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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 30.07.2009
Aktenzeichen: 1 EO 198/09
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80a
BauGB § 34 Abs. 3
BauGB § 35 Abs. 2
BauGB § 35 Abs. 3
BauGB § 212a
Zur Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich.

Zu (nicht) schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche.


THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 1. Senat - Beschluss

1 EO 198/09

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Bauplanungs-, Bauordnungs- und Städtebauförderungsrechts, hier: Beschwerde nach Antrag gemäß § 80 Abs. 5, § 80a VwGO

hat der 1. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Schwan und die Richter am Oberverwaltungsgericht Schneider und Dr. Hinkel aufgrund der mündlichen Verhandlung am 30. Juli 2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 25.02.2009 - 5 E 574/08 Me - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Rechtszüge auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

1. Unter dem 18.04.2007 beantragte die Beigeladene, ihr den "Neubau: N Verbrauchermarkt, Bäcker und Cafe" auf Grundstücken der Gemarkung Köppelsdorf (Flst.-Nrn. a, b u. c) zu genehmigen. Nach den Bauunterlagen sollte der Verbrauchermarkt über eine Verkaufsfläche von 792,63 qm, Bäckerei und Cafe über eine Verkaufsfläche von 28,00 qm verfügen. Die Antragstellerin erteilte hierzu am 02.05.2007 ihr Einvernehmen und führte aus, dass die Eigenart der näheren Umgebung des Bauvorhabens einem Gewerbegebiet entspreche und das Vorhaben den Rahmen der dort vorhandenen Bebauung einhalte.

Nach einer Umplanung teilte das Staatliche Umweltamt Suhl unter dem 15.08.2007 mit, dass nur noch die geplanten Parkplätze in einem festgesetzten Überschwemmungsgebiet lägen und nach einer von der Beigeladenen abgegebenen Erklärung zur Einhaltung des bisherigen Höhenniveaus des Grundstücks eine wesentliche Beeinträchtigung des Hochwasserabflusses nicht mehr zu erwarten sei.

Mit rechtskräftigem Bescheid vom 17.08.2007 erteilte das Landratsamt Sonneberg der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung. Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen. Mit rechtskräftiger Nachtragsgenehmigung vom 29.10.2007 wurde eine Verschiebung des Standorts um 30 m in südwestliche Richtung genehmigt. Das Vorhaben wurde zwischenzeitlich realisiert.

Bei einer Besichtigung am 12.11.2008 wurde festgestellt, dass abweichend von den genehmigten Planunterlagen gebaut worden war. Dies betrifft zum einen eine Verschiebung des Gebäudes in südwestlicher Richtung um ca. 7 m. Baugrundstück ist nunmehr auch das Grundstück Flst.-Nr. d. Auch die Größe der jeweiligen Verkaufsflächen wurde geändert. Nach den im Rahmen eines Tekturantrags vorgelegten Bauvorlagen beträgt die Verkaufsfläche des Verbrauchermarktes nunmehr 799,67 qm, die von Bäckerei und Cafe 55,78 qm.

Unter dem 20.02.2008 beantragte die Beigeladene, ihr den "Neubau eines S - und Getränkemarktes" zu genehmigen. Baugrundstück ist das in ihrem Eigentum stehende Grundstück Flst.-Nr. e____ der Gemarkung Köppelsdorf, das aus einer Zusammenlegung der Grundstücke Flst-Nrn. a_, b_ u. c__ hervor gegangen ist. Nach den Bauvorlagen umfasst das Vorhaben einen sich in nordöstlicher Richtung an den N Markt anschließenden Baukörper mit zwei Nutzungseinheiten. Die Verkaufsfläche des S -Marktes beträgt 200,47 qm, die des Getränkemarktes 359,95 qm. Die Nutzungseinheiten sind räumlich und funktionell selbständig und haben getrennte Eingangsbereiche und Anlieferzonen. Gegenstand der Bauvorlagen war auch eine von der G - mbh (G___) im Dezember 2007 erstellte Wirkungsanalyse zur Ansiedlung des Drogerie- und Getränkefachmarktes am geplanten Standort, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. Die obere Landesplanungsbehörde beim Thüringer Landesverwaltungsamt teilte unter dem 27.02.2008 mit, das Vorhaben widerspreche zwar keinen raumordnerischen Erfordernissen. Erhebliche Bedenken bestünden aber insoweit, als verbrauchernahe Versorgungsstrukturen innerhalb des Stadtgefüges und im Nahbereich der Stadt möglicherweise beeinträchtigt würden. Mit Schreiben vom 10.03.2008 teilte das Staatliche Umweltamt Suhl mit, dass das Vorhaben aus fachtechnischer Sicht nicht genehmigungsfähig sei. Mit der Vergrößerung der bebauten Fläche einschließlich der Parkfläche komme es zu einer weiteren, für die bestehende Bebauung problematischen Reduzierung der abflusswirksamen Fläche.

Die Antragstellerin versagte am 25.03.2008 ihr Einvernehmen zu dem Vorhaben. Zur Begründung trug sie unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Thüringer Landesverwaltungsamtes vor, das Gesamtvorhaben lasse schädliche Auswirkungen auf bestehende Nahversorgungsstrukturen in der Innenstadt erwarten. Das Vorhaben sei deshalb gemäß § 34 Abs. 3 BauGB nicht genehmigungsfähig. Sie bestätigte die Versagung mit Beschluss vom 03.06.2008, nachdem der Antragsgegner zuvor angekündigt hatte, das gemeindliche Einvernehmen ersetzen zu wollen. Nunmehr stellte sie zusätzlich darauf ab, dass sich die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 35 BauGB bestimme und in dessen Anwendung zu verneinen sei.

