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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 30.11.2005
Aktenzeichen: 6 U 906/04
Rechtsgebiete: EG, GmbHG, InsO


Vorschriften:

EG Art. 87
GmbHG § 30
GmbHG § 31
GmbHG § 32a Abs. 3
InsO §§ 129 ff
1. Im Rahmen der Rückforderung europarechtswidrig gewährter Beihilfen sind die Vorschriften des deutschen Kapitalerhaltungs- und Insolvenzrechts zu beachten, soweit hierdurch nicht der Zielsetzung des Beihilfenverbots zuwider gehandelt wird.

2. Das europäische Beihilferecht steht einer auf die Rechtsprechungsgrundsätze gem. §§ 30, 31 GmbHG analog gestützten Rückforderung einer als verbotene Beihilfe zu qualifizierenden kapitalersetzenden Finanzierungshilfe des Gesellschafters nicht entgegen.

3. Auch Bereicherungsansprüche eines Gesellschafters, die aus einer nichtigen - weil europarechtswidrigen - Darlehenshingabe resultieren, können kapitalersetzend verstrickt sein, wenn sie in der Krise der Gesellschaft stehen gelassen werden.

4. Das Kleingesellschafterprivileg des § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG findet keine Anwendung, wenn die Finanzierungshilfe des Gesellschafters bereits vor dem Inkrafttreten der Regelung am 24.04.1998 verstrickt war; der spätere Zeitpunkt der Rückzahlung ist hingegen unmaßgeblich.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 906/04

Verkündet am: 30.11.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h. c. Bauer, den Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Bayer und die Richterin am Oberlandesgericht Reichertz

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09.11.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Erfurt vom 7.9.2004 - 1 HKO 260/02 wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.641.194,49 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins aus 12.424.392,71 € seit dem 21.03.2002, aus 1.562.707,39 € seit dem 14.08.2000 und aus 654.094,39 € seit dem 13.09.2000 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung des Klägers sowie die selbstständige Anschlussberufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz tragen der Kläger 25% und die Beklagte 75%, von den Kosten der 2. Instanz der Kläger 22% und die Beklagte 78 %. Der Kläger trägt darüber hinaus die Kosten der Nebenintervention für beide Instanzen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter der heute unter L. GmbH (L.) firmierenden Schuldnerin in der 2. Instanz noch insgesamt 4 Forderungen gegen die Beklagte geltend: 4.180.681,64 Euro aus einem zwischen der L. und der Beklagten am 25.10.1996 geschlossenen Vergleich (= Forderung 1) sowie insgesamt 14.641.194,49 Euro nach den Vorschriften über die Insolvenzanfechtung bzw. des Kapitalersatzrechts. Die Beklagte ist der Auffassung, dass durch den Vergleich die streitgegenständliche Zahlungsverpflichtung nicht begründet worden sei; im übrigen erfüllten die Klageforderungen zum einen nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen der Insolvenzanfechtungs- bzw. Kapitalersatzvorschriften, zum anderen stehe einer Geltendmachung aber auch der Vorrang des europäischen Beihilferechts entgegen.

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 22.12.2000 durch das Amtsgericht Meiningen das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Die Schuldnerin L. firmierte bis zum 18.12.1997 unter C.A. GmbH (C. alt), diese wiederum bis zum 12.10.1994 unter P.-A. GmbH (PA). Die PA wurde am 24.11.1992 als Tochter der P. GmbH & Co KG durch übertragende Umwandlung der P.& R. GmbH & Co Beteiligungs KG (Besitzgesellschaft) sowie der P. & R. GmbH & Co KG (Betriebsgesellschaft) errichtet; die Rechtsvorgängerinnen der PA sind ihrerseits aus einem Joint Venture zwischen dem VEB Kombinat R. und der R.E. P. GmbH & Co Beteiligungs KG hervorgegangen und gehörten ebenso wie dann die PA selbst zur sog. "P.-Gruppe". Unternehmensgegenstand der PA war der Betrieb des bereits zuvor von der P. GmbH&Co Konstruktions KG errichteten Werkes zur Herstellung von Compact Discs in A. /Thüringen.

Im Zusammenhang mit der Gründung der Joint-Venture-Gesellschaft, der Errichtung, dem Betrieb und der Umstrukturierung des CD-Werkes in A. /Thüringen sind von der öffentlichen Hand finanzielle Mittel in Höhe von über 550 Mio DM geflossen. Diese Leistungen erfolgten zum Teil durch die Beklagte, zum Teil aber auch durch andere Einrichtungen der öffentlichen Wirtschaftsförderung aus Thüringen und aus Bayern.

Im Jahre 1992 gewährte das Finanzamt Suhl der PA eine Investitionszulage in Höhe von 6.137.404,00 DM; die Beklagte gewährte der PA am 29.9.1993 ein Darlehen über 20 Mio DM (= Kredit 1).

Am 25.7.1995 wurde über das Vermögen aller zur P.-Gruppe gehörenden Gesellschaften das Konkursverfahren eröffnet. Die PA war hiervon jedoch nicht betroffen; denn bereits mit der sog. "Sanierungsvereinbarung" vom 7.3.1994 hatten die Streithelferin zu 98% und die Beklagte zu 2% die Geschäftsanteile an der PA im Nominalwert von 33.001.000,- DM rückwirkend zum 1.1.1994 zum Kaufpreis von 3.000.001,- DM übernommen; zusätzlich wurden 12 Mio DM in die Kapitalrücklage der PA geleistet.

Sowohl die Beklagte als auch die Streithelferin sind Einrichtungen zum Zwecke der Wirtschaftsförderung in Thüringen. Beide Gesellschaften standen bis zum 28.8.2003 in folgender Beziehung zueinander: Persönlich haftende Gesellschafterin der Streithelferin war die T GmbH (T.), deren Anteile vollständig vom Thüringer Industriebeteiligungsfonds (TS.) - einer Stiftung bürgerlichen Rechts mit dem Freistaat Thüringen als Stifter - gehalten werden. Einziger Kommanditist der Streithelferin und alleiniger Kapitalinhaber und stimmberechtigter Gesellschafter war ebenfalls der TS.. Alleinvertretungsberechtigter Vorstand des TS. war nach der Stiftungssatzung die Beklagte, handelnd durch ihre satzungsmäßigen Organe. Nach § 10 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages der Streithelferin bedürfen bestimmte wichtige Maßnahmen der vorherigen Zustimmung durch einen eingesetzten Beirat, der aus 9 Mitgliedern besteht und mit 2/3-Mehrheit entscheidet. Für 2 Beiratsmitglieder hat die Beklagte als Vorstand des TS. ein Entsendungsrecht; 4 weitere Beiratsmitglieder werden durch die Gesellschafterversammlung gewählt (§ 13 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages).

Zur Konsolidierung der PA erfolgten in der Folgezeit weitere Zahlungen: So gewährte die Beklagte der PA am 3.3.1994 ein weiteres Darlehen über 25 Mio. DM (= Kredit 2) und am 11.10.1994 über 15 Mio. DM (= Kredit 3). Am 27.1.1995 wurden von der Beklagten - nunmehr an die C.- alt - weitere Darlehen über 9,5 Mio. DM (= Kredit 4). sowie im Rahmen einer Umschuldung am 20.11.1995 über 15 Mio. DM (= Kredit 5) gewährt. Die Streithelferin gewährte im April 1994 ein Darlehen über 3,5 Mio. DM, der Freistaat Bayern über die LfA Bayern gewährte im Jahr 1994 Darlehen über insgesamt 24 Mio. DM, die von der Beklagten am 7.11.1995 gegen Zahlung von 15 Mio. DM übernommen wurden.

Mit Schreiben v. 18.8.1995 und vom 18.12.1995 erklärte die Beklagte Rangrücktritte bezüglich ihrer Darlehensforderungen (einschließlich Zinsen).

Die testierten Bilanzen der Schuldnerin weisen seit 1993 eine Überschuldung bzw. durch Eigenkapital nicht gedeckte Jahresfehlbeträge in erheblichem Umfang aus. Zum Stichtag 31.12.1993 wies die Bilanz der Schuldnerin einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 124.148.000 DM aus, 1994 betrug der Fehlbetrag 77.817.000 DM, 1995 95.601.000 DM, 1996 29.607.000 DM, 1997 51.802.317,48 DM, 1998 65.075.228,16 DM und 1999 75.517.273,42 DM. Mit Registereintragung vom 18.10.1999 wurde das Stammkapital der Schuldnerin auf 1.000.000 Mio. DM herabgesetzt. Trotzdem betrug zum 31.12.2000 der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag 201.798.529,36 DM.

Die Schuldnerin hatte im Jahre 1993 Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten in Höhe von ca. 128 Mio. DM. Im Rahmen der Umschuldung auf die Gesellschafter wurde dieser Betrag bis zum 31.12.1994 auf 487.000 DM reduziert. Hierbei handelte es sich lediglich noch um kurzfristige Verbindlichkeiten. Bis zum Jahre 2000 begründete die Schuldnerin keinerlei mittel- oder langfristige Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten. Lediglich ein Kontokorrent bis maximal ca. 4 Mio. DM wurde in Anspruch genommen. Dieses Kontokorrent wurde durch eine Bürgschaft der Beklagten gesichert.

Es ist unstreitig, dass die Schuldnerin in dieser Zeit keine Kredite von Dritten zu vergleichbaren Konditionen bekommen hat.

