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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 19.01.2004
Aktenzeichen: 6 W 579/03
Rechtsgebiete: ThürPAG


Vorschriften:

ThürPAG § 19
Die Neigung zu einem Verstoß gegen das Versammlungsrecht allein rechtfertigt den Polizeigewahrsam nicht. Sie muss sich durch eine der in § 19 Abs. 1 Nr. 2 lit. c ThürPAG bestimmten weiteren Verhaltensweisen zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verdichtet haben.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 579/03

In dem Verfahren

betreffend die Feststellung der Rechtmäßigkeit eines Polizeigewahrsams

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer den Richter am Oberlandesgericht Kramer und den Richter am Amtsgericht a.w.a.R Giebel auf die sofortige weitere Beschwerde vom 07.10.2003 gegen den Beschluss des Landgerichts Gera vom 23.09.2003 (Az.: 5 T 502/00)

am 19.01.2004

beschlossen:

Tenor:

1. Unter Aufhebung der Beschlüsse des Amtsgerichts Jena vom 12.08.2000 (Az.: 3 XIV 90/00 L) und des Landgerichts Gera vom 23.09.2003 (Az.: 5 T 502/00) wird festgestellt, dass die mit Beschluss des Amtsgerichts Jena vom 12.08.2000 angeordnete Fortdauer der polizeilichen Ingewahrsamnahme des Beteiligten zu 2) bis zum 20.08.2000, 09:00 Uhr, rechtswidrig war.

2. Die Beteiligte zu 1) hat die dem Beteiligten zu 2) zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erwachsenen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1) nahm den Beteiligten zu 2) am 11.08.2000 in dessen Wohnung vorläufig fest und beantragte noch am gleichen Tag eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer des Polizeigewahrsams bis zum 20.08.2003, 09.00 Uhr. Der Beteiligte zu 2) war zum damaligen Zeitpunkt führendes Mitglied der NPD und stellvertretender Landesvorsitzender der Jungen Nationalen Thüringen.

Die Beteiligte zu 1) ging davon aus, dass es am 12.08.2000 in der Stadt Jena und am 17.08.2000 sowie an darauf folgenden Tagen bis einschließlich zum darauf folgenden Wochenende zu Gedenkveranstaltungen anlässlich des sich jährenden 13. Todestages von Rudolf Hess kommen könnte, zu dem es - bundesweit - in der Vergangenheit regelmäßig neonazistische Aufmärsche und Gedenkveranstaltungen gab. Derartige öffentliche Zusammenkünfte für das Jahr 2000 befürchtete die Beteiligte zu 1), nachdem auf der Internetseite der "Kameradschaft Gera" eine Laufschrift mit dem Inhalt "Ruhm und Ehre Rudolf Hess - Die Jugend marschiert im August 2000" und auf der Internetseite des Thüringer Heimatschutzes im Gästebuch der Eintrag "Heil Euch Kameraden. Wir sehen uns am 17.08. beim Rudolf-Hess-Marsch" festgestellt wurde.

Darüber hinaus wurde im Rahmen einer polizeilichen Überprüfung am 10.08.2000, 04.40 Uhr, in Prenzlau ein Pkw Audi mit zwei Insassen festgestellt, nach deren Angaben das bei ihnen gefundene Propagandamaterial u.a. für eine Demo am 12.08.2000 in Jena bestimmt war. Vor der Ingewahrsamnahme des Beteiligten zu 2) am 11.08.2000 wurden im Stadtgebiet von Jena fast täglich über ca. zwei Wochen gelbe, selbstklebende Handzettel mit dem Bildnis von Rudolf Hess und der Überschrift "Mord" sowie dem Schriftzug "Wir vergessen nichts" vorgefunden. Erkenntnisse auf eine zentrale Veranstaltung sowie auf ein "zentrales Vorbereitungskomitee" lagen für das Jahr 2000 nicht vor. Im Zuge der Festnahme des Beteiligten zu 2) wurde dessen Wohnung durchsucht. Dabei wurden u.a. neonazistisches Propagandamaterial, ein Plakat "Rudolf Hess, 12. Todestag", 45 Aufkleber "Rudolf Hess - Mord" und weitere gefährliche Gegenstände sichergestellt. In der Vergangenheit (Herbst 1998) war der Beteiligte zu 2) bereits zweimal in polizeilichen Unterbindungsgewahrsam genommen worden. Am 27.10.2000 wurde er wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz vom Landgericht Gera in zweiter Instanz verurteilt.