2. Mit Bescheid vom 10.06.2008 genehmigte das Landratsamt Sonneberg unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens das beantragte Vorhaben. Der Standort des geplanten Bauvorhabens liege nicht im Außenbereich, sondern im unbeplanten Innenbereich. Dort sei es zulässig. Schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche im Gemeindegebiet der Antragstellerin seien von dem Vorhaben nicht zu erwarten. Auf die Begründung des Bescheides im Übrigen wird Bezug genommen.

Am 24.06.2008 erhob die Antragstellerin dagegen Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist. Ihren Antrag, die sofortige Vollziehung der Genehmigung auszusetzen, lehnte das Landratsamt Sonneberg unter dem 14.07.2008 ab.

3. Am 05.11.2008 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Meiningen um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und zur Begründung vorgetragen, sie habe ihr Einvernehmen zu den hier streitgegenständlichen weiteren Einkaufsmärkten zu Recht versagt. Der Standort des Vorhabens liege bei genauer Betrachtung der örtlichen Gegebenheiten im Außenbereich. Insbesondere vermittle der rechtswidrig er richtete N Markt keinen Bebauungszusammenhang bezogen auf den hier maßgeblichen Standort. Das Vorhaben beeinträchtige öffentliche Belange. Die streitgegenständlichen Märkte könnten wirtschaftlich gesehen nicht selbständig, sondern nur zusammen mit dem N Markt betrieben werden. Unter Einbeziehung der Verkaufsfläche dieses Marktes sei deshalb von einem großflächigen Einzelhandels betrieb auszugehen. Deshalb widerspreche das Vorhaben den Darstellungen ihres Flächennutzungsplanes, der das streitgegenständliche Gebiet jedenfalls nicht als Kern- oder Sondergebiet ausweise, und der landesplanerischen Beurteilung des Landesverwaltungsamts. Unabhängig davon sei das Vorhaben aber auch im Innenbereich unzulässig. Als großflächiger Einzelhandelsbetrieb füge es sich nicht ein, weil es kein entsprechendes Vorbild in der Umgebung habe. Dort sei es aber auch deshalb nicht zulässig, weil es - wie neuere Untersuchungen der G____ bestätigten -schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in ihrem Gemeindegebiet habe.

Die Antragstellerin hat beantragt,

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruches gegen die Baugenehmigung vom 10.06.2008 anzuordnen;

hilfsweise,

festzustellen, dass ihr Widerspruch gegen die Baugenehmigung vom 10.06.2008 aufschiebende Wirkung hat.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wiederholt und vertieft er im Wesentlichen seine Begründung aus dem angegriffenen Bescheid.

Die Beigeladene hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie hat ausgeführt, das Vorhabengrundstück liege im Innenbereich. Die Antragstellerin selbst habe es in ihrem Flächennutzungsplan als Gewerbegebiet ausgewiesen und unter dieser Vorgabe auch ihr Einvernehmen zur Errichtung des N Marktes erteilt. Eine tatsächlich gelebte Verwaltungspraxis könne angesichts einer hierdurch erzeugten Selbstbindung nicht entfallen, wenn sich - wie hier - die tatsächlichen Verhältnisse auf dem Grundstück nicht geändert hätten. Unter Berücksichtigung des genehmigten und bereits errichteten N Marktes und der auf der anderen Straßenseite bereits vorhandenen Bebauung füge sich das Vorhaben nach den konkreten örtlichen Gegebenheiten ohne weiteres in den Bebauungszusammenhang ein. Die streitgegenständlichen Einzelhandelsbetriebe seien selbständige Vorhaben, weil sie auch unabhängig von dem N Markt betrieben werden könnten. Die Verkaufsflächen von Drogerie- und Getränkemarkt seien des halb nicht mit der Verkaufsfläche des N Marktes zusammenzurechnen. Von einer Großflächigkeit des Vorhabens könne nicht ausgegangen werden. Schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche im Gebiet der Antragstellerin gingen von dem Vorhaben nicht aus.

Mit Beschluss vom 25.02.2009 - 5 E 574/08 Me - hat das Verwaltungsgericht Meiningen den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, der Antrag sei zulässig, weil die Baugenehmigung kraft Gesetzes auch der Antragstellerin als Dritter gegenüber sofort vollziehbar und diese antragsbefugt sei. Sie habe ein Rechtsschutzinteresse trotz Fertigstellung des Bauvorhabens, weil sie sich vor allem gegen den Betrieb des Drogerie- und Getränkemarktes wende. Der Antrag sei aber unbegründet. Nach der gebotenen summarischen Prüfung lasse sich nämlich absehen, dass die Baugenehmigung bzw. die hiermit verbundene Ersetzung des Einvernehmens die Antragstellerin offensichtlich nicht in ihren Rechten verletze. Gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB dürfe das Einvernehmen der Gemeinde nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB ergebenden Gründen versagt werden. Solche lägen nicht vor. Für das Gebiet existiere kein Bebauungsplan. Das Baugrundstück liege nicht im Außenbereich, sondern noch innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils. Nach den Lageplänen und den vorgelegten Luftbildaufnahmen sei erkennbar, dass das Grundstück im Norden noch von der Bebauung jenseits des Flusses Steinach geprägt werde. Dass diese Flächen im Überschwemmungsgebiet der Steinach lägen, stehe der Annahme eines Bebauungszusammenhangs nicht entgegen. Auch die Bebauung der südwestlich auf der gegenüberliegenden Seite der Bundesstraße 89 gelegenen Grundstücke präge das Baugrundstück. Dort befänden sich mehrere Gebäudekomplexe mit gewerblicher Nutzung. Die Bundesstraße trete dabei als mögliche Begrenzung in den Hintergrund, weil die Flächen auf beiden Seiten der Straße in Anbetracht der auf dem streitbefangenen Grundstück ursprünglich vorhandenen Betriebseinrichtung des ehemaligen Produktionsbetriebs S____-____ Sonneberg als zusammengehörig betrachtet werden müssten. Bei dem 6.580 qm großen Baugrundstück handle es sich nicht um eine "Außenbereichsinsel". Zwar finde die Möglichkeit, eine Baulücke anzunehmen, in der Größe eines Grundstücks ihre obere Grenze. Ein Grenzwert lasse sich aber nicht in einer absoluten Zahl angeben. Hierauf komme es letztlich aber nicht an. Das Grundstück sei bis Mitte der 90iger Jahre mit drei größeren und sich auf dem ganzen Grundstück verteilenden Gebäuden bebaut gewesen, die zu dem jenseits der Bundesstraße 89 ehemaligen Produktionsbetrieb S Sonneberg gehört hätten. Ein - zwecks Wiederbebauung eines Grundstücks - bereits beseitigter Altbestand könne als rechtlich fortwirkend noch solange zu berücksichtigen sein, wie er an dem Eindruck der Zusammengehörigkeit mit den benachbarten - bebauten - Grundstücken teilnehme.

