Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 04.10.2000
Aktenzeichen: 6 W 559/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1908i Abs. 2 S. 2
BGB § 1982
BGB § 1857a
04.10.2000

6 W 559/00

Rechtliche Grundlage:

BGB § 1908i Abs. 2 S. 2; BGB § 1982; BGB § 1857a

1. Auch wenn mit dem Ende des Betreueramts grundsätzlich das Aufsichtsrecht des Vormundschaftsgerichts gegenüber dem bisherigen Betreuer endet, bleibt ein Restbestand von Rechten und Pflichten im Rahmen des § 1892 BGB bestehen, so dass das Vormundschaftsgericht den Betreuer durch Zwangsgeld anhalten kann, die gem. §§1908 i Abs. 1 S. 1, 1892 BGB formal ordnungsmäßige Schlussrechnung einzureichen.

2. Die Befreiung nach § 1857 a BGB betrifft ausschließlich die periodische Rechnungslegung, nicht aber die Pflicht, eine Schlussrechnung einzureichen und zwar für die gesamte Zeit der Vermögensverwaltung. Auch bei der befreiten Betreuung umfasst gem. § 1841 BGB die Schlussrechnung nicht lediglich ein Vermögensverzeichnis ohne Aufschlüsselung der Zu- und Abgänge. Die nach § 1890 S. 2 BGB grundsätzlich mögliche Bezugnahme auf die dem Vormundschaftsgericht gelegte periodische Rechnungslegung ist nicht möglich, wen der Betreuer von dieser jährlichen Rechnungslegungspflicht nach den §§ 1908 i Abs. 2 S. 2, 1857 a BGB befreit war.

3. Die nach § 33 Abs. 3 S. 1 FGG erforderliche Zwangsgeldandrohung muss sich auf die Erzwingung einer ganz bestimmten Handlung beziehen Jedoch ist in Fällen, in denen die Zwangsgeldandrohung in einer gesonderten Verfügung erfolgt, die Bezugnahme auf die Ursprungsverfügung, in der die vorzunehmende Handlung enthalten ist, zulässig, wenn in dieser Ursprungsverfügung die Handlung hinreichend bestimmt und eindeutig bezeichnet ist (vgl. Senatsbeschluss v. 06.04.2000, 6 W 137/00). Der Senat hält an dieser Auffassung nach erneuter Prüfung fest.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 559/00 1 T 140/00 (Landgericht Mühlhausen)

In der Betreuungssache

W.W., geb., Wohnheim "A.L.", in I. - Betroffener -

an dem weiter beteiligt sind: 1. C. W., E.

- gerichtlich bestellte Betreuerin für die Aufgabenkreise Gesundheitssorge sowie Geltendmachung von Ansprüchen auf Rente und von Versicherungsangelegenheiten; Beschwerdeführerin, auch im Verfahren der weiteren Beschwerde - Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte Noll & Hubrich, Bahnhofstraße 1, 99084 Erfurt 2. Rechtsanwalt W. F., G. - gerichtlich bestellter Betreuer für die Vermögenssorge -

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer sowie die Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Werner und Bettin auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 vom 29.08.2000 gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mühlhausen vom 01.08.2000

am 04.10.2000 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Gerichtskosten für das Erstbeschwerdeverfahren nicht entstanden sind und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden.

Gründe: I.

Die Beteiligte zu 1 war seit 1993 gerichtlich bestellte Betreuerin für die Aufgabenkreise Sorge für die Gesundheit, das Vermögen und die Geltendmachung von Ansprüchen auf Rente und im Rahmen von Versicherungsangelegenheiten für den Betroffenen, ihren Ehemann. Durch Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts wurde die Beteiligte zu 1 am 03.06.1999 als Betreuerin für den Aufgabenkreis Vermögenssorge entlassen, weil sie ihren Aufgaben auf diesem Gebiet nicht nachgekommen sei. Für diesen Aufgabenkreis wurde der Beteiligte zu 2 zum Betreuer bestellt. Mit Schreiben vom 21.06.1999 (Herausgabe an die Beteiligte zu 1) hat die Rechtspflegerin des Vormundschaftsgerichts die Beteiligte zu 1 aufgefordert, den Betreuerausweis abzugeben sowie die Schlussrechnung für den Zeitraum vom 26.07.1993 bis 12.06.1999 und das Übergabeprotokoll an den neuen Betreuer zur Akte zu reichen.

