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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 13.11.2002
Aktenzeichen: 6 W 470/02
Rechtsgebiete: BNotO, BeurkG


Vorschriften:

BNotO § 15
BeurkG § 54a
An dem Verfahren betreffend die Auflösung eines Notaranderkontos sind die Gläubiger einer Kaufpreisforderung, zu deren Erfüllung die verwahrten Gelder eingezahlt worden sind, dann nicht beteiligt, wenn der Kaufvertrag unter einer nicht eingetretenen aufschiebenden Bedingung vereinbart worden war.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 470/02

In dem Verfahren

betreffend die Abwicklung zweier bei Notar Dr. Th. W., Jena, geführter Notaranderkonten,

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer, den Richter am Oberlandesgericht Pippert und die Richterin am Amtsgericht auf die weitere Beschwerde vom 26.08.2002 gegen den Beschluss des Landgerichts Gera vom 07.08.2002 (Az.: 5 T 130/02) am 13.11.2002

beschlossen:

Tenor:

1. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Landgerichts Gera vom 07.08.2002 (Az.: 5 T 130/02) wird als unzulässig verworfen.

2. Die Gerichtskosten des weiteren Beschwerdeverfahrens trägt die Beteiligte zu 2); außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Beschwerdewert wird auf bis zu 17.000 € festgesetzt.

4. Der Senatsbeschluss vom 27.08.2002 wird aufgehoben.

Gründe:

I.

Aufgrund der im Rahmen des notariellen Vertrages vom 27.06.1996 bei Notar Dr. Fehrensen (UR-Nr. 710/1996), dem Amtsvorgänger von Notar Dr. W., vereinbarten Hinterlegung, die im Zusammenhang mit der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen und Anlagevermögen steht, führt Dr. W. zwei Notaranderkonten mit einem Guthaben in Höhe von 23.008,13 € (45.000,00 DM) bzw. 122,710,05 € (240.000,00 DM).

Der notariellen Vertrag enthält u.a. folgende Klausel:

"Aufschiebende Bedingung

Die Wirksamkeit des Vertrages steht unter der aufschiebenden Bedingung der Einzahlung der genannten Beträge von DM 45.000,00 und DM 300.000,00 auf die verschiedenen Notaranderkonten."

Nach Ziffer 4 letzter Absatz der notariellen Vereinbarung vom 27.06.1996 waren die Verkäufer berechtigt, den Auszahlungsanspruch an Dritte abzutreten. Die Verkäuferseite hat Teile des Kaufpreisanspruchs abgetreten; zu den Zessionaren gehört die Beteiligte zu 2).

Mit notariellem Vertrag vom 03.07.2001 (UR-Nr. W-840/2001) vereinbarten die Parteien ohne Hinzuziehung der Zessionare der Kaufpreisforderung wegen des Nichteintritts der aufschiebenden Bedingung die Aufhebung des vorgenannten notariellen Vertrags vom 27.06.1996. Grund dafür war u.a., dass der entsprechend der vertraglichen Verpflichtung einzuzahlende Betrag in Höhe von DM 300.000,00 nur teilweise, nämlich in Höhe von DM 240.000,00 und dann auch erheblich nach der vertraglich bestimmten Frist auf das Notaranderkonto eingezahlt wurde.

Der Beteiligte zu 1) forderte im Anschluss an die Vertragsaufhebung von Notar Dr. W. die Auszahlung von insgesamt 146.718,18 €. Der Notar hat sich hierzu nicht im Stande gesehen, weil die Forderungserwerber einer solchen Abwicklung des Anderkontos nicht zugestimmt hätten. Hiergegen hat der Beteiligte zu 1) gem. § 15 Abs. 2 BNotO Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat der Beschwerde unter Zurückweisung im Übrigen zum Teil stattgegeben und den Notar angewiesen, die Auszahlung in Höhe von insgesamt 81.295,40 € (159.000,-- DM) vorzunehmen. Insofern wird auf die landgerichtliche Entscheidung verwiesen.

Die Beteiligte zu 2) hat hiergegen weitere Beschwerde eingelegt. Sie macht dabei insbesondere eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend. Sie ist der Ansicht, dass Landgericht habe sie im Verfahren beteiligen müssen, da sie aufgrund einer Abtretung vom 27.06.1996 Inhaberin einer Auszahlungsforderung in Höhe von insgesamt 300.000.- DM geworden sei.