Dies sei hier der Fall. Es dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass es der im Flächennutzungsplan zum Ausdruck gekommenen Planung der Antragstellerin entspreche, die Grundstücke einer Bebauung zuzuführen. Eine Unterbrechung des Bebauungszusammenhangs ergebe sich nicht dadurch, dass die ehemalige Bebauung auf dem Vorhabengrundstück im Verhältnis zu seiner Größe nur von untergeordneter Bedeutung gewesen sei. Das Vorhaben sei als Innenbereichsvorhaben zulässig, weil es sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Dabei könne offen bleiben, ob die nähere Umgebung des Vorhabens hinsichtlich der Nutzungsstrukturen einem Gewerbegebiet entspreche oder als Gemengelage zu beurteilen sei. Denn auf dem Grundstück sei mit der Errichtung des N Marktes bereits ein Einzelhandelsbetrieb vorhanden, dessen Beseitigung trotz Zweifel an seiner Baurechtmäßigkeit weder jederzeit verlangt noch nach Lage der Dinge zu erwarten sei. Bei den geplanten Märkten handele es sich auch nicht um eine betriebliche Erweiterung des N Marktes. Den maßgeblichen Schwellenwert von einer Verkaufsfläche von 800 qm überschreite das Vorhaben mit geplanten Verkaufsflächen von jeweils 200,47 qm (S markt) und von 359,95 qm (Getränkemarkt) nicht. Bei der Berechnung der Verkaufsfläche sei auch nur auf diese beiden Märkte abzustellen. Diese bildeten mit dem N Markt nach den konkreten Umständen des Einzel falls keine betriebliche Einheit, sondern seien baulich voneinander getrennte Betriebe. Das Vorhaben der Beigeladenen habe auch keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde. Insbesondere lasse sich wegen der Lage und der Ausstattung des Vorhabens im Rahmen der vom Gericht zutreffenden Prognoseentscheidung nicht feststellen, dass das geplante Vorhaben zu einer Funktionsstörung der Innenstadt von Sonneberg führe. Auch das von der Beigeladenen in Auftrag gegebene G -Gutachten 2007, das der Antragsgegner zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht habe und dessen Feststellungen von der Antragstellerin nicht in Zweifel gezogen worden seien, komme zu dem Ergebnis, dass das streitgegenständliche Vorhaben keine städtebaulichen Auswirkungen auf die Innenstadtlage von Sonneberg habe, obwohl in dem G -Gutachten die Wirkungen des bereits genehmigten und errichteten N Marktes am Vorhabenstandort ausgeblendet worden sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der ergänzenden Stellungnahme der G____ vom 14.11.2008 zu Auswirkungen möglicher negativer demographischer Entwicklungen.

4. Gegen diesen Beschluss, der Antragstellerin am 26.02.2009 zugestellt, hat sie am 09.03.2009 beim Verwaltungsgericht Meiningen Beschwerde erhoben und mit am 26.03.2009 beim Thüringer Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz zur Begründung vorgetragen, ihr Antrag bleibe auch nach Fertigstellung und Inbetriebnahme der angegriffenen Märkte zulässig. Das Verwaltungsgericht habe den Standort zu Unrecht dem Innenbereich zugeordnet. Bereits unmittelbar östlich der Steinach beginne der Außenbereich, der überdies für den Hochwasserschutz freizuhalten sei, und nicht erst bei der Bahnlinie. Dieses Gelände sei nur bis 1995 bebaut gewesen. Von einer Nachprägung könne nach dieser Zeit und bei der völligen Beräumung keine Rede mehr sein. Nur im vorderen Bereich an der B 89 habe ein unbefestigter Parkplatz bestanden. Der beantragte befestigte Parkplatz sei nie errichtet worden.

