Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 23.05.2007
Aktenzeichen: 1 KO 1090/06
Rechtsgebiete: GKG, RVG, BRAGO


Vorschriften:

GKG § 13 Abs. 1 S. 1
RVG § 61 Abs. 1
BRAGO § 8
Der Gegenstandswert einer wasserrechtlichen Sanierungsanordnung ist unter Rückgriff auf die geschätzten Kosten der verlangten Sanierungsmaßnahmen zu bestimmen. Ein Abschlag wegen eines möglichen Wertzuwachses bzw. wegen der Möglichkeit, Fördermittel zu beantragen, ist nicht vorzunehmen.
THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 1. Senat - Im Namen des Volkes Urteil

1 KO 1090/06 In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Wasserrecht, hier: Berufung

hat der 1. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Schwan, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Preetz und den an das Gericht abgeordneten Richter am Verwaltungsgericht Krome aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2007 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 7. September 2005 - 1 K 467/04 GE - abgeändert.

Der Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 4. Februar 2004 und 15. März 2004 verpflichtet, nach dem Kostenfestsetzungsgesuch des Klägers vom 22. September 2003 die zu erstattenden Aufwendungen auf 13.800,66 € antragsgemäß festzusetzen.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, welche dieser selbst trägt, zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des im Kostenfestsetzungsbescheid vom 4. Februar 2004 zugrunde gelegten Gegenstandswertes für ein Widerspruchsverfahren.

Am 3. Juni 2002 erließ der Beigeladene gegenüber dem Kläger eine Sanierungsanordnung, welche u. a. dem Kläger aufgab, das Schmutzwasser aus der Teilortskanalisation W ab dem 1. Januar 2009 in einer kommunalen Abwasserbehandlungsanlage zu reinigen und bis zum 31. Dezember 2002 den Teilortskanal "Oberes Dorf" zu verrohren und an den Teilortskanal "Unteres Dorf" anzuschließen.

Hiergegen legte der Kläger am 13. Juni 2002 Widerspruch ein, welchen er später durch seinen Bevollmächtigten begründen ließ. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2003 hob der Beklagte den Bescheid des Beigeladenen vom 3. Juni 2002 auf und verpflichtete den Beigeladenen, die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes im Vorverfahren wurde für notwendig erklärt.

Auf den Kostenfestsetzungsantrag des Klägers vom 22. September 2003 setzte der Beklagte mit Bescheid vom 4. Februar 2004 die durch den Beigeladenen zu erstattenden Aufwendungen auf 120,64 € fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der vom Kläger angenommene Gegenstandswert von 5 Millionen Euro nicht durch eine fachtechnische Planung unterlegt sei. Der Sanierungsaufwand sei nicht der Gegenstandswert im Sinne von § 7 BRAGO. Die Höhe der durch den späteren Sanierungszeitpunkt ersparten Aufwendungen sei nicht bezifferbar. Daher sei der Gegenstandswert gemäß §§ 8 Abs. 1 Satz 2 BRAGO, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG auf 4.000,- € festzusetzen. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 2004 wies das Thüringer Landesverwaltungsamt den fristgerecht eingelegten Widerspruch zurück. Hiergegen hat der Kläger am 19. April 2004 Klage erhoben.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides vom 4. Februar 2004 und des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2004 die zu erstattenden Aufwendungen auf 13.800,66 € festzusetzen, hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts den Bescheid vom 4. Februar 2004 in Form des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2004 abzuändern.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Das Verwaltungsgericht Gera hat der Klage durch Urteil vom 7. September 2005 insoweit stattgegeben, als es den Beklagten verpflichtet hat, dem Kostenfestsetzungsgesuch des Klägers vom 22. September 2003 einen Gegenstandswert in Höhe von 125.000,- € zugrundezulegen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht u. a. ausgeführt:

Die Gebührenfestsetzung richte sich nach der zum Zeitpunkt der Kostenfestsetzung vom 4. Februar 2004 geltenden Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 1 BRAGO. Der nach § 8 Abs. 1 Satz 2 BRAGO i. V. m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG festzusetzende Gegenstandswert bemesse sich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache. Bei der Sanierung einer kommunalen Abwasserbeseitigungsanlage könne nicht ohne weiteres auf die Kosten dieser Sanierung zurückgegriffen werden. Die Anlage werde in aller Regel mit öffentlichen Mitteln gefördert und andererseits seien die Kosten für die Anlage grundsätzlich vom Kläger mittels Gebühren und Beiträgen auf Dritte umlegungsfähig. Daher halte es das Gericht für angemessen, den Gegenstandswert in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit mit 2,5 % der jeweils erforderlichen Investitionssumme zu beziffern (z. B. Abfallversorgung Ziff. 2.1.1 des Streitwertkataloges).

