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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 04.08.2006
Aktenzeichen: 2 EO 1159/05
Rechtsgebiete: GewO, GG, VwGO


Vorschriften:

GewO § 35 Abs. 1
GewO § 35 Abs. 7a
GG Art. 12
VwGO § 146 Abs. 4 S. 6
Die Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit kann aus einer lang andauernden wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit abzuleiten sein, die infolge des Fehlens von Geldmitteln eine ordnungsgemäße Betriebsführung im Allgemeinen und die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Zahlungspflichten im Besonderen verhindert, ohne dass insbesondere durch Erarbeitung eines tragfähigen Sanierungskonzeptes Anzeichen für eine Besserung erkennbar sind (in Anschluss an die st. Rechtspr. des BVerwG seit Urteile vom 02.02.1982 - 1 C 146.80 -, BVerwGE 65, 1, und 1 C 17.79 -, BVerwGE 65, 9).
THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 2. Senat - Beschluss

2 EO 1159/05

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Gewerberecht einschl. der beruflichen Bildung (ohne Erwachsenenbildungsrecht),

hier: Beschwerde nach §§ 80, 80a VwGO

hat der 2. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Graef sowie die Richter am Oberverwaltungsgericht Bathe und Dr. Hinkel am 4. August 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Weimar vom 14. Oktober 2005 - 8 E 6001/04 We - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 12.250,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer gewerberechtlichen Untersagungsverfügung des Antragsgegners.

Mit Bescheid vom 30. Juli 2004 untersagte der Antragsgegner dem Antragsteller auf Dauer die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter der M -GmbH (Ziff. 1) und die Ausübung des Zahntechnikerhandwerks sowie jede selbständige Ausübung eines Gewerbes, jede Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person (Ziff. 2). Ferner ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Untersagung an (Ziff. 3). Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte er die zwangsweise Betriebsschließung des ausgeübten Gewerbes durch Versiegelung bzw. Verplombung der Geschäfts- und Betriebsräume an, falls nach Ablauf eines Monats nach Eintritt der Vollziehbarkeit des Bescheides ein untersagtes Gewerbe noch oder von neuem betrieben werden sollte (Ziff. 4).

Gegen diesen ihm am 4. August 2004 zugestellten Bescheid legte der Antragsteller am 6. September 2004 - einem Montag - beim Thüringer Landesverwaltungsamt Widerspruch ein, über den bislang nicht entschieden worden ist. Wegen weiterer Einzelheiten des Verwaltungsverfahrens wird auf den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen.

Am 27. September 2004 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Weimar um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und sinngemäß beantragt,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 26. August 2004 gegen die Verfügungen Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheids des Antragsgegners vom 30. Juli 2004 wiederherzustellen und die aufschiebende Wirkung in Bezug auf Nr. 4 des Bescheids des Antragsgegners vom 30. Juli 2004 anzuordnen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Das Verwaltungsgericht Weimar hat mit Beschluss vom 14. Oktober 2005 - 8 E 6001/04 We - den Antrag abgelehnt. Es hat hierzu ausgeführt, die Anordnung des Sofortvollzugs der Verfügungen Nr. 1 und Nr. 2 sei ausreichend begründet. Es bestehe ferner ein überwiegendes Interesse am Sofortvollzug, da die Untersagungsverfügung offensichtlich rechtmäßig sei. Die Voraussetzungen der diese Verfügung stützenden Ermächtigungsgrundlage nach § 35 Abs. 1, Abs. 7a Gewerbeordnung (GewO) lägen vor. Das Verfahren gegen den Antragsteller sei, wie gesetzlich vorgeschrieben, im Zusammenhang mit dem gleich gerichteten Verfahren gegen die von ihm vertretene M -GmbH (im Folgenden: GmbH) eingeleitet worden. Der Durchführung des Untersagungsverfahrens stünden auch nicht die zwischenzeitlichen Insolvenzverfahren der GmbH entgegen; diese seien eingestellt worden. Es seien auch die materiellen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage erfüllt. Der Antragsteller sei im Sinne des § 35 Abs. 7a GewO, in dessen Anwendungsbereich dieselben inhaltlichen Maßstäbe wie bei der Anwendung des § 35 Abs. 1 GewO gelten würden, unzuverlässig. Der Antragsteller biete keine Gewähr dafür, dass er in Zukunft sein oder ein anderes Gewerbe ordnungsgemäß ausübe. Er sei den mit dem Betrieb eines Gewerbes zusammenhängenden steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen. So bestünden jeweils zum Zeitpunkt April 2005 Beitrags- bzw. Steuerrückstände gegenüber der A___ Gesundheit in Höhe von 3.088,57 €, gegenüber der B__ (B Ersatzkasse) in Höhe von 5.075,61 €, gegenüber der C___ (C Ersatzkasse) in Höhe von 1.558,16 €, gegenüber der Berufsgenossenschaft der F in Höhe von 3.541,44 €, gegenüber dem Finanzamt Wiesbaden in Höhe von 1.466,06 € und gegenüber dem Finanzamt H in Höhe von 16.746,56 €. Hinzu träten Säumniszuschläge. Diese Forderungen resultierten zum Teil aus Jahren, die erheblich zurücklägen und in denen der Antragsteller seine gesetzlichen Verpflichtungen nicht erfüllt habe. Ratenvereinbarungen, die in Einzelfällen zur Tilgung der Forderungen abgeschlossen worden seien, seien nicht eingehalten worden. Diese Tatsachen rechtfertigten die Prognose einer Unzuverlässigkeit des Antragstellers mit der Folge, dass er nicht geeignet sei, das Zahntechnikergewerbe oder ein sonstiges Gewerbe auszuüben. Ein glaubhaftes Sanierungskonzept habe der Antragsteller auch nicht vorgelegt. Seine Angaben zu weiteren Ratenvereinbarungen seien zudem unzutreffend gewesen. Auch seine übrigen Ausführungen zu eigenen noch ausstehenden Forderungen habe er nicht glaubhaft geltend gemacht. Soweit dem Antragsgegner ein Ermessen zugestanden habe, seien Ermessensfehler nicht zu erkennen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei ebenfalls gewahrt. Bei Änderung der Verhältnisse, die dann für eine Zuverlässigkeit sprächen, könne der Antragsteller einen Antrag auf Wiedergestattung der Ausübung eines Gewerbes stellen. Auch die Vollstreckungsverfügung sei rechtlich nicht zu beanstanden.

Gegen diesen ihm am 19. Oktober 2005 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 24. Oktober 2005 Beschwerde beim Verwaltungsgericht eingelegt, die er mit am 21. November 2005 - einem Montag - beim Oberverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Zur Beschwerdebegründung führt der Antragsteller im Wesentlichen an, das Verwaltungsgericht habe bei der Beurteilung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht die schwierige wirtschaftliche Situation von Zahntechnikerbetrieben in Deutschland ausreichend gewürdigt und die mittelstandsfeindliche Politik der Regierungen vergangener Jahre, die nur zu einem Mehr an Bürokratie geführt habe, unberücksichtigt gelassen. Die Gewerbeuntersagung sei angesichts der Bedrohung seiner beruflichen und wirtschaftlichen Existenz sowie der Existenz seiner Familie unverhältnismäßig und greife unzulässig in sein Grundrecht aus Art. 12 GG ein. Für die Beurteilung der weiteren Zukunft der GmbH sei zu berücksichtigen, dass seine Ehefrau wieder verstärkt im Betrieb mitarbeite und sich um die Belange des Betriebes, insbesondere die Verwaltung und Korrespondenz mit Behörden, kümmern könne. Er habe mittlerweile auch die Meisterprüfung bestanden, so dass das in der Vergangenheit in erheblichem Umfang angefallene Gehalt für eine Meisterstelle eingespart werden könne. Es bestünden auch weiterhin in erheblichem Umfang Außenstände, die demnächst, wenn erforderlich, auch vor Gericht eingeklagt würden. Zu beachten seien auch seine erheblichen Anstrengungen in den vergangenen Jahren, die Schulden abzubauen. Er habe nicht nur die laufenden Kosten, Krankenkassenbeiträge, Lohnnebenkosten, Solidaritätszuschläge und anderes bedient, sondern habe auch in beträchtlicher Höhe seine Verbindlichkeiten bei Drittgläubigern abgebaut sowie auch seine Schulden bei den Krankenkassen immer weiter zurückgeführt. Seine Firma sei durchaus zahlungsfähig.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Weimar vom 14. Oktober 2005 wie erstinstanzlich beantragt zu entscheiden.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung führt er an, der Antragsteller berücksichtige in seinem Vortrag nicht die erhebliche Dauer seiner Pflichtverletzungen sowie die zwischenzeitlichen Neuverschuldungen. Ein etwaiges Verschulden spiele bei der Frage der Gewerbeuntersagung keine Rolle. Ein verwertbares Sanierungskonzept habe der Antragsteller zudem weder in der Vergangenheit noch im gerichtlichen Verfahren vorgelegt. Auch in den zwischenzeitlichen Insolvenzverfahren habe er sich geweigert, mit den eingesetzten Gutachtern zusammenzuarbeiten. Es bestünden weiterhin Außenstände von Sozialversicherungsbeiträgen bei der B , der D -Krankenkasse, der E___, der Berufsgenossenschaft der F sowie von Steuern bei dem Finanzamt H . Das wegen des letztgenannten Rückstandes eröffnete Insolvenzverfahren sei mangels Masse eingestellt worden, nachdem ein Gutachten zur Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der GmbH deren Zahlungsunfähigkeit festgestellt habe.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die gerichtliche Verfahrensakte (2 Bände) und die Behördenakte (1 Aktenordner) Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung waren.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht seinen vorläufigen Rechtsschutzantrag abgelehnt.