Die Lücke zwischen K und der Bebauung in S sei zu breit, um noch einen Innenbereich annehmen zu können. Das 70.000 qm große Grundstück dürfte nach den Regeln des Baugesetzbuchs keiner Innenentwicklung zugeführt werden. Der Zuordnung zum Außenbereich stehe auch der Flächennutzungsplan nicht entgegen, der insoweit nicht genehmigt worden sei. Auch der bestehende, aber baurechtswidrige N Markt begründe keinen Innenbereich, weil der Standort des Vorhabens im rückwärtigen Bereich des Grundstücks liege und noch weiter in den Außenbereich hinausrage. Das Verwaltungsgericht habe nicht ausreichend gewürdigt, dass das streitgegenständliche Vorhaben nicht ohne den N Markt betrieben werden könne und das Nutzungskonzept alle Märkt erfasse. Deshalb müsse von einem großflächigen Einzelhandel ausgegangen werden. Das Verwaltungsgericht gehe schließlich fälschlicherweise davon aus, dass schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche erst dann zu bejahen seien, wenn der Versorgungsauftrag verloren gehe. Demgegenüber reichten nicht unwesentliche Beeinträchtigungen. Solche seien hier unter Berücksichtigung der weiteren demografischen Entwicklung und ihres Einzelhandelskonzepts vom Februar 2009 zu befürchten.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 25.02.2009 - 5 E 574/08 Me - abzuändern und ihrem erstinstanzlich gestellten Antrag stattzugeben.

Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie tritt dem Beschwerdevorbringen im Einzelnen entgegen. Die Beschwerde habe nicht dargelegt, dass das streitgegenständliche Vorhaben als Außenbereichsvorhaben rechtswidrig sei. Mit inzwischen bestandskräftigem Bescheid vom 16.02.2009 habe er im Übrigen die geringfügigen Änderungen bei der Bauausführung des N Marktes genehmigt. Das Einvernehmen der Antragstellerin gelte insoweit als erteilt, weil sie es innerhalb der gesetzlichen Frist nicht verweigert habe. Es ergebe sich für ihn der Eindruck, die Antragstellerin wolle nicht den zentralen Versorgungsbereich, sondern einen von der Schutzvorschrift des § 34 Abs. 3 BauGB nicht erfassten Getränkemarkt in unmittelbarer Nähe des Standorts schützen.

Die Beigeladene beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie tritt dem Beschwerdevorbringen im Einzelnen entgegen und führt insbesondere aus, der Flächennutzungsplan, der im hier maßgeblichen Bereich genehmigt sei, bestätige die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass auch die Antragstellerin hier von einer Nachprägung der früher bestehenden gewerblichen Bebauung ausgehe. Dafür spreche auch die bisherige Nutzung des Grundstücks.

Der Senat hat am 30.07.2009 durch Augenscheinseinnahme Beweis erhoben über den Bebauungszusammenhang und die sonstigen örtlichen Gegebenheiten in der Umgebung des streitgegenständlichen Vorhabens an der N Straße (B 89) in Sonneberg. Auf das Protokoll hierüber und die mündliche Verhandlung an diesem Tag wird Bezug genommen.

Die Behördenakten (zwei Ordner) und die Gerichtsakte (drei Bände und zwei Hefter) liegen dem Senat vor und waren Gegenstand der Beratung. Auf diese Unterlagen sowie auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 10.06.2008 anzuordnen, zu Recht abgelehnt. Die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist dargelegten Gründe beschränkte Überprüfung durch den Senat führt zu keinem für die Antragstellerin günstigeren Ergebnis.

1. Der Antrag der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO statthaft.

Der gesetzliche Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung nach § 212a Abs. 1 BauGB erfasst auch die Rechtsbehelfe einer Gemeinde, mit denen sie sich gegen eine ohne ihr erforderliches Einvernehmen erteilte Baugenehmigung wendet (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.05.1998 - 5 S 465/98 - NVwZ 1999, 442; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 09.03.1999 - 1 M 405/99 - NVwZ 1999, 1005). Außerdem haben nach § 69 Abs. 4 Satz 3 ThürBO Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens keine aufschiebende Wirkung.

Die Antragstellerin ist wegen der möglichen Verletzung ihrer Planungshoheit auch antragsbefugt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 29.01.2009 - 1 EO 346/08 - und 24.08.2007 - 1 EO 563/07) und hat trotz Fertigstellung des Gebäudes ein Rechtsschutzinteresse. Sie wendet sich nämlich in erster Linie gegen dessen einzelhändlerische Nutzung (vgl. Senatsbeschluss vom 15.01.2009 - 1 EO 439/08).

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Greift eine Gemeinde die unter Ersetzung ihres Einvernehmens gemäß § 36 BauGB erteilte Baugenehmigung im Wege des Widerspruchs und des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO an, hat der Senat im Rahmen der gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist dargelegten Gründe nach seiner bisherigen Rechtsprechung unabhängig vom Ausmaß der möglichen Verletzung der Planungshoheit die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens im vollen Umfang zu prüfen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 29.01.2009 - 1 EO 346/08 - und 24.08.2007 - 1 EO 563/07). Auch wenn diese Entscheidungen die - hier auch -streitige Frage betrafen, ob ein Vorhaben im Außenbereich zulässig ist, gilt dies erst recht bei Innenbereichsvorhaben und bei der Frage, ob § 34 Abs. 3 BauGB eingehalten ist.

Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung ist das streitgegenständliche Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig.

a) Anders als die Antragstellerin meint, spricht viel dafür, dass es gerade noch in dem im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB, also im Innenbereich, liegt.

Ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil ist ein Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Der Bebauungszusammen hang reicht so weit, wie eine tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört. Für die Frage, ob ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil vorliegt, kommt es grundsätzlich auf die tatsächlich vorhandene Bebauung an. Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich noch als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern auf Grund einer umfassenden Bewertung des im Einzelfall vorliegenden konkreten Sachverhalts zu entscheiden (BVerwG, Beschluss vom 02.04.2007 - 4 B 7/07 - BauR 2007, 1383 m. w. N. zitiert nach juris und Urteil vom 14.09.1992 - 4 C 15.90 - BRS 54 Nr. 65; Senatsurteil vom 16.10.2005 - 1 KO 688/04). Dies gilt auch bei bestehenden Geländehindernissen oder größeren Freiflächen. Erhebungen, aber auch Einschnitte im Landschaftsbild, wie etwa ein Fluss oder ein Graben, werden zwar in der Regel dem Innenbereich eine sich aus der Situation ergebende Grenze ziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.11.1974 - 4 C 10.73 - Buchholz 406.11 § 34 Nr. 46). Die Notwendigkeit einer wertenden Betrachtung mit der daraus folgenden Möglichkeit, bei besonderen Verhältnissen im Einzelfall einen Bebauungszusammenhang auch über solche natürlichen Hindernisse hinweg noch zu bejahen, wird aber auch durch eine solche Regel nicht aufgehoben (BVerwG, Beschluss vom 27.05.1988 - 4 B 71/88 - BauR 1988, 444).

Für die Frage, ob ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil vorliegt, kommt es im Übrigen auf die tatsächlich vorhandene Bebauung unabhängig davon an, ob die Baulichkeiten genehmigt worden sind oder aber in einer Weise geduldet werden, die keinen Zweifel daran lässt, dass sich die zuständigen Behörden mit ihrem Vorhandensein abgefunden haben (BVerwG, Urteil vom 06.11.1968 - IV C 31.66 -BVerwGE 31, 22, 26). Ein - zwecks Wiederbebauung eines Grundstücks - bereits beseitigter Altbestand kann als rechtlich fortwirkend noch zu berücksichtigen sein. Grundstücke des Innenbereichs sind tendenziell einer Bebauung zugänglich, während Außenbereichsgrundstücke tendenziell von einer (nicht privilegierten) Bebauung freizuhalten sind. Deswegen ist auch innerhalb des Bebauungszusammenhangs auf Grundstücken, die beiderseits von Bebauung umgeben sind, in der Regel eine Beseitigung abgängiger Bausubstanz und ihre Ersetzung durch Neubauten nach Maßgabe des § 34 BauGB grundsätzlich zulässig. Für Grundstücke in einer Ortsrandlage, deren Gebäude den Bebauungszusammenhang abschließen, gilt im Grundsatz nichts anderes. Auch sie sind als Innenbereichsgrundstücke einer Bebauung und damit auch der Errichtung von Ersatzbauwerken zugänglich. Diese rechtliche Qualität verlieren sie solange nicht, wie sie an dem "Eindruck der Zusammengehörigkeit" mit den benachbarten - bebauten - Grundstücken teilnehmen. Ob und wie lange in solchen Fällen die vorhanden gewesene Bebauung bei Beurteilung des Bebauungszusammenhangs mit zu berücksichtigen ist, entscheidet sich wiederum nach der Verkehrsauffassung. Dabei ist neben der Lage darauf abzustellen, ob sich nach der Verkehrsauffassung eine Wiederbebauung des ehemals bebauten Grundstücks aufdrängt, ob die Verkehrsauffassung bei Berücksichtigung der bisher vorhandenen und nunmehr fehlenden Bebauung "diese Bebauung geradezu vermisst" oder ob die Umstände auf eine Wiederbebauung in einem angemessenen zeitlichen Rahmen hindeuten (BVerwG, Urteil vom 12.09.1980 - IV C 75/77 - BauR 1981, 55 m. w. N. und vom 19.09.1986 - 4 C 15/84 - NJW 1987, 1656; jeweils zitiert nach juris). Auch bei der Frage, ob sich eine Bebauung in die "Eigenart der näheren Umgebung einfügt", kann der beseitigte Altbestand als noch prägend berücksichtigt werden (BVerwG, Urteil vom 15.01.1982 - 4 C 58/79 - Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 87 und vom 03.02.1984 - 4 C 25/82 - BVerwGE 68, 360, 368).

Gemessen an diesen Grundsätzen spricht bei summarischer Prüfung auf Grund einer umfassenden Bewertung aller Umstände des vorliegenden Falles vieles dafür, dass die Grenze zwischen Außen- und Innenbereich an der nordöstlichen Außenmauer des Getränkemarktes verläuft, so dass er gerade noch im Innenbereich liegt.