Mit Schreiben vom 6.10.1994 ersuchte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften um Informationen über die staatliche Förderung des CD-Werkes in A. /Thüringen. Daraufhin notifizierten die deutschen Behörden mit Schreiben vom 9.11.1994 staatliche Beihilfen zugunsten der PA sowie der P.-Gruppe. Am 15.11.1994 ersuchte die Kommission um erläuternde Informationen, die von den deutschen Behörden mit Schreiben vom 7.3.1995 übermittelt wurden. In der Zeitspanne August 1995 bis Januar 1998 wurde die Beihilfenproblematik in weiteren Schreiben und Treffen erörtert. Am 17.7.1998 setzte die Kommission Deutschland in Kenntnis, dass ein förmliches Prüfverfahren gem. Art. 88 II EG eröffnet werde, weil der Verdacht einer Mittelfehlverwendung begründet sei. Mit Bescheid vom 21.6.2000 stellte die Kommission fest, dass für die CD-Fabrik in A./Thüringen unzulässige Beihilfen im Umfang von insgesamt 426,87 Mio. DM gewährt worden seien und dass Deutschland die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen habe, um die rechtswidrig erlangten Beihilfen "von den jeweiligen Empfängern" zurückzufordern (wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 21.6.2000, Anlage K 12 d. A. verwiesen). Dieser Bescheid wurde sowohl der L. als auch der Beklagten mit Schreiben des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur vom 9.8.2000 zugestellt. Der Freistaat Thüringen hat gegen den Bescheid Nichtigkeitsklage gem. Art. 230 EG erhoben; mit Urteil vom 19.10.2005 hat das Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (EuG) den Bescheid in den hier entscheidenden Punkten bestätigt (EuG Urteil vom 19.10.2005 Rs T-310/00 Freistaat Thüringen/Deutschland - Kommission).

Sowohl der Kläger als auch die Beklagte gehen - ebenso wie der erkennende Senat - im vorliegenden Rechtsstreit davon aus, dass die von der Beklagten gewährten Leistungen bereits aufgrund der nicht zuvor erfolgten Notifizierung als rechtswidrige Beihilfe iSv Art. 88 II EG zu qualifizieren sind.

Noch während des Vorprüfungsverfahrens der Kommission, nämlich am 25.10.1996, schlossen die C.-alt sowie die Beklagte und die Streitverkündete einen Vergleich, in dem die Beklagte gegenüber der C.-alt auf verschiedene Forderungen im Nennbetrag von insgesamt ca. 36,8 Mio. DM verzichtete; auch die Streithelferin verzichtete auf die Rückzahlung von Darlehensforderungen im Umfang von ca. 4,2 Mio. DM. Hintergrund dieses Vergleichs waren Zweifel über die ordnungsgemäße Aufbringung des Stammkapitals (Sacheinlage) im Rahmen der Gründung der PA im Jahre 1992. Weiterhin heißt es unter § 2 Nr. 3: "C. oder deren Rechtsvorgängerinnen haben in den Jahren 1991 und 1992 insgesamt 19.426.408,00 DM Investitionszulagen erhalten. Insoweit besteht die Möglichkeit, das seitens der Finanzbehörden wie bei den Investitionszuschüssen ein anteiliger Betrag in Höhe von ca. 9,9 Mio. DM zurückgefordert wird." § 2 Nr. 4 lautet: "T. und TB. verpflichten sich hiermit gesamtschuldnerisch zum Zwecke der Erledigung etwaiger noch bestehender Einlageverpflichtungen gegenüber der C., dafür Sorge zu tragen, dass C. auch von der Verpflichtung zur Rückzahlung dieser Investitionszulagen befreit wird" (bezüglich des übrigen Inhalts des Vergleichs wird Bezug genommen auf Bl. 7, 8 und Anlage K 6 d. Akte).

Mit Vertrag vom 17.12.1997 und mit Wirkung zum 1.1.1998 veräußerte die C.-alt den gesamten operativen Geschäftsbetrieb "Herstellung von Compact Discs und Boxen" einschließlich der dazugehörenden Sachanlagen zu einem (vorläufigen) Kaufpreis von 33,5 Mio. DM an die zuvor für diesen Zweck errichtete Fa. MD. GmbH, einer 100%igen Tochter der Streithelferin. Der Kaufpreis sollte nach § 8 Nr. 2 des Vertrages durch Übernahme von Darlehensverbindlichkeiten der C.- alt gegenüber der Beklagten in Höhe von insgesamt 33,5 Mio. DM (9,5 Mio. DM, 15 Mio. DM und 9 Mio. DM = Kredite 3,4,5) geleistet werden.

Ausgenommen von diesem Verkauf waren das gesamte unbewegliche Vermögen und alle Sachanlagen, die dem Geschäftsbereich Logistik der Schuldnerin (C.-alt) zugeordnet waren. Am 18.12.1997 wurde die C.-alt in L.L. GmbH umfirmiert. Am 01.01.1998 wurde die MD..in CDD. GmbH umfirmiert (C.- neu).

Mit Bescheid vom 5.8.1999 verlangte das Finanzamt Suhl von der L (Schuldnerin) die Rückgewähr der im Jahre 1992 gezahlten Investitionsbeihilfe in Höhe von 6.137.404,- DM zuzüglich Zinsen in Höhe von 2.148.090,- DM.

Am 29.2.2000 löste die C.-neu in Erfüllung der Vereinbarung vom 17.12.1997Darlehen in Höhe von 24,3 Mio DM (12.424.392,71 Euro) ab, die von der Beklagten an die Schuldnerin gewährt worden waren und zahlte diesen Betrag an die Beklagte aus [Forderung 4]. Hierfür wurde der C.- neu von der Deutschen Bank ein Kredit gewährt, der mit einer Grundschuld besichert wurde, die von der Beklagten zugunsten der C.- neu freigegeben worden war.

Am 19.5.2000 veräußerte die L ihre mit einer Grundschuld zugunsten der Beklagten belastete Betriebsimmobilie sowie ein Hochregallager an die G Industrieanlagen GmbH und die GF Industrie GmbH & Co KG; der Kaufpreis von insgesamt 9.456.000,- DM wurde auf ein Treuhandkonto überwiesen, von dem die L. am 13.9.2000 zur Erfüllung des Rückforderungsbescheids an das Finanzamt Suhl einen Betrag in Höhe von 8.176.702,57 DM zahlte; der restliche Kaufpreis in Höhe von 1.279.297,43 DM (= 654.094,39 Euro) wurde zur Tilgung eines mit einer Grundschuld gesicherten Darlehens der Beklagten verwendet und am 13.9.2000 an die Beklagte ausgezahlt [= Forderung 3].

Die restlichen Sachanlagegüter wurden an die C.- neu veräußert; aus den Erlösen hierfür leistete die Gemeinschuldnerin an die Beklagte am 14.8.2000 eine Zahlung in Höhe von 3.056.390,- DM (= 1.562.707,39 Euro [= Forderung 2]).

Am 22.9.2000 wurde von der L. der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt.

Der Kläger forderte mit Schreiben vom 12.06.2001 die Beklagte auf, an ihn als Insolvenzverwalter der Schuldnerin aufgrund einer Insolvenzanfechtung einen Betrag von DM 4.335.687,43 (2.216.801,78 €) zu zahlen. Mit Schreiben vom 21.03.2002 forderte er die Beklagte auf, einen Betrag von insgesamt 19.588.813,87 € aufgrund von Insolvenzanfechtung zu zahlen.

Der Kläger hat seine Forderungen in I. Instanz wie folgt begründet: Aus dem Vergleich vom 25.10.1996 folge, dass die Beklagte zur Freistellung der Schuldnerin im Hinblick auf die im Jahre 1992 gewährte Investitionszulage verpflichtet sei; nach erfolgter Zahlung durch die Schuldnerin habe sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch auf Erstattung der geleisteten Investitionszulage in Höhe von € 4.180.681,64 umgewandelt (Forderung 1). Darüber hinaus seien die von der C.-neu in Erfüllung des Vertrages vom 17.12.1997 an die Beklagte zu Lasten der Schuldnerin geleisteten Zahlungen in Höhe von € 12.424.392,71 (Forderung 4), € 1.562.707,39 (Forderung 3) und € 654.094,39 (Forderung 2) nach erfolgter Insolvenzanfechtung zurück zu erstatten. Bei den Darlehen habe es sich um kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen der Beklagten gehandelt. Darüber hinaus ergebe sich der Rückzahlungsanspruch aus den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zu §§ 30, 31 GmbHG. Die Darlehen seien in der Krise gewährt bzw. stehengelassen wurden. Überdies habe die Beklagte für diese Darlehen einen umfassenden Rangrücktritt erklärt. Die Schuldnerin sei zum Zeitpunkt der Zahlung zahlungsunfähig gewesen, was die Beklagte als nahe stehende Person gewusst habe. Kleinbeteiligungsprivileg und Sanierungsprivileg seien ebenfalls nicht anwendbar. Die Beklagte habe kollusiv darauf hingearbeitet, ihre Darlehen vor der unausweichlichen Insolvenz der Schuldnerin zu sichern.

Der Kläger hat in der I. Instanz darüber hinaus noch eine weitere Forderung über 766.937,82 Euro aus einem mit der Fa. A. geschlossenen Vergleich (= Forderung 5) geltend gemacht.

Der Kläger hat nach Erweiterung seiner ursprünglichen Teilklage in 1. Instanz beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger als Insolvenzverwalter € 19.588.813,95 nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus € 2.216.801,78 seit dem 16.07.2001, ansonsten seit dem 08.04.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise den Rechtsstreit gem. § 148 ZPO auszusetzen und dem EuGH gem. Art. 234 EG folgende Frage vorzulegen:

"Sind die Art. 87 - 89 EG-Vertrag und der § 14 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 21. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 93 des EG-Vertrages dahingehend auszulegen, dass sie der Anwendung der eigenkapitalersetzenden Vorschriften §§ 30 - 32 b GmbHG, § 143 Abs. 1 i.V.m. §§ 129 - 135 InsO für den Fall entgegenstehen, dass die Europäische Kommission mit rechtskräftigem Bescheid die rechtswidrige Ausreichung von staatlichen Beihilfen festgestellt hat mit der Folge, dass die die Beihilfen ausreichende Stelle einem Zahlungsverlangen des Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren entgegenhalten kann, dass Zahlungen der staatlichen Stelle unter dem Regime der §§ 30 - 32 b GmbHG, § 143 Abs. 1 i.V.m. §§ 129 - 135 InsO dem aus dem rechtskräftigen Beihilfebescheid der Europäischen Kommission folgenden Rückforderungsverlangen entgegenstehen und dass die Vorschriften der §§ 30 - 32 b GmbHG, § 143 Abs. 1 i.V.m. §§ 129 - 135 InsO insoweit hinter dem höherrangigen Primär- und Sekundärgemeinschaftsrecht zurückstehen".

Die Beklagte ist der Auffassung, dass aus dem Vergleich vom 25.10.1996 keine Verpflichtung zur Freistellung hergeleitet werden könne. Sie und die Streithelferin hätten sich lediglich verpflichtet, sich um eine Freistellung zu bemühen. Ein Erfolg oder die Übernahme von Verbindlichkeiten seien nicht geschuldet gewesen. Die zur Darlehenstilgung erbrachten Leistungen der Schuldnerin seien nicht zurückzugewähren. Die Rückzahlung verstoße gegen den Bescheid der EU-Kommission. Die europäische Beihilferegelung sei gegenüber nationalem Recht vorrangig. Darüber hinaus seien die Darlehen nicht als kapitalersetzend zu qualifizieren. Der Beklagten sei die schlechte wirtschaftliche Situation der Schuldnerin nicht bekannt gewesen. Jedenfalls sei die Schuldnerin im Zeitpunkt der Rückgewähr der Darlehen nicht zahlungsunfähig gewesen. Es fehle überdies die Gläubigerbenachteiligungsabsicht.

Mit Schriftsatz vom 22.10.2002 hat die Beklagte der T-GmbH & Co KG (TB) den Streit verkündet und sie aufgefordert, dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beizutreten. Die Streitverkündete hat ihren Beitritt auf Seiten der Beklagten mit Schriftsatz vom 25.11.2002 im Hinblick auf die Forderungen 1 und 5 erklärt und insoweit als Streithelferin Abweisung der Klage in Höhe von 4.947.619,46 Euro beantragt.

Im Hinblick auf die Forderung 5 über 766.937.82 Euro hat das LG Erfurt Beweis erhoben. Mit Urteil vom 7.9.2004 wurde die Beklagte zur Zahlung von 2.216.801.78 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.07.2001 verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen.

Zur Begründung wurde ausgeführt: Aus dem Vergleich vom 25.10.1996 (Forderung 1) könne kein unmittelbarer Zahlungsanspruch hergeleitet werden. Selbst wenn nach dem Parteiwillen ein unmittelbarer Zahlungsanspruch hätte begründet werden sollen, wäre ein solcher Anspruch wegen eines Verstoßes gegen das EU-Beihilferecht gemäß § 134 BGB nichtig gewesen. Die Beklagte sei auch nicht von einer eigenen Verpflichtung befreit worden.

Bezüglich des Vergleichs mit A. (Forderung 5) sah es das Erstgericht für erwiesen an, dass die von der Beklagten geltend gemachte anderweitige Vereinbarung getroffen wurde.

Das LG Erfurt kam zu der Auffassung, dass die gewährten Darlehen und Rangrücktritte (Forderung 4) wegen eines Verstoßes gegen das EU-Beihilferecht nichtig waren. Der Beklagte stehe daher ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Schuldnerin zu, der auch nicht iS eines Kapitalersatzes "stehengelassen" wurde; Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung könnten nämlich nicht kapitalersetzend verstrickt werden. Daher könne es offen bleiben, ob das "Stehenlassen" seinerseits eine nichtige Beihilfe gewesen sei. Wenn die Rückzahlung der Bereicherung - wie hier der Fall - vor Insolvenzeröffnung erfolge, könne dieser Zustand, der von der Rechtsordnung verlangt werde, nicht durch eine Insolvenzanfechtung nach § 135 InsO konterkariert werden. Im Hinblick auf eine Anfechtung gem. § 133 InsO fehle es an einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und einer entsprechenden Kenntnis der Beklagten Das gleiche gelte für die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit.

Begründet gem. § 130 Abs. 1 InsO seien dagegen die Ansprüche des Klägers aus den Forderungen 2 und 3, da die Zahlungen innerhalb von 3 Monaten vor Insolvenzantragstellung erfolgten. Die Kenntnis der Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ergebe sich aus § 130 Abs. 3 InsO, denn die Beklagte sei aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbindung mit der Streithelferin als nahe stehende Person im Sinne von § 138 Abs. 2 InsO zu betrachten. Entscheidend sei insoweit nicht die Möglichkeit zur unternehmerischen Einflussnahme, sondern die Informationsmöglichkeit. Diese Zahlungen stünden auch nicht im Widerspruch zu europäischen Beihilferecht, denn durch die Zahlung an den Insolvenzverwalter sei sichergestellt, dass ihnen keine wettbewerbsverzerrende Wirkung zukomme.

Gegen dieses Urteil legte der Kläger form- und fristgerecht Berufung ein, soweit das Landgericht die Klageforderung in Höhe von 16.605.074,35 € abgewiesen hat. Nicht angegriffen wurde somit die Abweisung der Klage im Hinblick auf die Forderung 5 über 766.937,82 Euro.

Im Wesentlichen wiederholt der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag und bekräftigt seinen Rechtsstandpunkt, wonach die Anwendung der Insolvenzanfechtungs- und Kapitalersatzvorschriften nicht durch vorrangiges Europarecht ausgeschlossen sei. Im einzelnen ist er der Ansicht, dass sich der Rückzahlungsanspruch hinsichtlich des aus dem Verkauf des Geschäftsbetriebes am 17.12.1997 erzielen Erlöses in Höhe von € 12.424.392.71 (Forderung 4) aus § 135 und § 133 InsO, aber auch aus §§ 30, 31 GmbHG analog sowie darüber hinaus aus § 826 BGB sowie der Rechtsfigur der Existenzvernichtungshaftung ergebe. Die Schuldnerin habe mit Kenntnis der Beklagten durch die Veräußerung des Betriebsgrundstücks auf die C.-neu vorsätzlich ihre Gläubiger benachteiligt, da sie auf den Erhalt des vereinbarten Kaufpreises verzichtet und sich damit begnügt habe, dass die C.-neu anstelle der Kaufpreiszahlung nicht werthaltige Verbindlichkeiten der Schuldnerin übernommen habe. Denn da es sich bei diesen Verbindlichkeiten um kapitalersetzende Forderungen gehandelt habe, die der Beklagten gegenüber der Schuldnerin zustehen, seien durch die Schuldübernahme und die spätere Zahlung der C.-neu an die Beklagte in Erfüllung dieser Schuld der Masse der Schuldnerin keine Vermögenswerte zugeflossen; die Befreiung von den kapitalersetzenden Forderungen der Beklagten sei für die Schuldnerin vielmehr ergebnisneutral gewesen. Kleinbeteiligungsprivileg und Sanierungsprivileg fänden aus sachlichen und zeitlichen Gründen keine Anwendung. Aufgrund der Beteiligungsstruktur seien die Vorschriften darüber hinaus aber auch in persönlicher Hinsicht nicht anwendbar. Der Nachrang der durch die C. neu übernommenen Verbindlichkeiten ergebe sich aber auch allein aus dem vereinbarten Rangrücktritt; eine Rückgewähr sollte danach nur erfolgen, wenn bei der Schuldnerin freie Gewinne oder Liquidationserlöse vorhanden waren. Diese Situation habe nicht vorgelegen, so dass auch ein fälliger Anspruch auf Tilgung der Verbindlichkeiten nicht bestanden habe. Insbesondere stehe auch weder der Kommissionsbescheid im speziellen noch das europäische Beihilferecht im Allgemeinen einer Rückforderung der Zahlungen entgegen, da die Beihilferückforderung im Rahmen der mitgliedstaatlichen Gesetze zu erfolgen habe und ein Vorrang gegenüber dem gläubigerschützenden Insolvenz- und Kapitalersatzrecht nicht anzuerkennen sei.

Entgegen der Auffassung des Erstgerichts ist der Kläger weiter der Ansicht, dass sich aus der Auslegung des Vergleichs vom 25.10.1996 eine Zahlungsverpflichtung entnehmen lasse. Die Beklagte habe sich verpflichtet, die Schuldnerin vor Inanspruchnahme zu schützen und gegebenenfalls freizustellen. Der Vergleich sei auch nicht nichtig, da es sich nicht um eine unzulässige Beihilfe handele. Vielmehr sollten durch den Vergleich Einlageverpflichtungen der Beklagten gegenüber der Schuldnerin getilgt werden, deren vorherige Erfüllung zweifelhaft geworden sei.

Der Kläger beantragt daher,

die Beklagte unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Erfurt vom 07.09.2004 (Az.:1 HKO 260/02) zu verurteilen, an den Kläger zur Masse 18.821.876,13 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins aus 12.424.392,71 € seit dem 29.02.2000, aus 1.562.707,39 € seit dem 14.08.2000 aus 654.094,39 € seit dem 13.09.2000 sowie aus 4.180.681,64 € seit dem Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat selbständige Anschlussberufung eingelegt und beantragt,

unter Zurückweisung der Berufung das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 07.09.2004 (Az.:1 HKO 260/02) insoweit abzuändern, als die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger € 2.216.801,78 nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 16. Juli 2001 zu zahlen. Die Klage sei vielmehr insgesamt abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass auch bezüglich der Forderungen 2 und 3 das europäische Beihilferecht dem deutschen Insolvenz- und Kapitalersatzrecht vorgehe und daher eine Rückforderung der gezahlten Beträge ausgeschlossen sei. Bereits aus Sinn und Zweck der Insolvenzvorschriften könne die vorliegende Konstellation nicht von den §§ 129 ff InsO erfasst sein. Hier habe nach Recht und Gesetz eine Verpflichtung der Beklagten bestanden, die Rückforderung der unzulässigen Beihilfen voranzutreiben. Die vom Erstgericht herangezogene Entscheidung des EuGH betreffe einen Sachverhalt, bei dem im Laufe des Insolvenzverfahrens Beihilfen zurückgefordert werden und sei nicht auf Fälle der Rückforderung vor Insolvenzantragstellung übertragbar.

Die Forderungen der Beklagten gegen die Schuldnerin seien auch nicht kapitalersetzend verstrickt gewesen. Es fehle bereits an einer Krisensituation, im übrigen würde durch die Leistungen an die Beklagte das Stammkapital nicht angegriffen; zumindest müsse ein Anspruch auf die Höhe im Zeitpunkt der Auszahlung festgesetzten Stammkapitals von 1 Mio. DM begrenzt sein.