Auf den Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 14. Dezember 2006 die Berufung zugelassen. Zur Begründung seiner Berufung führt der Kläger im Wesentlichen aus, dass eine regelmäßige Förderung mit öffentlichen Mitteln nicht zugrunde gelegt werden könne und eine Umlagefähigkeit der Kosten im Rahmen der Gegenstandswertfestsetzung nicht berücksichtigungsfähig sei. Auf öffentlich-rechtliche Fördermittel bestehe kein Anspruch. Dass grundsätzlich die Möglichkeit bestehe, die Sanierungskosten von Dritten durch Gebühren und Beiträge zurückzuerlangen, könne im Rahmen der Ermittlung des wirtschaftlichen Interesses keine Rolle spielen. Soweit das Verwaltungsgericht bestimmte Ziffern aus dem Streitwertkatalog angewandt habe, seien diese nicht einschlägig. Bei den angewandten Ziffern des Streitwertkataloges gehe es stets um das wirtschaftliche Interesse des Anlagenbetreibers, der die Erteilung einer Genehmigung begehre. Um einen solchen Fall handele es sich jedoch gerade nicht. Die Ausführungen in der Widerspruchsbegründung, wonach jedenfalls die im angegriffenen Bescheid vorgenommene Fristsetzung wegen Unverhältnismäßigkeit zu beanstanden sei, ändere nichts an der Zielsetzung im Widerspruchsverfahren, den Bescheid vom 3. Juni 2002 vollständig aufzuheben. Daher seien die voraussichtlichen Kosten der Sanierung zugrunde zu legen. Diese beliefen sich auf ca. 5 Millionen Euro. Der Gegenstandswert sei entsprechend festzusetzen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 7. September 2005 - 1 K 467/04 GE - abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 4. Februar 2004 und 15. März 2004 zu verpflichten, nach dem Kostenfestsetzungsgesuch des Klägers vom 22. September 2003 die zu erstattenden Aufwendungen auf 13.800,66 € antragsgemäß festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beigeladene macht geltend, dass nicht von einem Gegenstandswert in Höhe von 5 Millionen Euro ausgegangen werden könne. Im Umweltamt würden keine Planungen für die Abwasseranlage W vorliegen, die eine detaillierte Kostenberechnung möglich machen würden. Der genannte Betrag von 5 Millionen Euro beruhe ausschließlich auf einer Behauptung des Klägers. § 13 GKG a. F. räume Ermessen ein. Dies lasse es grundsätzlich zu, öffentliche Fördermittel und eine Umlagefähigkeit auf Dritte zu berücksichtigen. Teile der Rechtsprechung würden z. B. im Rahmen des Ermessens Abschläge wegen des mit einem Modernisierungsgebot verbundenen Wertzuwachses vornehmen. Das Verwaltungsgericht habe sich auch zu Recht an den Empfehlungen des Streitwertkataloges orientiert, der in den zitierten Ziffern als Streitwert 2,5 % der Investitionssumme empfehle. Dies sei sachgerecht, weil ein unmittelbar Vor- oder Nachteil für den Kläger nicht bestimmbar sei und deshalb auf die Ziffern des Streitwertkataloges zurückzugreifen sei. Der Sache nach sei es im Widerspruchsverfahren nicht um das Ob der Sanierung, sondern den Zeitpunkt gegangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, die Behördenvorgänge (4 Hefter) sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2007 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Senat zugelassene Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht Gera hat der Klage zu Unrecht nur teilweise stattgegeben. Der Kostenfestsetzungsbescheid des Beklagten vom 4. Februar 2004 und der Widerspruchsbescheid vom 15. März 2004 verletzen den Kläger insoweit in seinen Rechten, als der Kostenfestsetzung nicht der vom Kläger angegebene Gegenstandswert in Höhe von 5 Millionen Euro zugrunde gelegt worden ist. Der Kläger hat einen Anspruch auf Festsetzung der ihm zu erstattenden Aufwendungen in Höhe von 13.800,66 € gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 BRAGO i. V. m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F. (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Gemäß § 61 Abs. 1 RVG sind die Vorschriften der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte in der bis zum 1. Juli 2004 geltenden Fassung hier noch anzuwenden. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 BRAGO i. V. m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F. bemisst sich der festzusetzende Gegenstandswert nach der sich aus dem Antrag des Widerspruchsführers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen. Maßgeblich für die Gegenstandswertfestsetzung ist hiernach das wirtschaftliche Interesse des Klägers an einem positiven Ausgang des von ihm anhängig gemachten Widerspruchsverfahrens, soweit dieses Interesse einen Ausdruck in den gestellten Anträgen gefunden hat. Hinreichende Anhaltspunkte für eine Bewertung des wirtschaftlichen Interesses des Klägers lassen sich unter Rückgriff auf die voraussichtlichen Kosten der verlangten Sanierungsmaßnahmen gewinnen. Diese Kosten schätzt das Gericht auf 5 Millionen Euro. Der Kläger hat bereits in der Widerspruchsbegründung die Kosten für die Sanierung in dieser Größenordnung angegeben.