Durch den inzwischen bestandskräftig genehmigten und errichteten N Markt hat die N Straße/B 89 die von der Antragstellerin behauptete trennende Wirkung für eine Bebauung nördlich dieser Straße zwischen der Steinach und dem Bahndamm verloren. Gleichzeitig nimmt dies der Steinach, die sich in ihrem Bett nach Norden und durch ihre Biegung nach Nordosten das streitgegenständliche Grundstück verjüngt, für diesen Bereich den trennenden Charakter zur sich nordwestlich anschließenden Bebauung. Hinzu kommt der auch für die südwestlich dieser Straße gelegenen Diskothek dienende, seit dem Abbruch der früher vorhandenen Bebauung bestehende und vom Antragsgegner geduldete Parkplatz (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ThürBO). Damit bildet der Bahndamm nach Osten hin die Grenze zum Außenbereich. Der N Markt selbst bildet über die Straße nach Südosten hinweg zur dort vorhandenen gewerblichen Bebauung einen Bebauungsanschluss und prägt aufgrund seiner Dimensionierung und Lage schließlich nach Norden hin das streitgegenständliche Baugrundstück. Weiter kommt hinzu, dass aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles die unstreitig bis 1995 bestehen den Gebäude des früheren VEB S trotz ihres länger zurückliegenden Abrisses diesen Bereich nachprägen. Dass diese Gebäude, die in früherer Zeit einen betrieblichen Zusammenhang mit den südlich der B 89 liegenden Gebäuden bildeten, auch nordwestlich des Getränkemarktes standen und deren Fundamente teilweise noch sichtbar sind (vgl. auch den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Lageplan), nach Auffassung der örtlichen Verkehrskreise die bauplanungsrechtliche Wahrnehmung des streitgegenständlichen Baugrundstücks prägten und prägen, zeigen die Darstellung dieser Fläche im Flächennutzungsplan der Antragstellerin als "Gewerbegebiet" und deren Verhalten bei der Genehmigung des N Marktes. Selbst im Verfahren, das zur streitgegenständlichen Genehmigung geführt hat, ist sie zunächst ohne weiteres von einem Innenbereichsgrundstück ausgegangen. Anders als die Antragstellerin meint, war der Flächennutzungsplan insoweit auch wirksam genehmigt, weil sich die Versagung der Genehmigung erkennbar nur auf das festgesetzte und räumlich abgrenzbare Überschwemmungsgebiet bezieht (vgl. Genehmigungsbescheid des Landesverwaltungsamts vom 03.01.2005). Dieses Gebiet steht aufgrund der oben beschriebenen Prägungen des Baugrundstücks in den nördlichen Bereich hinein der Annahme eines Bebauungszusammenhangs nicht entgegen. Anders als die Antragstellerin annimmt, steht der Einschätzung auch nicht die Größe des Baugrundstücks entgegen; denn es ist insoweit nicht auf die gesamte Fläche nördlich der B 89 abzustellen, sondern nur auf den durch die Bebauung betroffenen Teil.

Selbst wenn man mit der Antragstellerin annehmen wollte, das Vorhaben liege im Außenbereich, hat sie im Beschwerdeverfahren nicht hinreichend dargelegt, dass es als nichtprivilegiertes Vorhaben öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 2 und 3 BauGB beeinträchtigen könnte.

Die von der Antragstellerin eingewandte Planungshoheit hat als solche keinen Belang, solange sie keine konkreten Planungsabsichten vorträgt, mit dem das Vorhaben in Widerspruch steht. Ein Planungserfordernis ergibt sich auch nicht - wie die Antragstellerin wohl meint - aus der Größe des Grundstücks, sondern aus der Bedeutung des Gebäudes und der von ihr nicht näher beleuchteten Frage, ob sich aus ihr die Notwendigkeit einer förmlichen Planung ergibt. Im Übrigen lässt sich - wie festgestellt - kein Widerspruch zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB feststellen. Der Belang des Hochwasserschutzes im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB ist ebenfalls nicht berührt. Die genehmigten Gebäude liegen nicht im Überschwemmungsgebiet. Hinsichtlich der Parkplätze dürften durch die Maßgaben der Baugenehmigung (vgl. 2.7.5.1) öffentliche Belange nicht beeinträchtigt sein. Soweit man als sonstigen öffentlichen Belang, der auch gegenüber einem Außenbereichsvorhaben wirkt, ansehen wollte, dass das Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB haben darf, ist dieser Belang - wie noch zu zeigen sein wird - nicht beeinträchtigt.

b) Die Annahme des Verwaltungsgerichts, das Vorhaben füge sich nach § 34 Abs. 1 BauGB in den Innenbereich ein, hat die Antragstellerin nicht substantiiert angegriffen.

Insbesondere steht dieser Annahme der Einwand der Antragstellerin nicht entgegen, es werde hier ein Gebäude mit großflächigem Einzelhandel errichtet, weil die Verkaufsflächen vom N Markt und der neuen Märkte zusammengerechnet werden müssten und das nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO in der Umgebung zu fordernde Kern- oder Sondergebiet unstreitig nicht bestehe.

Denn Einzelhandelsbetriebe sind nur dann großflächig im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO, wenn sie eine Verkaufsfläche von 800 qm überschreiten (Senatsurteil vom 04.12.2007 - 1 KO 1128/03). Ob es sich in diesem Sinne um einen einzigen oder um mehrere Betriebe handelt, bestimmt sich nach baulichen und betrieblich-funktionellen Gesichtspunkten. Für die räumliche Abgrenzung eines Einzelhandelsbetriebes ist auf die nach außen erkennbaren baulichen Gegebenheiten abzustellen. Eine Verkaufsstätte kann ein selbständiger Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO nur sein, wenn sie selbständig, d. h. unabhängig von anderen Einzelhandelsbetrieben genutzt werden kann und deshalb baurechtlich auch als eigenständiges Vorhaben genehmigungsfähig wäre. Hierfür muss die Verkaufsstätte jedenfalls einen eigenen Eingang, eine eigene Anlieferung und eigene Personalräume haben; sie muss unabhängig von anderen Betrieben geöffnet und geschlossen werden können. Ohne Bedeutung ist hingegen, wer rechtlich oder wirtschaftlich jeweils Betreiber ist. Die Frage der bauplanungsrechtlichen Selbständigkeit ist auch unabhängig davon zu beurteilen, ob Selbstbedienung, Bedienung durch Personal oder eine Mischform erfolgt und wie die dem entsprechenden Bereiche innerhalb der Betriebsfläche voneinander abgegrenzt sind. Die Verkaufsflächen baulich und funktionell eigenständiger Betriebe können grundsätzlich nicht zusammengerechnet werden. Für die Prüfung einer "Funktionseinheit" unter den Gesichtspunkten eines gemeinsamen Nutzungskonzepts, der Ergänzung der Sortimente, der Nutzung von Synergieeffekten u. ä. ist in diesen Fällen kein Raum (BVerwG, Urteil vom 24.11.2005 - 4 C 10/04 - NVwZ 2006, 452; Urteil vom 24. November 2005 BVerwG - 4 C 10.04 - zit. nach Juris).

