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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 07.06.2006
Aktenzeichen: 1 KO 1126/03
Rechtsgebiete: ThürWG, VwGO


Vorschriften:

ThürWG § 95
VwGO § 121 Nr. 1
Eine Anordnung nach § 95 ThürWG, durch die der Grundstückseigentümer dazu verpflichtet wird, das Durchleiten von Abwasser zu dulden, entfaltet Wirkungen auch gegenüber dem Rechtsnachfolger.
THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 1. Senat - Im Namen des Volkes Urteil

1 KO 1126/03 In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Wasserrecht, hier: Berufung

hat der 1. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Schwan, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Preetz und die an das Gericht abgeordnete Richterin am Verwaltungsgericht Hoffman ohne mündliche Verhandlung am 7. Juni 2006 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beigeladenen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 15. August 2001 - 6 K 3805/99.We - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des gesamten Verfahrens mit Ausnahme der dem Beigeladenen in erster Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der in zweiter Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn nicht der Beklagte und der Beigeladene jeweils zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Beigeladene wendet sich gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, soweit der wasserrechtliche Duldungsbescheid des Beklagten vom 14. März 1997 aufgehoben worden ist.

Das Thüringer Landesverwaltungsamt genehmigte der A GmbH mit Bescheid vom 18. September 1995 die Errichtung einer Abwasseranlage im Ortsteil O der Stadt Apolda.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 12. August 1996 erwarb der Kläger das Flurstück a__, Flur 1 der Gemarkung O - ein ehemaliges Mühlengrundstück - von der I GmbH. Am 23. September 1996 wurde eine Auflassungsvormerkung zugunsten des Klägers in das Grundbuch eingetragen. Am 23. Juli 1997 erfolgte seine Eintragung als neuer Eigentümer in das Grundbuch.

Bereits am 11. März 1997 hatte der Beigeladene bei dem Beklagten den Erlass einer wasserrechtlichen Anordnung zur Duldung des unterirdischen Durchleitens von Abwasser für das heute im Eigentum des Klägers stehende Flurstück a___ beantragt. Hintergrund war die Absicht des Beigeladenen, die 1995 genehmigte Abwasseranlage zu errichten, die einige das Flurstück a____ berührende Anlagenteile - Stauraumkanal, Pumpwerk und Schmutzwasserleitung - umfasste. Nachdem der Beigeladene von der Auflassungsvormerkung zugunsten des Klägers erfahren hatte, versuchte er, mit dem Kläger eine einvernehmliche Lösung zu finden. Da dies scheiterte, wandte er sich mit dem Antrag auf Erlass einer Duldungsanordnung an den Beklagten.

Der Beklagte erließ mit Bescheid vom 14. März 1997 die beantragte Duldungsanordnung. Adressiert war der Bescheid an die I___ GmbH; ihr wurde der Bescheid am 18. März 1997 zugestellt.

Mit Schreiben vom 7. August 1997 übersandte der Beklagte den Bescheid an den Kläger. Mit an den Beklagten gerichtetem Schreiben vom 23. Februar 1998 wandte sich der Kläger gegen den Bescheid vom 14. März 1997.

Am 27. Oktober 1999 hat der Kläger bei dem Verwaltungsgericht Weimar Klage erhoben. Er hat vorgetragen, in dem mit der I GmbH geschlossenen Grundstückskaufvertrag sei vereinbart worden, dass die GmbH ein bereits im Wiederaufbau befindliches Wasserkraftwerk nach einem bestimmten Zeitplan fertig stellt.

Die GmbH habe sich indes nicht an die vertraglichen Vereinbarungen betreffend die Errichtung der Wasserkraftanlage gehalten. Er - der Kläger - habe nur durch Zufall anlässlich der Kontrolle der Arbeiten am Wasserkraftwerk davon erfahren, dass der Beigeladene mit Kanalbauarbeiten auf seinem Grundstück begonnen habe. Hinter seines - des Klägers - Rücken seien der Kanal und das Pumpwerk fertig gestellt worden.

