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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 23.06.2005
Aktenzeichen: Lw W 55/05
Rechtsgebiete: LwAnpG, ZPO, LwVG, FGG


Vorschriften:

LwAnpG § 28 Abs. 2
ZPO § 114
LwVG § 9
FGG § 14
1. Das Prozesskostenhilfeverfahren dient nicht dem Zweck, über schwierige Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vorab zu entscheiden.

2. Ein Anspruch auf bare Zuzahlung nach § 28 Abs. 2 LwAnpG gegen eine aus der Umwandlung einer LPG hervorgegangene GmbH kann auch dann bestehen, wenn der im Unternehmen verbliebene Gesellschafter zwar am Stammkapital der GmbH quotal in gleicher Höhe beteiligt ist wie am Eigenkapital der GmbH, die Satzung der GmbH aber Regelungen enthält, die geeignet sind, den Gesellschafter bei Ausscheiden zu zwingen, seinen Gesellschaftsanteil unterhalb des Verkehrswerts an die übrigen Gesellschafter zu veräußern. Ob die Gesellschafter im Einzelfall hiervon Gebrauch machen, ist unerheblich.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

Lw W 55/05

In der Landwirtschaftssache

hat der Senat für Landwirtschaftssachen des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch am 23.06.2005

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Meiningen vom 30.09.2004 abgeändert.

Der Antragstellerin wird für das erstinstanzliche Verfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt; zur Wahrnehmung ihrer Rechte wird ihr Rechtsanwalt ... beigeordnet.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin macht als Erbin von H. L. Ansprüche auf bare Zuzahlung nach § 28 Abs. 2 LwAnpG gegen die Antragsgegnerin geltend. H. L. war Mitglied in einer Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin und hat nach dem überwiegend durch Vorlage eines Einbringungsprotokolls belegten Vorbringen der Antragstellerin im Jahre 1972 Inventarbeitrag und gleichstehende Leistungen von insgesamt 8.338,50 Mark sowie eine Fläche von 4,19 ha - nach ihrem Vorbringen bestellt - eingebracht. Die Antragstellerin errechnet daraus einen Beteiligungswert an der LPG von 19.930,24 DM. Die Erblasserin H. L. ist im Zuge der Umwandlung der LPG in die Antragsgegnerin nicht ausgeschieden, sondern vielmehr Gesellschafterin der Antragsgegnerin mit einem Gesellschaftsanteil im Nennwert von 2.500,00 DM geworden. Sie hat im Jahre 1996 ihren Geschäftsanteil zu einem Preis von 12.049,00 DM verkauft.

Die Antragstellerin macht die Differenz zwischen dem von ihr errechneten Beteiligungswert an der LPG (19.930,24 DM) und dem Nennwert des ihr zugeteilten Geschäftsanteils in Höhe von 2.500,00 DM als bare Zuzahlung gegen die Antragsgegnerin geltend.

Mit der angefochtenen Entscheidung, auf deren Gründe der Senat Bezug nimmt, hat das Amtsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe - nachdem es vorher Prozesskostenhilfe für einen mündlichen Erörterungstermin bewilligt hatte - wegen mangelnder Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die weiterhin Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren insgesamt begehrt. Die Antragsgegnerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

Die nach den §§ 9 LwVG, 14 FGG, 127 Abs. 2 Satz 2, 567 ff. ZPO an sich statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Die Antragstellerin ist nicht in der Lage, die Kosten der beabsichtigten Verfahrensdurchführung zu tragen. Das ergibt sich aus ihrer auf Hinweis des Senats ergänzten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat auch die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht. Bei seiner abweichenden Beurteilung hat das Amtsgericht unberücksichtigt gelassen, dass das PKH-Verfahren nicht dem Zweck dient, über zweifelhafte, schwierige Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung abschließend vorweg zu entscheiden (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs; vgl. etwa Zöller/Phillipi, ZPO, 24. Aufl., § 114 Rn. 21 m.w.N.). Derartige Rechtsfragen sind hier betroffen, weil die Frage, unter welchen Voraussetzungen Ansprüche auf bare Zuzahlung gegen eine GmbH, die durch Umwandlung aus einer oder mehreren LPG'en hervorgegangen ist, soweit ersichtlich in der obergerichtlichen Rechtsprechung noch weitgehend ungeklärt ist.