Der N Markt und die streitgegenständlichen Märkte sind hier im vorgenannten Sinne unstreitig äußerlich getrennt und können jeweils selbständig betrieben werden.

Von der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Senat auch nicht abgewichen. In seinem Urteil vom 17.04.2007 - 1 KO 1127/03 -, auf das die Antragstellerin Bezug nimmt, war Gegenstand nicht die Bestimmung, wann ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb, sondern wann ein Einkaufszentrum im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO vorliegt. Die dort in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung niedergelegte Begriffsbestimmung (S. 10 des Entscheidungsumdrucks) ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Insoweit lässt sich auch nicht feststellen, dass durch die streitgegenständlichen Märkte zusammen mit dem N Markt tatsächlich ein "Einkaufszentrum" entsteht.

c) Schließlich lässt sich kein Verstoß gegen § 34 Abs. 3 BauGB feststellen. Nach dieser Vorschrift dürfen von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 des § 34 BauGB keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

Voraussetzung für die Anwendung von § 34 Abs. 3 BauGB ist, dass das betreffende Vorhaben Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche haben kann. "Zentrale Versorgungsbereiche" sind räumlich abgrenzbare Bereiche einer Gemeinde, denen aufgrund vorhandener Einzelhandelsnutzungen eine bestimmte Versorgungsfunktion für die Gemeinde zukommt. Ein "Versorgungsbereich" setzt vorhandene Nutzungen voraus, die für die Versorgung der Einwohner der Gemeinde - ggf. auch nur eines Teils des Gemeindegebiets - insbesondere mit Waren aller Art von Bedeutung sind (vgl. Senatsurteil vom 04.12.2007 - 1 KO 1128/03, OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. Dezember 2006 - 7 A 964/05 - NVwZ 2007, 727). Sie können sich sowohl aus planerischen Festlegungen als auch aus den tatsächlichen Verhältnissen ergeben (BVerwG, Urteil vom 11.10.2007 - 4 C 7/07 - BauR 2008, 315; zitiert nach juris). Innenstädte sind, zwar nicht stets, so doch in der Regel als Versorgungsbereiche "zentral", weil sie nach Lage, Art und Zweckbestimmung nicht nur der Versorgung ihrer Bewohner dienen, sondern auf einen Kundenkreis aus einem größeren Einzugsbereich ausgerichtet sind. Für Innenstädte ist typisch, dass in ihnen ein breites Spektrum von Waren für den lang-, mittel- und kurzfristigen Bedarf angeboten wird.

Dass nach diesen Maßstäben die Innenstadt von Sonneberg ein zentraler Versorgungsbereich ist, ist unbestritten, ohne dass es hier im Einzelnen auf dessen räumliche Abgrenzung ankäme.

Bei summarischer Prüfung lässt das Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen auf diesen zentralen Versorgungsbereich erwarten.

Ob das Verwaltungsgericht - wie die Antragstellerin - insoweit von fehlerhaften rechtlichen Kriterien ausgegangen ist, als es städtebaulich nachhaltige Auswirkungen forderte, durch die die Funktionsfähigkeit des zentralen Versorgungsbereichs so gestört werde, dass der Versorgungsauftrag nicht mehr erfüllt werden könne, kann hier dahin stehen. Denn selbst wenn man dies annehmen wollte, wirkt sich dies nicht auf das Entscheidungsergebnis aus.

Zutreffend weist die Antragstellerin allerdings darauf hin, dass das Bundesverwaltungsgericht bislang nur festgestellt hat, dass jedenfalls dann eine Funktionsstörung anzunehmen ist, wenn es die Funktionsfähigkeit eines zentralen Versorgungsbereichs so nachhaltig stört, dass sie ihren Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr substantiell wahrnehmen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.10.2007, a. a. O.). Ob die Schädlichkeitsgrenze auch niedriger liegen kann, hat es in dieser Entscheidung ausdrücklich offen gelassen.

Der Senat hat die Schwelle, ab der "schädliche Auswirkungen" im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB bestehen, in seinem Urteil vom 04.12.2007 - 1 KO 1128/03 - näher bestimmt und ausgeführt:

"Schädliche" Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB liegen dann vor, wenn die zu erwartenden Auswirkungen des jeweiligen Vorhabens auf den betroffenen zentralen Versorgungsbereich als in besonderem Maße negativ einzustufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die städtebauliche Funktion des Bereichs in beachtlichem Maße beeinträchtigt wird (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Juni 2007 - 10 A 2439/06 - JURIS; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. Dezember 2006 - 7 A 964/05 - a. a. O.). Für die Annahme einer beachtlichen Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Versorgungsbereichs ist von der vom Gesetzgeber beabsichtigten Zielrichtung des § 34 Abs. 3 BauGB auszugehen. Ziel des Gesetzgebers war es, bei Zulassungsentscheidungen nach § 34 BauGB über die nähere Umgebung hinausgehende Fernwirkungen des Vorhabens insbesondere im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO zu berücksichtigen (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf BT-Drucks. 15/2250, S. 54 ff.). Damit ist die Zulassungsfähigkeit von Vorhaben, von denen schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB zu erwarten sind, der Sache nach der Zielsetzung des § 11 Abs. 3 BauNVO angenähert, ohne dass jedoch das Regelungssystem des § 11 Abs. 3 BauNVO, insbesondere die Vermutungsregel des Satzes 3 der Vorschrift, uneingeschränkt übernommen worden wäre (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. Dezember 2006 - 7 A 964/05 - a. a. O.)."