Dies entspricht den Ziff. 11.1.4 bzw. 19.1.2 des Streitwertkataloges, wonach bei einer Klage gegen belastende Nebenbestimmungen auf den Betrag der Mehrkosten abzustellen ist. Ziel des von dem Kläger angestrengten Widerspruchsverfahrens war die Aufhebung der Sanierungsanordnung, um die auferlegten Sanierungsmaßnahmen nicht durchführen zu müssen. Ein Abschlag ist nicht deshalb geboten, weil es dem Kläger in Wahrheit nur um ein zeitliches Hinauszögern der Sanierungsmaßnahmen gegangen wäre. Dem steht entgegen, dass der Kläger am 13. Juni 2002 gegen den gesamten Bescheid vom 3. Juni 2002 Widerspruch eingelegt hat. Der Beklagte hat dem Widerspruch in vollem Umfang stattgegeben und den Bescheid vom 3. Juni 2002 vollständig aufgehoben. Der durch den Bevollmächtigten des Klägers später nachgereichten Widerspruchsbegründung lässt sich nichts für eine Einschränkung dieser Zielstellung entnehmen. Am Ende der Widerspruchsbegründung wird nochmals deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Aufhebung der gesamten Sanierungsanordnung angestrebt wird. Soweit an anderer Stelle die in der Sanierungsanordnung vorgenommene Fristsetzung wegen Unverhältnismäßigkeit beanstandet wird, ist mit diesen Ausführungen keine Einschränkung des Rechtsschutzzieles verbunden. Diesen Ausführungen lässt sich lediglich entnehmen, dass der Kläger für den Fall, dass man seinem Widerspruch nicht vollständig stattgeben sollte, jedenfalls eine Abänderung der Fristsetzung begehrt.

Ein eventueller Wertzuwachs durch die vorzunehmenden Sanierungsmaßnahmen kann keine Berücksichtigung finden. Abgesehen davon, dass es zweifelhaft ist, ob z. B. die vom Kläger verlangten Kanalbaumaßnahmen rein wirtschaftlich gesehen überhaupt zu einem Wertzuwachs führen, hat der Kläger sich im Widerspruchsverfahren gegen die Durchführung der Sanierungsmaßnahmen insgesamt gewandt. Dieser Gesichtspunkt schließt es ebenfalls aus, einen Abschlag wegen einer möglichen Umlagefähigkeit der Sanierungskosten auf Beitrags- und Gebührenzahler vorzunehmen. Ebenso wenig wird die Bewertung des wirtschaftlichen Interesses des Klägers nach Maßgabe der von ihm verlangten Investitionen dadurch in Frage gestellt, dass die Errichtung einer kommunalen Abwasserbehandlungsanlage bzw. die Durchführung von Kanalbaumaßnahmen nach Angaben des Beklagten mit öffentlichen Mitteln gefördert werden kann. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch war nicht absehbar, ob und in welchem Umfang eine öffentliche Förderung gewährt werden kann. Zum anderen war es, wie bereits ausgeführt, Ziel des Widerspruchsverfahrens, keine Sanierungsmaßnahmen durchführen zu müssen.

Nicht abgestellt werden kann auf die vom Verwaltungsgericht herangezogenen Ziffern 2.1.1 bzw. 11.1.1 des Streitwertkataloges, wonach 2,5 % der jeweils erforderlichen Investitionssumme zugrundezulegen ist. Diese Ziffern sind bereits deshalb nicht einschlägig, weil es dort um die Klage des Errichters und Betreibers einer bestimmten Anlage auf Erteilung der Genehmigung zur Errichtung bzw. zum Betrieb dieser Anlage geht. In diesen Fällen schlägt der Streitwertkatalog vor, sich bei der Ermittlung des wirtschaftlichen Interesses an der Erteilung der entsprechenden Genehmigung an einem Bruchteil der Investitionssumme zu orientieren. Bei einer Sanierungsanordnung liegt der Fall anders. Der Kläger möchte nicht aus eigenem Wunsch z. B. die hier verlangte kommunale Abwasserbehandlungsanlage errichten, sondern er wird per Bescheid dazu verpflichtet. Daher sind beide Fallgestaltungen nicht vergleichbar.

Ausgehend von einem Gegenstandswert von 5 Millionen Euro sind daher die dem Kläger zu erstattenden Aufwendungen unter Einbeziehung der Auslagenpauschale und der gesetzlichen Mehrwertsteuer auf 13.800,66 € festzusetzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladene war in die Kostenentscheidung nicht mit einzubeziehen, weil er keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 VwGO).

Beschluss

Der Streitwert wird auf 12.582,29 € festgesetzt (§ 63 Abs. 2 i. V. m. §§ 47 und 52 Abs. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück