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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 22.06.2006
Aktenzeichen: 4 W 173/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 269 Abs. 3 Satz 2
Die Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens sind dann dem Kläger gemäß § 269 Abs. 3 ZPO bei Rücknahme der Klage (im Hauptsacheverfahren) aufzuerlegen, wenn das selbständige Beweisverfahren die Grundlage für das spätere Hauptverfahren geschaffen hat.

Dabei kommt es nicht auf die Verwertung des im selbständigen Verfahren gewonnenen Beweisergebnisses, sondern nur darauf an, ob eine abgeschlossene Beweiserhebung im selbständigen Beweisverfahren vorlag, das im Hauptsacheverfahren hätte herangezogen werden können.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

4 W 173/06

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richter am Oberlandsgericht Jahn und Richter am Landgericht Tietjen

am 22.06.2006

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Meiningen vom 20.02.2006, Az.: 1 O 1018/04, aufgehoben.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.345,98 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Beklagte beantragte beim Amtsgericht Hildburghausen zum Aktenzeichen 21 H 13/99 ein selbständiges Beweisverfahren wegen behaupteter Mängel bei vom Kläger am Bauvorhaben "Business-Center" in Hildburghausen ausgeführten Schlosserarbeiten.

Der Kläger beantragte am 27.12.2001 beim Amtsgericht Hildburghausen zur Geschäftsnummer B 1362/01 einen Mahnbescheid über eine Hauptforderung in Höhe von 6.328,17 betreffend die Restforderung aus der Schlussrechnung Nr.: 009/99 vom 20.01.1999 für Schlosserarbeiten BV "Business-Center, HBN". Gegen den Mahnbescheid legte der Beklagte Widerspruch ein.

Im Jahre 2004 beantragte der Beklagte die Durchführung des streitigen Verfahren und beantragte, die Klage abzuweisen. Das Amtsgericht Hildburghausen gab die Akte an das Landgericht Meiningen ab. Dort erhielt die Akte das Aktenzeichen 1 O 1018/04. Vom Landgericht Meiningen wurde der Kläger zur Anspruchsbegründung aufgefordert. Nachdem die Anspruchsbegründung nicht erfolgt war, beantragte der Beklagte, einen Termin zu bestimmen. Außerdem beantragte er die Beiziehung der Akte aus dem selbständigen Beweisverfahren vor dem Amtsgericht Hildburghausen (Az.: 21 H 13/99). Das Landgericht Meiningen verfügte daraufhin die Beiziehung dieser Akte. Am 11.01.2006 nahm der Kläger den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides zurück. Der Beklagte hat im Folgenden beantragt, dem Kläger nach Klagerücknahme die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens 21 H 13/99 des Amtsgerichts Hildburghausen aufzuerlegen. Mit Beschluss vom 27.01.2006 hat das Landgericht Meiningen die beantragte Kostenentscheidung erlassen. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger sofortige Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, ihm lediglich die Kosten des Rechtsstreits 1 O 1018/04 aufzuerlegen. Diesem Antrag hat das Landgericht Meiningen mit Beschluss vom 20.02.2006, dem Beklagten zugestellt am 23.02.2006, entsprochen, woraufhin der Beklagte am 09.03.2006 sofortige Beschwerde eingelegt hat mit dem Antrag, den Beschluss vom 20.02.2006 aufzuheben und den Ausgangsbeschluss vom 27.01.2006 wieder herzustellen. Das Landgericht Meiningen hat mit Beschluss vom 05.04.2006 dieser sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und das Beschwerdeverfahren dem Thüringer Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Meiningen vom 20.02.2006, Az.: 1 O 1018/04, ist gemäß §§ 269 Abs. 5 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässig.

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.

Der Kläger hat in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO auch die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens vor dem Amtsgericht Hildburghausen zum Aktenzeichen 21 H 13/99 zu tragen.

Die Frage, ob die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens nach Rücknahme der Klage im Hauptsacheverfahren von der Kostenentscheidung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO erfasst werden, ist streitig (dafür: OLG Düsseldorf, BauR 1997, 349; OLG Frankfurt, NJW-RR 2004, 70; OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.03.2004, Az.: 12 W 160/03, zitiert nach juris; Hanseatisches OLG Hamburg, BauR 2002, 1283; Zöller-Herget, ZPO, 25. Auflage, § 494a Rdnr. 4a; dagegen: OLG Koblenz, NJW 2003, 3281; OLG Köln, MDR 2002, 1391; OLG Köln, BauR 2003, 290; OLG München, NJW-RR 1998, 1078; Münchener Kommentar-Lüke, ZPO, 2. Auflage, § 269 Rdnr. 51; Zöller-Greger, ZPO, 25. Auflage, § 269 Rdnr. 18b).

Der BGH hat die Einbeziehung der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens in die Kosten des Hauptsacheverfahrens für den Fall abgelehnt, in dem das selbständige Beweisverfahren zur Zeit der Klagerücknahme noch nicht abgeschlossen war (BGH, Beschluss vom 21.07.2005, Az.: VII ZB 44/05, abgedruckt in: ZfBR 2005, 790). Es hat in diesem Beschluss eine Entscheidung zu der oben bezeichneten Streitfrage für die übrigen Fallkonstellationen ausdrücklich offengelassen.

