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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 03.05.2001
Aktenzeichen: 6 W 127/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, FGG


Vorschriften:

BGB § 1836 b
BGB § 1835a
ZPO § 323
FGG § 18 Abs. 2
Rechtliche Grundlage: BGB § 1836 b; BGB § 1835a; ZPO § 323; FGG § 18 Abs. 2

§ 18 Abs. 2 FGG steht der Änderung eines Pauschalvergütungsbeschlusses nach § 1836 b Nr. 1 BGB nicht entgegen. Da der Pauschalvergütungsbeschluss eine Verfügungen mit Dauerwirkung ist. unterliegt er der Änderung wegen veränderter Verhältnisse (vgl. Beschlussempfehlung des Rechtausschusses des Deutschen Bundestags, BT-Drucks. 13/10331, 41). Das Abänderungsbegehren ist begründet, wenn auf Grund einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse bzw. beim Auftreten unvorhersehbarer Umstände sich der für die Führung der Betreuung erforderliche und bei Erlass des Pauschalvergütungsbeschlusses kalkulierte Zeitaufwand als maßgebliches Bemessungskriterium wesentlich ändert (a. A. Zimmermann, FamRZ 1999, 630, 633).

Die Abänderung kann nur mit Zukunftswirkung erfolgen. Das folgt für Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse jeglicher Art daraus, dass sie in materielle Rechtskraft erwachsen (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 1055). In Anlehnung an § 323 Abs. 3 S. 1 ZPO erfolgt die Abänderung eines Pauschalvergütungsbeschlusses frühestens ab dem Zeitpunkt, in dem der Abänderungsantrag eines Beteiligten beim Gericht eingeht.

§ 1836 b Abs. 1 BGB erlaubt für den Berufsvormund bzw. -betreuer nur die Pauschalierung der Vergütung, nicht aber des Aufwendungsersatzes. Eine Pauschale für den Aufwendungsersatz kann gem. § 1835 a BGB nur der Vormund bzw. Betreuer beanspruchen, dem keine Vergütung zusteht (§ 1835 Abs. 1 S. 1 BGB). Der Umstand, dass eine solche Pauschale für den Aufwendungsersatz auch bei Berufsbetreuern möglicherweise zweckmäßig wäre berechtigt die an der Festsetzung des Aufwendungsersatzes Beteiligten nicht, sich, wie das offenbar im Freistaat Thüringen flächendeckend erfolgt, über das Gesetz hinwegzusetzen.

Auch wenn die Festsetzung einer Aufwendungspauschale rechtswidrig ist, handelt es sich nicht um eine nichtige, von vorn herein unwirksame Entscheidung, denn dem Gesetz ist die Pauschalierung von Aufwendungsersatz nicht gänzlich fremd (vgl. § 1835a BGB). Daher kommt der Festsetzung Rechtskraftwirkung zu, so dass sie Bestand hat solange sie nicht förmlich abgeändert wird.

Thüringer Oberlandesgericht, 6. Zivilsenat, Beschluss vom 03.05.2001 - 6 W 127/01 -


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 127/01 4 T 201/00 (Landgericht Meiningen)

In der Betreuungssache

betreffend Karl-Heinz Baumdick, geb. am 31.03.1969, Ringbergstraße 6, 98528 Suhl

hier: Festsetzung von Betreuervergütung

an der beteiligt sind:

1. der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Meiningen als Vertreter der Staatskasse

- Beschwerdeführer, auch im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde -

2. B. H..........l

- Berufsbetreuer des Betroffenen, Antragsteller und Beschwerdegegner, auch im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde -

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer, die Richterin am Amtsgericht Dr. Mittenberger-Huber und den Richter am Oberlandesgericht Bettin auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 vom 07.02.2001 gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Meiningen vom 24.01.2001

am 03.05.2001

beschlossen:

Tenor:

Die Beschlüsse der 4. Zivilkammer des Landgerichts Meiningen vom 24.01.2001 und der Rechtspflegerin des Amtsgerichts - Vormundschaftsgericht - Suhl vom 05.07.2000 werden abgeändert.

Der Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Suhl vom 05.07.2000 wird unter Zurückweisung der Erstbeschwerde im Übrigen zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

a) Der Pauschalvergütungsbeschluss des Amtsgerichts Suhl vom 03.02.1999 wird mit Wirkung vom 01.02.2000 ersatzlos aufgehoben.

b) Für den Zeitraum vom 01.10.1999 bis zum 31.12.1999 sind an den Beteiligten zu 2 aus der Staatskasse an Vergütung und Aufwendungsersatz insgesamt 990,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer zu zahlen.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Für die Rechtsmittelverfahren werden Gerichtskosten nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 2 ist seit dem 19.11.1996 Berufsbetreuer des Betroffenen für die Aufgabenkreise der Gesundheitssorge, der Aufenthaltsbestimmung einschließlich der Entscheidung über die Unterbringung, der Vermögenssorge und der Regelung von Wohnungs- und Behördenangelegenheiten.

Mit Beschluss vom 03.02.1999 hat die Rechtspflegerin für den Beteiligten zu 2 eine monatliche Pauschale in Höhe von 330 DM "als feste Vergütung (§ 1836 b BGB) einschließlich Aufwendungsersatz (§ 1835 Abs. 1 und 4 BGB)" festgesetzt. Hiergegen haben die Beteiligten kein Rechtsmittel eingelegt.

Mit seinem am 17.01.2000 bei dem Amtsgericht eingegangenen Antrag vom 14.01.2000 hat der Beteiligte zu 2 die Aufhebung des Pauschalvergütungsbeschlusses mit der Begründung beantragt, im letzten Quartal des Jahres 1999 seien wesentliche Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen des Betreuten eingetreten, die einen unvorhergesehenen höheren Betreuungsaufwand erfordert hätten; dieser höhere Aufwand sei voraussichtlich auch künftig erforderlich. Er hat zugleich beantragt, für den Zeitraum vom 01.10. bis 31.12.1999 Betreuervergütung in Höhe von 2.792,70 DM und Aufwendungsersatz in Höhe von 474,53 DM, insgesamt also 3.267,23 DM aus der Staatskasse festzusetzen.

Diesen Anträgen hat die Rechtspflegerin entsprochen. Hiergegen hat der Beteiligte zu 1 sofortige Beschwerde mit der Begründung eingelegt, der Pauschalvergütungsbeschluss unterliege nach § 56 g Abs. 5 FGG der sofortigen Beschwerde und sei deshalb gemäß § 18 Abs. 2 FGG nicht abänderbar. Abgesehen davon schließe § 1836 b Nr. 1 BGB über die festgesetzte Pauschale hinausgehende Vergütungsansprüche aus.

Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, § 18 Abs. 2 FGG finde auf gerichtliche Verfügungen mit Dauerwirkung jedenfalls dann keine Anwendung, wenn die Änderung einer solchen Verfügung auf Grund veränderter tatsächlicher Verhältnisse geltend gemacht werde. Wegen der Einzelheiten der Begründung nimmt der Senat auf die angefochtene Entscheidung des Landgerichts Bezug.

Hiergegen richtet sich die vom Landgericht ausdrücklich zugelassene sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. Auf Hinweis des Senats hat er klargestellt, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen mit der sofortigen weiteren Beschwerde nur teilweise, nämlich soweit angegriffen werden sollen, als der Pauschalvergütungsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts vom 03.02.1999 auch für die Zeit vor Eingang des Abänderungsantrags des Beteiligten zu 2, also bis einschließlich Januar 2000 aufgehoben wurde.

Der Beteiligte zu 2 verteidigt die angefochtene Entscheidung des Landgerichts.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 56 g Abs. 5, 27, 29 FGG an sich statthaft und auch sonst zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg, weil die Entscheidungen der Vorinstanzen, soweit der Pauschalvergütungsbeschluss vom 03.02.1999 für den Zeitraum vom 01.10.1999 bis einschließlich 31.01.2000 aufgehoben wurde, auf einer Gesetzesverletzung beruht, §§ 27 FGG, 550 ZPO.

1. Allerdings teilt der Senat die Rechtsauffassung des Landgerichts, wonach die Vorschrift des § 18 Abs. 2 FGG der Änderung eines Pauschalvergütungsbeschlusses nach § 1836 b Nr. 1 BGB dann nicht entgegensteht, wenn einer der Beteiligten geltend macht, die für die Bemessung der Pauschale maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse hätten sich wesentlich und dauerhaft geändert. Es entspricht vielmehr soweit ersichtlich allgemeiner Auffassung, dass bei allen Verfügungen mit Dauerwirkung - um eine solche handelt es sich bei dem Pauschalvergütungsbeschluss - eine Änderung wegen veränderter Verhältnisse zuzulassen ist (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Auflage, § 18 Rn. 28 m.w.N.). Auch in der Literatur zum Vergütungsrecht der Vormünder, Pfleger und Betreuer wird ganz überwiegend befürwortet, die Abänderung von Pauschalvergütungsbeschlüssen zuzulassen, wenn auf Grund einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse bzw. beim Auftreten unvorhersehbarer Umstände sich der für die Führung der Betreuung erforderliche und bei Erlass des Pauschalvergütungsbeschlusses kalkulierte Zeitaufwand als maßgebliches Bemessungskriterium wesentlich ändert (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 60. Auflage, § 1836 b Rn. 3; Erman/Holzhauer, BGB, 10. Auflage, § 1836 b Rn. 11; FamRefK/Bienwald, § 1836 b BGB Rn. 12; a. A. soweit ersichtlich nur Zimmermann, FamRZ 1999, 630, 633). Auch der Gesetzgeber ging ersichtlich von der Abänderbarkeit einer Pauschalisierung bei wesentlichen Veränderungen der maßgebenden Verhältnisse aus (vgl. Beschlussempfehlung des Rechtausschusses des Deutschen Bundestags, BT.-Drucks. 13/10331, 41).

2. Dem gegenüber kommt die von dem Beteiligten zu 2 beantragte und von den Vorinstanzen ohne weitere Begründung vorgenommene Abänderung des Pauschalvergütungsbeschlusses für die Vergangenheit, wie die sofortige weitere Beschwerde zutreffend rügt, nicht in Betracht. Bereits generell hat die Änderung einer Verfügung wegen veränderter tatsächlicher Umstände keine Rückwirkung; das Gericht kann auch nicht bestimmen, ob die Abänderung einer Verfügung rückwirkende Kraft haben soll oder nicht (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., Rn. 34, 38 jeweils m.w.N.). Für Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse jeglicher Art, also auch für den vorliegenden Pauschalvergütungsbeschluss folgt das im Übrigen schon daraus, dass sie nach allgemeiner Auffassung, der der Senat folgt, in materieller Rechtskraft erwachsen (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 1055; Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 56 g Rn. 14 m.w.N.). In Übereinstimmung mit der Auffassung des Beteiligten zu 1 befürwortet daher auch der Senat in Anlehnung an die auf rechtskräftige Entscheidungen zugeschnittene Vorschrift des § 323 Abs. 3 S. 1 ZPO die Abänderung eines Pauschalvergütungsbeschlusses frühestens ab dem Zeitpunkt, in dem der Abänderungsantrag eines Beteiligten beim Gericht eingeht.