Das Amtsgericht hat, nachdem es den Beteiligten zu 2) persönlich angehört hat, am 12.08.2000 die Fortdauer des Polizeigewahrsams bis zum 20.08.2000, 09.00 Uhr, angeordnet. Gegen den in seiner Gegenwart verkündeten Beschluss des AG Jena vom 12.08.2000 hat der Beteiligte zu 2) am gleichen Tag zu Protokoll des Amtsgerichts sofortige Beschwerde eingelegt. Die Rechtsmittelbegründung vom 14. 08.2000 schließt damit, dass gefordert wird, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Beteiligten zu 2) freizulassen. Am 20.08.2000 ist der Beteiligte zu 2) aus dem Polizeigewahrsam entlassen worden.

Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 23.09.2003 zurück gewiesen. Im wesentlichen hat es ausgeführt, dass aufgrund der vorgetragenen polizeilichen Ermittlungen die Begehung einer Straftat oder zumindest einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit unmittelbar bevor gestanden habe und dass man davon ausgehen konnte, dass es am 12.08.2000 in der Stadt Jena und am 17.08.2000 und den darauf folgenden Tagen bis einschließlich Wochenende zu Gedenkveranstaltungen anlässlich des sich jährenden Todestages von Rudolf Hess kommen würde. Nach Ansicht der Kammer sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerade noch gewahrt. Auf die übrigen Begründungen wird Bezug genommen.

Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde vom 07.10.2003 begehrt der Beteiligte zu 2) die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung. Wegen der Begründung verweist der Senat auf die Beschwerdeschrift.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 20 Abs. 2 S. 2 des Thüringer Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei v. 04.06.1992 [Polizeiaufgabengesetz - PAG; (GVBl. S. 199), zuletzt geändert durch Gesetz v. 20.06.2002 (GVBl. S. 247)], 7 Abs. 1 FEVG, 27, 29 FGG an sich statthaft und auch sonst zulässig. Die Beschwerdeberechtigung folgt für den Beteiligten zu 2) daraus, dass das Landgericht die Beschwerde zurückgewiesen hat.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist begründet.

a) Die sofortige weitere Beschwerde ist nicht deswegen unbegründet, weil das Landgericht die Erstbeschwerde hätte als unzulässig behandeln müssen. Im Ergebnis zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Überprüfung der amtsgerichtlichen Entscheidung vom 12.08.2000 nicht daran scheitert, dass die angefochtene Maßnahme am 20.08.2000 beendet worden ist und dass nicht mit einem weiteren, auf den Beschluss vom 12.08.2000 gestützten Freiheitsentzug zum Nachteil des Beteiligten zu 2) zu rechnen war. Damit war das Rechtsschutzinteresse des Beteiligten zu 2) nicht entfallen.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mit Beschlüssen vom 19.06.1997 (NStZ-RR 1997, 330) und 26.06.1997 (EuGRZ 1997, 374) ausgeführt, dass es zwar mit dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes grundsätzlich vereinbar ist, wenn die Gerichte ein Rechtsschutzinteresse nur solange als gegeben ansehen, als ein gerichtliches Verfahren dazu dienen kann, eine gegenwärtige Beschwer auszuräumen, einer Wiederholungsgefahr zu begegnen oder eine fortwirkende Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff zu beseitigen. Darüber hinaus fordere das Rechtsstaatsprinzip im allgemeinen und das aus ihm abzuleitende Gebot wirkungsvollen Rechtsschutzes im besondern ein Rechtsschutzinteresse auch in Fällen anzuerkennen, in denen der angegriffene Hoheitsakt erheblich in den durch die Grundrechte geschützten Bereich eingreift, sich jedoch nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine Überprüfung der den Grundrechtseingriff bewirkenden Entscheidung durch das nach der einschlägigen Verfahrensrechtsordnung zuständige Gericht in aller Regel nicht erlangen kann. Effektiver Rechtsschutz findet hier nur statt, wenn der Betroffene ungeachtet der Hauptsachenerledigung Gelegenheit erhält, die Rechtmäßigkeit des als solchen erledigten und damit nicht zu revidierenden Grundrechtseingriffs gerichtlich klären zu lassen.