Aus der Rechtsprechung des BGH ergeben sich jedoch Anhaltspunkt dafür, dass die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu den Kosten des Hauptsacheverfahrens gehören:

Grundsätzlich stellen die im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten solche des nachfolgenden Hauptsacheverfahrens dar, sofern die Parteien und der Streitgegenstand beider Verfahren identisch sind. Dies hat seinen Grund darin, dass das selbständige Beweisverfahren tatsächliche Grundlagen für ein anschließendes Hauptsacheverfahren schafft, es also in diesem Sinne vorbereitet; dementsprechend steht gemäß § 493 Abs. 1 ZPO die Beweiserhebung im selbständigen Beweisverfahren einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich. Zwar kommt es nicht darauf an, ob das im selbständigen Beweisverfahren gewonnene Beweisergebnis verwertet worden ist oder die Entscheidung des Hauptsacheverfahrens auf anderen Gründen beruht. Von einem nachfolgenden Hauptsacheverfahren im Sinne der dargestellten Kostenregelung kann aber nur dann gesprochen werden, wenn vor dessen Abschluss die abgeschlossene Beweiserhebung des selbständigen Beweisverfahrens vorlag und hätte herangezogen werden können oder wenn die Zuständigkeit für das Beweisverfahren vor dem Abschluss der Beweiserhebung auf das Gericht der Hauptsache überging, weil dieses eine Beweisaufnahme für erforderlich hielt und deshalb die Akten des selbständigen Beweisverfahrens beizog. Denn nur unter diesen Voraussetzungen konnte das selbständige Beweisverfahren in einer solchen Weise der Vorbereitung gerade dieses Hauptprozesses dienen, dass es gerechtfertigt erscheint, dann über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auch in diesem Hauptsacheverfahrens zu entscheiden (BGH, ZfBR 2005, 790).

Nur dann, wenn kein Hauptsacheverfahren anhängig ist, ergeht im selbständigen Beweisverfahren auf Antrag eine Kostenentscheidung (BGH, Beschluss vom 14.10.2004, Az.: VII ZB 23/03, abgedruckt in: BGH-Report 2005, 265; BGH, Beschluss vom 10.03.2005, Az.: VII ZB 1/04, abgedruckt in: BGH-Report 2005, 883). Ist ein Rechtsstreit in der Hauptsache anhängig, sind in die Kostenentscheidung dieses Rechtsstreits auch die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens einzubeziehen (BGH, BGH-Report 2005, 883).

Bei Anwendung der Rechtsprechung des BGH sind vorliegend die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens vor dem Amtsgericht Hildburghausen zum Aktenzeichen 21 H 13/99 in die Kostenentscheidung nach Klagerücknahme entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO einzubeziehen. Denn gerade über die Werkleistung des Klägers, die er im Mahnverfahren des Amtsgerichts Hildburghausen zur Geschäftsnummer B 1362/01 verlangt hat, das auf Antrag des Beklagten in das streitige Verfahren vor dem Landgericht Meiningen übergeleitet worden ist, war das selbständige Beweisverfahren vor dem Amtsgericht Hildburghausen zum Aktenzeichen 21 H 13/99 anhängig. Das Landgericht Meiningen hat mit Verfügung vom 02.01.2006 die Beiziehung der Akte aus diesem selbständigen Beweisverfahren angeordnet. Damit hat das Landgericht Meiningen die Beweiserhebung in diesem selbständigen Beweisverfahren gemäß § 493 Abs. 1 ZPO zum Gegenstand des Hauptsacheverfahrens gemacht, so dass die dabei angefallenen Kosten Kosten des Hauptsacheverfahrens geworden sind, welches durch Rücknahme des Klägers beendet worden ist.

Dementsprechend war der Beschluss des Landgerichts Meiningen vom 20.02.2006 aufzuheben, so dass der Kostenbeschluss des Landgerichts Meiningen vom 27.01.2006, mit dem das Landgericht die Kostentragungspflicht des Klägers unter Einbeziehung der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens angeordnet hatte, wieder wirksam ist.

Da die sofortige Beschwerde des Beklagten Erfolg hat, hat der Kläger gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahrens ist gemäß §§ 3 ZPO, 47 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG nach den im selbständigen Beweisverfahrens vor dem Amtsgericht Hildburghausen entstanden Gerichtskosten einschließlich der Kosten für die Einholung des Sachverständigengutachtens und den außergerichtlichen Kosten zu einem Streitwert von 8.000,00 DM zu bemessen.

Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zugelassen, da der BGH im Beschluss vom 21.07.2005, Az.: VII ZB 44/05, eine Entscheidung über die Streitfrage, ob die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens nach Rücknahme der Klage im Hauptsacheverfahren zu den Kosten nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zählen, ausdrücklich offengelassen hat.

Ende der Entscheidung

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