Die Streithelferin, beantragt die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass sich aus der Auslegung des Vergleichs vom 25.10.1996 keine Zahlungsverpflichtung entnehmen lasse. Die Beklagte und die Streithelferin hätten lediglich dafür "Sorge tragen" wollen, dass die Schuldnerin nicht in Anspruch genommen wird. Eine Freistellungsverpflichtung könne dem Vergleich nicht entnommen werden. Die Streitverkündete und die Beklagte hätten bei einer Freistellungserklärung Verpflichtungen von über 50 Mio € übernommen, ohne hierfür eine angemessene Gegenleistung zu erhalten. Für eine derartige Verpflichtung habe es keinen Anlass gegeben. Wegen der bei Übernahme einer derartigen Pflicht erforderlichen und fehlenden Notifizierung als Beihilfe, sei der Vergleich bei einer derartigen Auslegung nichtig. Darüber hinaus wäre die Inanspruchnahme durch die Schuldnerin treuwidrig, da die Schuldnerin durch Rückzahlung der Zuschüsse und Insolvenzantragstellung vereitelt habe, dass die Beklagte und die Streitverkündete den nicht bestehenden Rückzahlungsanspruch des Finanzamtes Suhl abwehren.

Entscheidungsgründe:

I. Sowohl die Berufung des Klägers als auch die selbstständige Anschlussberufung der Beklagten sind zulässig. Insbesondere ist auch die hinsichtlich des Zeitpunkts der Zinsberechnung vorgenommene Klageänderung eine auch noch in der Berufung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageänderung, die nicht an die Voraussetzungen der Sachdienlichkeit oder einer Einwilligung gebunden ist, da sie nur eine Nebenforderung betrifft; die Vorschrift des § 533 ZPO findet insoweit keine Anwendung (vgl. Zöller/Greger/Gummer/Heßler, ZPO, 25.Auflage, § 264 Rn 3a, § 533 Rn. 2 f). Der für die Berechnung maßgebende Sachverhalt war bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens.

II. Jedoch hat allein die Berufung des Klägers überwiegend Erfolg.

1. Mit dem Erstgericht ist davon auszugehen, dass sich aus dem Vergleich vom 25.10.1996 kein Anspruch der Schuldnerin auf Zahlung von 4.180.681,64 € gegen die Beklagte ergibt.

Der Vergleich wurde allein vor dem Hintergrund geschlossen, dass Zweifel aufgetreten sind, ob das Stammkapital der Schuldnerin ordnungsgemäß aufgebracht worden war. Zweifelhaft war nicht nur die Werthaltigkeit der bei der Gründung in die PA eingebrachten Sacheinlagen, sondern es stellte sich noch das zusätzliche Problem, dass der Gesellschaftsvertrag der PA keinen Hinweis darauf enthielt, dass das Stammkapital in Höhe von 33.001.000,00 DM als Sacheinlage geleistet werden konnte (vgl. §§ 5 Abs. 4, 19 Abs. 5 GmbHG). Zum Zwecke der Erledigung etwaiger noch bestehender Einlageverpflichtungen verzichteten daher die Beklagte und die Streithelferin unter § 1 des Vergleiches auf Forderungen gegen die Schuldnerin in Höhe von insgesamt circa 41 Mio. DM und "verpflichteten" sich unter § 2 Nr. 2 des Vergleiches weiterhin "gesamtschuldnerisch zum Zwecke der Erledigung etwaiger noch bestehender Einlageverpflichtungen gegenüber C. dafür Sorge zu tragen, dass C. von der Verpflichtung zur Rückzahlung [der in § 2 Nr. 1 näher dargestellten] Investitionszuschüsse einschließlich aufgelaufener Zinsen befreit wird." Die Regelung bezog sich auf die in § 2 Nr. 1 erwähnte Verpflichtung der C., aufgrund eines Rückforderungsbescheids des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft und Infrastruktur vom 27.7.1995 insgesamt 32.448.000,- DM an den Freistaat zurück zu zahlen.

Die gleiche Verpflichtung wurde in § 2 Nr. 4 hinsichtlich von Investitionszulagen im Umfang von insgesamt 19.426.408,- DM übernommen, die die Schuldnerin in den Jahren 1991 und 1992 erhalten hatte und deren Rückforderung durch die Finanzbehörden drohte.

In § 3 des Vergleiches erklären die Parteien, dass durch die "vorstehend beschriebenen Leistungen ... sämtliche etwa noch bestehende Einlageverpflichtungen ... auf die von ihnen gehaltenen Geschäftsanteile, sei es wegen nicht ordnungsgemäßer Vereinbarung einer Sacheinlage, der fehlenden Werthaltigkeit der Leistung auf die Sacheinlage oder aus anderen Rechtsgründen, vollständig erledigt sind."

Die Auslegung der Vereinbarung hat nach den allgemeinen Regeln nach dem erklärten oder mutmaßlichen Parteiwillen zu erfolgen, im Zweifel nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB).Für die Auslegung einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ist demnach maßgebend, wie diese vom Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsauffassung verstanden werden musste (BGHZ 103, 275, 280; BGH, Urt. v. 24. Juni 1988 - V ZR 49/87, NJW 1988, 2878, 2879; Urt. v. 29. März 1990 - IX ZR 134/89, WM 1990, 847, 848). Dies bedeutet hier: Wer im Rahmen eines Vergleichsabschlusses das Wort "verpflichten" verwendet, verspricht dem Vertragsgegner regelmäßig ein Handeln, Dulden oder Unterlassen; hierdurch wird diesem zugleich auch ein Anspruch auf die versprochene Verhaltensweise eingeräumt. Somit haben sowohl die Beklagte als auch die Streithelferin gegenüber der Schuldnerin eine Verpflichtung übernommen. Streitig ist allein der Inhalt der übernommenen Pflicht:

Die Verwendung der Worte "Sorge tragen" ist in Verträgen weniger geläufig, denn sie führt zu Unklarheiten über den Umfang der Verpflichtung. Einerseits könnte der Vergleich eng ausgelegt werden und die Verpflichtung darauf zu begrenzen sein, dass sich die Beklagte und die Streithelferin nur bemühen sollten, eine Inanspruchnahme der Schuldnerin zu verhindern, ohne im Falle einer dennoch erfolgenden Inanspruchnahme zu haften. Der Vergleich könnte indes auch so verstanden werden, dass die Beklagte und die Streithelferin alle ihnen möglichen Maßnahmen ergreifen sollten, um eine Inanspruchnahme zu verhindern. Zu diesen Maßnahmen könnte dann auch eine Freistellung der Schuldnerin von der Haftung im Falle einer Inanspruchnahme zählen.

Die Vorinstanz war der Auffassung, dass sich dem Vergleich keine Zahlungsverpflichtung entnehmen lasse. Dieser Auslegung folgt auch der Senat, wobei entscheidend auf den Hintergrund des Vergleichs und den Gesamtzusammenhang aller getroffenen Vereinbarungen abzustellen ist:

Aufgrund der möglicherweise unwirksamen Sacheinlageleistungen bei der Gründung der Schuldnerin könnten die Beklagte und die Streithelferin äußerstenfalls zur nochmaligen Leistung der ursprünglichen (Bar-)Einlage verpflichtet gewesen sein. Da nicht genau nachvollziehbar war, wie werthaltig die getätigten Sacheinlagen waren, wurde seitens der vermeintlich verpflichteten Neugesellschafter (vgl. § 16 Abs. 3 GmbHG) auf mehrere Forderungen verzichtet, die in ihrem Nennbetrag den Umfang der möglicherweise bestehenden Einlagepflicht von 33.001.000,- DM um ca. 7 Mio. DM übersteigen. Diesen Verzicht hat die Schuldnerin angenommen.

In § 2 des Vergleiches sollten die Beklagte und die Streithelferin darüber hinaus dafür Sorge tragen, dass die Schuldnerin aus Forderungen in Höhe von insgesamt 52 Mio. DM nicht in Anspruch genommen wird. Wollte man den § 2 des Vergleiches dahingehend verstehen, dass sich die Beklagte und die Streithelferin im Fall der Inanspruchnahme der Schuldnerin verpflichten, sie von dieser Schuld freizustellen, so hätten die Verpflichteten ein nicht mehr verständliches Risiko übernommen. Denn sie hätten dann zur Begleichung einer vermeintlichen Schuld in Höhe von maximal rund 33 Mio. DM auf Forderungen verzichtet und Verpflichtungen übernommen in einem Gesamtwert von ca. 92 Mio. DM. Für eine solche "Übererfüllung" einer vermeintlichen Schuld sind keine nachvollziehbaren Gründe ersichtlich.

Eine lebensnahe Auslegung führt vielmehr zu dem Ergebnis, dass die Beklagte und die Streithelferin das Risiko der nochmaligen Einlageleistung im Wesentlichen mit dem in § 1 erklärten Forderungsverzicht abgegolten sahen, wobei auf den Nennbetrag der Forderungen angesichts der wirtschaftlichen Situation der Schuldnerin ein Aufschlag erfolgte; die Verpflichtung aus § 2 sollte hinzutreten, aber nur insoweit, als die Verpflichteten "ihre guten Kontakte" nutzen sollten, um die Inanspruchnahme der Schuldnerin im Hinblick auf die Investitionszuschüsse und Investitionszulagen zu verhindern, ohne jedoch den Erfolg zu garantieren. Die Verpflichtung "Sorge zu tragen" war somit nur im Sinne eines Bemühens durch die Beklagte und die Streithelferin übernommen worden, wobei dieses "Bemühen" insoweit Erfolg hatte, dass jedenfalls die Investitionszuschüsse gem. § 2 Nr. 2 nicht (mehr) geltend gemacht wurden (jedenfalls unter Außerachtlassung des späteren Kommissionsbescheids). Bei objektiver Betrachtung durfte auch die Schuldnerin nicht davon ausgehen, dass sie durch den Vergleich auf eine vermeintliche Forderung verzichtet und im Gegenzug von Verbindlichkeiten in dreifacher Höhe freigestellt wird.

Ob der Vergleich bereits wegen Verstoßes gegen das europäische Beihilferecht (teilweise) nichtig ist - so die Beklagte -, kann somit dahingestellt bleiben.

