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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.02.2009
Aktenzeichen: 4 U 777/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2
1. Eine einseitige Erledigungserklärung (der Verfügungsklägerin) ist als Antrag auszulegen, die Erledigung der Hauptsache festzustellen. Es handelt sich dabei um eine zulässige Beschränkung und Änderung des (ursprünglichen) Klageantrags (§ 264 Nr. 2 ZPO) in einen Feststellungsantrag, die auch noch in der Berufungsinstanz statthaft ist mit der Folge, dass grundsätzlich hierüber durch streitiges Sachurteil zu entscheiden ist.

2. Ist die Erledigung der Hauptsache eingetreten, weil die Klage (hier der Verfügungsanspruch) zulässig und begründet war und hat die Berufung (der Verfügungsklägerin) keinen Erfolg, weil das LG dies zutreffend festgestellt hat, so kann das Berufungsgericht dies auch im Wege des Beschlussverfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO bestätigen, da der Beschluss (nach § 522 Abs. 2 ZPO) an die Stelle des Berufungsurteils tritt und ebenso wie aus einem Urteil auch aus dem Zurückweisungsbeschluss der Umfang der Rechtskraft - der durch die Erledigungserklärung gegenstandslos gewordenen Hauptsache - herzuleiten ist.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

4 U 777/08

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richterin am Oberlandesgericht Billig und Richterin am Amtsgericht Hütte

am 09.02.2009

beschlossen:

Tenor:

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

Die Verfügungsbeklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 05.03.2009.

Gründe:

Das Landgericht hat die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, der Verfügungsklägerin zum Zwecke der Portierung ihre bisherigen Telefonanschlüsse bis zur Vorlage einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsachverfahren vor dem Landgericht Erfurt, AZ. 9 O 190/08, zur Verfügung zu stellen. Gegen dies ihr am 02.09.2008 zugestellte Urteil hat die Verfügungsbeklagte mit am 29.09.2008 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Mit der am 30.10.2008 bei Gericht eingegangenen Begründung vom selben Tag hat sie beantragt, das Urteils des Landgerichts Erfurt vom 02.09.2008 abzuändern und die einstweilige Verfügung aufzuheben. Mit am 10.10.2008 verkündeten und mittlerweile rechtskräftigem Urteil hat das Landgericht Erfurt in dem Verfahren 9 O 190/08 festgestellt, dass der Rechtsstreit durch Prozessvergleich vom 18.07.2008 beendet ist. Auf Hinweis des Senats hat die Verfügungsklägerin daraufhin die Hauptsache für erledigt erklärt, während die Verfügungsbeklagte eine Erledigungserklärung abgelehnt hat, da aus ihrer Sicht der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung von Anbeginn an unbegründet war.

Der Senat beabsichtigt festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt und die bis zur Erledigungserklärung anhängig gewesene Hauptsache gegenstandslos geworden ist.

Die einseitige Erledigungserklärung der Verfügungsklägerin ist als Antrag auszulegen, die Erledigung der Hauptsache festzustellen. Dabei handelt es sich um eine zulässige Beschränkung und Änderung des Klageantrags (§ 264 Nr. 2 ZPO) in einen Feststellungsantrag, die auch in der Berufungsinstanz noch statthaft ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl. § 91 a Rn. 36 und 37 m.w.N.) mit der Folge, dass grundsätzlich durch streitiges Sachurteil festzustellen ist, ob der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, also ob die eingereichte Klage zulässig und begründet war.

Für den Fall, dass eine Erledigung der Hauptsache eingetreten ist, die Klage ursprünglich zulässig und begründet war und damit die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, kann der Senat auch statt durch Urteil - nach mündlicher Verhandlung - im Wege des Beschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO entscheiden. Der Senat schließt sich insoweit der überzeugenden Entscheidung des OLG Rostock vom 01.02.2006 - 6 U 164/05 - (MDR 2006, 947) an. Wie das OLG Rostock ist der Senat der Ansicht, dass die der Sachentscheidung durch Urteil innewohnende materielle Rechtskraft des Inhalts, dass die bis zur Erledigungserklärung anhängig gewesene Hauptsache gegenstandslos geworden ist (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 91a Rn. 46), ebenso durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO getroffen werden kann, da der Beschluss an die Stelle des Berufungsurteils tritt und ebenso wie aus dem Letztgenannten auch aus dem Zurückweisungsbeschluss der Umfang der Rechtskraft herzuleiten ist (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O., § 522 Rn. 40).

Vorliegend ist durch das rechtskräftig gewordene Urteil des Landgerichts Erfurt vom 10.10.2008 im Verfahren 9 O 190/08 objektiv eine Erledigung eingetreten. Denn die ergangene einstweilige Verfügung gab der Verfügungsbeklagten ohnehin nur auf, der Verfügungsklägerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem vorgenannten Verfahren die Anschlüsse zwecks Portierung zur Verfügung zu stellen.