Im Zusammenhang mit der weiteren Beschwerde hat die Beteiligte zu 2) einstweiligen Rechtsschutz durch Anordnung eines Vollziehungsaufschubs beantragt, dem der Senat nach Anhörung des Beteiligten zu 1) durch Beschluss vom 27.08.2002 entsprochen hat.

II.

Die weitere Beschwerde ist an sich statthaft und in zulässiger Form eingelegt (§§ 15 BNotO, 27, 29 FGG). Das Rechtsmittel ist jedoch deswegen unzulässig, weil die Beteiligte zu 2) nicht beschwerdeberechtigt ist. Die Beschwerdebefugnis ergibt sich nicht als sogenannte formelle Beschwer daraus, dass die Beteiligte zu 2) mit der Beschwerde unterlegen ist. Die Beschwerdeberechtigung könnte daher nur gem. §§ 20 Abs. 1, 29 Abs. 4 FGG aufgrund sogenannter materieller Beschwer begründet sein. Hieran fehlt es indessen, denn die angefochtene Entscheidung greift in eine Rechtsstellung der Beteiligten zu 2) nicht unmittelbarer nachteilig ein; der Rechtsbestand der Beteiligten zu 2) wird durch die landgerichtliche Entscheidung weder aufgehoben noch beschränkt oder gemindert, denn hinsichtlich der auf dem Notaranderkonto hinterlegten Massen sind durch die Abtretung der Kaufpreisforderung etwelche Ansprüche von Forderungserwerbern nicht entstanden. Zutreffend ist daher das Landgericht davon ausgegangen, dass die Rückzahlung der auf den Notaranderkonten gebuchten Beträge durch den Notar Dr. W. die Zessionare nicht betrifft.

Aus dem vereinbarten Verkauf des Gesellschaftsanteils und des Gesellschaftsvermögens ist ein Kaufpreisanspruch nicht entstanden, denn das Wirksamwerden des Kaufvertrags und damit die Entstehung des Kaufpreisanspruchs hing ab davon, ob die als Grundbedingung des Erwerbsgeschäfts vereinbarte Voraussetzung, die Einzahlung des Kaufpreises für die gesellschaftsrechtliche Beteiligung wie für das Anlagevermögen der Gesellschaft erfüllt war. Diese Bedingung ist unstreitig nicht eingetreten. Damit ist mangels Bedingungseintritts der mit dem Rechtsgeschäft angestrebte Erfolg, das war auf der Verkäuferseite insbesondere die Begründung der Kaufpreiszahlungsforderung, nicht eingetreten (§ 158 Abs. 1 BGB). Dabei ist es unerheblich, dass die Vertragsparteien den Kaufvertrag vom 27. 6. 1996 am 3. 7. 2001 förmlich aufgehoben haben, denn diese Maßnahme hatte neben der kraft Gesetzes herbeigeführten Unwirksamkeit keine selbständige rechtliche Bedeutung.

Mangels eines Kaufpreisanspruchs hat die Veräußererseite auch keinen Anspruch gegen den die Einzahlungsmasse verwahrenden Notar auf Auskehrung des auf dem Anderkonto hinterlegten Geldes erworben. Dem steht nicht entgegen, dass nach dem Vertragswortlaut die Verkäufer berechtigt waren, ihren zukünftigen Auszahlungsanspruch am 27.06.1996 an die Beteiligte zu 2) abzutreten, denn die Abtretbarkeit eines aufgrund einer dem Entstehungssachverhalt hinzugefügten Befristung oder aufschiebenden Bedingung erst künftig entstehenden Anspruchs bedeutet nicht, dass der Erwerber dieses Anspruchs in jedem Fall eine sichere Anwartschaft auf die Rechtsinhaberschaft hätte. Eine solche Anwartschaft tritt nur nach Maßgabe des § 162 BGB ein, mithin dann, wenn eine der Vertragsparteien den Bedingungseintritt treuwidrig vereitelt hat. Von einer solchen Sachlage kann in vorliegender Sache nicht ausgegangen werden, denn die aufschiebende Bedingung ist deswegen nicht eingetreten, weil die Käufer den Kaufpreis nicht haben aufbringen können; gerade für diesen Fall war die Bedingung vereinbart, so dass die Zessionare die Kaufpreisforderung nur mit dem "Geburtsfehler" der aufschiebenden Bedingung erworben haben. Nachdem die Forderung der Verkäufer aufgrund des Ausfalls der Bedingung und des damit nicht zustande gekommenen Kaufvertrags nicht entstanden ist, wurde - wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend darlegt - die Abtretung an die Beteiligte zu 2) gegenstandslos. Hieraus folgt, dass an der Rechtsbeziehung zu dem die Hinterlegungsmasse verwahrenden Notar nicht die Verkäuferseite sondern allein die Käuferseite beteiligt war, weil von ihr die Beträge eingezahlt worden sind, welche nicht ausreichend waren, um die Vertragsbedingung zu erfüllen und die daher an die Herkunftsseite zurückfließen müssen. Nur die Käuferseite nimmt daher an der Rückabwicklung des gesetzlich nicht geregelten, "stecken gebliebenen" Verwahrungsverhältnisses (vgl. Keidel/Winkler, BeurkG, 14. Aufl., § 54a Rn. 80) teil (vgl. KG JurBüro 1999, 601).