b) Im Anschluss an diese Rechtsprechung ist seitens der Fachgerichte allgemein anerkannt, dass allein die Erledigung einer Freiheitsentziehungsmaßnahme nicht dazu führt, die Zulässigkeit der Überprüfung dieser Maßnahme am Fehlen eines Rechtsschutzbedürfnisses scheitern zu lassen. Ein bis zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses durch Wiederherstellung der vollen Bewegungsfreiheit auf die Aufhebung des Freiheitsentzugs oder der ihn begründenden Maßnahme gerichtetes Begehren setzt sich nach der Hauptsachenerledigung grds. in dem Petitum des Inhaftierten fort, die Rechtswidrigkeit des Freiheitsentzugs bzw. der ihm zugrunde liegenden Anordnung festzustellen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Betroffene ausdrücklich auf seinem unmittelbar gegen die erledigte Maßnahme selbst gerichteten Antrag beharrt.

c) An diesen Grundsätzen gemessen ist die Beschwerde nicht mit der Entlassung des Betroffenen aus dem Polizeigewahrsam unzulässig geworden. Mit der im Beschluss des Amtsgerichts Jena vom 12.08.2000 genehmigten Ingewahrsamnahme war ein schwerwiegender Eingriff in das Freiheitsgrundrecht verbunden. Nach Lage der - durch die Wirklichkeit bestätigten - Dinge war bis zum 20.08.2000 nicht mit einer Entscheidung des Beschwerdegerichts zu rechnen. Es würde der Schwere der möglichen Rechtsverletzung nicht gerecht, hier die Rechtmäßigkeitskontrolle nicht durchzuführen und den Instanzenzug nur deswegen zu verschließen, weil der Freiheitsentzug selbst irreparabel abgeschlossen war.

Da der Beteiligte zu 2) nicht darauf beharrt hat, dass die erledigte Maßnahme als solche zu beseitigen sei, konnte vom 20.08.2000 an davon ausgegangen werden, dass es ihm nicht mehr um die Aufhebung des Polizeigewahrsams, sondern um die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses Grundrechtseingriffs gegangen ist, auch wenn ein solcher Antrag ausdrücklich nicht in das Verfahren eingeführt worden ist.

2. Die sofortige weitere Beschwerde ist deswegen begründet, weil die angefochtenen Entscheidungen auf einem Rechtsanwendungsfehler beruhen. Sowohl das Amtsgericht wie das Landgericht haben die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 ThürPAG nicht mit der im Hinblick auf den Grundrechtsschutz gebotenen Strenge bestimmt.

a) Das Amtsgericht Jena und das Landgericht Gera haben ihre Entscheidungen auf § 19 Abs. 1 Nr. 2 c) ThürPAG gestützt. Danach kann unter näher bestimmten Umständen die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, d.h. sie in ihrer Bewegungsfreiheit massiv beschränken. Gegen den damit verbundenen Grundrechtseingriff bestehen keine Bedenken, wenn die gesetzlichen Eingriffsvoraussetzungen klar, bestimmt und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips so festgelegt sind, dass der mit der Ingewahrsamnahme erstrebte Schutz der Allgemeininteressen/Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (vgl. § 2 Abs. 1 ThürPAG) wirkungsvoll erreicht wird. Diesen Anforderungen hält § 19 ThürPAG zumindest in der hier in Betracht kommenden Untergruppe des Abs. 1 Nr. 2 c) stand. Insoweit stimmt § 19 ThürPAG mit Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 c) des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei [Polizeiaufgabengesetz - PAG (GVBl. S. 397), zuletzt geändert durch Gesetz v. 27.12.1999 (GVBl. S. 541)] überein. Diese Regelung hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten (BayVerfGH BayVBl. 1990, 654). Aus den hierzu herangezogenen Gründen bestehen auch gegen § 19 ThürPAG keine verfassungsrechtliche Bedenken.