2. Begründet ist die Berufung allerdings insoweit, als der Kläger von der Beklagten die Zahlung von 12.424.392,71 € (Forderung 4) fordern kann. Dieser Anspruch ergibt sich aus den Rechtsprechungsgrundsätzen analog §§ 30, 31 GmbHG.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes können Darlehen und ähnliche Leistungen, die ein Gesellschafter der sonst nicht mehr lebensfähigen GmbH anstelle von Eigenkapital zuführt oder belässt, wie gebundenes Stammkapital nach den Vorschriften der §§ 30, 31 GmbH zu behandeln sein (BGHZ 76, 326 = NJW 1980, 1524, 1524). Voraussetzung ist, dass die Hergabe oder die Stundung Eigenkapitalcharakter haben, und zum anderen, dass ihre Rückgewähr zu Lasten des nach §§ 30, 31 GmbHG geschützten Stammkapitals der GmbH geht.

aa) Die von der Beklagten ab dem 1.1.1994 gewährten Darlehen haben Eigenkapitalcharakter.

(1) Die Beklagte war seit dem 01.01.1994 Gesellschafterin der Schuldnerin.

(2) Als kapitalersetzend ist ein Gesellschafterdarlehen zu qualifizieren, wenn die Gewährung des Darlehens zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem ein ordentlicher Kaufmann aufgrund der Finanzlage der Gesellschaft kein Fremd-, sondern Eigenkapital zugeführt hätte. Das ist der Fall, wenn die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt von einem Dritten zu marktüblichen Bedingungen keinen Kredit mehr bekommen hätte. Insolvenzreife (also Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) ist hierfür keine notwendige Bedingung (grundlegend BGHZ 76, 326, 330 = NJW 1980, 1524, 1525; Lutter/Hommelhoff GmbHG 16. Aufl. § 32a/b, Rn. 19 m.w.N.). Hiervon ist für die L. Logistik auszugehen.

Die Gemeinschuldnerin befand sich zumindest seit 1996 in der Krise. Zwar ist die Jahresbilanz für sich allein genommen nicht aussagekräftig (BGH Urteil v. 02.04.2001 - II ZR 261/99, NJW-RR 2001, 1043, 1044; BGH Urteil v. 18.12.2000 - II ZR 191/99, ZIP 2001, 235). Eine anhaltende rechnerische (bilanzielle) Überschuldung ist jedoch bei objektiver wirtschaftlicher Betrachtung ein wesentlicher Indikator nicht nur für eine (rechtliche) Überschuldung, sondern erst recht für das vorgelagerte Stadium der Kreditunwürdigkeit (BGH Urteil v. 23.02.2004 - II ZR 207/01, ZIP 2004, 1049, 1052).

Hier war die Schuldnerin weder im Zeitraum der gewährten Darlehen 3 - 5 (11.10.1994 bis 20.11.1995) noch in der Folgezeit in der Lage, zu vergleichbaren Bedingungen Kapital von Dritten zu erlangen. Sie hatte in der Zeit bis zum 18.10.1999 ein Stammkapital von 33.001.000 DM. Zum Stichtag 31.12.1993 wies die Bilanz einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 124.148.000 DM aus, 1994 betrug der Fehlbetrag 77.817.000 DM, 1995 95.601.000 DM, 1996 29.607.000 DM, 1997 51.802.317,48 DM, 1998 65.075.228,16 DM und 1999 75.517.273,42 DM. Mit Registereintragung vom 18.10.1999 wurde das Stammkapital der Schuldnerin auf 1.000.000 DM herabgesetzt. Trotzdem betrug der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag zum 31.12.2000 201.798.529,36 DM.

Darüber hinaus waren die Rangrücktritte der Beklagten nach Art. 88 Abs. 3 S. 3 EG nichtig. Aus diesem Grunde hätten die Forderungen der Beklagten im Jahresabschluss entsprechend berücksichtigt werden müssen, und zwar sowohl im Hinblick auf die Zinsen als auch hinsichtlich der Hauptforderung.

Nach der - zwischen den Parteien unstreitigen - Auffassung der Kommission handelte es sich bei den fraglichen Darlehen und bei den hierfür abgegebenen Rangrücktrittserklärungen um Beihilfen, die gegen Art. 88 Abs. 3 S. 3 EG verstoßen und deshalb illegal sind. Die Rechtswidrigkeit der Beihilfen folgt bereits aus der unstreitig fehlenden Notifizierung, sowohl der Darlehensgewährungen im Zeitpunkt der Auszahlung, als auch der Rangrücktritte im Zeitpunkt der Abgabe der Rangrücktrittserklärung (vgl. hierzu nur EuGH Slg. 1973, 1471, 1483, Rz. 8 - Lorenz GmbH/Bundesrepublik). Art. 88 Abs. 3 S. 3 EG ist ein Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB (BGH ZIP 2004, 498, 499). Zwar stellt die unterlassene Notifizierung zunächst nur einen formellen Verstoß dar, jedoch kommt der Gewährung ohne positive Kommissionsentscheidung materielle Bedeutung zu. Das Durchführungsverbot soll im Interesse gleicher Wettbewerbsvoraussetzungen eine verfrühte Beihilfegewährung verhindern. Daher war die Gewährung der Beihilfe gemäß § 134 BGB i.V.m. Art. 88 Abs. 3 S. 3 EG nichtig (BGH ZIP 2004, 498, 499).

Auch das vorhandene Anlagevermögen der Gesellschaft war nicht geeignet, die Fehlbeträge abzudecken. Der erzielte Erlös bei Veräußerung des wesentlichen Anlagevermögens im weiteren Geschäftsverlauf im Jahre 2000 an die C.-neu in Höhe von 33,5 Mio. DM zeigt, dass selbst bei Ansatz von Liquidationswerten eine rechnerische Überschuldung der Gesellschaft anzunehmen war. Eine positive Fortsetzungsprognose für das Unternehmen war nicht festzustellen. Im Gegenteil war aufgrund der fehlenden Notifizierung der Beihilfen bereits zu diesem Zeitpunkt zu befürchten, dass die Kommission einen Rückforderungsbescheid erlassen wird, der aufgrund des Umfangs der Rückforderungsbeträge zur Insolvenz der Gemeinschuldnerin führen wird. Bis auf den Jahresabschluss 2000 waren trotzdem noch keinerlei Rückstellungen für die Beihilfenrückzahlung gebildet wurden, obwohl die Kommission bereits seit 1994 die Rechtmäßigkeit der Beihilfen überprüfte.

Ein weiteres Indiz für den kapitalersetzenden Charakter der Darlehen ist die Tatsache, dass in der Zeit von 1993 bis 2000 der Schuldnerin keinerlei Darlehen von außenstehenden Dritten gewährt wurden, obwohl sie einen beträchtlichen Kapitalbedarf hatte. Während die Schuldnerin zum 31.12.1993 noch Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten in Höhe von 128 Mio. DM hatte, betrugen sie 1994 aufgrund von Umschuldungen auf die neuen Gesellschafter nur noch ca. 487.000 DM. In der Folgezeit wurden keinerlei mittel- oder langfristige Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten begründet. Lediglich ein Kontokorrent, das durch eine Bürgschaft der Beklagten abgesichert war, wurde bis 1999 in der Bilanz als Verbindlichkeit gegenüber Kreditinstituten ausgewiesen.

Ohne den wirtschaftlichen Beistand der Beklagten hätte die Schuldnerin diese Krisensituation nicht überwinden können. Die Darlehen der Beklagten waren somit kapitalersetzend.

(3) Die Krisensituation war für die Beklagte auch erkennbar. An die Möglichkeit, eine Krise zu erkennen, dürfen keine hohen Anforderungen gestellt werden, vielmehr ist die Erkennbarkeit prinzipiell als gegeben anzusehen. Aus der Stellung als Gesellschafter ergibt sich die grundsätzliche Verantwortung für eine seriöse Finanzierung im Rechtsverkehr, von sich aus sicherzustellen, dass er laufend zuverlässig über die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft informiert ist. Deshalb ist anzunehmen, dass der Gesellschafter die wirtschaftlichen Umstände, welche die Umqualifizierung seiner Forderungen in funktionales Eigenkapital begründen, erkannt hat oder jedenfalls hätte kennen können (BGH Urteil v. 23.02.2004 - II ZR 207/01, ZIP 2004, 1049, 1052f).

Aufgrund der zahlreichen Kredite zur Beseitigung von Liquiditätsschwierigkeiten der Schuldnerin und des Umfangs des finanziellen Engagements der Beklagten ist es lebensfremd anzunehmen, die Beklagte habe keine Kenntnis von der finanziellen Situation der Gemeinschuldnerin gehabt. Die Beklagte wusste auch, dass die Kommission ein Verfahren bezüglich der Rechtmäßigkeit der Beihilfen eingeleitet hatte, dieser Umstand bislang noch nicht in den Jahresabschlüssen berücksichtigt wurde und für den Fall der Rückforderung die Gesellschaft in die Insolvenz geführt werden müsste.

(4) Entgegen der Auffassung des Erstgerichts ist es auch unerheblich, dass die Darlehen hier nicht im Rahmen eines wirksamen Rechtsgeschäfts hingegeben bzw. stehengelassen wurden, sondern dass die jeweiligen Rechtsgeschäfte wegen Verstoßes gegen das Beihilfeverbot des Art. 88 Abs. 3 S. 3 EG gem. § 134 BGB nichtig waren.

Aufgrund der unwirksamen Darlehensgewährung erlangte die Schuldnerin die Zahlungen der Beklagten ohne Rechtsgrund. Der Beklagten stand daher - da zu den Voraussetzungen für den Ausnahmefall des § 814 BGB nichts vorgetragen ist - ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung aus § 812 Abs.1 S. 1 Alt.1 BGB gegen die Schuldnerin zu.