Die vorliegende Entscheidung widerspricht nicht dem Senatsbeschluss vom 29.06.1999 (6 W 274/99), wonach im Verfahren betreffend die an einen Notar zu richtende Notaranderkonto-Auszahlungsanweisung sämtliche Forderungsprätendenten zu beteiligen sind. In dem damals entschiedenen Fall war nämlich die Hinterlegungsmasse aufgrund eines wirksamen Kausalgeschäft eingezahlt worden. Dieses konnte - ungeachtet späterer Rechtsentwicklung - jedenfalls die Grundlage allseitiger Berechtigungen hinsichtlich der verwahrten Gelder sein, so dass die begehrte Amtshandlung des Notars ohne die Beteiligung sämtlicher Forderungsprätendenten in deren Rechtsstellung unmittelbar eingewirkt hätte; dies hatte den Notar berechtigt, die rechtliche Klärung der Forderungsinhaberschaft dem Prozessgericht zu überantworten. An einer solchermaßen unklaren Rechtslage fehlt es indessen im vorliegenden Fall, denn eine irgendwie geartete Berechtigung an den von der Käuferseite in die Notarverwahrung gegebenen Geldern kann den Rechtsvorgängern der Beteiligten zu 2) und damit auch dieser nicht entstanden sein. Damit entfällt für die Beteiligte zu 2) das ihr Beteiligungsinteresse an diesem Beschwerdeverfahren legitimierende Betroffensein mit der Folge des Fehlens einer materiellen Beschwer.

Da das Landgericht zu Recht die Beteiligte zu 2) nicht zum Verfahren hinzugezogen hat, beruht die angefochtene Entscheidung nicht auf einer Verletzung des Anspruchs der Beteiligten zu 2) auf rechtliches Gehör. Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 88 Abs. 1, S. 1 ThürVerf gebieten nur dann eine Person an einem gerichtlichen verfahren zu beteiligten, wenn deren Rechtsstellung durch den Verfahrensausgang unmittelbar verändert sein kann. Dies ist, wie ausgeführt, in dieser Sache zum Nachteil der Beteiligten zu 2) nicht möglich.

Nach alledem war die weitere Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Klarstellend ist der Senatsbeschluss vom 27.08.2002 aufzuheben, mit dem der angesichts wegen zunächst unklarer Sach- und Rechtsverhältnisse gewährte einstweilige Rechtsschutz bewilligt worden war.

Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergeht gem. § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO, die hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten beruht auf § 13a Abs. 1 FGG. Der Umstand, dass das Landgericht den Notar Dr. W. deswegen unzutreffend als Verfahrensbeteiligten behandelt hat, weil der Notar in den Fällen des § 15 BNotO als Eingangsinstanz fungiert und nicht Antrags- oder Beschwerdegegner ist, hat sich in der Beschwerdeentscheidung nicht niedergeschlagen, weil das Landgericht, wenn auch mit nicht zutreffender Begründung, davon abgesehen hat, den Notar zur Erstattung außergerichtlicher Kosten zu verpflichten.

Den Wert des Beschwerdegegenstandes hat der Senat gem. §§ 131, 30 Abs. 2 KostO nach dem mit der weiteren Beschwerde verfolgten Interesse bemessen, die Auskehrung der Hinterlegungsmasse an den Beteiligten zu 1) zu verhindern. Den Wert dieses Interesses hat der Senat mit einem Fünftel des Betrages angenommen, zu dessen Auszahlung das Landgericht den Notar angewiesen hat.

Ende der Entscheidung

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