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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 23.07.2001
Aktenzeichen: 6 W 360/01
Rechtsgebiete: ThürBO, ThürStrG, GBO


Vorschriften:

ThürBO § 8
ThürBO § 1 Abs. 2
ThürStrG § 19 Abs. 2
GBO § 19
GBO § 20
Die Notwendigkeit einer bauordnungsrechtlichen Teilungsgenehmigung hat das Grundbuchamt an Hand der ihm vorliegenden Unterlagen selbständig und in eigener Verantwortung zu prüfen.

Ob das zu teilende Grundstück § 8 Abs. 1 ThürBO bebaut ist oder ob seine Bebauung genehmigt ist, kann das Grundbuchamt selbst grds. nur aufgrund einer die Form des § 29 GBO wahrenden Teilungsgenehmigung bzw. eines Negativattests feststellen, es sei denn das Fehlen eines solchen Sachverhalts ist offenkundig.

Die Teilung eines Grundstücks, das bebaut ist oder dessen Bebauung genehmigt ist, unterliegt dem Anwendungsbereich der Thüringer Bauordnung auch dann, wenn es teilweise bereits mit einer Anlage des öffentlichen Verkehrs bebaut ist.

§ 10 Abs. 2 ThürStrG befreit weder von der Vorlage der bauordnungsrechtlichen Teilungsgenehmigung, noch vermittelt er der Straßenbaubehörde eine Teilungsgenehmigungszuständigkeit, denn er betrifft lediglich die Herstellung und die Unterhaltung von Straßen.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 360/01

In dem Verfahren

betreffend die Eintragung der Teilung des im Grundbuch von W., Bl. eingetragenen Grundstücks sowie die Eintragung des Eigentums an dem Flurstück 1/1

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgericht Dr. h.c. Bauer sowie die Richter am Oberlandesgericht Kramer und Bettin auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 vom 11./14.06.2001 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mühlhausen vom 26.02.2001

am 23.07.2001

beschlossen:

Tenor:

1. Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 5.000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit notariellem Vertrag vom 09.12.1998 des Notars Andreas Kaiser mit Amtssitz in L. (Nr. ...der Urkundenrolle für 1998) veräußerte die Beteiligte zu 2 das im Betreff bezeichnete Flurstück 1/1 an den Beteiligten zu 1. Dieses Flurstück ist gemeinsam mit dem Flurstück 1/2 unter derselben Nummer im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs von W.... eingetragen.

Unter dem 17.01.2000 beantragten die Beteiligten den Vollzug aller sich aus dieser Urkunde ergebenden Anträge.

Mit Zwischenverfügung vom 12.04.2000 forderte die Grundbuchrechtspflegerin die Beteiligten unter Fristsetzung zur Vorlage der Teilungsgenehmigung nach § 8 ThürBO auf. Daraufhin legte das Straßenbauamt Leinefelde am 20.06.2000 folgende von ihm selbst am 15.06.2000 abgegebene Erklärung dem Grundbuchamt vor: "Gemäß Thüringer Straßengesetz § 10 Abs. 2 ist die Straßenbauverwaltung des Freistaats Thüringer Baubehörde. Auf dieser Grundlage wird hiermit die Teilungsgenehmigung gemäß § 8 ThürBO erteilt."

Nach mehrfacher Fristverlängerung betreffend das in der Zwischenverfügung bezeichnete Eintragungshindernis wies das Grundbuchamt die Eintragungsanträge mit Beschluss vom 16.11.2000 mit der Begründung ab, die erforderliche Teilungsgenehmigung sei nicht beigebracht worden. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 1, der die Grundbuchrechtspflegerin nicht abgeholfen hatte, wies das Landgericht mit der angefochtenen Entscheidung, auf deren Begründung der Senat Bezug nimmt, zurück.

Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten 1, der geltend macht, die Thüringer Bauordnung sei nach § 1 Abs. 2 ThürBO nicht anwendbar, weil sich auf dem von dem notariellen Vertrag betroffenen Flurstück ein Teil der Landesstraße L 2032 befinde.