Der Bescheid vom 14. März 1997 sei ihm - dem Kläger - nie ordnungsgemäß bekannt gegeben worden, so dass keine Widerspruchsfrist zu laufen begonnen habe und sein Widerspruch daher auch nicht verfristet sei. Seine Klage sei begründet, weil der angefochtene Duldungsbescheid rechtswidrig, wenn nicht gar nichtig sei. Ein Fehler liege darin, dass die durch den Duldungsbescheid sanktionierte Maßnahme nicht den Auflagen des Bescheides vom 18. September 1995 entsprechend ausgeführt worden sei. Auch ließen sich dem Bescheid der Umfang der Duldung und der Umfang der Inanspruchnahme fremden Eigentums nicht exakt entnehmen. Insofern liege ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot vor.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Landratsamtes Weimarer Land vom 14. März 1997 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, die "Rekonstruktion" und Neuerrichtung der Abwasseranlagen in O sei 1995 wasserrechtlich durch das Thüringer Landesverwaltungsamt genehmigt worden. Das Kanalbauvorhaben sei bereits seit 1994 vorbereitet worden. Der an die frühere Grundstückseigentümerin gerichtete, umstrittene Duldungsbescheid sei bestandskräftig geworden. Der Duldungsbescheid stelle einen grundstücksbezogenen Verwaltungsakt dar, der nicht wegen des Eigentümerwechsels erneut habe erlassen werden müssen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Das Verwaltungsgericht Weimar hat mit Urteil vom 15. August 2001 - 6 K 3805/99.We - den Bescheid vom 14. März 1997 aufgehoben. Es hat ausgeführt, die Klage sei als Untätigkeitsklage zulässig. Der Kläger habe mit Schreiben vom 23. Februar 1998 Widerspruch gegen den Duldungsbescheid eingelegt, über den nicht entschieden worden sei. Der Widerspruch sei zwar verspätet eingelegt worden, dem Kläger sei aber Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zu gewähren, weil diese Versäumung in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 3 Satz 1 ThürVwVfG als nicht verschuldet gelte. Auch habe der Kläger die versäumte Rechtshandlung - den Widerspruch - nachgeholt. Der Klage stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger Rechtsnachfolger der I___ GmbH sei. Ihm habe bereits aufgrund der Auflassungsvormerkung ein eigenes Abwehrrecht gegen den Duldungsbescheid zugestanden. Die Klage sei auch begründet, denn der angefochtene Bescheid sei unbestimmt.

Der Senat hat auf den Antrag des Beigeladenen mit Beschluss vom 26. November 2003 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.

Im Berufungsverfahren trägt der Beigeladene vor, der Kläger sei nicht Beteiligter des Verwaltungsverfahrens nach § 13 Abs. 1 ThürVwVfG gewesen, so dass ihm der Duldungsbescheid vom 11. März 1997 habe nicht bekannt gegeben werden müssen. Der Kläger sei zum damaligen Zeitpunkt weder Eigentümer noch Nutzungsberechtigter im Sinne des § 95 ThürWG gewesen. Der Umstand allein, dass für den Kläger bereits eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen gewesen sei, habe keine eigentümerähnliche Stellung bewirkt.

Der Beigeladene beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 15. August 2001 - 6 K 3805/99.We - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, der Beklagte habe es rechtswidrig unterlassen, ihn nach § 13 Abs. 2 Satz 2 ThürVwVfG zum Verwaltungsverfahren hinzuzuziehen, zumal er Kenntnis von der Auflassungsvormerkung gehabt habe. Er - der Kläger - habe im Zusammenhang mit der Eintragung der Auflassungsvormerkung das gekaufte Grundstück in Besitz genommen, indem er die Baumaßnahmen an dem sich dort befindenden Wasserkraftwerk überwacht habe. Das Verwaltungsgericht habe auch zutreffend festgestellt, dass der angefochtene Duldungsbescheid unbestimmt sei. Die aufgrund des Duldungsbescheides durchgeführten wasserbautechnischen Maßnahmen stünden nicht in Übereinstimmung mit den Plänen und Beschreibungen der wasserrechtlichen Ausgangsentscheidung; nur geringfügige Abweichungen seien rechtlich irrelevant.

