereignis als solches mit Nichtwissen bestreiten und andererseits die Klägerin als vermeintliche Schadensverursacherin in Anspruch nehmen. Zwar bleibt es der Beklagten unbenommen, den von der Klägerin behaupteten Hergang des Unfalles zu bestreiten, insoweit ist aber nach Auffassung des Senates nach beiden hier nur in Betracht kommenden Sachverhaltsalternativen eine Haftung der Beklagten gegeben. Das Unfallereignis als solches kann sie jedoch, nachdem sie dieses selbst zur Grundlage eigener Schadensersatzansprüche gemacht hat, nicht mehr in Abrede stellen.

Die Klägerin muss sich jedoch ein Mitverschulden ihres Fahrers gem. § 254 BGB anrechnen lassen. Insbesondere vermag der Senat nicht zu erkennen, dass der Unfall für den Fahrer des klägerischen LKW unvermeidbar gewesen wäre. Der streitgegenständliche Baum befand sich nach dem klägerischen Vortrag ca. 20 m gegenüber der Zufahrt zum Betriebsgelände der Klägerin. Dass der Fahrer der Klägerin nicht in der Lage gewesen sein soll, den herabhängenden Ästen des Baumes bei entsprechender Aufmerksamkeit auszuweichen, ist nicht ersichtlich. Der Wendekreis des LKWŽs bedingt zwar, dass bei dem Auffahren auf die Straße möglicherweise die gesamte Fahrbahnbreite in Anspruch genommen werden muss, dass es jedoch nicht möglich gewesen wäre, bei einer Entfernung von 20 m zwischen der Zufahrt und dem streitgegenständlichen Baum so einzulenken, dass an der betreffenden Stelle die Mitte der Fahrbahn und nicht der Fahrbahnrand benutzt wird, ist nicht nachvollziehbar. Notfalls muss sich der Fahrer des klägerischen LKW einweisen lassen. Andererseits ist jedoch auch nicht zu verkennen, dass der Fahrer der Klägerin in erster Linie seine Aufmerksamkeit auf den Verkehr zu richten hatte, so dass, da auch den Bediensteten der Beklagten nur einfache Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann, eine Haftungsteilung angemessen erscheint.

Die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin kann jedoch nur ihren Nettoschaden i.H.v. 1.920,33 €, der durch das Gutachten des KfZ-Sachverständigen Horn vom 10.06.2002 belegt ist, geltend machen, so dass die Klage nur i.H.v. 960,16 € begründet ist. In diesem Umfang hat die Berufung der Klägerin Erfolg.

III.

Die Entscheidung über die Zinsen beruht auf §§ 291, 288 Abs.1 S.2 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs.1, 92 Abs.1 ZPO, wobei sich die unterschiedliche Kostenquote bei der ersten und zweiten Instanz daraus ergibt, dass die Beklagte erstinstanzlich auch hinsichtlich des Feststellungsantrages unterlegen ist.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.

Die Beschwer der Klägerin wurde gem. § 26 Nr.8 EGZPO festgesetzt.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO nicht vorliegen. Das von der Beklagten mit Schriftsatz vom 02.09.2004 zitierte Urteil des BGH vom 04.03.2004 (NZV 2004, 454 ff.) ist nicht einschlägig. Dort wurde der Schaden durch den herabstürzenden, belaubten Ast einer Pappel verursacht, wobei nach der Entscheidung des BGH auch ein Sturmschaden als mögliche Ursache für den herabfallenden Ast in Betracht kam. Der dem Urteil des BGH zugrundeliegenden Sachverhalt ist daher mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Auch im übrigen hat die Beklagte weder eine Divergenz zu der obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Rechtsprechung, noch eine grundsätzliche Bedeutung der Sache i.S.v. § 543 Abs.2 Nr. 1 und 2 ZPO aufzeigen können.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt nach §§ 3 ZPO, 14 Abs.1, 25 Abs.2 GKG (a.F.) 2.227,58 €.

Ende der Entscheidung

Zurück