Abgesehen davon sei - die grundsätzliche Geltung der Thüringer Bauordnung unterstellt - eine Teilungsgenehmigung auch deshalb nicht erforderlich, weil es sich um ein unbebautes Grundstück im Außenbereich handele und demzufolge für das Grundbuchamt ohne weiteres feststellbar sei, dass eine Baugenehmigung für dieses Grundstück nicht erteilt sei. Schließlich sei die Straßenbauverwaltung nach § 10 ThürStrG für ihre Bauwerke selbst verantwortlich. Sie sei insoweit selbst Bauaufsichtsbehörde, so dass die Teilungsgenehmigung jedenfalls durch das dem Grundbuchamt vorgelegte Schreiben des Straßenbauamts Leinefelde vom 15.06.2000 erteilt sei. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde nimmt der Senat Bezug auf die Begründung des Rechtsmittels.

II.

Die weitere Beschwerde ist nach den § 78, 80 GBO an sich statthaft und auch sonst zulässig. Der Zuziehung eines Rechtsanwalts zur Einlegung der weiteren Beschwerde bedurfte es im Hinblick auf § 80 Abs. 1 S. 2 GBO nicht. In der Sache bleibt die weitere Beschwerde ohne Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung des Landgerichts nicht auf Gesetzesverletzungen beruht (§§ 78 GBO, 550 ZPO). Die Vorinstanzen haben vielmehr die begehrten Eintragungen mit Recht abgelehnt, weil es an der erforderlichen Vorlage der Teilungsgenehmigung nach § 8 Abs. 1 ThürBO bzw. des entsprechenden Negativattests der Bauaufsichtsbehörde fehlt.

1. Hängt die Eintragung im Grundbuch wie hier möglicherweise von einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung ab, hat das Grundbuchamt an Hand der ihm vorliegenden Unterlagen selbständig und in eigener Verantwortung zu prüfen, ob der zur Eintragung im Grundbuch beantragte Vorgang dem jeweiligen Genehmigungstatbestand unterfällt (vgl. Meikel/Böttcher, Grundbuchrecht, 8. Auflage, § 7 Rn. 30 m.w.N. für die Teilungsgenehmigung nach § 19 BauGB; Waldner in: Bauer/v. Oefele, GBO, AT VIII Rn. 133 m.w.N.). Dabei ist es nicht Aufgabe des Rechtspflegers, eigene Ermittlungen durchzuführen, z.B. Bebauungspläne einzusehen oder durch Ortsbesichtigung festzustellen, ob ein Grundstück bebaut ist (vgl. Meikel/Böttcher, a.a.O., Rn. 31 m.w.N.; Waldner, a.a.O.). Hat das Grundbuchamt nach Würdigung der ihm von den Antragstellern in der Form des § 29 GBO vorgelegten Eintragungsunterlagen, der Grundbucheintragung selbst sowie bei ihm offenkundiger Tatsachen berechtigte Zweifel, ob der zur Eintragung in das Grundbuch beantragte Vorgang genehmigungspflichtig ist, darf es die Vorlage der Genehmigung bzw. eines Negativattest fordern.

2. Von diesen Grundsätzen geht das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ohne Rechtsfehler aus; nicht zu beanstanden ist auch seine Auffassung, das Grundbuchamt habe im vorliegenden Fall berechtigte Zweifel daran gehabt, ob die zur Eintragung in das Grundbuch beantragte Grundstücksteilung nach § 8 Abs. 1 ThürBO genehmigungspflichtig ist.

