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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 22.10.2008
Aktenzeichen: 7 U 316/08
Rechtsgebiete: BBodSchG, AbfallG


Vorschriften:

BBodSchG § 4
BBodSchG § 7
BBodSchG § 10.24
AbfallG § 3
1. Eine Altlast i.S.v. § 2 Abs. 5 Nr. 1 BBodSchG liegt auch dann vor, wenn die schädliche Ablagerung erst nach dem 01.03.1999 erfolgt ist.

2. Abfallbeseitigungsanlagen i.S.v. § 2 Abs. 5 Nr. 1 BBodschG sind auch Anlagen zur Abfallverwertung.

3. Stoffe, die ihr Besitzer nicht oder nicht mehr verwertet, sind Abfall i.S.v. § 3 Abs. 1 AbfallG. Dazu zählen auch Wertstoffe. Deren Abfalleigenschaft endet erst, wenn aus ihnen in einem Verwertungsverfahren sekundäre Rohstoffe hergestellt worden sind.

4. Schuldner des Ausgleichsanspruchs nach § 24 BBodSchG ist, wer Verpflichteter i.S.v. § 4 BBodSchG ist.

5. Gläubiger des Ausgleichsanspruchs nmach § 24 BBodSchG ist, wer als Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das belastete Grundstück verpflichtet ist, Vorsorge gegen schädliche Bodenveränderungen zu treffen.

6. Der Ausgleichsanspruch nach § 24 BBodSchG besteht unabhängig davon, ob der Handelnde ein eigenes oder ein fremdes Geschäft vornimmt. Er unterliegt nicht dem Einwand des Mitverschuldens.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 U 316/08

Verkündet am: 22.10.2008

In dem Rechtsstreit

wegen Kostenausgleich nach dem Bundesbodenschutzgesetz

hat der 7. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weber, Richter am Oberlandesgericht Linsmeier und Richterin am Oberlandesgericht Langer

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Oktober 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten zu 1 und 2 gegen das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 12.03.2008 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagten zu 1 und 2 haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten zu 1 und 2 wird nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt von den Beklagten die Erstattung von Ersatzvornahmekosten für die Beseitigung von 460 to Reststoffen, von denen er behauptet, es habe sich um Abfall gehandelt. Das Landgericht hat nur die Beklagten zu 1 und 2 verurteilt und die Klage gegen die Beklagte zu 3 mit der Begründung abgewiesen, dass diese für die Verursachung der Abfälle nicht verantwortlich sei. Hiergegen wenden sich beide Verurteilte mit der Berufung.

Der Kläger ist seit 03.05.2006 Zwangsverwalter eines Grundstücks des Beklagten zu 1, der auch Schuldner der Zwangsvollstreckung ist. Gläubigerin ist die Sachsen LB.

Der Beklagte zu 1 hatte das Grundstück bis Ende 2005 an die Beklagte zu 3 vermietet und vom 01.01.2006 bis Ende August 2006 an die Beklagte zu 2, die sich damals noch "Firma W AG" nannte. Beide betrieben dort eine Abfallrecyclinganlage.

Da die Zwangsverwaltertätigkeit des Klägers in die Zeit des Bestehens des Mietvertrags mit der Beklagten zu 2 fiel, führte er gegen diese mit dem Ende des Mietvertrags eine Räumungsklage, die durch einen Vergleich vom 06.06.2006 endete, wonach sie das Grundstück bis Ende August 2006 zu räumen hatte. Sie räumte es aber nicht vollständig. Da der Kläger das Grundstück bereits ab 01.09.2006 an eine neue Mieterin, die Fa. AR R GmbH, zum gleichen Zweck vermietet hatte, ließ er es am 07.09.2006 zwangsräumen. Außerdem forderte ihn das Umweltamt auf, den "von der Beklagten zu 2 hinterlassenen Abfall von ca. 400 to bzw. 700 Kbm vom Grundstück zu beseitigen". Hiermit beauftragte er die neue Mieterin, die ihm dafür eine Vergütung in Rechnung stellte, die sich auf die Klageforderung beläuft und die er bezahlte.

Der Kläger hat behauptet, der Abfall, den das Umweltamt meine, habe sich während des Bestehens des Mietvertrags der Beklagten zu 2 auf dem Grundstück befunden. Er stamme entweder von ihr oder von der Beklagten zu 3 oder von beiden. Es habe sich um 460,48 to gehandelt. Für deren Beseitigung habe ihm die Fa. AR R GmbH eine Vergütung in Höhe der Klageforderung in Rechnung gestellt, die üblich und angemessen sei. Die Beklagten hätten ihm diese zu erstatten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 100.955,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben behauptet, der Abfall stamme nicht von ihnen, sondern "vermutlich" von der Fa. AR R GmbH selbst. Man habe beobachtet, dass ab 07.09.2006 auf dem Grundstück große Mengen an Wertstoffen abgelagert worden seien. Die Beseitigungskosten seien überhöht, die behauptete Menge viel zu groß. Eine solche habe sich während ihrer Mietdauer nicht auf dem Grundstück befunden.

Die Beklagte zu 2 habe ihren Mietvertrag auch fortsetzen wollen und dem Kläger hierzu vor Vertragsablauf ein Angebot unterbreitet, das er erst am 23.08.2006 abgelehnt habe. Die Zeit von diesem Tag an bis zum Monatsende August 2006 sei dann für eine kurzfristige vollständige Räumung zu knapp bemessen gewesen. Sie habe ihn auch vergeblich um eine Verlängerung der Räumungsfrist ersucht. Mit Schreiben vom 01.09.2006 (AH2 Bl. 14) habe er ihr dann sogar untersagt, Gegenstände vom Grundstück zu entfernen.

Die Beklagte zu 3 habe ihre Abfälle bereits Ende 2005 beseitigt gehabt. Ein Anspruch gegen sie sei auch verjährt.

Das Landgericht hat die Zeugen A, M, K und W vernommen. Auf die Zeugen W und H hat der Kläger für die erste Instanz verzichtet.

Es hat der Zahlungsklage gegen die Beklagten zu 1 und 2 stattgegeben und sie gegen die Beklagte zu 3 abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger gegen beide einen Erstattungsanspruch sowohl aus § 24 Abs. 2 Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) - sog. bodenschutzrechtlicher Störerausgleichsanspruch - als auch aus §§ 683, 670 BGB (Aufwendungsersatz bei Geschäftsführung ohne Auftrag) habe. Gegen die Beklagte zu 2 habe er zudem einen Anspruch "im Zusammenhang mit der Verpflichtung der Beklagten zu 2, das Grundstück nach Beendigung des Mietverhältnisses zum 31.08.2006 zu räumen und an den Kläger herauszugeben".

Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Abfall nicht von der Beklagten zu 3, sondern von der Beklagten zu 2 stamme. Denn der Zeuge K habe glaubhaft ausgesagt, dass die Beklagte zu 3 das Grundstück Ende 2005 vollständig geräumt gehabt habe, wohingegen nach dem Ende der Recyclingtätigkeit der Beklagten zu 2 weiterhin unsortierter Müll im Umfang von etwa 200 t auf dem Grundstück gelagert habe.

Aus der Aussage des Zeugen A ergebe sich, dass es die Beklagte zu 2 gewesen sei, die den Abfall abgelagert habe. Denn er habe angegeben, dass noch bei Beginn des Mietvertrags der Firma AR R GmbH auf dem Grundstück Materialhaufen abgelagert gewesen seien. Dasselbe habe der Zeuge M bestätigt, der auch angegeben habe, dass es sich hierbei nicht um Abfall der Firma AR R GmbH gehandelt habe. Es habe sich um etwa 400 t gehandelt.

Auch das staatliche Umweltamt habe die Abfallmenge auf 400 t geschätzt.

Die streitgegenständliche Menge ergebe sich zudem aus den vorgelegten Lieferscheinen. Es sei unerheblich, wenn die darin angegebenen Massen mit nicht geeichten Messeinrichtungen festgestellt worden seien.

Es könne dahinstehen, ob auch Abfall der Firma AR R GmbH mitentsorgt worden sei, denn dies sei für das Verhältnis zum Kläger ohne Bedeutung. Insoweit habe allenfalls die Beklagte zu 2 selbst einen Ausgleichsanspruch gegen die Firma AR R GmbH.

Ein Blick auf die zuvor vom Kläger eingeholten Vergleichsangebote zeige, dass die in Rechnung gestellte Vergütung ortsüblich und angemessen sei.

Dem Kläger könne nicht der Vorwurf gemacht werden, auf das Angebot der Beklagten zu 2 auf Fortsetzung des Mietvertrags nicht rechtzeitig mit einer Absage reagiert zu haben. Denn die Beklagte zu 2 habe aufgrund des Räumungsvergleichs den Räumungszeitpunkt gekannt und nicht mit einer Fortsetzung des Mietverhältnisses rechnen dürfen.

Mit ihrer Berufung machen die Beklagten zu 1 und 2 geltend, das Landgericht sei aufgrund falscher Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beklagte zu 2 das vom Kläger entsorgte Material auf dem Grundstück abgelagert gehabt habe. Es habe dabei die Aussage des Zeugen K außer Acht gelassen, der angegeben habe, dass am 31.08.2006 bzw. am 07.09.2006 keine Abfälle und kein Müll, sondern sortierte und unsortierte Wertstoffe auf dem Grundstück vorhanden gewesen seien. Dasselbe habe der Zeuge W ausgesagt, nach dessen Angaben es auch höchstens ca. 200 t gewesen seien. Das Landgericht habe es unterlassen, zu dieser Menge das beantragte Sachverständigengutachten einzuholen. Es sei nicht auf die Angaben der Zeugen K, W und M eingegangen, wonach sogar nur 82 t verwertbare Wertstoffe und kein Abfall oder Müll auf dem Grundstück gelagert gewesen seien. Deren Verkauf würde einen Erlös erbracht haben, der die Entsorgungskosten gedeckt haben würde.

Das von der Firma AR R GmbH aus der Anlieferung vom 26.04.2006 stammende Material von circa 16 t sei ebenfalls verkäuflich gewesen.

Das Gleiche gelte für die auf dem Grundstück auf einer Freifläche hinter den beiden Hallen gelagerten Palisaden und Spritzpaletten von circa 10 t.

Das Landgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass die Zeugen A und M angegeben hätten, dass erst durch das Zusammentragen und Zusammenkippen der Wertstoffe ein "Abfallhaufen" entstanden sei, der dann nicht mehr zu sortieren und zu verwerten gewesen sei.

Es sei ferner fehlerhaft davon ausgegangen, dass die Entsorgungskosten angemessen und ortsüblich seien. Aus den Aussagen der Zeugen K und M ergebe sich das Gegenteil.

Fehlerhaft sei das Landgericht ferner davon ausgegangen, dass der Kläger der Beklagten zu 2 hinreichend Zeit zur Räumung gelassen habe.

Er habe sich auch widersprüchlich verhalten, indem er in seinem Schreiben vom 01.09.2006 mitgeteilt habe, dass es untersagt sei, irgendwelche Gegenstände vom Grundstück zu entfernen.

Den Kläger treffe ein Mitverschulden. Denn durch das Zusammentragen und Zusammenkippen der Wertstoffe sei ein "Abfallhaufen" erst entstanden.

Das Landgericht habe zu Unrecht einen Anspruch des Klägers aus Fremdgeschäftsführung ohne Auftrag bejaht. Denn dieser habe kein fremdes, sondern ein eigenes Geschäft geführt.

Für einen mietvertraglichen Anspruch habe es an einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung gefehlt.

Die Mehrwertsteuer sei nicht erstattungsfähig, weil "Vorsteuerabzugsfähigkeit" gegeben sei.

Der Kläger habe die Entsorgungskosten auch nicht selbst bezahlt, sondern diese habe die Vollstreckungsgläubigerin Sachsen LB bezahlt. Die Beklagten hätten dies erst im April 2008 erfahren, somit nach Verkündung des Urteils.

Die Beklagten zu 1 und 2 beantragen,

das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 12.03.2008 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert, dem Klageanspruch stehe nicht entgegen, dass die Vollstreckungsgläubigerin ihm insoweit die Auslagen erstattet habe.

An Wertstoffen seien nur Mülltonnen in einer Menge von circa 2 bis 4 t vorhanden gewesen, die aussortiert und verwertet worden seien. Andere Stoffe seien nicht verwertbar gewesen.

Sein Schreiben vom 01.09.2006 habe ersichtlich nur Zubehörstücke und Gegenstände gemeint, die der Beschlagnahme unterliegen, nicht jedoch Abfallstoffe.

Seine Geschäftsführung ohne Auftrag habe auch im öffentlichen Interesse gelegen, so dass § 679 BGB Anwendung finde.

Er sei nicht vorsteuerabzugsberechtigt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511 Abs. 1, 2 Nr. 1, 517, 519, 520 ZPO). Sie ist aber in der Sache unbegründet. Denn das Landgericht hat einen Ausgleichsanspruch aus § 24 Absatz 2 Satz 1 Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) zu Recht bejaht. Danach haben mehrere Verpflichtete unabhängig von ihrer Heranziehung untereinander einen Ausgleichsanspruch. Wer Verpflichteter ist, ergibt sich aus § 4 BBodSchG. Das ist nach Absatz 1 jeder, der auf den Boden einwirkt. Er hat schädliche Bodenveränderungen zu vermeiden (Vermeidungspflicht). Nach Absatz 2 ist es der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück. Sie haben Maßnahmen zur Abwehr von drohenden schädlichen Bodenveränderungen zu treffen (Abwehrpflicht). Schließlich sind nach Absatz 3 der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast, sein Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück verpflichtet, den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verursachte Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen (Sanierungspflicht). Hierzu kommen bei Belastungen durch Schadstoffe neben Dekontaminations- auch Sicherungsmaßnahmen in Betracht, die eine Ausbreitung der Schadstoffe langfristig verhindern. Soweit dies nicht möglich oder unzumutbar ist, sind sonstige Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen durchzuführen. Zur Sanierung ist auch verpflichtet, wer aus handelsrechtlichem oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund für eine juristische Person einzustehen hat, der ein Grundstück, das mit einer schädlichen Veränderung oder einer Altlast belastet ist, gehört, und wer das Eigentum an einem solchen Grundstück aufgibt.

Altlasten im Sinne des Gesetzes sind nach der Legaldefinition in § 2 Absatz 5 Nr. 1 BBodSchG stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige Grundstücke, auf denen Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind (Altablagerungen) und nach Nr. 2 Grundstücke stillgelegter Anlagen und sonstige Grundstücke, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist, ausgenommen Anlagen, deren Stilllegung einer Genehmigung nach dem Atomgesetz bedarf (Altstandorte), durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden.

Zu den Abfallbeseitigungsanlagen in diesem Sinne zählen auch Abfallverwertungsanlagen (Versteyl/Sondermann, BBodSchG, 2002, § 2 RdNr. 60).

Der Begriff der Altlast setzt nicht voraus, dass diese betagt ist. Das Gesetz enthält insoweit keine zeitliche Begrenzung (Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 12 [Bodenschutzrecht], RdNr. 100). Dies folgt aus dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des BBodSchG am 01.03.1999 und aus der Regelung in § 4 Absatz 5 BBodSchG, worin es heißt: "sind schädliche Veränderungen oder Altlasten nach dem 01.03.1999 eingetreten ...".

Im vorliegenden Fall ist der Kläger "Verpflichteter" im oben genannten Sinne, weil er Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist. Die Beklagten sind "Verpflichtete", weil sie auf den Boden eingewirkt und eine Altlast hinterlassen haben. Unstreitig befanden sich Abfälle auf dem Grundstück, die aus sog. POM-verunreinigtem Kunststoffmaterial bestanden (POM = Polyoxymethylen). Dies ist nicht nur unstreitig, sondern auch von den Zeugen K und A bestätigt worden, wobei der Zeuge A POM ausdrücklich als "Gift" bezeichnet hat. Ferner befanden sich dort nach den Angaben der Zeugen große Mengen Staub, der - wie der Zeuge A bestätigt hat - beim Schreddern des Kunststoffs entsteht. Diese Ablagerungen riefen eine Gefahr für die Allgemeinheit hervor (§ 2 Abs. 5 BBodSchG). Denn der Staub konnte durch den Einfluss der Witterung in den Boden gelangen. Dass die geschredderten Kunststoffe, bei deren Schreddern der Staub nach den Angaben der Zeugen entsteht, sich in sog. Big-Packs bzw. der Staub sich in im Freien stehenden Containern befunden hat, schloß die Gefahr nicht aus. Denn die Beklagten haben weder dargelegt, dass die Container bzw. Big-Packs wind- und wasserdicht bzw. witterungsbeständig waren, noch dass dem geschredderten Material kein umwelt- und bodengefährdender POM-haltiger Staub mehr anhaftete.

Auch die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 BBodSchG, an die der Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs. 2 BBodSchG anknüpft, liegen vor. § 24 Abs. 1 verweist auf § 10 Abs. 1, der wiederum auf § 7 verweist, aus dem sich die Pflicht zur Beseitigung des bodengefährdenden Abfalls ergab. Danach war der Kläger als Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück verpflichtet, Vorsorge gegen das Entstehen schädlicher Bodenveränderungen zu treffen, die durch die Nutzung auf dem Grundstück oder in dessen Einwirkungsbereich hervorgerufen werden konnten. Vorsorgemaßnahmen sind danach dann geboten, wenn wegen der räumlichen, langfristigen oder komplexen Auswirkungen einer Nutzung auf die Bodenfunktionen die Besorgnis einer schädlichen Bodenveränderung besteht. Zur Erfüllung der Vorsorge sind Einwirkungen zu vermeiden oder zu vermindern. Das konnte vorliegend durch eine Beseitigung des Abfalls geschehen.

Es kann dahinstehen, ob es sich bei dem entsorgten Material entsprechend der Aussage des Zeugen K um verwertbares Material oder Wertstoffe gehandelt hat. Denn jedenfalls unterlag dieses Material einer umweltrechtlichen Beseitigungspflicht, wie das staatliche Umweltamt in seinem Schreiben vom 23.10.2006 zu Recht angenommen hat (Anlagenheftung I Blatt 1 = Anlage K 1). Dies folgt daraus, dass nach dem BBodSchG wiederverwertbarer Abfall gleichwohl Abfall im Sinne des BBodSchG ist. Denn das BBodSchG knüpft an den Abfallbegriff des Abfallgesetzes - Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz - an (Frenz, BBodSchG, 2000, § 2 RdNr. 84). Danach sind Produkte, die vom Besitzer nicht oder nicht mehr verwendet werden, Abfall (Anhang I lit. Q14 zu § 3 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz). Das Abfallgesetz verwendet in § 3 Absatz 1 Satz 1 den Begriff "Abfall" als Oberbegriff und in Satz 2 die Begriffe "Abfälle zur Verwertung" und "Abfälle zur Beseitigung" als Unterbegriffe (Kloepfer, a.a.O., § 20 RdNr. 35).

Die Beklagten verwenden auf Seite 5 unten ihres Schriftsatzes vom 28.01.2008 (Bl. I/90 unten) selbst den Begriff "Wertstoffe (Abfall zur Verwertung)". Sie meinen also mit dem Begriff "Wertstoff" nichts anderes als "Abfall zur Verwertung". Sie räumen damit ein, dass die Abfalleigenschaft noch nicht beendet war. Denn diese endet erst, wenn aus Abfällen in einem Verwertungsverfahren sekundäre Rohstoffe gewonnen worden sind (Beckmann/ Kersting, in: Landmann/ Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Loseblattausgabe, Stand: 01.08.2008, Band III, Teil 6.0, KrW-/AbfG § 3 RdNr. 68; Kloepfer, a.a.O., § 20 RdNr. 61). Dass dies der Fall gewesen sei, behaupten die Beklagten nicht.

Sollte den Beklagten im übrigen aus der Beseitigung des Materials ein Schadensersatzanspruch erwachsen sein, stünde es ihnen offen, diesen darzutun und hiermit aufzurechnen. Daran fehlt es.

Dass es sich um eine geringere Menge als vom Kläger behauptet, nämlich nur um 200 t gehandelt hat, ist nicht bewiesen, vielmehr das Gegenteil. Zwar hat der Zeuge Kirchner angegeben, dass er sich nicht vorstellen könne, dass es sich um 460 t gehandelt haben kann. Diese Aussage ist aber zu unbestimmt und widerlegt nicht die übrigen Beweise. Der Zeuge M und das staatliche Umweltamt haben die Menge nämlich auf 400 t geschätzt. Auch durch die vorgelegten Entsorgungslieferscheine (Anlagenheftung I Blatt 14 ff.) ist sie nachgewiesen (siehe Addition Anlagenheftung I Blatt 12). Ein Sachverständigengutachten braucht hierzu nicht eingeholt zu werden, da der Abfall nicht mehr vorhanden ist.

Was die Ortsüblichkeit und Angemessenheit der Entsorgungskosten betrifft, hat das Landgericht zu Recht die vom Kläger eingeholten Vergleichsangebote berücksichtigt. Die Angaben der Zeugen widersprechen dem und sind nicht nachvollziehbar. Es ist nicht ersichtlich, worauf sie basieren. Das Beweisangebot "Sachverständigengutachten" ist neu und nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht mehr zuzulassen.

