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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 15.01.2004
Aktenzeichen: 4 U 836/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 118 Abs. 1 S. 4
BGB § 823 Abs. 1 a.F.
BGB § 847 Abs. 1 a.F.
Ein hinzugezogener Arzt ist grundsätzlich nicht verpflichtet, eine Anamnese durchzuführen und weitere Befunde zu erheben, die über den konkreten Überweisungsauftrag hinausgehen. Vielmehr kann er sich im Regelfall darauf verlassen, dass dies in der gebotenen Form bereits durch den erstbehandelnden Arzt geschehen ist (horizontale Arbeitsteilung; st. Rechtsprechung des BGH, vgl. z.B. in NJW 1994, 797 f.).
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

4 U 836/03

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richterin am Oberlandesgericht Billig und Richter am Oberlandesgericht Krohn

am 15.01.2004

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.

Kosten werden nicht erstattet, § 118 Abs. 1 S. 4 ZPO.

Gründe:

Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe zur Einlegung der Berufung gegen ein landgerichtliches Urteil, mit welchem sein Anspruch auf Schmerzensgeld für die Katarakt-Operation an seinem rechten Auge abgewiesen worden ist. Er meint, dem Beklagten sei dadurch ein grober Behandlungsfehler unterlaufen, dass er keine Anamnese durchgeführt und deshalb nicht erkannt habe, dass der Kläger auch unter einer konzentrischen Gesichtsfeldeinschränkung leide. Bei Kenntnis dieser Beeinträchtigung wären weitergehende Untersuchungen geboten gewesen, die zur Feststellung der tatsächlich vorhandenen tapeto-retinalen Degeneration geführt hätten. Bei der Aufklärung über Chancen und Risiken der Katarakt-Operation hätte dann zusätzlich darauf hingewiesen werden müssen, dass wegen dieser Vorschädigung die erwünschte Verbesserung des Sehvermögens ganz oder teilweise ausbleiben könne. Aufgrund einer solchen Aufklärung hätte er von der Operation Abstand genommen. Deshalb sei der Eingriff rechtswidrig erfolgt, so dass der Beklagte gemäß §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB a.F. das begehrte Schmerzensgeld zu leisten habe.

Der Antrag ist gemäß § 114 ZPO zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Berufung des Klägers keine Aussicht auf Erfolg hat. Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass dem Beklagten kein Behandlungsfehler, schon gar kein grober, unterlaufen ist. Denn er war nicht verpflichtet, die Krankengeschichte des Klägers - erneut - abzuklären. Vielmehr konnte er sich darauf verlassen, dass dies in der gebotenen Form durch den überweisenden Erstbehandler, den Zeugen Dr. D , geschehen war und dieser die danach gebotenen Befunde erhoben hatte. Denn er war als Arzt, an den der Kläger zur Durchführung eines konkret bestimmten Eingriffs überwiesen worden war ("horizontale Arbeitsteilung"), nicht zur umfassenden Beratung und Behandlung des Klägers verpflichtet; er war nicht einmal berechtigt, über den ihm konkret erteilten Auftrag hinauszugehen (ständige Rechtsprechung: BGH, NJW 1994, 797, 798; OLG Oldenburg, VersR 1999, 452, 453; OLG Celle, VersR 1990, 1012, 1013; OLG Düsseldorf, VersR 1984, 643, 645). Diesen, die Katarakt-Operation, hat er aber behandlungsfehlerfrei erfüllt.

Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der Beklagte aufgrund konkreter Anhaltspunkte Zweifel an der Diagnose des Erstbehandlers hätte haben müssen; solche ergaben sich aus der Überweisung nicht. Diese kritisch zu hinterfragen und die ihr zugrundezulegenden Untersuchungen erneut durchzuführen, war nach dem Inhalt des auf die Durchführung der Operation gerichteten Behandlungsvertrags nicht geboten. Es lag auch nicht im mutmaßlichen Interesse des Klägers, diese Kosten erneut auszulösen, ohne einen Anhaltspunkt für ein voraussichtlich abweichendes Ergebnis zu besitzen. Hätte der Kläger solches gewünscht, wäre es ihm darum gegangen, eine "zweite Meinung" einzuholen, hätte er dies von sich aus dem Beklagten gegenüber zum Ausdruck bringen und einen vollumfänglichen Behandlungsvertrag mit ihm schließen müssen, anstatt es bei der Überweisung zu belassen.

Im Übrigen hätte die Berufung auch dann keine Erfolgsaussicht, wenn dem Beklagten das Unterlassen einer Anamnese als grober Behandlungsfehler anzulasten wäre. Denn ihm wäre der Beweis gelungen, dass dieser nicht kausal den "Schaden", die Durchführung des Eingriffs, herbeigeführt hätte. Es wäre nämlich davon auszugehen, dass der Kläger bei Erhebung seiner Krankengeschichte von einer konzentrischen Gesichtsfeldeinschränkung nichts gesagt hätte. Dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen Dr. D , der Kläger habe weder vor noch nach der Operation über eine Gesichtsfeldeinschränkung berichtet (Bl. 162 d.A.). Dafür, dass der Kläger demzuwider vor der Operation gerade gegenüber dem Beklagten derartige Beschwerden geschildert hätte, ist kein Grund ersichtlich. Der Behandlungsverlauf nach einer Anamnese durch den Beklagten wäre damit von dem tatsächlich erfolgten nicht abgewichen.

Die landgerichtliche Entscheidung ist daher nicht zu beanstanden.

Ende der Entscheidung

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