Mit Schreiben vom 19.11.1999 an die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 hat die Rechtspflegerin u.a. ausgeführt: "Da die eingereichte Rechnungslegung nur in Kopie vorliegt, ist das Original nachzureichen. Diese kann allerdings nur als Bestandteil der Gesamtrechnungslegung (26.07.93 bis Übergabe des Vermögens an den neu bestellten Betreuer) gewertet werden. Es wird also um Nachreichen der "restlichen" Rechnungslegung innerhalb der o.g. Frist gebeten...". Im ersten Satz dieses Schreibens hatte die Rechtspflegerin zur Zahlung eines Zwangsgeldes eine Frist von drei Wochen gesetzt. Dieses Schreiben wurde den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1, die ausweislich der vorlegten Vollmacht (vgl. Bl. 166 Bd. II d.A.) umfassende Zustellungsvollmacht hat, am 23.11.1999 zusammen mit einem Beschluss vom selben Tag gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Am 02.03.2000 hat die Rechtspflegerin folgendes Schreiben an die Beteiligte zu 1 gerichtet: "Sie sind trotz Erinnerung dem Schreiben des Gerichts vom 19.11.1999 bezüglich der Schlussrechnungslegungsproblematik basierend auf der gerichtlichen Verfügung vom 21.06.1999 (nur teilweise Erledigung) bisher nicht nachgekommen. Sie werden hiermit gebeten, das genannte Schreiben innerhalb einer Frist von 4 Wochen zu erledigen oder zumindest die Hinderungsgründe nach hier mitzuteilen. Sollte innerhalb der Ihnen hiermit gesetzten Frist keinerlei Nachricht von Ihnen eingehen, wird gegen Sie ein Zwangsgeld in Höhe von DM 6.000 festgesetzt ...". Dieses Schreiben, das die Rechtspflegerin nach Aktenlage nicht unterschrieben hat, wurde sowohl der Beteiligten zu 1 selbst als auch ihren Verfahrensbevollmächtigten zugestellt. Der dagegen eingelegten "Erinnerung" hat die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 17.03.2000, den sie unterschrieben hat, nicht abgeholfen. Das Landgericht hat die Beschwerde mit der angefochtenen Entscheidung, auf deren Gründe der Senat Bezug nimmt, zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1, die meint, die Verfügung der Rechtspflegerin vom 02.03.2000 sei schon aus formellen Gründen aufzuheben. Im Übrigen sei sie auch materiell-rechtlich nicht zur Vorlage einer Schlussrechnung an das Vormundschaftsgericht verpflichtet. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat auf die Begründung der weiteren Beschwerde Bezug. II. Die nach den §§ 27, 29 FGG an sich statthafte und auch sonst zulässige weitere Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis nicht auf einer Gesetzesverletzung beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO). 1. Die Verfügung der Rechtspflegerin vom 02.03.2000 unterliegt nicht aus formellen Gründen der Aufhebung. a) Die Auffassung der weiteren Beschwerde, eine Zwangsgeldandrohung dürfe nur durch einen förmlichen Beschluss erfolgen, findet im Gesetz keine Grundlage. Es entspricht vielmehr allgemeiner Auffassung, dass gerichtliche Verfügungen regelmäßig einer bestimmten Form nicht bedürfen (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Auflage, § 16 Rn. 4 m.w.N.). Wählt das Gericht allerdings die Schriftform, bedürfen sie der Unterschrift desjenigen Richters/Rechtspflegers, der sie verfasst hat. Anderenfalls liegt noch keine gerichtliche Entscheidung, sondern nur deren Entwurf vor. Wird jedoch nach Einlegung eines Rechtsmittels gegen eine solche unwirksame Entscheidung die darauf Bezug nehmende Nichtabhilfe - bzw. Vorlageverfügung an das