Jedenfalls sei die Übereinstimmung der durchgeführten Maßnahmen mit den Genehmigungsunterlagen zu überprüfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte (2 Bände) und der Behördenvorgänge des Beklagten (2 Hefter) sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 22. März 2006.

Entscheidungsgründe:

Der Senat ist zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren befugt, denn die Beteiligten haben auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung des Beigeladenen hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den wasserrechtlichen Duldungsbescheid vom 14. März 1997 zu Unrecht aufgehoben. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage ist unzulässig.

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 95 ThürWG i. d. F. vom 10. Mai 1994 (GVBl. S. 445), geändert durch Gesetz vom 10. Mai 1994 (GVBl. S. 478) und Gesetz vom 19. Dezember 1995 (GVBl. S. 413). Nach dieser Bestimmung sind die Eigentümer und Nutzungsberechtigten von Grundstücken auf Anordnung der Wasserbehörde verpflichtet, das unterirdische Durchleiten von Wasser und Abwasser, die dazu dienenden Anlagen und die damit verbundene Unterhaltung zu dulden, wenn dies zur Fortleitung erforderlich ist. Eine entsprechende Anordnung ist hier in Gestalt des Duldungsbescheides vom 14. März 1997 ergangen. Dieser Bescheid war an den früheren Grundstückseigentümer, die I____ GmbH, adressiert und ist ihr gegenüber bestandskräftig geworden. Der Kläger muss sich als Rechtsnachfolger der I GmbH die Bestandskraft entgegenhalten lassen (§ 121 Nr. 1 VwGO in entsprechender Anwendung).

Etwas anderes folgt nicht etwa daraus, dass dem Kläger der Duldungsbescheid mit Übersendung am 7. August 1997 - als Zweitbescheid - bekannt gegeben und eine erneute Rechtsbehelfsfrist in Gang gesetzt worden wäre. Der Inhalt des Schreibens des Beklagten vom 7. August 1997 spricht dafür, dass die Übersendung an den Kläger nur nachrichtlich erfolgte. In dem Schreiben wird lediglich Bezug genommen auf den an die I GmbH adressierten Bescheid, ohne dass ein Anhaltspunkt dafür besteht, dass der Beklagte eine erneute, wenn auch gleich lautende Entscheidung treffen und erneut ein Rechtsbehelfsverfahren eröffnen wollte.

Der Kläger muss sich daher die Bekanntgabe des Bescheides an die I__ GmbH und deren Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs entgegen halten lassen. Dies ergibt sich daraus, dass der Duldungsbescheid vom 14. März 1997 einen sogen. sachbezogenen Verwaltungsakt darstellt. Entscheidend für das Vorliegen eines derartigen Verwaltungsaktes ist, dass es sich um eine Einzelfallregelung handelt, die sich auf den öffentlich-rechtlichen Zustand eines Gegenstandes bezieht. Nicht das Verhalten von Personen wird geregelt, sondern die Rechte, die eine Person an einer Sache haben kann bzw. die Pflichten, die einer Person im Hinblick auf eine Sache obliegen. Betroffen ist derjenige Personenkreis, dem die durch die Regelung begründeten öffentlich-sachenrechtlichen Rechte zustehen und den die öffentlich-sachenrechtlichen Pflichten treffen sollen. Zu diesen Regelungen gehören alle Verwaltungsakte, die zwar konkret die Rechte und Pflichten einer bestimmten Person im Hinblick auf eine konkrete Sache festschreiben, die nach dem gesetzlichen Prüfprogramm aber ohne Ansehen der Person nur im Hinblick auf den Zustand der Sache ergehen (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 35 Rdnr. 192 f.). Diese Merkmale treffen auf den hier in Rede stehenden Bescheid zu.

