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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 19.05.2004
Aktenzeichen: 4 U 299/04
Rechtsgebiete: VVG, AUB 2002


Vorschriften:

VVG § 61
AUB 2002 Nr. 5.1.1
1. Bei einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 2,9 Promille ist von einer alkoholbedingten Bewußtseinsstörung des Fahrers auszugehen, die zur Fahruntüchtigkeit führt. Eine solche alkoholbedingte Bewußtseinsstörung (Fahruntüchtigkeit) wird bei Kraftfahrern unwiderlegbar ab einer BAK von 1,1 Promille vermutet.

2. Bei so festgestellter Fahruntüchtigkeit des Fahrers spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Fahruntüchtigkeit und dem Unfall.

3. Zwar trägt der Versicherer - nach allgemeinen Beweislastregeln - grundsätzlich die Beweislast dafür, daß der die Versicherungsleistung fordernde Kläger Fahrer (des verunfallten Fahrzeugs) war, doch spricht der Beweis des ersten Anscheins für die Fahrereigenschaft des Klägers, wenn dieser mit schweren Verletzungen allein neben seinem Fahrzeug aufgefunden wurde, wenn Hinweise auf weitere Beteiligte fehlen. In solchen Fällen obliegt es dem Kläger, substantiiert solche Tatsachen konkret vorzutragen, die seine Behauptung, er sei nur Beifahrer gewesen, stützen können.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

4 U 299/04

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Bayer, Richter am Landgericht Schur ohne mündliche Verhandlung am 19.05.2004 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 26.02.2004 - Az: 3 O 2491/03. Er macht geltend, die finanziellen Mittel für das Rechtsmittelverfahren nicht selbständig aufbringen zu können. Auch habe die Berufung hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn das erstinstanzliche Urteil beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO. Insbesondere habe das Landgericht die Beweislastregeln falsch angewendet und erforderliche Zeugenvernehmungen nicht vorgenommen. Darüber hinaus sei die Tatsachengrundlage des erstinstanzlichen Urteils fehlerhaft.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen. Die Berufung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Der geltend gemachte Anspruch aus dem Versicherungsvertrag (Versicherungsschein-Nr.: 90903356.0) ist gemäß Nr. 5.1.1 der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen der Beklagten (Debeka-AUB 2002) ausgeschlossen. Der Unfall beruhte auf alkoholbedingten Bewusstseinstörungen des Klägers. Der Kläger hat den Unfall im fahruntüchtigen Zustand verursacht. Ausweislich des Blutalkoholgutachtens vom 02.12.2002 hatte er zum Zeitpunkt des Schadensereignisses eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 2,9 Promille. Er war somit nicht in der Lage, die drohende Unfallgefahr zu erkennen und sich zur Vermeidung des Unfalls entsprechend richtig zu verhalten (BGH VersR 1985, 583, 584). Eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung wird bei Kraftfahrern unwiderlegbar ab einer BAK von 1,1 Promille vermutet (vgl. BGH VersR 1991, 1367; OLG Zweibrücken r+s, 1994, 276, 277). Die Bewusstseinsstörung infolge des Alkoholgenusses war mindestens mitursächlich für den Unfall (vgl. BGH NJW 1988, 1846; OLG Koblenz r+s 1992, 34; Knappmann in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 26. Aufl. 1998, § 2 AUB 88 Rn. 15). Bei festgestellter Fahruntüchtigkeit spricht aber bereits der Beweis des ersten Anscheins für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Fahruntüchtigkeit und dem Unfall (BGH VersR 1985, 779; 1986, 141, 142). Tatsachen, die geeignet wären, den Anscheinsbeweis zu erschüttern, wurden vom Kläger weder dargelegt noch bewiesen.

Der Kläger hat das Fahrzeug im Zeitpunkt des Unfalls geführt. Hiervon geht der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht aus. Zwar ist zwischen den Parteien streitig, ob der Kläger Fahrer oder Beifahrer gewesen ist - die Beweislast trägt nach den allgemeinen Beweislastregeln insoweit grundsätzlich die Beklagte (vgl. BGH NJW 1991, 1052, 1053) - doch spricht der Beweis des ersten Anscheins hier für die Fahrereigenschaft des Klägers. Nach dem Unfall wurde er mit schweren Verletzungen allein neben seinem Fahrzeug aufgefunden. Spuren, welche auf einen weiteren Pkw-Insassen hindeuten würden, konnten bei der Untersuchung des Pkws nicht festgestellt werden. Da keinerlei Hinweise auf weitere Beteiligte vorhanden sind, kann nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass der Kläger auch der Fahrer des Pkws gewesen ist, neben dem er verletzt aufgefunden wurde. (vgl. BGH NJW 1982, 2447, 2448).

Das Vorbringen des Klägers war auch nicht geeignet, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Insbesondere wurde nicht die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als nach der Lebenserfahrung typischen Geschehensablaufes dargelegt (vgl. BGH NJW 1991, 230, 231). Vage Anhaltspunkte für abweichende Geschehensabläufe, wie sie der Vortrag des Klägers beinhaltet, genügen insoweit nicht (OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1086; LG Itzehoe, NJW-RR 2004, 183, 184). Die Ausführungen des Klägers, Herr Bernadeck habe vor seinem Haus zwischen 0.30 und 1.00 Uhr zuerst Stimmen und anschließend Motorgeräusche gehört und beim Nachsehen festgestellt, dass der Pkw des Klägers verschwunden war, genügen nicht, um den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Hieraus lassen sich keine konkreten Anhaltspunkte dafür ableiten, dass nicht der Kläger, sondern eine andere Person zum Zeitpunkt des Unfalls das Fahrzeug geführt hat. Die bloße Wahrnehmung von Stimmen besagt noch nichts darüber, dass tatsächlich mehrere Personen mit dem Pkw davongefahren sind.

Bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten der Berufung war der neue Vortrag aus der (vorläufigen) Berufungsbegründungsschrift zur eingeschalteten Warnblinkanlage sowie zu den über den Vortrag der ersten Instanz hinausgehenden Wahrnehmungen des Herr Bernadeck nicht zu berücksichtigen. Insoweit handelt es sich um unentschuldigt neuen Vortrag, mit dem der Kläger gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO präkludiert ist. Das verspätete Vorbringen beruht vorliegend allein auf einer nachlässigen Prozessführung des Klägers, der bereits in erster Instanz verpflichtet war, sämtliche Tatsachen vorzutragen, welche einen abweichenden Geschehensablauf begründen konnten. Die neuen Tatsachen sind auch nicht nach Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden.

Das PKH-Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; die Entscheidu7ng über die Nichterstattung außergerichtlicher Kosten folgt aus § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO:



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