(5) Dieser Bereicherungsanspruch war hier von der Beklagten in der Krise der Schuldnerin nicht geltend gemacht und damit "stehen gelassen" worden; auf diese Weise hat die Beklagte der Schuldnerin kapitalersetzende Mittel zugeführt. Maßgeblich ist nach dem Sinn und Zweck des Kapitalersatzrechts eine wirtschaftliche Betrachtungsweise. Leistungen, die einem Darlehen ähnlich der Gesellschaft gewährt oder stehengelassen wurden, sind auch hinsichtlich der Rechtsfolgen gleich zu stellen. Das Nichtgeltendmachen einer Forderung ist nach Auffassung des Senats immer dann kapitalersetzend, wenn der Gesellschafter mit dem Nichtabzug der Mittel zugleich auch die Entscheidung getroffen hat, die Gesellschaft bei Eintritt der Krise weder zu liquidieren noch ihr neues Eigenkapital zuzuführen. Würde man hier das Stehenlassen der Bereicherungsansprüche nicht als kapitalersetzend qualifizieren, so hätte es der Gesellschafter in der Hand, durch die Hingabe von Mitteln aufgrund nichtiger Rechtsgeschäfte das Risiko des Eigenkapitalverlusts für den Fall der Insolvenz weitgehend auf die Gläubiger zu verlagern. Bewirkt das Stehenlassen des Bereicherungsanspruchs eine tatsächliche Perpetuierung der Mittelzuführung, dann ist dieses Verhalten in gleicher Weise kapitalersetzend wie das Stehenlassen eines wirksamen Darlehens.

Das von der Beklagten herangezogene Urteil (BGH BB 2000, 1909) steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Es wird dort nicht ausgeführt, dass Voraussetzung für die Kapitalersatzqualifikation einer Finanzierungsmaßnahme ihre Rechtswirksamkeit ist. In dem genannten Fall ging es vielmehr um einen Schuldbeitritt, der aufgrund eines Verstoßes gegen das VerbrKrG unwirksam war. In dieser Konstellation (und in ähnlichen Fällen) ist die Finanzierungsmaßnahme aufgrund der Nichtigkeit fehlgeschlagen; der Gesellschaft verbleibt kein nutzbarer Vorteil.

Stundet der Darlehensgeber aber faktisch seinen Bereicherungsanspruch aufgrund einer nichtigen Darlehensgewährung, so erlangt die Gesellschaft wirtschaftlich die gleiche Position, die sich ergeben hätte, wenn das Darlehen wirksam gewesen wäre. Sie kann mit dem ihr zu Verfügung gestellten Kapital wirtschaften und damit ihren Fortbestand sichern.

Keine Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den erklärten Rangrücktritten zu, da diese Erklärungen wegen Verstoßes gegen § 134 BGB i.V.m. Art. 88 Abs. 3 S. 3 EG ebenfalls nichtig waren. Die Nachrangigkeit der Bereicherungsansprüche der Beklagten folgt vielmehr ipso iure aus ihrer kapitalersetzenden Wirkung (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO).

Die kapitalersetzenden Mittel wurden an die Beklagte zurückgewährt. An dieser rechtlichen Bewertung ändert sich auch nichts dadurch, dass die Beklagte nicht durch die Schuldnerin, sondern durch einen Dritten befriedigt wurde. Der Dritte (C.-neu) hatte zur Erfüllung einer Pflicht zur Kaufpreiszahlung die Verpflichtung der Schuldnerin zur Rückzahlung der bereicherungsrechtlichen Forderungen übernommen. Im Zeitpunkt der Schuldübernahme waren diese Forderungen schon kapitalersetzend verstrickt. Zumindest in diesem Fall kann durch die Schuldübernahme das Kapitalerhaltungsrecht nicht umgangen werden. Die Zahlung der C.-neu an die Beklagte ist vielmehr aufgrund der für die Schuldnerin wirtschaftlich wertlosen Schuldübernahmekonstruktion so anzusehen, als hätte die Schuldnerin selbst Vermögen im Umfang von (mindestens) 12.424.392,71 € an die Beklagte geleistet.

b) Die Anwendung des Kapitalersatzrechts ist hier nicht durch § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist ein Gesellschafter von den Regeln des Kapitalersatzrechts freigestellt, sofern er nur mit 10 % oder weniger am Stammkapital der GmbH beteiligt ist und nicht deren Geschäfte führt; nach Sinn und Zweck der Regelung findet diese Privilegierung auch auf die Rechtsprechungsgrundsätze analog §§ 30, 31 GmbHG Anwendung (Pentz GmbHR 1999, 437, 450; Dauner-Lieb in v. Gerkan/Hommelhoff, HdB d. Kapitalersatzrechts, 2. Auflage, S. 111 m.w.N.).

aa) Zwar hat die Beklagte an der Schuldnerin nur eine Stammeinlage iHv 2% des Stammkapitals übernommen. Dennoch findet die Privilegierung des § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG hier aus zwei Gründen keine Anwendung: Zum einen erfasst die durch das KapAEG am 20.4.1998 in Kraft getretene Regelung nur solche Sachverhalte, in denen die Verstrickung von Gesellschafterdarlehen nach diesem Stichtag erfolgt ist. Zum anderen muß sich die Beklagte die 98%ige Beteiligung der Streithelferin an der Schuldnerin zurechnen lassen.

(1) Der Gesetzgeber hat ausweislich der Gesetzesmaterialien deshalb keine Übergangsregelung getroffen, weil er (fälschlich) davon ausging, eine bestehende Gesetzeslage festzuschreiben, so dass eine Übergangsregelung nicht erforderlich sei (vgl. BegrRegE, abgedruckt in ZIP 1997, 706, 709 f). Die Rechtsprechung hatte jedoch für die GmbH vor der gesetzlichen Neuregelung ein Kleingesellschafterprivileg stets abgelehnt. Da keine Übergangsregelung geschaffen wurde, könnte man die allgemeinen Grundsätze zu Anwendung bringen, wonach ein Sachverhalt stets nach der im Zeitpunkt der Vollendung des Tatbestandes geltenden Rechtslage zu bewerten ist. Dies würde bedeuten, dass die Rechtsfolge aus § 32a Abs. 1 GmbHG erst mit der Rückgewähr des Darlehens an den Gesellschafter ausgelöst würde, hier also zu einem Zeitpunkt, in dem die Neuregelung des § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG bereits galt (so im Ergebnis auch Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., §§ 32a, 32b, Rn 190; Roth/Altmeppen GmbHG 5. Aufl., § 32a, Rn 12).

Diese Sichtweise greift indes zu kurz. Aus der fehlenden Übergangsregelung lässt sich vielmehr entnehmen, dass bereits kapitalersetzend verstrickte Darlehen nicht nachträglich entstrickt werden sollten; die Neuregelung findet somit auf vor ihrem Inkrafttreten bereits verstrickte Darlehen keine Anwendung (so zutreffend Lutter/Hommelhoff aaO §§ 32 a/b Rn. 77 f.; Pentz GmbHR 2001, 437, 443; ders. in Rowedder/Schmidt-Leithoff GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 32a Rn. 104 ff). Darauf, dass die Rückzahlung des kapitalersetzenden Darlehens erst nach dem 24.4.1998 erfolgte, kommt es somit nicht an.

(2) Diesen Standpunkt hat auch der Bundesgerichtshof eingenommen. Er hat sich nämlich in seiner Entscheidung vom 27.11.2000 dahingehend geäußert, dass die Neuregelung aufgrund ihres gesetzesändernden Charakters nicht rückwirkend, sondern nur auf solche Tatbestände des Kapitalersatzrechts anzuwenden sei, die nach dem Inkrafttreten der Regelung am 24.04.1998 verwirklicht wurden (BGH ZIP 2001, 115 m. Anm. v. Gerkan EWiR 2001, 379); diese Auffassung wurde in der Entscheidung vom 11.7.2005 nochmals ausdrücklich bestätigt (BGH ZIP 2005, 1638). Wann der Tatbestand "verwirklicht" ist, hat der BGH zwar nicht deutlich gemacht. § 32 a Abs. 1 GmbHG stellt jedoch auf die Verstrickung des Rückzahlungsanspruchs als kapitalersetzend ab. Die Verstrickung tritt bei Hingabe in der Krise aber bereits in diesem Zeitpunkt und bei stehengelassenen Darlehen bereits mit Eintritt der Krise und unterbliebener Rückforderung ein. Von diesem Moment an ist das Darlehen solange kapitalersetzend verstrickt, bis die Krise überwunden ist.

(3) Auch die Gesetzesbegründung spricht für eine solche Auslegung: Durch die Gesetzesänderung sollte die Bereitstellung von Risikokapital attraktiver gemacht werden, weshalb die Änderung auch in das Aktionsprogramm der Bundesregierung für Investitionen und Arbeitsplätze aufgenommen wurde (RegE z. KapAEG ZIP 1997, 707, 710). Um die Attraktivität des Risikokapitals zu erhöhen, ist es nicht erforderlich, die gesetzliche Regelung auf bereits gewährte Finanzierungshilfen auszuweiten. Diese Mittel wurden bereits nach der alten Rechtslage gewährt und sind unter Umständen bereits kapitalersetzend verstrickt. Es ist kein Grund ersichtlich, warum man den Gläubigern kapitalersetzend verstrickter Darlehen eine solche Bevorzugung zu Teil werden lassen soll. Die Vorschrift dient vielmehr zukunftsorientiert der Verbesserung der Finanzsituation der Unternehmen, nicht aber der nachträglichen Besserstellung von Altgläubigern und findet somit auf Kredite, die vor Einführung der Vorschrift bereits kapitalersetzend verstrickt waren, keine Anwendung.

(bb) Aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbindung sind der Beklagten die Gesellschaftsanteile der Streithelferin zuzurechnen, sodass die Beklagte auch bei einer Beteiligung von lediglich 2 % eine Finanzierungsfolgenverantwortung trifft.

(1) Hinsichtlich der Aktiengesellschaft fordert der BGH eine unternehmerische Beteiligung. Diese sei grundsätzlich bei einem Aktienbesitz von mehr als 25 % gegeben. Unterhalb dieser Schwelle könnte eine unternehmerische Beteiligung nur dann gegeben sein, wenn der Aktienbesitz dem Gesellschafter in Verbindung mit weiteren Umständen Einfluss auf die Unternehmensleitung sichert und er ein entsprechendes unternehmerisches Interesse erkennen lässt (BGHZ 90, 381, 391; BGH ZIP 2005, 1316). Dafür soll aber nicht genügen, dass der Gesellschafter Aufsichtsratvorsitzender oder Vorstandsvorsitzender war (BGH ZIP 2005, 1316). Entscheidend sei letztlich nicht die Geschäftsführungs- oder Vertretungsbefugnis, sondern die innergesellschaftliche Verantwortung für eine seriöse Kapitalausstattung (vgl. zur Problematik auch ausf. Bayer in MünchKomm z AktG, 2. Aufl. § 57 Rn 157 ff).