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 146 Abs. 4, 147 VwGO). Sie genügt vor allem den besonderen Begründungsanforderungen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). So hat der Antragsteller Gründe dargelegt, aus denen nach seiner Auffassung die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben ist.

Die Beschwerde ist aber unbegründet. Der vom Antragsteller begehrte Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die sofortige Vollziehbarkeit der gewerberechtlichen Untersagungsverfügung des Antragsgegners vom 30. Juli 2004 hat keinen Erfolg.

Der Senat ist in der Überprüfung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts beschränkt. Gegenstand der Prüfung im Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich nur die vom Beschwerdeführer rechtzeitig dargelegten Gründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), mithin im vorliegenden Rechtsmittelverfahren die Rügen des Antragstellers, die sich im Kern auf die Frage der Unzuverlässigkeit aufgrund der Nichterfüllung öffentlich-rechtlicher Zahlungsverpflichtungen beziehen. Dies schließt im Umkehrschluss aus, dass der Senat die von der Beschwerdebegründung nicht beanstandeten Feststellungen des Verwaltungsgerichts rechtlich überprüft. So sind nicht mehr Gegenstand des Beschwerdeverfahrens die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur ausreichenden Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs (§ 85 Abs. 3 VwGO), zur dem Antragsteller im Rahmen des § 35 Abs. 7a GewO erfolgten Zurechnung von Pflichtverletzungen als alleinigen Geschäftsführer und Vertretungsberechtigten der GmbH, zur erweiterten Gewerbeuntersagung (§ 35 Abs. 1 S. 2 GewO), zur Ermessensausübung und zur Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsandrohung.

Die mit der Beschwerdebegründung vorgetragenen Rügen führen nicht zum Erfolg der Beschwerde. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht im Rahmen der notwendigen Interessensabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO entscheidend auf die offensichtliche Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung abgestellt. Es spricht viel dafür, dass der Antragsteller aufgrund seiner Tätigkeit als verantwortlicher Vertretungsberechtigter der GmbH gewerberechtlich unzuverlässig ist (§ 35 Abs. 7a, Abs. 1 GewO).

Nach der vorgenannten Bestimmung ist die Ausübung eines Gewerbes von der zuständigen Behörde zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Die Untersagung kann auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeit oder dieses Gewerbe unzuverlässig ist. Darüber hinaus kann die Untersagung auch gegen Vertretungsberechtigte oder mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragte Personen ausgesprochen werden.

Unzuverlässig ist danach ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Die Annahme der Unzuverlässigkeit kann dabei auch aus einer lang andauernden wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit abzuleiten sein, die infolge des Fehlens von Geldmitteln eine ordnungsgemäße Betriebsführung im Allgemeinen und die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Zahlungspflichten im Besonderen verhindert, ohne dass - insbesondere durch Erarbeitung eines tragfähigen Sanierungskonzeptes - Anzeichen für eine Besserung erkennbar sind. Demzufolge muss eine "Prognose" darüber gestellt werden, ob der Gewerbetreibende künftig das Gewerbe ordnungsgemäß ausüben werde oder nicht.