b) Verfassungsrechtlich unbedenklich ist ein konkreter Eingriff indessen nicht schon dann, wenn er auf eine verfassungskonforme Gesetzesbestimmung gestützt ist. Die Maßnahme muss auch Folge eines Sachverhaltes sein, der den gesetzlich festgelegten Eingriffsvoraussetzungen genügt. Dazu bedarf es eines Abgleichs der festgestellten Tatsachen mit dem Inhalt der abstrakt formulierten Eingriffsvoraussetzungen.

§ 19 Abs. 1 Nr. 2 c) ThürPAG, auf den die Vorinstanzen ihre Entscheidungen beziehen, erlaubt, dass die Polizei eine Person in Gewahrsam nimmt, wenn dies unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern. In einem zweiten Halbsatz nennt § 19 Abs. 1 Nr. 2 ThürPAG Sachverhalte, mit deren Vorliegen die Feststellung der Eingriffsvoraussetzung "unmittelbar bevorstehende Straftat oder Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung" im Einzelfall begründet werden kann. Da diesen Ausgangssachverhalten nicht die Bedeutung einer rechtsförmlichen, vom "Gegner" zu widerlegenden Vermutung zukommt (Ebert/Honnacker, Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei, 2. Aufl., § 19 Rz. 6), dürfen sie in der Polizeipraxis nur im Sinne einer Eingriffsfreigabe angewandt werden. Die Bejahung eines der in § 19 Abs. 1 Nr. 2 2. Hs. lit. a) - c) ThürPAG genannten Fälle, muss vielmehr durch die Feststellung ergänzt werden, dass der Indizsachverhalt auf ein Tatsachenumfeld trifft, das zur Bewahrung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung den Freiheitsentzug unerlässlich macht, weil sonst eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung begangen würde.

Insoweit sind sowohl an die Feststellung des Indizsachverhalts [Fall nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) - c) ThürPAG)] wie an die Feststellung der die Unerlässlichkeit des Freiheitsentzugs begründenden Umstände strenge Anforderungen zu stellen.

Zur Abwehr einer Straftat darf die Polizei danach den Freiheitsentzug nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 ThürPAG) nur einsetzen, wenn sich die Straftat als solche eindeutig bestimmen lässt und wenn nach der Art der Straftat oder aus sonstigen Tatsachen erkennbar ist, dass sie das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit erheblich berühren würde. Angesichts der Intensität des Eingriffs ist es erforderlich, dass im konkreten Fall nachvollziehbare Tatsachen vorliegen, die zu der Gewissheit führen, dass der Schaden sofort oder in allernächster Zeit eintritt.

c) Hätten die Vorinstanzen den im August 2000 in Bezug auf die Person des Beteiligten zu 2) gegebenen Sachverhalt an diesen Maßstäben gemessen, hätten sie die Ingewahrsamnahme des Beteiligten zu 2) durch die Polizei nicht genehmigen dürfen.