Der auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtete Antrag war auch nach einstimmiger Auffassung des Senats - entgegen der von den Verfügungsbeklagten vertretenen Ansicht - bis zum Eintritt der Erledigung zulässig und begründet.

Das Landgericht hatte die einstweilige Verfügung zu Recht erlassen. Das angefochtene Urteil leidet weder an einer im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO unrichtigen Feststellung entscheidungserheblicher Tatsachen noch beruht es auf einer Verletzung materiellen Rechts. Das angefochtene Urteil hätte den Berufungsangriffen standgehalten.

Die Verfügungsklägerin hatte gegen die Verfügungsbeklagte einen Anspruch auf Übertragung der Rufnummern gemäß § 46 TKG. Wie das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, kommt es insoweit nicht auf den zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich in dem Verfahren 9 O 190/08 vor dem Landgericht Erfurt an. Beide Parteien gehen - wenn auch mit unterschiedlicher Begründung - von einer Beendigung des Telefonnutzungsvertrages aus. Mit der Beendigung eines derartigen Vertrages und der Begründung eines neuen Vertragsverhältnisses entsteht für den Anbieter der Telekommunikationsdienste - hier die Verfügungsbeklagte - die Verpflichtung, gemäß § 46 Abs. 2 TKG sicherzustellen, dass die Verfügungsklägerin ihre Rufnummern beibehalten kann. Der Verfügungsbeklagten war aufgrund des Rechtsstreits 9 O 190/08 auch bekannt, dass die Verfügungsklägerin ihre Nummern übertragen lassen wollte. Es ist insoweit unerheblich, dass in dem Vergleich die Portierung nicht ausdrücklich geregelt wurde, da sich ein entsprechender Anspruch der Verfügungsklägerin aus dem Gesetz ergibt.

Die Verfügungsbeklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Portierung deshalb nicht mehr möglich sei, weil die Rufnummern abgeschaltet wurden. Wie das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, ist eine Einschränkung der Rechte aus § 46 Abs. 2 TKG nicht möglich. Angesichts ihrer Kenntnis, dass die Voraussetzungen des § 46 TKG im Falle der Verfügungsklägerin vorlagen, kann sie diese gesetzliche Regelung nicht einfach dadurch umgehen, dass sie die Rufnummern abschaltet. Die dadurch bedingten Zusatzkosten muss sie sich selbst anrechnen lassen. Die Portierung ist auch tatsächlich noch möglich gewesen, da die Rufnummern noch nicht erneut vergeben waren.

Soweit sich die Verfügungsbeklagte nunmehr darauf beruft, dass die Verfügungsklägerin nicht Vertragspartnerin gewesen sei, ist sie mit diesem Vortrag gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen. Die Frage, wer Vertragspartner der Verfügungsbeklagten gewesen ist, ist in erster Instanz nicht problematisiert worden, obwohl ein entsprechender Vortrag der Verfügungsbeklagten ohne weiteres möglich gewesen wäre. Gründe für das verspätete das Vorbringen in zweiter Instanz hat die Verfügungsbeklagte nicht vorgetragen.

Es lag auch ein Verfügungsgrund vor; der Erlass der einstweiligen Verfügung war eilbedürftig. Der Senat verweist insoweit auf die überzeugenden und nicht ergänzungsbedürftigen Ausführungen in dem angegriffenen Urteil des Landgerichts.

Die einstweilige Verfügung führte nicht zu einer Vorwegnahme der Hauptsache, da sie auf den Zeitraum bis zum Abschluss des Verfahrens 9 O 190/08 Landgericht Erfurt begrenzt und eine erneute Rückübertragung der Rufnummern technisch möglich war.

Der Verweis der Verfügungsbeklagten auf Fehler im Tenor dahingehend, dass die Anschlüsse nicht nur gesperrt, sondern nicht mehr geschaltet waren, führt ebenfalls nicht zum Erfolg der Berufung. Aus dem Tenor ist ersichtlich, dass die streitgegenständlichen genau bezeichneten Anschlüsse der Verfügungsklägerin zur Verfügung gestellt werden sollten. Die Frage, ob sie gesperrt oder abgeschaltet waren, ist für die Vollstreckbarkeit ohne Belang, der Tenor ist entsprechend auslegungsfähig.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und erfordert zudem keine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 3 ZPO).

Erweist sich die Berufung nach alledem als unbegründet wird der Verfügungsbeklagten zur Meidung weiterer Kosten nahegelegt, das ersichtlich aussichtslose Rechtsmittel binnen der Stellungnahmefrist zurückzunehmen.

Ende der Entscheidung

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