Dabei ist die gesamte Situation des Gewerbetreibenden einschließlich seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu bewerten (Beschlüsse des Senats vom 15.06.2000 - 2 ZEO 497/00 - und vom 07.05.1998 - 2 EO 834/96 -; st. Rechtsprechung BVerwG, vgl. nur BVerwG, Urteile vom 02.02.1982 - 1 C 146.80 -, BVerwGE 65, 1 - und - 1 C 17.79 -, BVerwGE 65, 9, sowie Beschlüsse vom 16.02.1998 - 1 B 26.98 -, Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 69, jeweils m. w. N.). Rückstände bei öffentlich-rechtlichen Zahlungspflichten, insbesondere Steuerrückstände, sind dann geeignet, einen Gewerbetreibenden als unzuverlässig erscheinen zu lassen, wenn sie sowohl ihrer absoluten Höhe nach als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind; auch die Zeitdauer, während derer der Gewerbetreibende seinen steuerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, ist von Bedeutung (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 09.04.1997 - 1 B 81.97 -, GewArch 1999, 72).

In diesem Sinne ist der Antragsteller unzuverlässig.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend die Tatsachen benannt, die eine erhebliche Nichterfüllung öffentlicher Zahlungsverpflichtungen und damit die Verletzung von Interessen der Allgemeinheit in der Vergangenheit und in der Gegenwart belegen. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Begründung des angegriffenen Beschlusses (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Der Antragsteller hat danach - was von ihm in der Beschwerdebegründung auch nicht substantiiert bestritten wird - in ihrer Höhe erhebliche Sozialversicherungsbeiträge der Mitarbeiter der von ihm vertretenen Gesellschaft wie auch Umsatz- und Lohnsteuern rechtswidrig nicht abgeführt und dies über mehrere Jahre hinweg.

Soweit der Antragsteller einwendet, die Forderungen des Finanzamtes seien mit Rückzahlungsansprüchen der Gesellschaft aus Umsatzsteuerzahlungen zu verrechnen, verkennt er, dass Steuerrückstände, die zur Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit führen können, solche nicht gezahlten Steuern sind, die der Steuerschuldner von Rechts wegen bereits hätte zahlen müssen. Dabei kommt es nicht auf die materielle Rechtmäßigkeit der Abgabenschuld an; entscheidend ist ungeachtet sonstiger Gegenrechte die Fälligkeit der Steuerschuld (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30.09.1998 - 1 B 100.98 -, GewArch 1999, 31, vom 12.03.1997 - 1 B 72.97 -, zit. n. juris, und vom 22.06.1994 - 1 B 114.94 -, GewArch 1995, 111). So liegt es hier. Der Antragsteller zeigt nicht auf, inwieweit die von ihm vertretene GmbH von der Verpflichtung zur Zahlung der Steuerschuld durch ihre Verrechnung wirksam befreit worden ist.

Es liegen auch keine in der Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Verhältnisse brauchbaren Erkenntnisse vor, die eine andere Prognose als die der Unzuverlässigkeit der GmbH wie auch des für diese handelnden Antragstellers nahe legen. Zwar versucht der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung darzulegen, dass er willens ist, die Schulden abzubauen und dass ihm dies gegenüber einzelnen Gläubigern gelungen sei. Der Vortrag zeigt jedoch kein verwertbares auf die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit gerichtetes solides Sanierungskonzept auf.

Es ist bereits darauf hinzuweisen, dass es dem Antragsteller auch in jüngster Vergangenheit nicht gelungen ist, selbst bei Bewilligung von Ratenvereinbarungen diese einzuhalten. Es fehlen dem Vortrag des Antragstellers - abgesehen von seinem guten Willen - jegliche konkreten Angaben darüber, wie er die seine Pflichtverletzung begründenden Schulden abzahlen will. Seine Angaben bleiben allenfalls spekulativ. Die zwischenzeitlich nach Anhängigkeit des vorliegenden Rechtsstreits eingetretenen Zahlungsrückstände bei den vom Verwaltungsgericht benannten Sozialversicherungsträgern zeigen vielmehr auf, dass es dem Antragsteller und der von ihm geleiteten Gesellschaft weiterhin nicht gelingt, den Verpflichtungen nachzukommen. Letztlich spricht entscheidend gegen jegliche Erfolgsaussicht einer Sanierung die Feststellungen des Sachverständigengutachtens, dass das Amtsgericht Frankfurt a. M. in dem Insolvenzantragsverfahren über das Vermögen der GmbH eingeholt und das zur Einstellung des Insolvenzverfahrens mangels Masse geführt hat. Dieses Gutachten vom 20. September 2005 bewertet eingehend die gesamte Vermögenssituation der vom Antragsteller vertretenen Gesellschaft, die durch eine völlige Überschuldung gekennzeichnet ist. Im Ergebnis gelangt das Gutachten zur Aussage, dass die Gesellschaft zahlungsunfähig ist. Den bestehenden fälligen Verbindlichkeiten in Höhe von etwa 523.000,00 € stehen keine liquiden Mittel gegenüber, die zur Zahlung herangezogen werden können. Die Gesellschaft verfügt auch nicht im ausreichenden Umfang über Aktiva, um die vorhandenen Verbindlichkeiten zu decken.