Diese Rechtsprechung, an der festgehalten wird, steht auch mit der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Einklang (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.02.2009 - 4 B 3.09) und ist hier der Prüfung zugrunde zu legen.

Ob eine beachtliche Funktionsstörung des zentralen Versorgungsbereichs als Ganzes bzw. einer einzelnen betroffenen Branche besteht, muss demnach im Wege einer Prognoseentscheidung ("erwarten lassen") festgestellt werden. Zu den dabei anzulegenden Kriterien hat das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit dem oben genannten Senatsurteil ausgeführt, ohne dass dies substantiiert angegriffen worden wäre. Hieran anschließend hat das Verwaltungsgericht für den vorliegenden Fall, ohne von einem "Funktionsverlust" auszugehen, die sachverständigen Erkenntnisse des G___-Gutachtens von 2007 und des Ergänzungsschreibens der G___ vom 14.11.2008 zu den wirtschaftlichen Auswirkungen auf den zentralen Versorgungsbereich in der Innenstadt von Sonneberg, insbesondere für die bestehenden Drogerie-und Getränkemärkte, im Einzelnen und umfassend bewertet.

Das Beschwerdevorbringen hat diese Ausführungen nicht hinreichend erschüttert.

Soweit die Antragstellerin meint, das Verwaltungsgericht habe die künftige demografische Entwicklung in Sonneberg nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt, setzt sie sich nicht mit den Feststellungen des Verwaltungsgerichts hierzu auseinander und legt nicht hinreichend substantiiert dar, welche Überlegungen ein anderes Ergebnis erzwängen. Ihre Behauptung, in Thüringen sei bereits bei einer Schwelle von 10 % Umsatzverteilung von schädlichen Auswirkungen auszugehen, verkennt, dass nicht generelle Grenzwerte, sondern die konkreten Umstände des Einzelfalles für die geforderte Prognoseentscheidung maßgeblich sind. Die Antragstellerin, die die fehlende Berücksichtigung des bestehenden N Marktes für die Ermittlung der Umsatzverteilungen moniert, hält zum einen diese Frage selbst nicht für entscheidungserheblich und setzt sich zum anderen mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, das auf diese Frage eingegangen ist, nicht hinreichend auseinander. Ob der bestehende Leerstand in der Innenstadt, der Ansiedlung der streitgegenständlichen Märkte entgegensteht, wurde weder rechtlich noch tatsächlich substantiiert.

Auch soweit von der Antragstellerin der Ab- und Umzug des S -Marktes von der B in das streitgegenständliche Objekt als unwiderlegliches Indiz für die von dem Vorhaben ausgehenden schädlichen Auswirkungen auf die Innenstadtlage angeführt wird, fehlt eine zureichende Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Dies hat insoweit sinngemäß festgestellt, dass das Vorhaben die schädlichen Auswirkungen befürchten lassen muss und Auswirkungen anderer Art daher nicht zu berücksichtigen sind. Diese Ausführungen teilt der Senat.

Bei der Schließung des S -Marktes spricht nach den vorliegenden Unterlagen nahezu alles dafür, dass diese unternehmerische Entscheidung auf den Konkurrenz druck innerhalb des Versorgungsbereichs zurückzuführen ist. Die Ausführungen in der Stellungnahme der G vom 14.11.2008 zur möglichen existenziellen Gefährdung von "Grenzertragsbetrieben" betreffen den Drogeriebereich, insbesondere gerade den S -Markt in der B . Dessen Wirtschaftlichkeit wurde gerade wegen des Konkurrenzdrucks des im zentralen Versorgungsbereich liegenden M -Marktes als hoch problematisch angesehen. Damit hat die Erklärung der Zentrale der deutschen S -Märkte vom 08.12.2008 eine trag fähige Grundlage, wonach der Markt in jedem Falle aufgegeben worden wäre. Sie kann bei summarischer Prüfung nicht als Gefälligkeitsschreiben qualifiziert werden. Eine Funktionsstörung der M____-Filiale und anderer Drogeriemärkte durch das Vor haben ist andererseits nicht belegt. Schließlich kommt die Stellungnahme der G____ vom 14.11.2008 zu Getränkefachmärkten trotz der hohen Umsatzverteilungsquote von 18 % eindeutig nicht zu einer Funktionsstörung in diesem Bereich.

Auch der Beschluss des Stadtrats vom 13.05.2009 über ein Einzelhandelskonzept vom Februar 2009 führt zu keinem anderen Ergebnis. Dabei kann offen bleiben, ob dieses Vorbringen, das weit nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist und wohl nicht innerhalb eines Monats von der Kenntnis der Umstände vorgetragen wurde, zu berücksichtigen ist. Denn es enthält in der Sache keine neuen wesentlichen Erkenntnisse für die Einschätzung drohender schädlicher Auswirkungen, sondern die bloße Analyse der bestehenden Schwächen der Innenstadt von Sonneberg im Einzelhandelsbereich.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, der Antragstellerin gemäß § 162 Abs. 3 VwGO auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, denn diese hat auch im Beschwerdeverfahren einen Antrag gestellt und ist daher ein Kostenrisiko eingegangen (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 i. V. m. den §§ 47, 53 Abs. 3 Nr. 2 und 52 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Senat teilt die im Beschluss des Verwaltungsgerichts insoweit herangezogenen Grundsätze, meint aber, dass der Angriff gegen die gewerblich genutzten Vorhaben eine Verdoppelung des Streitwerts rechtfertigt.

Hinweis:

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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