Rechtsmittelgericht von dem Richter/Rechtspfleger unterschrieben, wird die fehlende Unterschrift geheilt, so dass nunmehr von einer wirksamen Entscheidung ausgegangen werden kann (vgl. BayObLG, FGPrax 1996, 32 m.w.N.). So liegt es hier, weil die Rechtspflegerin zwar nicht das Schreiben vom 02.03.2000, wohl aber ihren Nichtabhilfebeschluss vom 17.03.2000 unterschrieben hat. b) Im Ansatz zu Recht weist die weitere Beschwerde darauf hin, dass sich die nach § 33 Abs. 3 S. 1 FGG erforderliche Zwangsgeldandrohung auf die Erzwingung einer ganz bestimmten Handlung beziehen muss. Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 06.04.2000 in dieser Sache ausgesprochen, dass er in Fällen, in denen die Zwangsgeldandrohung wie hier in einer gesonderten Verfügung erfolgt, die Bezugnahme auf die Ursprungsverfügung, in der die vorzunehmende Handlung enthalten ist, für zulässig hält, wenn in dieser Ursprungsverfügung die Handlung hinreichend bestimmt und eindeutig bezeichnet ist. Er hält an dieser Auffassung nach erneuter Prüfung fest. Diesen Anforderungen wird die Zwangsgeldandrohung vom 02.03.2000, wie das Landgericht mit zutreffender Begründung, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, noch gerecht. Sie lässt im Zusammenhang mit den Ursprungsverfügungen das Verhalten, das die Rechtspflegerin von der Beteiligten zu 1 erwartet, nämlich die Einreichung einer Schlussrechnung für den gesamten Zeitraum der Vermögenssorge, hinreichend erkennen. c) Bei den Schreiben der Rechtspflegerin vom 21.06.1999 bzw. 19.11.1999 handelt es sich auch um wirksame gerichtliche Verfügungen, die Grundlage für die Androhung bzw. Festsetzung eines Zwangsgeldes sein können. Beide Verfügungen sind insbesondere nach § 16 FGG wirksam, weil sie der Beteiligten zu 1 ordnungsgemäß gekannt gemacht wurden. Mit dem Schreiben vom 21.06.1999 wurde eine Frist nicht in Gang gesetzt, so dass für die Bekanntmachung formlose Übersendung an die Beteiligte zu 1 ausreichte. Da die Verfügung vom 19.11.1999 eine - gerichtlich bestimmte - Frist in Gang setzen sollte, war sie durch Zustellung nach den für die Zustellung von Amts wegen geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung zu bewirken (§ 16 Abs. 2 S. 1 FGG). Das ist durch Zustellung an die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1, die ausweislich der Vollmacht auch Zustellungsbevollmächtigte waren, in entsprechender Anwendung von § 176 ZPO geschehen (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 16 Rn. 36). Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung der weiteren Beschwerde, bei den betreffenden Schreiben der Rechtspflegerin, die von der Beteiligten zu 1 eine Schlussrechnung für die gesamte Zeit ihrer Vermögenssorge fordern, handele es sich nicht um rechtsmittelfähige Entscheidungen, sondern um bloße Meinungsäußerungen, nicht nachvollziehbar. 2. Nach den §§ 1908 i Abs. 1 S. 1, 1892 BGB hat der Betreuer nach dem Ende der Betreuung - hier für den Teilbereich der Vermögenssorge - die zu erstellende Schlussrechnung dem Vormundschaftsgericht einzureichen. Nach allgemeiner Auffassung, der der Senat folgt, erlischt zwar mit Beendigung des Amts grundsätzlich das Aufsichtsrecht des Vormundschaftsgerichts gegenüber dem bisherigen Betreuer. Indessen bleibt ein Restbestand von Rechten und Pflichten im Rahmen des § 1892 BGB bestehen, so dass das Vormundschaftsgericht den Betreuer durch Zwangsgeld anhalten kann eine formal ordnungsmäßige Schlussrechnung einzureichen (vgl. Staudinger/Engler, BGB, 13. Auflage, § 1892 Rn. 7 m.w.N.). Das ist bisher, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, unterblieben. Was unter einer formal ordnungsmäßigen Rechnung zu verstehen ist, ergibt sich aus § 1841 Abs. 1 BGB (vgl. Sörgel/Damrau, BGB, 12. Auflage, § 1892 Rn. 3). Die Auffassung der weiteren Beschwerde, bei der befreiten Betreuung umfasse die Schlussrechnung lediglich ein Vermögensverzeichnis, das die Zu- und Abgänge nicht enthalten müsse, ist unzutreffend und wird auch durch die aufgeführten Zitate, die sich sämtlich auf das periodisch einzureichende Vermögensverzeichnis nach § 1854 Abs. 2 BGB beziehen (vgl. Sörgel/Damrau, a.a.O., § 1854 Rn. 2) nicht belegt. Eine nach § 1890 S. 2 BGB grundsätzlich mögliche Bezugnahme auf die dem Vormundschaftsgericht gelegte periodische Rechnungslegung ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt, weil die Beteiligte zu 1 von dieser jährlichen Rechnungslegungspflicht nach den §§ 1908 i Abs. 2 S. 2, 1857 a BGB gerade befreit war. 3. Ob die Beteiligte zu 1 materiell-rechtlich zur Abgabe der Schlussrechnung für die gesamte Zeit der Vermögensverwaltung nach den §§ 1908 i Abs. 1 S. 1, 1892 BGB verpflichtet ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Die entsprechenden Verfügungen der Rechtspflegerin vom 21.06. und 19.11.1999 sind, wie der Senat ausgeführt hat, nach § 16 FGG wirksam und bislang weder nach § 18 Abs. 1 FGG geändert noch durch ein Rechtsmittel angegriffen. Gleichwohl weist der Senat darauf hin, dass die Verpflichtung der Beteiligten zu 1 zur Vorlage einer formal ordnungsgemäßen Schlussrechnung bei dem Vormundschaftsgericht nach den §§ 1908 i Abs. 1 S. 1, 1892 Abs. 1 BGB nach wie vor bestehen dürfte. Hierfür ist insbesondere unerheblich, dass die Beteiligte zu 1 bis zu ihrer Entlassung für den Bereich der Vermögenssorge Kraft Gesetzes befreite Betreuerin nach den §§ 1908 i Abs. 2 S. 2, 1857 a BGB war. Die Befreiung nach § 1857 a BGB betrifft ausschließlich die Verpflichtung zur periodischen Rechnungslegung, nicht aber die Pflicht, dem Vormundschaftsgericht eine Schlussrechnung einzureichen (vgl. Staudinger/Engler, a.a.O., § 1857 a Rn. 39 m.w.N.). Für die von der weiteren Beschwerde behauptete Annahme der Beteiligten zu 1, eine solche Schlussrechnung nicht legen zu müssen, fehlte aus diesem Grund von vornherein jegliche Grundlage. Sonstige Ausnahmefälle, in denen die Verpflichtung zur Einreichung der Schlussrechnung entfällt, etwa der Verzicht des Betreuten durch seinen neuen gesetzlichen Vertreter auf die Schlussrechnung (vgl. Staudinger/Engler, a.a.O., § 1892 Rn. 23) sind ersichtlich nicht gegeben. III.

Der Senat hat die Kostenentscheidung des Landgerichts von Amts wegen geändert, weil eine Kostenentscheidung sowohl für das Erstbeschwerdeverfahren als auch für das Verfahren der weiteren Beschwerde nicht veranlasst ist. Gerichtsgebühren und Auslagen entstehen nach § 131 Abs. 3, Abs. 5 KostO nicht, weil sich die Rechtsmittel gegen eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts richten und sie nach der gebotenen weiten Auslegung dieser Vorschrift (vgl. Senatsbeschluss vom 06.04.2000, a.a.O.) auch im Interesse des Betroffenen eingelegt wurden, weil diesen als Ehemann der Beteiligten zu 1 die Zahlung des Zwangsgeldes wirtschaftlich mit treffen würde. Die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten nach § 13 a FGG ist schon mangels Beschwerdegegners nicht möglich.

Ende der Entscheidung

Zurück