Die von den Vorinstanzen ermittelten Tatsachen erlauben nicht die Feststellung einer unmittelbar bevorstehenden, dem Verantwortungsbereich des Beteiligten zu 2) zuzurechnenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit. Als eine solche rechtswidrige Verhaltensweise haben die Beteiligte zu 1) und die Vorinstanzen einen Verstoß gegen § 26 S. 1 Nr. 2 des Versammlungsgesetzes benannt. Dazu müsste ein Sachverhalt vorliegen, der zumindest sehr wahrscheinlich macht, dass der Beteiligte zu 2) als maßgeblicher Veranstalter einer unangemeldeten öffentlichen Versammlung oder eines unangemeldeten Aufzugs in Erscheinung treten wird. Für eine solche Annahme haben die vom Beteiligten zu 1) in das Verfahren eingeführten Tatsachen nicht ausgereicht.

Der Beteiligte zu 2) selbst hat bestritten, in Jena im zeitlichen Umfeld des ominösen Hess-Geburtstags eine sich auf dieses "Ereignis" beziehende Veranstaltung geplant zu haben. Nach seinem unwiderlegten Vorbringen beabsichtigte er in der fraglichen Zeit eine Auslandsreise zu unternehmen. Die polizeilichen Ermittlungen haben für die den Antrag stützende Behauptung einer in Jena unmittelbar bevorstehenden Demonstration rechtsradikaler "Bekenner" keine greifbaren Anhaltspunkte ergeben. Der Umstand, dass der Beteiligte zu 2) in der Thüringer NPD eine nicht unmaßgebliche Rolle spielt, und dass er mit einschlägig bekannt gewordenen "Größen" dieser Szene ideologischen und physischen Kontakt hält, kann zwar als Indiz für eine Geneigtheit zur Begehung versammlungsrechtswidriger, strafbarer Taten bzw. von Ordnungswidrigkeiten erheblichen Gewichts herangezogen werden. Das Unterstellen einer solchen Bereitschaft findet darin eine tragfähige Grundlage, dass nach allgemeiner Erfahrung es auch zu den Strategien des rechtsextremen "Lagers" gehört, öffentliche Präsenz zu zeigen, zumal an aus dortiger Sicht ideologisch markanten Anlässen. Allein diese Erkenntnis rechtfertigt jedoch noch keinen Freiheitsentzug zum Nachteil eines Funktionsträgers. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 19 ThürPAG. Danach genügt nicht die Neigung zu einem Verstoß gegen das Versammlungsrecht. Diese Neigung muss sich vielmehr durch eine der in § 19 Abs. 1 Nr. 2 lit. c ThürPAG bestimmten weiteren Verhaltensweisen verdichtet haben. Einen solchen Tatbestand haben die Vorinstanzen nicht ermittelt. Der Verstoß gegen § 26 VersammlG ist nicht in einer dem Beteiligten zu 2) zurechenbaren Weise angekündigt. Mag die öffentliche Bekanntgabe eines Aufmarsch-Plans auf einer als rechtsextrem einzustufenden Internet-Präsentation als Ankündigung der Tat i.S.d. 3 19 Abs. 1 Nr. 2 lit. c ThürPAG verstanden werden, so muss Urheber dieser Ankündigung doch eine Gruppierung sein, in der der zu Inhaftierende so maßgeblichen Einfluss hat, dass bei ihm über die bloße Teilnahmeabsicht hinaus die Bereitschaft zu organisatorisch bestimmender Einwirkung sehr wahrscheinlich ist. Dass der Beteiligte zu 2) in dem für die Internet-Präsentation verantwortlichen "Thüringer Heimatschutz" eine solche Rolle spielt, lässt sich weder der Begründung des Inhaftierungsantrags noch den später durch die Beteiligte zu 1) vorgetragenen Umständen entnehmen. Nach den zur Person des Beteiligten zu 2) in dieses Verfahren eingeführten Erkenntnissen ist es eher so, dass der Beteiligte zu 2) zwar mit den im "Thüringer Heimatschutz" Wortführenden Kontakt hat, dass er dort aber keine irgendwie bei Leitungsentscheidungen einflussreiche Position einnimmt. Ebenso wenig ist festgestellt, dass die Leitungsentscheidungen des "Thüringer Heimatschutzes" ohne Weiteres von den Gruppierungen umgesetzt werden, in denen der Beteiligte zu 2) einflussreich ist.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist der Beteiligte zu 2) auch nicht im Besitz offensichtlicher Tatwerkzeuge angetroffen worden. Als solche kommen die bei ihm gefundenen Handklebezettel nicht in Betracht. Sie sind - wie im Antrag vom 11.08.2002 ausgeführt - nicht als Flugblätter verwendet worden, sondern verbreiteten ihre "Botschaft" nach heimlicher Fixierung von Wänden herab. Als Tatwerkzeug einer nicht angezeigten Versammlung scheiden sie auch wegen des kleinen Formats aus. Schon dieses verhindert, dass der Inhalt des Druckwerks außerhalb des Kreises der etwaigen Versammlungsteilnehmer wahrgenommen werden kann. Mit Transparenten oder dergleichen sind die Handklebezettel in keiner Weise vergleichbar.

Schließlich genügt auch die Biographie des Beteiligten zu 2) nicht zur sicheren Annahme, dieser werde erneut als Störer in der Öffentlichkeit agieren. Es braucht nicht entschieden zu werden, wann die von § 19 Abs. 1 Nr. 2 lit. c ThürPAG vorausgesetzte Wiederholungsgefahr vorliegt. Es reicht nämlich nicht eine einmalige versammlungsrechtliche Auffälligkeit, diese Gefahr zu bejahen. Die Wiederholungsgefahr setzt vielmehr voraus, dass beim Störer ein beharrliches Bekennen zu der Störungshandlung feststellbar ist und zwar in der Weise, dass in der Beharrlichkeit die Bereitschaft zu erneuter aktiver Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zum Ausdruck kommt. Auf eine derartige Bereitschaft lässt sich nicht allein daraus schließen, dass der Beteiligte zu 2) ersichtlich eine der Verteilungsstellen der Klebezettel gewesen ist. Ist das "Publizieren" dieser Machwerke zweifellos anstößig, so begründet die Existenz der 15 x 10 cm großen Papiere im öffentlichen Erscheinungsbild jedenfalls noch keine so nachhaltige Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, dass von hier aus auf die unmittelbar bevorstehende Bereitschaft zu versammlungsrechtswidrigen Verhaltensweisen des Beteiligten zu 2) geschlossen werden könnte.

Vollends untauglich zur Begründung des Freiheitsentzugs zum Nachteil des Beteiligten zu 2) war die Aussage der in Prenzlau sistierten Personen. Danach sollte die Kundgebung am 12. August in Jena stattfinden. Für eine solche Aktion gab es außer den Prenzlauer Erkenntnissen keinerlei Anhaltspunkte. Da die befragten Personen für den 18. August Schwedt als Aufzugs-Ort nannten, war auch eine Datumsverwechslung auszuschließen. Keinesfalls konnten die aus Prenzlau übermittelten Erkenntnisse eine Inhaftierung des Beteiligten zu 2) über den 12. August 2000 hinaus rechtfertigen.

Da mithin nichts Konkretes für die Inhaftierungsvoraussetzung "unmittelbar bevorstehende Straftat oder Ordnungswidrigkeit" vorlag, hätte das Amtsgericht die Fortdauer des Polizeigewahrsam am 12. August 2000 nicht anordnen dürfen. Das Landgericht hätte feststellen müssen, dass die Inhaftierung des Beteiligten zu 2) für die Zeit vom 11.08. bis 20.08.2000 rechtswidrig gewesen ist. Da weiterer entscheidungserheblicher Sachverhalt ersichtlich nicht vorliegt, kann der Senat die dahingehenden Feststellungen treffen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 16 S. 1 FEVG. Der Beteiligten zu 1) waren die dem Beteiligten zu 2) erwachsenen Auslagen, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, auf zu erlegen, da für den Antrag vom 11.08.2000 kein begründeter Anlass bestand. Im übrigen ist die Beteiligte zu 1) gerichtsgebührenbefreit (§ 14 Abs. 3 FEVG).

Ende der Entscheidung

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