a) Der Anwendungsbereich der Thüringer Bauordnung ist für das im Betreff bezeichnete Grundstück grundsätzlich nach § 1 Abs. 1 ThürBO eröffnet. Dem steht anders als der Beteiligte zu 1 meint § 1 Abs. 2 Nr. 1 ThürBO - danach gilt dieses Gesetz nicht für Anlagen des öffentlichen Verkehrs einschließlich Zubehör, Nebenanlagen und Nebenbetrieben, mit Ausnahme von Gebäuden und Lärmschutzanlagen - nicht entgegen. Die Thüringer Bauordnung unterscheidet, wie sich bereits aus § 1 Abs. 1 ThürBO ergibt, zwischen baulichen und anderen Anlagen einerseits und Grundstücken andererseits. Bauliche Anlagen sind in § 2 Abs. 1 ThürBO legal definiert; danach handelt es sich dabei um mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Nur derartige Anlagen des öffentlichen Verkehrs, nicht aber Grundstücke nimmt § 1 Abs. 2 Nr. 1 ThürBO nach seinem Wortlaut und Zweck vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes aus. Das hat zur Folge, dass für den Bau von Straßen und Gehwegen sowie hinsichtlich ihrer Unterhaltung die allgemeinen bauordnungsrechtlichen Regelungen nicht gelten. Die Teilung eines Grundstücks, das bebaut ist oder dessen Bebauung genehmigt ist, unterliegt dem Anwendungsbereich der Thüringer Bauordnung hingegen nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes auch dann, wenn es teilweise bereits mit einer Anlage des öffentlichen Verkehrs bebaut ist (vgl. auch Landgericht Gera, Beschluss vom 30.10.2000, 5 T 494/00). Auch § 10 Abs. 2 ThürStrG betrifft lediglich die Herstellung und die Unterhaltung von Straßen und regelt die Zuständigkeit hierfür. Nur hierauf, also auf die Herstellung und Unterhaltung bezieht sich die Vorschrift des § 10 Abs. 2 S. 2 ThürStrG, wonach es einer Genehmigung, Erlaubnis, Anzeige oder Abnahme nicht bedarf, wenn Bauwerke unter verantwortlicher Leitung einer Straßenbehörde des Landes, eines Kreises oder einer Gemeinde von mehr als 50 000 Einwohner hergestellt und unterhalten werden. Dem gegenüber enthält das Thüringer Straßengesetz weder Regelungen zur Genehmigungsbedürftigkeit der Teilung von teilweise mit Straßen überbauten Grundstücken noch überträgt es die Zuständigkeit für die Erteilung einer derartigen Genehmigung dem Straßenbauamt. Die mit Schreiben des Straßenbauamts Leinefelde vom 15.06.2000 erteilte Teilungsgenehmigung stammt mithin von einer unzuständigen Behörde und ist für das vorliegende Verfahren ohne Belang.

b) Allerdings unterwirft § 8 Abs. 1 ThürBO nur die Teilung solcher Grundstücke einer bauordnungsrechtlichen Genehmigungspflicht, die bebaut sind oder deren Bebauung genehmigt ist. Diese Voraussetzungen kann das Grundbuchamt im Regelfall entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde wegen der das Antragsverfahren beherrschenden Beschränkungen auf solche Beweismittel, die in der Form des § 29 GBO vorliegen oder aber beim Grundbuchamt offenkundig sind, ohne eigene Ermittlungen, zu denen es gerade nicht verpflichtet ist, nicht prüfen. So liegt es auch im vorliegenden Fall, so dass das Grundbuchamt die beantragten Eintragungen nicht vornehmen durfte, ohne dass die Antragsteller die Teilungsgenehmigung bzw. ein Negativattest nach § 8 Abs. 1 ThürBO vorlegen.

Der Grundbuchbestand und die vorgelegten Eintragungsunterlagen lassen schon den sicheren Schluss nicht zu, dass es sich bei dem im Betreff bezeichneten Grundstück um ein unbebautes Grundstück handelt. Das folgt insbesondere nicht allein aus der im Bestandsverzeichnis enthaltenen Nutzungsart Ackerland. Derartige rein tatsächliche Angaben des Bestandsverzeichnisses, also insbesondere die Angaben über Wirtschaftsart, Lage und die auf dem Grundstück vorhandenen Baulichkeiten nehmen nämlich nach allgemeiner Auffassung am öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht teil (vgl. Demharter, GBO, 23. Auflage, § 2 Rn. 26 m.w.N.). Das Schreiben des Gutachterausschusses des Katasteramtes Worbis vom 22.06.1998 wurde erstmals im Verfahren der weiteren Beschwerde vorgelegt. Es handelt sich mithin um neues Vorbringen, dass der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht berücksichtigen darf. Abgesehen davon müssten, um die Form des § 29 Abs. 1 GBO zu wahren, öffentliche Urkunden entweder in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift vorgelegt werden (vgl. Demharter, a.a.O., § 29 Rn. 57 m.w.N.). Auch das ist nicht geschehen, weil das Schreiben vom 22.06.1998 nebst Anlage lediglich in einfacher Kopie vorgelegt wurde.

Abgesehen davon konnte das Grundbuchamt aber jedenfalls nicht mit Sicherheit feststellen, dass für das im Betreff bezeichnete Grundstück eine Baugenehmigung nicht erteilt ist. Hierfür ist unerheblich, ob sich das Grundstück im Außenbereich befindet, weil auch dann die Erteilung einer Baugenehmigung nicht mit Sicherheit auszuschließen wäre, wie § 35 BauGB zeigt. Schließlich regelt auch § 24 ThürStrG kein vollständiges Bebauungsverbot von Grundstücken, die teilweise mit Straßen bebaut sind.

3. Den Beschwerdewert hat der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht nach den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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