Dieser Bescheid entfaltet Wirkungen auch nicht nur seinem Adressaten, der I____ GmbH, gegenüber, sondern auch gegenüber ihrem Rechtsnachfolger, dem Kläger. Ob eine Rechtsnachfolge möglich ist, entscheidet sich als materielle Frage nach dem jeweiligen Fachrecht. Sie kann dem Fachrecht auch im Wege der Auslegung entnommen werden (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 35 Rdnr. 194). Eine Auslegung des ThürWG lässt den Schluss zu, dass die in Rede stehende Duldungsverpflichtung rechtsnachfolgefähig ist. Die Duldungsverpflichtung nach § 95 ThürWG wirkt ungeachtet personenbezogener Umstände zustandsregelnd auf den Bestand und die Benutzung des betroffenen Grundstücks und regelt dessen öffentlich-rechtlichen Status; die jeweiligen Nutzungsberechtigten, d. h. Eigentümer und Besitzer werden gleichsam nur als handlungsfähige Vertreter in Anspruch genommen (vgl. HessVGH, Beschluss vom 17. Juni 1997 - 14 TG 2673/95 - NVwZ 1998, 1315 zu einer abfallrechtlichen Untersagungsverfügung). Auch praktische Erwägungen sprechen für eine entsprechende Auslegung (vgl. zur Zulässigkeit derartiger Erwägungen BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1971 - IV C 62/66 - NJW 1971, 1624). Die Annahme, ein auf § 95 ThürWG beruhender Duldungsbescheid sei nicht rechtsnachfolgefähig, hätte zur Folge, dass die im öffentlichen Interesse liegende Sicherung der Wasserversorgung bzw. Abwasserentsorgung durch den Erlass jeweils neuer - anfechtbarer - Bescheide im Falle des Grundstücksverkaufs erheblich behindert werden könnte.

Ist demnach davon auszugehen, dass der im Streit stehende Bescheid rechtsnachfolgefähig ist, muss sich der Kläger entgegen halten lassen, dass die I___ GmbH ihn hat bestandskräftig werden lassen (§ 121 Nr. 1 VwGO in entsprechender Anwendung). Es wäre unverständlich, müsste der Rechtsnachfolger eine gegenüber seinem Vorgänger erlassene Duldungsverfügung bei unmittelbarer Anwendung des § 121 Nr. 1 VwGO nur dann hinnehmen, wenn die Rechtmäßigkeit der Verfügung durch Urteil bestätigt worden ist, hingegen in dem Fall, in dem der Rechtsvorgänger den Verwaltungsakt von vornherein als rechtmäßig anerkennt und weder Widerspruch noch Klage erhoben hat, dem Rechtsnachfolger in derselben Angelegenheit erneut das Rechtsbehelfsverfahren eröffnet sein sollte.

Etwas anderes folgt im vorliegenden Fall auch nicht daraus, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Duldungsverfügung bereits eine Auflassungsvormerkung zugunsten des Klägers in das Grundbuch eingetragen war.

Dieser Umstand hatte nicht zur Folge, dass der Kläger zwingend nach § 13 Abs. 2 Satz 2 ThürVwVfG von dem Verfahren hätte benachrichtigt und - auf Antrag hin -hätte hinzugezogen werden müssen. Der Ausgang des Verfahrens über den Erlass der Duldungsverfügung hatte entgegen der Auffassung des Klägers nicht allein wegen der Auflassungsvormerkung eine rechtsgestaltende Wirkung für ihn, denn der Kläger wurde als Auflassungsvormerkungsberechtigter nicht unmittelbar rechtlich beschwert. Insoweit können die Grundsätze zu der Frage, wann ein Auflassungsvormerkungsberechtigter im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt ist, herangezogen werden.