Soweit der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom 01.09.2006 untersagt hat, Gegenstände vom Grundstück zu entfernen, ist dies unerheblich. Denn die Beklagten hatten das Grundstück nach dem Vergleich unstreitig bereits zum 31.08.2006 zu räumen, waren dem aber nicht nachgekommen. Im übrigen kommt es für den bodenschutzrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs. 2 BBodSchG nicht darauf an, ob sich einer der Sanierungspflichtigen im Verzug befunden hat. Nach dieser Regelung haben mehrere Sanierungspflichtige unabhängig von ihrer Heranziehung durch die zuständigen Behörden untereinander einen Ausgleichsanspruch (BGH NJW-RR 2004, 1596 f.). Dieser Ausgleichsanspruch setzt nicht voraus, dass ein Sanierungspflichtiger den anderen in Verzug gesetzt hat. Er entsteht auch, wenn von mehreren Verantwortlichen einer aus eigenem Antrieb tätig wird (Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 12 RdNr. 253). Zwar kann der Ausgleichsanspruch nach § 24 Absatz 2 BBodSchG durch eine andere Vereinbarung ausgeschlossen werden (BGH a.a.O.). Zu den Sanierungspflichten enthält der Vergleich aber keine Vereinbarung. Als er abgeschlossen worden ist, lag die Beseitigungsaufforderung des staatlichen Umweltamts vom 23.10.2006 auch noch gar nicht vor. Es kann daher nicht angenommen werden, dass die Parteien überhaupt einen Willen hatten, eine Sanierungspflicht im Vergleich zu regeln.

Zwar ist nach wie vor umstritten, ob der Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs. 2 BBodSchG entgegen seinem Wortlaut eine behördliche Sanierungsanordnung voraussetzt (s. die Nachweise bei Kloepfer, a.a.O., § 12 RdNr. 253 FN 607; ablehnend nunmehr BGH, Urt. v. 01.10.2008, XII ZR 52/07, NJW 2009, 139 ff.). Im vorliegenden Fall braucht diese Frage aber nicht entschieden zu werden, da eine solche vorliegt (s. oben).

Der Ausgleichsanspruch ist kein Schadensersatzanspruch, so dass es hierbei auf ein Mitverschulden nicht ankommt.

Er besteht auch unabhängig davon, ob ein fremdes oder ein eigenes Geschäft geführt wird. Zwar war vor dem Inkrafttreten des BBodSchG umstritten, ob der Anspruch auf Geschäftsführung ohne Auftrag oder auf eine entsprechende Anwendung von § 426 BGB gestützt werden kann (BGH NJW-RR 2004, 1596 f.; Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 12 RdNr. 251). Mit dem Inkrafttreten des BBodSchG war dieser Streit aber hinfällig (BGH a.a.O.; Kloepfer, a.a.O., RdNr. 252). Denn der nunmehr kodifizierte Ausgleichsanspruch knüpft insoweit ausschließlich an die bodenschutzrechtliche Verantwortlichkeit nach § 4 BBodSchG an (s. oben; Kloepfer, a.a.O.).

Er besteht ferner unabhängig von einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung.

Der Sachvortrag der Beklagten zur Vorsteuerabzugsberechtigung ist neu, bestritten und daher gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht mehr zuzulassen.

Dem Anspruch steht auch nicht entgegen, dass der Kläger zur Deckung der Entsorgungskosten einen Vorschuss bei der Vollstreckungsgläubigerin angefordert und erhalten hat.

Ob andere Anspruchsgrundlagen eingreifen, kann dahinstehen. Insbesondere braucht nicht geprüft zu werden, ob landesrechtliche Vorschriften Anwendung finden oder ein Innenausgleichsanspruch aus § 9 Abs. 2 des am 14.11.2007 in Kraft getretenen Gesetzes über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umweltschadensgesetz - USchG; hierzu: Wagner, VersR 2008, 565 ff.) besteht, der eine dem § 24 Abs. 2 BBodSchG inhaltsgleiche Regelung enthält (Wagner, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 2, 709 S. 2 ZPO.

Der Senat läßt die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zu, da die hier beantworteten bodenschutzrechtlichen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung für den Rechtsverkehr haben und zum Bodenschutzrecht bisher nur wenige höchstrichterliche Entscheidungen vorliegen.

Ende der Entscheidung

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