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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 18.09.2000
Aktenzeichen: 6 W 291/00
Rechtsgebiete: InsVV


Vorschriften:

InsVV § 1
InsVV § 10
InsVV § 11 Abs. 1
18.09.2000

6 W 291/00

Rechtliche Grundlage:

InsVV §§ 1, 10, 11 Abs. 1

Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters bemisst sich nach dem Wert des Vermögens, welches im Zeitpunkt des Endes der vorläufigen Verwaltung dieser unterlegen hat, auch soweit Aus- oder Absonderungsrechte einzelne Vermögensgegenstände belasten (Vorlage an BGH: a.A. Pfälzisches OLG NZI 2000, 314).


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 291/00 7 a T 34/00 (Landgericht Erfurt)

In dem Insolvenzverfahren

über das Vermögen der xxx, nunmehr firmierend unter yyy , vertreten durch den Geschäftsführer P. W.,................

an dem beteiligt sind:

1. xxx.......................

- Schuldnerin und Beschwerdeführerin, auch im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde - 2. Rechtsanwalt Th. A. ......... Erfurt

- vorläufiger Insolvenzverwalter und Beschwerdegegner, auch im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde -

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer, den Richter am Amtsgericht Pippert und den Richter am Oberlandesgericht Bettin auf die sofortige weitere Beschwerde der Schuldnerin vom 19.04.2000 gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt vom 05.04.2000

am 18.09.2000

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Erfurt hat am 19.04.1999 die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Schuldnerin angeordnet und den Beteiligten zu 2 zum vorläufigen Verwalter bestellt. Am 21.05.1999 hat es das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und den bisherigen vorläufigen Insolvenzverwalter zum Insolvenzverwalter ernannt. Mit Beschluss vom 28.10.1999 hat das Amtsgericht die Vergütung des vorläufigen Verwalters entsprechend seines Antrags auf insgesamt 24.313,46 DM Brutto festgesetzt. Als Berechnungsgrundlage hat das Amtsgericht einen Betrag von 269.361,34 DM angesetzt; das entspricht dem vom vorläufigen Insolvenzverwalter verwalteten Vermögen der Schuldnerin zum Ende der vorläufigen Insolvenzverwaltung unter Einschluss derjenigen Gegenstände, die mit Aus- und Absonderungsrechten Dritter belastet sind. Das Amtsgericht hat einen Vergütungssatz in Höhe von 45 % als angemessen erachtet, weil der vorläufige Insolvenzverwalter die Firma der Schuldnerin unter erschwerten Bedingungen fortgeführt habe. Wegen der Einzelheiten der Begründung nimmt der Senat Bezug auf den Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts vom 10.02.2000 (Bl. 298 ff. Bd. I d.A.).

Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Landgericht mit Beschluss vom 05.04.2000 im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Schuldnerin, verbunden mit dem Zulassungsantrag. Die Schuldnerin meint, Bemessungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters könne nur die unbelastete Masse sein. Wegen der Einzelheiten der Begründung nimmt der Senat Bezug auf die Begründung der sofortigen weiteren Beschwerde und die weiteren Schriftsätze in diesem Verfahren.

Der Beteiligte zu 2 verteidigt die angefochtene Entscheidung des Landgerichts.

II.

Der Senat möchte die sofortige weitere Beschwerde nach § 7 Abs. 1 S. 1 InsO zulassen, sie aber in der Sache als unbegründet zurückweisen. An einer solchen Entscheidung sieht er sich durch den Beschluss des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 23.05.2000,3 W 58/00 (NZI 2000, 314) gehindert. Er legt die sofortige weitere Beschwerde aus diesem Grund nach § 7 Abs. 2 S. 1 InsO mit der entsprechenden Stellungnahme der Beteiligten (§ 7 Abs. 2 S. 3 InsO) dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vor.

1. Die Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde ist gemäß § 7 Abs. 1 InsO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.

a) Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Landgerichts ist gem. § 7 Abs. 1 InsO nach soweit ersichtlich einhelliger Auffassung, der der Senat folgt, statthaft (vgl. OLG Stuttgart, NJW 2000, 1344; OLG Braunschweig, NZI 2000, 321; OLG Köln, NZI 2000, 224; OLG Celle, NZI 2000, 226 jeweils m.w.N.). Zulassungsantrag und sofortige weitere Beschwerde sind auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Die sofortige weitere Beschwerde nach § 7 Abs. 1 InsO unterliegt nicht dem Anwaltszwang (vgl. OLG Celle, NZI 2000, 226).