Bei der Umwandlung einer LPG in ein Unternehmen neuer Rechtsform muss jedes nicht zuvor ausgeschiedene Mitglied proportional zu dem Wert seiner Beteiligung an der LPG auch an dem neuen Unternehmen beteiligt sein. Diese, zunächst für die Umwandlung einer LPG in eine Genossenschaft entwickelte Rechtsprechung gilt auch bei einer Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft. Maßgebend ist dabei der Umwandlungszeitpunkt; zu diesem Zeitpunkt muss die Beteiligung des Mitglieds an dem neuen Unternehmen derjenigen an der LPG prozentual entsprechen; ohne Belang ist hingegen, ob das Mitglied später seine Beteiligung an dem neuen Unternehmen zu einem dem Wert zum Zeitpunkt der Umwandlung nicht entsprechenden Kurs verwerten kann (vgl. BGH NL-BzAR 2000, 14 ff.). Bereits hierzu fehlen Feststellungen des Amtsgerichts, weil es den Wert der Beteiligung der Erblasserin an der LPG nicht festgestellt und den Beteiligten auch keinen Hinweis dazu gegeben hat, dass es auf Vortrag zu dieser Frage ankommen könnte. Zwar deutet § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags der Antragsgegnerin darauf hin, dass nach der gesellschaftsvertraglichen Regelung eine quotal mit der Beteiligung an der LPG identische Beteiligung der Anteilseigner an der Antragsgegnerin beabsichtigt war; ob dem durch die Zuteilung eines Gesellschaftsanteils im Nennwert von 2.500,00 Mark (0,25 % des Stammkapitals der Antragsgegnerin) Rechnung getragen wurde, bleibt aber unklar.

Abgesehen davon kommt - wie das Amtsgericht im Ansatz zutreffend erkannt hat - ein Anspruch auf bare Zuzahlung selbst dann in Betracht, wenn die Erblasserin an dem Stammkapital der Antragsgegnerin mit mindestens der selben Quote beteiligt war wie am Eigenkapital der LPG. Das kann dann der Fall sein, wenn die Satzung der Antragsgegnerin Regelungen enthält, die die Gesellschafter an einer Veräußerung der Gesellschaftsanteile frei zum Marktwert hindern, etwa, wenn die Gesellschaftsanteile vinkuliert nur zum Nennwert an das Unternehmen oder an bestimmte Personen veräußert werden dürfen (vgl. Wenzel, AgrarR 2000, 76, 78). Derartige Regelungen enthalten die §§ 10 und 11 des vorgelegten Gesellschaftsvertrages der Antragsgegnerin. Danach ist eine Veräußerung des Geschäftsanteils nur bei Kündigung des Gesellschafters möglich (§ 11 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages). Es besteht nach § 10 des Gesellschaftsvertrages in diesen Fällen ein Übernahmerecht der übrigen Gesellschafter, hinsichtlich der Bedingungen zeitlich gestaffelt; in den ersten beiden Jahren nach Errichtung der Gesellschaft besteht ein Entgeltanspruch in Höhe des Abfindungsanspruchs, sodann bis zum 6. Jahr ein Anspruch lediglich auf den Nennwert und danach haben die übernehmenden Gesellschafter eine Vergütung zu zahlen, die nach dem Ertragswert des Unternehmens zu errechnen ist. Derartige Regelungen sind entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nach § 15 Abs. 5 GmbHG grundsätzlich zulässig (vgl. etwa für sogenannte Buchwertklauseln BGH WM 2002, 289 ff., BGHZ 123, 281 ff.). Anhaltspunkte für die Nichtigkeit der entsprechenden Regelungen im Gesellschaftsvertrag der Antragsgegnerin im Einzelfall, etwa wegen Sittenwidrigkeit, hat das Amtsgericht nicht festgestellt; sie sind auch von den Beteiligten nicht vorgetragen. Liegen wie hier gesellschaftsvertragliche Regelungen vor, die grundsätzlich geeignet sind, den ausscheidenden Gesellschafter zur Veräußerung seines Gesellschaftsanteils zu einem Betrag unterhalb des Verkehrswerts an die verbleibenden Gesellschafter bzw. die Gesellschaft zu zwingen, hat der Senat erhebliche Bedenken gegen die Auffassung des Amtsgerichts, das Bestehen eines Anspruchs auf bare Zuzahlung nach § 28 Abs. 2 LwAnpG sei davon abhängig, ob die Gesellschafter bzw. die Gesellschaft von diesen Regelungen im Einzelfall Gebrauch machen. Hiergegen spricht insbesondere, dass der Anspruch auf bare Zuzahlung nach der Rechtsprechung des Senats aufschiebend bedingt bereits mit dem Umwandlungsbeschluss - mit Fälligkeit ab dem Zeitpunkt der Registereintragung des neuen Unternehmens (vgl. Senat, Beschluss vom 24.03.2005, Lw U 446/04) - entsteht und in seinem Bestand völlig unabhängig davon ist, ob der Gesellschafter den Gesellschaftsanteil veräußert oder nicht. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Frage, ob ein Anspruch nach § 28 Abs. 2 LwAnpG besteht, auf die Übereinstimmung der quotalen Beteiligung an der LPG und dem Unternehmen neuer Rechtsform zum Zeitpunkt der Umwandlung an (vgl. BGH, a.a.O.).

Nach Auffassung des Senats besteht daher insgesamt die für das Prozesskostenhilfeverfahren hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin aus ererbten Recht ein Anspruch auf bare Zuzahlung zusteht. Jedenfalls sind in dem Verfahren aber nicht einfach zu beantwortende Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen. Das rechtfertigt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

III.

Eine Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ist wegen § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.

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