(2) Aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Verflechtung der Beklagten und der Streithelferin kann die Beklagte die Streithelferin beherrschen, so dass der Beklagten die Anteile der Streithelferin gem. § 16 Abs. 4 AktG in vollem Umfang zuzurechnen sind (vgl. nur Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff aaO § 32a Rn 94 mwN). Denn dadurch, dass im relevanten Zeitraum der Darlehensverstrickung die Vorstandsmitglieder der Beklagten in Personalunion auch zugleich die Vorstandsmitglieder des TS. waren, beherrschten sie kraft der 100%igen Beteiligung des TS. an der T. auch die Komplementärin der Streithelferin und übten damit mittelbar auch die Kontrolle über die Streithelferin aus. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nach der Satzung der Streithelferin bestimmte wichtige Maßnahmen nur mit der qualifizierten Zustimmung eines Beirats vorgenommen werden dürfen. Denn die Beklagte war auch in der Lage, 2/3 der Beiratsmitglieder zu bestellen.

Die Beklagte hat im Hinblick auf die Streithelferin somit nicht nur mittelbar 100% der Anteile gehalten, sondern war darüber hinaus auch in der Lage, die uneingeschränkte Personalentscheidungsgewalt im Hinblick auf die Geschäftsführung auszuüben. Inwieweit hiervon Gebrauch gemacht wurde, kann dahinstehen; denn die Abhängigkeit der Streithelferin von der Beklagten ist bereits durch die bloße Möglichkeit der Herrschaftsausübung begründet (ausf. hierzu Bayer in MünchKomm z AktG, aaO § 17 Rn.11 mwN). Diese Regelung des § 17 Abs. 1 AktG findet grundsätzlich auch auf Unternehmen in einer anderen Rechtsform als die Aktiengesellschaft Anwendung (Bayer aaO § 17 Rn 115 ff, 123 ff).

(3) Ebenfalls dahinstehen kann die Frage, inwieweit möglicherweise der Freistaat Thüringen in der Lage ist, die Beklagte und damit mittelbar auch die Streithelferin zu beherrschen. Eine Zurechnung auf die Beklagte gem. § 16 Abs. 4 AktG kann nämlich auch dann erfolgen, wenn das herrschende Unternehmen (hier die Beklagte) seinerseits von einem Dritten beherrscht werden sollte (Bayer in MünchKomm z AktG, aaO § 16 Rn 45; Emmerich in Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 4.Aufl. 2005 § 16 Rn. 17).

(4) Sind somit die Anteile der Streithelferin der Beklagten zuzurechnen, so scheidet die Anwendung des Kleingesellschafterprivilegs ersichtlich aus; denn die Beklagte hält in diesem Fall neben ihrer eigenen 2%-Beteiligung mittelbar auch noch die 98%-Beteiligung der Streithelferin, mithin 100% aller Anteile.

d) Keine Anwendung findet schließlich auch das sog. Sanierungsprivileg gem. § 32 Abs. 3 S. 3 GmbHG. Diese Regelung begünstigt den Anteilserwerb in der Krise mit dem Ziel, die Krise zu überwinden. Inwieweit die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift hier vorliegen, kann dahin stehen; denn jedenfalls findet auch dieses Privileg keine Anwendung auf den Anteilserwerb, der vor dem Inkrafttreten des KonTraG am 1.5.1998 erfolgte (so Lutter/Hommelhoff aaO § 32a Rn 89; Scholz/K. Schmidt aaO Rn 202) bzw. auf Darlehen, die vor dem Stichtag verstrickt wurden (so Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff aaO § 32a Rn 129); beides liegt hier aber vor.

e) Die von der Beklagten empfangenen Leistungen in Höhe von 24,3 Mio DM (=12.424.392,71 €) sind gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG an den Kläger als Insolvenzverwalter zu erstatten. Im Gegenzug lebt die Forderung der Beklagten gegen die Gemeinsschuldnerin wieder auf.

Dieser Rückgewährpflicht steht nicht das von der Beklagten in den Mittelpunkt ihres Berufungsvortrags gestellte Argument entgegen, durch die Rückgewähr an die Schuldnerin werde dem europäischen Beihilfenrecht zuwider gehandelt.

aa) Der Vollzug des europäischen Beihilfenrechts erfolgt grundsätzlich nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten, wobei dieses europarechtskonform dahingehend auszulegen ist, dass die Durchsetzung des Europarechts nicht vereitelt werden darf. Soweit daher nationales Recht einer Rückforderung europarechtswidrig geleisteter Beihilfen tatsächlich entgegenstehen würde, ist es nicht anzuwenden (EuGH Urt. v. 21.03.1990 - Rs C-142/87 Slg. 1990, I-959, 1018ff.; EuGH Urt. v. 02.02.1989 - Rs 94/87 (Kommission/Deutschland), EuZW 1990, 387; Cremer in Calliess/Ruffert, EG 2. Auflage, Art. 88 Rn. 22).

bb) Die Kommission hat in ihrem Bescheid v. 21. Juni 2000 angeordnet, dass die Bundesrepublik Deutschland alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen hat, um die rechtswidrig geleisteten Beihilfen von den begünstigen Empfängern zurückzufordern (gem. Art.14 Abs.1 VerfVO 659/1999). Diese Entscheidung wurde zumindest weitestgehend vom EuG mit Urteil vom 19.10.2005 bestätigt. Zweck dieser Rückforderung ist die Wiederherstellung des vor der illegalen Beihilfegewährung existierenden Zustandes, der durch Wettbewerbsverfälschung verändert wurde. Die Rückforderung muss den Vorteil beseitigen, den der Beihilfeempfänger gegenüber seinen Konkurrenten durch die Beihilfe erlangt hat (EuGH Urt. v. 04.04.1995 - Rs C-350/93 Slg. 1995, I-699; EuGH Urt. v. 29.04.2004 - Rs C-277/00 (System Microelectronic Innovation GmbH), ZIP 2004, 1013, 1018). Hierzu sind alle im nationalen Recht zur Verfügung stehenden Mittel auszuschöpfen.

cc) Auch das Recht der Kapitalerhaltung bzw. hier des Kapitalersatzes dürfen eine Rückforderung im Ergebnis nicht unmöglich machen (so auch Generalanwalt Lenz in seinem Schlussvortrag in der Sache Kommission/Belgien: EuGH Urt. v. 15.01.1986 - Rs 52/84 Slg. 1986, 89, 99). Insoweit ist der Auffassung der Beklagten im Ausgangspunkt zuzustimmen. Unzutreffend ist indes die weitere Schlussfolgerung, dass der Vorrang des europäischen Beihilfenrechts zu einer völligen Verdrängung der nationalen Kapitalerhaltungs- und -ersatzvorschriften führe.

Der EuGH hat vielmehr ausdrücklich anerkannt, dass die Wiederherstellung der früheren Lage und die Beseitigung der aus den rechtswidrig gezahlten Beihilfen resultierenden Wettbewerbsverzerrung auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens durch die Anmeldung der Rückforderung zur Tabelle erfolgen könne (EuGH Urt. v. 29.04.2004 - Rs C277/00 (SMI) ZIP 2004, 1013, 1019). Im Falle der Insolvenz des Beihilfeempfängers komme der Staat seiner Rückforderungspflicht dadurch nach, dass er seine Forderung zur Tabelle anmeldet und seine sonstigen Gläubigerrechte in der Insolvenz geltend macht (EuGH Urt. v. 21.03.1990 - Rs C-142/87 Slg. 1990, I-959, 1018f). Der EuGH geht dabei offensichtlich nicht davon aus, dass die Forderung auf Rückzahlung der Beihilfe als bevorrechtigte Forderung zu behandeln ist (EuGH Urt. v. 21.03.1990 - Rs C-142/87 Slg. 1990, I-959, 1018f). Die Regierung des Mitgliedstaates hat sich vielmehr grundsätzlich wie ein normaler Gläubiger zu verhalten und ist nicht vorrangig vor anderen Gläubigern zu befriedigen.

Das EuG weist in seinem Urteil vom 19.10.2005 bezüglich der noch nicht zurückgeforderten Subventionen explizit auf diese Rechtsprechung des EuGH hin (EuG Urteil vom 19.10.2005 Rs T-318/00, Freistaat Thüringen/Deutschland - Kommission, Rn 332).

Dies entspricht im übrigen auch der Auffassung der Kommission in dem Bescheid v. 21. Juni 2000 an die Schuldnerin. Die Kommission stellte hier fest, dass der Mitgliedstaat wie ein privater Gläubiger vorzugehen habe und dabei dieselbe Sorgfalt anwenden soll wie bei der Beitreibung seiner Steuer- oder Sozialversicherungsansprüche. Das mitgliedstaatliche Recht ist in der gleichen Weise zur Anwendung zu bringen wie bei rein innerstaatlichen Sachverhalten. Falls das Unternehmen nicht in der Lage sei, die Schuld zurück zu zahlen, müsse die Liquidation betrieben werden. Insbesondere habe der Mitgliedstaat dafür zu sorgen, dass die Beitreibung weder anfechtbar sei noch für nichtig erklärt werden könne.

dd) In den bislang vom EuGH entschiedenen Sachverhalten war das Insolvenz- bzw. Liquidationsverfahren zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Rückforderung bereits eröffnet. Der EuGH ging davon aus, dass im Insolvenzfall der Zweck der Beihilferückforderung mit der Anmeldung der Forderung zur Tabelle erreicht wird, d.h. die vollständige Rückzahlung der Beihilfe an den Mitgliedstaat ist zur Durchsetzung des europäischen Beihilfenrechts nicht erforderlich. Indem das begünstigte Unternehmen vom Markt verschwindet, wird der Wettbewerbsvorteil beseitigt und damit dem Rückforderungszweck genüge getan (EuGH, Urt. v. 15.1.1986 - Rs 52/84, Slg. 1986, 89, Rz. 14 - Kommission/Belgien, EuGH, Urt. v. 21.3.1990- Rs C-142/87, Slg. 1990, I-959, Rz. 60 - 62 - Belgien/Kommission, "Tubemeuse").

ee) Entgegen der Auffassung der Beklagten macht es keinen Unterschied, ob die Rückforderung der rechtswidrigen Beihilfezahlungen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erfolgt oder ob die Rückforderung im Vorfeld einer Insolvenz stattfindet. In beiden Konstellationen darf sich die Rückforderung nicht über das nationale Recht hinwegsetzen, das zum Zwecke des Schutzes der Gläubiger der Rückforderungsschuldnerin besteht (so wohl auch Altmeppen in Roth/Altmeppen, aaO § 32a Rn 13, für den Fall der Überschuldung). Hierbei ist unerheblich, ob die Schutzregeln gesellschaftsrechtlich oder insolvenzrechtlich zu qualifizieren sind. Die Rückforderung muß jedenfalls den insolvenzrechtlichen Grundsatz der Gleichrangigkeit der Insolvenzgläubiger beachten. Ein Vorrang der Beihilfenrückforderung ist weder im Insolvenzverfahren noch im Vorfeld der Insolvenz anzuerkennen.

ff) Dies bedeutet hier: Da vier Monate vor Erlass der Kommissionsentscheidung am 21. Juni 2000 erkennbar war, dass aufgrund fehlender Notifizierung der Darlehen die Kommission einen Rückforderungsbescheid erlassen wird und infolgedessen über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren zu eröffnen war, hätte sich die Beklagte nicht vorrangig zu Lasten der übrigen Insolvenzgläubiger unter Verstoß gegen §§ 30, 31 GmbHG analog befriedigen dürfen, sondern hätte - was ihr möglich gewesen wäre - selbst den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren stellen und dann ihre Forderung zur Tabelle anmelden können. Indem die Beklagte die eigenen Interessen in den Vordergrund stellte, hat sie nicht - wie sie geltend macht - lediglich das Gesetz vollzogen und die rechtswidrige Beihilfe zurückgefordert, sondern sogar gegen eine Anordnung der Kommission in dem später ergangenen Bescheid vom 17. Juni 2000 verstoßen. Die Kommission hatte angeordnet, dass die Rückforderung in nicht anfechtbarer oder gar nichtiger Weise erfolgen solle (Bescheid der Kommission vom 17. Juni 2000 Rz. 116). Der Begriff der Anfechtung ist hier weit auszulegen und im Zusammenhang mit der Nichtigkeit nicht nur auf die Insolvenzanfechtung zu begrenzen. Vielmehr sollten die Rückforderungen in einer Weise geschehen, die nicht angreifbar ist, d.h. nicht gegen das innerstaatliche Gesetz verstößt.

Die Beklagte kann sich daher nicht darauf berufen, sie habe doch nur das europäische Beihilfenrecht beachten und durchsetzen wollen. Es hätte zur Befolgung der sich aus dem Rückforderungsbescheid ergebenden Verpflichtung vielmehr ausgereicht, das Insolvenzverfahren zu beantragen und nach dessen Eröffnung die Forderung zur Tabelle anzumelden.

Da diese Möglichkeit zur Durchsetzung der Rückforderung besteht, steht das nationale Kapitalersatz- und Insolvenzrecht einer Rückforderung auf dem von der Kommission vorgesehenen Weg nicht entgegen. Der Vorrang des europäischen Beihilfenrechts führt somit nicht zu einer Verdrängung des nationalen Kapitalersatz- und Insolvenzrechts.

gg) Unentschieden bleiben kann im vorliegenden Rechtsstreit das sich erst im Rahmen des Insolvenzverfahrens stellende (und umstrittene) Folgeproblem, ob die hier als Kapitalersatz zu qualifizierende Beihilfe gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nachrangig oder aus Gründen des "effet utile" als gleichrangige Insolvenzforderung einzustufen ist.

f) Der Anspruch ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf das aktuelle Stammkapital in Höhe von 1 Mio. DM begrenzt, sondern besteht in voller geltend gemachter Höhe.

aa) Ein Anspruch aus §§ 30, 31 GmbHG (analog) besteht insoweit, als durch die Auszahlung das Vermögen der GmbH unter die Grenze des Stammkapitals herabsinkt. Bis zu dieser Höhe ist das Stammkapital durch den Leistungsempfänger wieder aufzufüllen. Diese Regelung gilt auch dann, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Auszahlung überschuldet ist. Der empfangende Gesellschafter ist dann nicht nur verpflichtet, lediglich eine Rückzahlung in Höhe des Stammkapitals zu leisten, sondern hat zudem auch die Überschuldung zu beseitigen. Dies ist heute unstreitig (Lutter/Hommelhoff aaO, § 31 Rn 8 mwN; Scholz/H. P. Westermann GmbHG 9. Aufl. § 30 Rn 18 mwN; ausf. Bayer, FS Röhricht 2005 S. 35 ff; dogmatisch unzutreffend allerdings noch BGHZ 60, 324, 331; 67, 171, 174: nur entsprechende Anwendung).

bb) Für die Feststellung der Überschuldung in diesem Sinne kommt es nach der Rechtsprechung des BGH darauf an, ob das Vermögen bei Ansatz der Liquidationswerte unter Aufdeckung der stillen Reserven die bestehenden Verbindlichkeiten nicht deckt (rechnerische Überschuldung) und die Finanzkraft der Gesellschaft nach überwiegender Wahrscheinlichkeit mittelfristig nicht zur Fortsetzung des Unternehmens genügt (negative Fortführungsprognose), (BGH NJW 1999, 3120, BGHZ 119, 201).

cc) Der nicht durch Eigenkapital gedeckte Verlust der Schuldnerin betrug zum 31.12.1999 75.517.273,42 DM. Mit Registereintragung vom 18.10.1999 wurde das Stammkapital der Schuldnerin von 33,1 Mio DM auf 1 Mio. DM herabgesetzt. Trotzdem betrug der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag zum 31.12.2000 201.798.529,36 DM (unter Einbeziehung des Kommissionsbescheides). Selbst durch Rückzahlung dieses gesamten Betrages von 24,3 Mio. DM wird das Stammkapital nicht bis zu einem Betrag von 1 Mio. DM aufgefüllt werden können. Daher erübrigen sich hierzu weitere Ausführungen.

g) Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 BGB. Der Erstattungsanspruch gemäß § 31 Abs.1 GmbHG ist sofort fällig. Da zwar eine Geldforderung, jedoch keine Entgeltforderung im Sinne von § 286 Abs. 3 BGB vorliegt, geriet die Beklagte durch die Mahnung des Klägers vom 21.03.2002 in Verzug. Der Kläger hat somit einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 12.424.392,71 € einschließlich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.03.2002.

h) Da die Rückforderung gem. §§ 30, 31 GmbHG (analog) begründet ist, kann dahin stehen, ob der Anspruch - wie der Kläger meint - auch auf §§ 133, 135 Nr. 2, 143 Abs. 1 S. 1 InsO, § 826 BGB oder die Grundsätze der Existenzvernichtungshaftung gestützt werden kann.

3. Zutreffend hat das Erstgericht dem Kläger einen Anspruch aus §§ 143 Abs. 1 S. 1, 130 Abs. 1 Ziffer 1 InsO auf Rückzahlung der am 14.08.2000 und 13.09.2000 verrechneten Beträge in einer Gesamthöhe von € 2.216.801,68 zugesprochen.

a) Mit der Verrechnung dieser Erlöse hat die Beklagte innerhalb von drei Monaten vor Stellung des Insolvenzantrages eine Befriedigung in einer Gesamthöhe von 2.216.801,68 € erlangt. Zu diesem Zeitpunkt lag bereits der Rückforderungsbescheid der EU-Kommission vor. Angesichts der Höhe der zurückgeforderten Beihilfen war ersichtlich, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig war. Die Verrechnung mit dem Erlös aus dem Verkauf des Geschäftsbetriebs verhinderte, dass die Kaufpreisforderungen der Schuldnerin als liquide Mittel zuflossen. Somit wurde den übrigen Gläubigern Haftungsmasse entzogen und diese im Sinne von § 129 Abs. 1 InsO benachteiligt.

b) Bei nahe stehenden Personen wird die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit vermutet. Die Beklagte war gemäß § 138 Abs. 2 Ziff. 1 Alt. 2 InsO eine nahe stehende Person; denn wie bereits ausgeführt, sind der Beklagten als herrschendem Unternehmen die Anteile der Streithelferin an der Schuldnerin zuzurechnen, so dass die Voraussetzungen einer 25% übersteigenden Kapitalbeteiligung mittelbar erfüllt sind (dazu nur Hirte in Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl. § 138 Rn 30 mwN). Die - oben ausgeführte - Möglichkeit zur Beherrschung der Streithelferin qualifiziert die Beklagte aber auch zur nahe stehenden Person iSv § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO, da die Beklagte sich jederzeit und vollständig über die finanzielle Situation der Schuldnerin informieren konnte. Die Kenntnis der Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin wird gemäß daher § 130 Abs. 3, 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO vermutet.

c) Die Verrechnung war somit gemäß § 130 Abs.1 Nr. 1 InsO anfechtbar. Mit der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter ist der Anspruch auf Zahlung in die Masse entstanden, § 143 Abs.1 S. 1 InsO. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 143 Abs.1 S. 2 InsO, 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291, 288 BGB. Der Kläger hat somit einen Zahlungsanspruch in Höhe von € 2.216.801,68 (Forderung 2 und 3) einschließlich der geltend gemachten Zinsen in Höhe von von 5% Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins aus 1.562.707,39 € seit dem 14.08.2000 und aus 654.094,39 € seit dem 13.09.2000.

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91, 92, 97, 101 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV. Da es sich vorliegend um eine Rechtssache von grundlegender Bedeutung handelt, die in dieser Form bislang vom Revisionsgericht noch nicht entschieden wurde, war gem. § 543 Abs.2 Nr. 1 ZPO die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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