Der Versuch des Antragstellers, seine Schwierigkeiten mit persönlichen und politischen Gründen zu erklären und zu entschuldigen, lässt keine andere Wertung zu. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat anschließt, gilt, dass die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit kein Verschulden des Gewerbetreibenden erfordert. Es ist - so bereits das Bundesverwaltungsgericht - überhaupt belanglos, welche Ursachen zu der Überschuldung und der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit des Antragstellers geführt haben. Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs muss von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen an seiner wirtschaftlichen Schwierigkeit seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Diese durch die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung begründete Erwartung ist der eigentliche Grund, den wirtschaftlich leistungsunfähigen Gewerbetreibenden als unzuverlässig zu bewerten. Dieser Grund entfällt nur dann, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und Erfolg versprechenden Sanierungskonzept arbeitet (BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 - 1 C 146.80 -, a. a. O., und Beschlüsse vom 16.02.1998 - 1 B 26.98 -, a. a. O. m. w. N. und vom 09.03.1988 - 1 B 17.88 -, zit. n. juris). Diese Ausnahmevoraussetzungen waren indes beim Antragsteller - wie bereits aufgezeigt - erkennbar nicht gegeben. Es verbleibt der Vorwurf gegenüber dem Antragsteller des sozialen Fehlverhaltens, der sich auf die Missachtung steuerlicher Erklärungs- und Zahlungspflichten und vor allem auf die Nichtabführung treuhänderisch überantworteter Geldmittel der Sozialversicherung gründet (BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 - 1 C 146.80 -, a. a. O).

Zu Unrecht rügt der Antragsteller auch die Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit der Behauptung, eine mildere Maßnahme als die Gewerbeuntersagung hätte zur Erreichung des Schutzzweckes ausgereicht. Dem ist nicht zu folgen. Die Unzuverlässigkeit des Antragstellers ergibt sich in erster Linie aus seiner wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit und damit aus einem Umstand, an dem schwerwiegende Gefahren nicht nur für die im Betrieb des Antragstellers Beschäftigten, sondern gerade und erst Recht für die Allgemeinheit ausgehen. Diesen Gefahren kann nur durch die völlige Untersagung der Gewerbeausübung entgegengetreten werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 - 1 C 146.80 -, a. a. O., und Beschluss vom 08.02.1996 - 1 B 19.96 -, Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 63). Es ist nicht ersichtlich, welche andere, d. h. mildere Maßnahmen die Verwaltung hätte treffen können, um die Allgemeinheit vor dem unzuverlässigen Antragsteller zu schützen. Die vom Antragsteller vorgeschlagenen Maßnahmen - wie Vorlageverpflichtungen - helfen hier nicht weiter. Sie wurden in der Vergangenheit vom Antragsgegner ergriffen, aber scheiterten an der unzureichenden Mitwirkung des Antragstellers.

Etwas anderes gilt auch nicht unter Berücksichtigung der vom Antragsteller geltend gemachten Berufsfreiheit nach Art. 12 GG. Auch insoweit ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass der Ausschluss eines Gewerbetreibenden, der gewerbeübergreifend unzuverlässig ist, aus dem Wirtschaftsleben grundrechtskonform ist. Die Herausnahme eines solchen Gewerbetreibenden aus dem Wirtschaftsleben ist notwendig, um die Allgemeinheit und/oder die im Betrieb Beschäftigten vor Nachteilen zu schützen. Die Berufsausübung ist hier nicht mehr schützenswert. Sie wird auch unter Berücksichtigung sozialer Belange nicht unzulässig beschränkt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.03.1982 - 1 C 124/80 -, zit. n. juris, sowie Beschlüsse vom 08.02.1996 - 1 B 19.96 - , a. a. O., vom 17.08.1995 - 1 C 124.95 -, Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 60, und vom 12.01.1993 - 1 B 1.93 -, NVwZ 1993, 1189, jeweils m. w. N.).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 i. V. m. §§ 47, 53 Abs. 3 Nr. 2 und 52 Abs. 2 GKG. Auf die zutreffende Begründung der Höhe des Streitwerts durch das Verwaltungsgericht wird Bezug genommen.

Hinweis: Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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