b) Die in § 7 Abs. 1 S. 1 InsO festgelegten weiteren Voraussetzungen für eine Zulassung liegen nach Auffassung des Senats ebenfalls vor. Die Schuldnerin stützt ihr Rechtsmittel auf eine Gesetzesverletzung. Die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts ist auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten, soweit es die Frage betrifft, nach welcher Berechnungsgrundlage sich der Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters ausrichtet, die in Rechtsprechung und Literatur kontrovers behandelt wird. Unerheblich für die Entscheidung ist hingegen das ebenfalls streitige Problem, ob für die Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters der Rechtspfleger oder der Richter zuständig ist (vgl. OLG Zweibrücken, a.a.O. m.w.N. zum Streitstand). Im vorliegenden Verfahren hat über den Vergütungsantrag der Insolvenzrichter des Amtsgerichts entschieden; diese Entscheidung ist nach § 8 Abs. 1 Rechtspflegergesetz jedenfalls wirksam. 2. In der Sache möchte der Senat der Auffassung der Instanzgerichte folgen, wonach die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters durch den Wert des Vermögens bestimmt wird, das er im Zeitpunkt der Beendigung der vorläufigen Verwaltung verwaltet hat, wobei auch diejenigen Gegenstände mit ihrem Verkehrswert anzusetzen sind, die mit Aus- oder Absonderungsrechten Dritter belastet sind. a) Allerdings bestimmt § 1 Abs. 1 InsVV für den endgültig eingesetzten Verwalter, dass sich die Berechnungsgrundlage für seinen Vergütungsanspruch am Wert der Insolvenzmasse ausrichtet, auf die sich die Schlussrechnung bezieht. Bei der in § 10 InsVV angeordneten entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift auf den Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters muss aber berücksichtigt werden, dass eine Teilungsmasse bei Beendigung des vorläufigen Insolvenzverfahrens noch nicht feststeht. Demgegenüber ist der Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters bereits bei Beendigung der vorläufigen Verwaltung fällig und der vorläufige Verwalter - gleich ob er mit dem endgültigen identisch ist oder nicht - kann seinen Anspruch vor Abschluss des Insolvenzverfahrens und unabhängig vom Vergütungsanspruch des endgültigen Verwalters geltend machen. Es entspricht daher auch nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung und der Insolvenzverwaltervergütungsverordnung ganz herrschender Meinung, dass sich die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters nach dem Verkehrswert der verwalteten Vermögensmasse zum Zeitpunkt der Beendigung der vorläufigen Verwaltung bemisst (vgl. OLG Zweibrücken, a.a.O. m.w.N.; a. A. LG Karlsruhe, ZinsO 2000, 230). Nach überwiegender Ansicht, der der Senat ebenfalls folgt, sind bei der Ermittlung dieser Berechnungsgrundlage auch solche Gegenstände einzubeziehen, die mit einem Aus- oder Absonderungsrecht belastet sind (vgl. OLG Zweibrücken, a.a.O. für Absonderungsrechte; LG Bonn, ZIP 2000, 629; LG Wuppertal, ZinsO 1999, 421; LG Frankfurt am Main, ZIP 1999, 1686; LG Baden-Baden, NZI 1999, 159; Haarmeyer/Wutzke/Förster, § 11 InsVV, Rn. 42 jeweils m.w.N.; a. A. LG Karlsruhe a.a.O.). Die Einbeziehung von mit Aus- und Absonderungsrechten belasteten Gegenständen in die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters rechtfertigt sich daraus, dass es zu seinem Aufgabenkreis gehört, das seiner Verwaltung unterliegende Vermögen in Besitz zu nehmen und zu sichern; und zwar auch, soweit es sich um belastetes Vermögen handelt. Für die Erfüllung dieser Verpflichtung ist der vorläufige Insolvenzverwalter nach den §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 60 InsO haftbar, so dass es geboten ist, ihn für dieses übernommene Risiko auch zu vergüten. Schließlich entspricht es allgemeinen Grundsätzen des Kostenrechts, die Höhe der Vergütung am Wert desjenigen Vermögens auszurichten, auf das sich die zu vergütende Tätigkeit erstreckt hat (vgl. OLG Zweibrücken, a.a.O. m.w.N.). b) Von diesen Grundsätzen ist auch das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgegangen. Ihm sind im Übrigen weder bei der konkreten Berechnung des für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters zu Grunde zu legenden Vermögens noch bei der Bestimmung des angemessenen Bruchteils der Vergütung eines endgültigen Insolvenzverwalters nach § 11 Abs. 1 S. 2 InsVV Rechtsfehler im Sinne der §§ 7 Abs. 1 S. 2 InsVV, 550 ZPO unterlaufen. Es handelt sich hierbei um tatrichterliche Entscheidungen, die der Nachprüfung im Rahmen einer Rechtsbeschwerde nur eingeschränkt unterliegen (vgl. OLG Köln, NZI 2000, 78 m.w.N.). 