Eine Auflassungsvormerkung ist zunächst lediglich ein Sicherungsmittel eigener Art für den schuldrechtlichen Anspruch des Grundstückskäufers auf dingliche Rechtsänderung; sie allein gewährt ihm nicht das Recht, an die Stelle des bisherigen Grundeigentümers zu treten (vgl. ThürOVG, Urteil vom 5. Juni 2002 - 7 F 950/00 - ThürVGRspr. 2004, 22). Etwas anderes gilt dann, wenn auf den Grundstückskäufer, zu dessen Gunsten eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen ist, bereits Besitz, Nutzungen und öffentliche Lasten übergegangen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1982 - 4 C 51.79 - BRS 39 Nr. 176). In diesem Fall hat der Grundstückskäufer eine dem Grundeigentum so angenäherte Rechtsposition erlangt, dass es gerechtfertigt ist, ihn als dem Eigentümer gleichberechtigt anzuerkennen (vgl. SächsOVG, Beschluss vom 9. Oktober 2002 - 1 B 555/02 - JURIS). Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor.

In dem zwischen der I GmbH und dem Kläger am 12. August 1996 geschlossenen Kaufvertrag wurde unter Nr. VIII vereinbart, dass Besitz, Nutzen und Lasten sowie die mit dem Vertragsobjekt verbundene Haftung und Verkehrssicherungspflicht sowie die Gefahr zufälligen Schadens oder Untergangs erst mit der Übergabe der Anlage nach erfolgter Abnahme und vollständiger Kaufpreiszahlung auf den Erwerber übergehen, die regelmäßig wiederkehrenden Lasten und Abgaben mit dem nächsten danach fälligen Termin. Eigenen Angaben zufolge hat der Kläger mit der Verkäuferin im Juni/Juli 1997 vereinbart, dass er die letzte - noch nicht fällige - Kaufpreisrate bezahlt und vorzeitig in das Grundbuch eingetragen wird. Er hat weiter vorgetragen, den Besitz an dem Grundstück a___ "vom Zeitpunkt der Auflassungsvormerkung an" erworben und die öffentlichen Lasten "vom Zeitpunkt des Kaufvertrages an" getragen zu haben. Glaubhaft gemacht hat er aber nur, dass er sich von August bis Oktober 1996 zur Durchführung eigener "Renovierungsarbeiten" an dem Wasserkraftwerk und zur Überwachung der - vertraglich geschuldeten - Arbeiten der I____ GmbH auf dem Grundstück aufgehalten hat. Danach mag dem Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Duldungsbescheides am 14. März 1997 zwar der Mitbesitz an dem Grundstück a___ eingeräumt gewesen sein; öffentliche Lasten hat er jedoch noch nicht getragen. Der Kläger hatte mithin auch keine dem Eigentümer so angenäherte Rechtsstellung inne, dass er - wie ein Grundstückseigentümer - zwingend zum Verfahren hätte hinzugezogen werden müssen.

Dass der Beklagte den Kläger auch nicht im Ermessenswege gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 ThürVwVfG zum Verfahren hinzugezogen hat, hat nicht zur Folge, dass das Rechtsbehelfsverfahren durch den Kläger eröffnet wäre. Vielmehr muss der Kläger den Duldungsbescheid vom 14. März 1997 und dessen Bestandskraft hinnehmen mit der Folge, dass er zum Zeitpunkt des Vollrechtserwerbs, d. h. seiner Eintragung als neuer Eigentümer in das Grundbuch, Eigentum erworben hat, das der durch den Duldungsbescheid konkretisierten öffentlich-rechtlichen Bindungen unterlag. Dies ergibt sich bereits aus den allgemeinen Regelungen über die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes. Davon zu trennen ist die aus § 883 Abs. 2 Satz 1 BGB resultierende Rechtsposition des Vormerkungsberechtigten, die ihn vor zivilrechtlichen Verfügungen des Verkäufers schützt. Ebenfalls unabhängig von den zuvor aufgeworfenen Fragen ist die Frage der Entschädigung (vgl. §§ 100, 101 ThürWG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, dem Kläger die in erster Instanz dem Beigeladenen entstandenen außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen, denn dieser hat dort keinen Antrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO); in zweiter Instanz ist er Berufungsführer.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 VwGO).

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 30.000,- DM (umgerechnet 15.338,76 Euro) festgesetzt (§ 25 Abs. 2 Satz 1 GKG i. V. m. §§ 14, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG in der bis zum 31.12.2001 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (GKG a. F.).

Ende der Entscheidung

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