Im vorliegenden Fall ist der Abänderungsantrag am 17.01.2000 bei dem Amtsgericht eingegangen, so dass eine Abänderung des Pauschalvergütungsbeschlusses wie von der sofortigen weiteren Beschwerde geltend gemacht erst ab Februar 2000 erfolgen kann. Für den Zeitraum zuvor kann der Beteiligte zu 2 nur die in dem Pauschalvergütungsbeschluss bewilligte Vergütung in Höhe von 330 DM monatlich zuzüglich Mehrwertsteuer beanspruchen; weitergehende Vergütungsansprüche sind nach § 1836 b Nr. 1 S. 3 2. HS BGB ausdrücklich ausgeschlossen.

3. Die Rechtskraft des Pauschalvergütungsbeschlusses vom 03.02.1999 und das Verbot seiner rückwirkender Abänderung steht auch der gesonderten Festsetzung des von dem Beteiligten zu 2 geltend gemachten und im Einzelnen nachgewiesenen Aufwendungsersatzes nach § 1835 BGB für den Zeitraum vom 01.10. bis 31.12.1999 entgegen. Allerdings ist der Beschluss vom 03.02.1999, soweit er in die Pauschalvergütung auch den Aufwendungsersatz einbezieht, ersichtlich rechtswidrig. § 1836 b Abs. 1 BGB erlaubt für den Berufsvermund bzw. -betreuer nach seinem eindeutigen, nicht auslegungsfähigen Wortlaut nur die Pauschalisierung der Vergütung, nicht aber des Aufwendungsersatzes (vgl. Zimmermann, a.a.O., 632). Eine Pauschale für den Aufwendungsersatz ist dem Gesetz, wie sich aus § 1835 a BGB ergibt, zwar nicht fremd; sie kann aber nur der Vormund bzw. Betreuer beanspruchen, dem anders als dem Beteiligten zu 2 im vorliegenden Fall gerade keine Vergütung zusteht (§ 1835 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Höhe dieser Aufwandsentschädigung ist auch nicht durch das Gericht zu bestimmen, sondern gesetzlich festgelegt. Der Umstand, dass eine solche Pauschale für den Aufwendungsersatz auch bei Berufsbetreuern möglicherweise zweckmäßig wäre (vgl. Zimmermann, a.a.O.) berechtigt die an der Festsetzung des Aufwendungsersatzes Beteiligten nicht, sich, wie das offenbar im Freistaat Thüringen nach den Ausführungen des Beteiligten zu 1 flächendeckend erfolgt, über das Gesetz hinwegzusetzen.

Auf Grund der materiellen Rechtskraft des Pauschalvergütungsfestsetzungsbeschlusses scheidet indessen seine Abänderung für die Vergangenheit trotz dieser Gesetzesverletzung auch hinsichtlich des Aufwendungsersatzes aus. Es handelt sich auch nicht um eine nichtige, von vorn herein unwirksame Entscheidung. Verstöße gegen Bestimmungen des materiellen Rechts machen eine gerichtliche Entscheidung in der Regel nicht unwirksam, sondern begründen nur ihre Anfechtbarkeit. Nur ausnahmesweise ist eine gerichtliche Handlung nichtig, nämlich wenn es an jeder gesetzlichen Grundlage für die Entscheidung fehlt oder wenn sie eine der Rechtsordnung unbekannte Rechtsfolge ausspricht (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 7 Rn. 40, 42 b). Diesen Ausnahmekriterien unterfällt die vorgenommene Pauschalisierung des Aufwendungsersatzes nach Auffassung des Senates (noch) nicht, weil dem Gesetz die Pauschalisierung von Aufwendungsersatz, wenn auch nur für den ehrenamtlichen Vormund bzw. Betreuer, nicht gänzlich fremd ist.

III.

Die Rechtsmittelverfahren sind nach § 131 Abs. 1 und 5 KostO gerichtskostenfrei. Soweit die Erstbeschwerde des Beteiligten zu 1 teilweise ohne Erfolg geblieben ist, folgt die Kostenfreiheit aus § 11 Abs. 1 KostO. Die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten entspricht angesichts des Verfahrensergebnisses nicht der Billigkeit.

Ende der Entscheidung

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