3. An der danach gebotenen Zurückweisung der sofortigen weiteren Beschwerde sieht sich der Senat durch die Auffassung des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken (vgl. a.a.O.) gehindert, bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters sei nach § 10 InsVV die in § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV getroffene Regelung auch dann anzuwenden, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter, wie es dem Regelfall entspricht, eine Verwertung absonderungsbelastender Gegenstände gar nicht vorgenommen hat. Dem folgt der Senat nicht. Die Rechtsauffassung des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken trägt den Unterschieden bei den Aufgaben des vorläufigen und endgültigen Insolvenzverwalters bei der entsprechenden Anwendung der für die Vergütung des letzteren geltenden Grundsätze nicht hinreichend Rechnung; sie erscheint dem Senat im Übrigen unpraktikabel. Anders als der endgültige Insolvenzverwalter, der die Masse zu verwerten hat, hat der vorläufige Verwalter vor allem das Vermögen des Schuldners in Besitz zu nehmen und zu sichern. Diese Aufgabe bezieht sich auch auf mit Aus- oder Absonderungsrechten belastete Gegenstände, und zwar unabhängig davon, ob sie später verwertet werden und ob hierbei ein Überschuss in die Masse fließt. Schon dieser Umstand legt es nahe, die mit Aus- und Absonderungsrechten belasteten Gegenstände mit ihrem Verkehrswert in die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters einzubeziehen, wenn er im Hinblick auf diese Gegenstände eine Tätigkeit entfaltet (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster, a.a.O., Rn. 42; Eickmann, in: Kübler/Prütting, § 11 InsVV, Rn. 8; LG Wuppertal, ZinsO 1999, 421). Eine solche Tätigkeit im Hinblick auf die betreffenden Gegenstände entfaltet der vorläufige Insolvenzverwalter nach Auffassung des Senats schon dann, wenn er sie tatsächlich in Besitz nimmt und sichert. Die Auffassung des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken würde hingegen dazu führen, dass der vorläufige Insolvenzverwalter für das mit der Inbesitznahme und Sicherung der mit Aus- oder Absonderungsrechten belasteten Gegenstände verbundene Haftungsrisiko jedenfalls dann nicht vergütet würde, wenn die anzustellende Verwertungsprognose negativ ausginge. Hierfür ist eine Rechtfertigung nicht ersichtlich. Im Übrigen würde die erforderliche Verwertungsprognose, insbesondere aber die prognostischen Ermittlungen, ob und in welcher Höhe bei einer zukünftigen Verwertung ein Überschuss in die Masse fließen wird, das Vergütungsfestsetzungsverfahren in einer nach Auffassung des Senats unzuträglichen Weise belasten und verkomplizieren. Aus eigener Sachkenntnis wird dem für die Festsetzung zuständigen Rechtspfleger/Richter zwar möglicherweise noch eine Verwertungsprognose möglich sein; er wird aber in der Regel nicht selbst ermitteln können, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe daraus ein Überschuss in die Masse fließen wird. Er wird sich hierzu in der Mehrzahl der Fälle der Hilfe von Sachverständigen bedienen müssen, was im Ergebnis die Gefahr in sich birgt, dass die angestrebten Einsparungen bei der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters durch die bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage aufgewandten Kosten - etwa für Sachverständigengutachten - wieder aufgezehrt werden. Der Senat verkennt nicht, dass der Insolvenzverwaltervergütungsverordnung auch die Zielsetzung zu Grunde liegt, überhöhten Vergütungsansprüchen, die aus der Masse nicht gedeckt werden können, zu begegnen (vgl. OLG Zweibrücken, a.a.O. m.w.N.). Aus den angeführten Gründen vertritt der Senat aber die Auffassung, dass dem bei der Vergütung des vorläufigen Verwalters nicht durch die entsprechende Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV, sondern vielmehr durch eine eher vorsichtige Bemessung des Bruchteils nach § 11 Abs. 1 S. 1 InsVV Rechnung getragen werden sollte. 4. Die aufgezeigte Abweichung des Senats von der Rechtsauffassung des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken ist für die vorliegend zu treffende Entscheidung über die sofortige weitere Beschwerde der Schuldnerin auch entscheidungserheblich. Würde der Senat dem Pfälzischen Oberlandesgericht folgen, müsste er die angefochtene Entscheidung des Landgerichts aufheben und die Sache wegen der im Hinblick auf die entsprechende Anwendung von § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV erforderlichen weiteren Ermittlungen zurückverweisen. Anderenfalls könnte er die sofortige weitere Beschwerde als unbegründet zurückweisen. Das Rechtsmittel ist daher dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung nach § 7 Abs. 2 S. 1 InsO vorzulegen. Die entsprechende Stellungnahme des Beschwerdeführers (§ 7 Abs. 2 S. 3 InsO) liegt vor.

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