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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 07.01.2004
Aktenzeichen: 2 EO 612/03
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 80b Abs. 1
VwGO § 80b Abs. 2
Die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung nach § 80b Abs. 2 VwGO kann auch nach Ablauf der 3-Monatsfrist nach § 80b Abs. 1 VwGO beantragt oder angeordnet werden.

Wird die Berufung zugelassen, ist regelmäßig auch einem Antrag nach § 80b Abs. 2 VwGO auf Fortdauer der aufschiebenden Wirkung stattzugeben.


THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 2. Senat - Beschluss

2 EO 612/03

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Straßen- und Wegerecht,

hier: Antrag nach §§ 80, 80a VwGO

hat der 2. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Graef, den Richter am Oberverwaltungsgericht Bathe und den Richter am Oberverwaltungsgericht Schneider am 7. Januar 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Allgemeinverfügung des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur zur Umstufung von Straßenabschnitten in der Gemeinde Lichte, Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, vom 15. Oktober 2001 (AZ: 64.5.2.03/72) wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin hat sich mit ihrer Klage vom 21. Dezember 2001 gegen eine straßenrechtliche Entscheidung des Antragsgegners zur Umstufung einer in ihrem Gemeindegebiet verlaufenden Landesstraße in eine Gemeindestraße gewandt. Das Verwaltungsgericht Gera hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Februar 2003 diese Klage abgewiesen (3 K 1840/01 GE).

Gegen das ihr am 7. März 2003 zugestellte Urteil hat die Antragstellerin am 7. April 2003 beim Verwaltungsgericht Gera die Zulassung der Berufung beantragt und diese mit am 6. Mai 2003 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet (2 ZKO 484/03). Der Senat hat mit Entscheidung vom heutigen Tag dem Zulassungsantrag aufgrund besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten entsprochen.

Bereits mit beim Oberverwaltungsgericht am 10. Juni 2003 eingegangenem Schriftsatz beantragt die Antragstellerin mit Hinweis auf die Erfolgsaussichten ihres Zulassungsantrages, anzuordnen, dass die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Allgemeinverfügung vom 15. Oktober 2001 fortdauert.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er trägt im Wesentlichen vor, der Zulassungsantrag habe keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht Gera habe zu Recht die Klage abgewiesen.

Zu weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag der Antragstellerin nach § 80b Abs. 2 VwGO hat Erfolg. Danach kann das Oberverwaltungsgericht auf Antrag anordnen, dass die aufschiebende Wirkung fortdauert. Nach § 80b Abs. 1 VwGO endet - wie hier - die aufschiebende Wirkung einer im ersten Rechtzug abgewiesenen Anfechtungsklage drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels.

Der Antrag ist zulässig. Er scheitert insbesondere nicht daran, dass die für das Ende der aufschiebenden Wirkung der Klage maßgebende 3-Monatsfrist, die am Ablauf der Frist für die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zu orientieren ist, inzwischen abgelaufen ist. Die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung nach § 80b Abs. 2 VwGO kann sowohl nachträglich beantragt als auch - wie hier - nachträglich angeordnet werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Mai 2001 - 13 B 434/01 -, NVwZ-RR 2002, 76; OVG Bremen, Beschluss vom 13. Dezember 1999 - 1 B 422/99 -, NVwZ 2000, 942, m. w. N.).

Der Antrag ist auch im Hinblick auf die am heutigen Tage erfolgte Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts begründet. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte an, wonach bei Zulassung der Berufung regelmäßig auch einem Antrag nach § 80b Abs. 2 VwGO auf Fortdauer der aufschiebenden Wirkung stattzugeben ist (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Mai 2001 - 13 B 434/01 -, a. a. O.; OVG Saarland, Beschluss vom 18. September 2000 - 3 Q 211/00 -, zitiert nach juris; OVG Bremen, Beschluss vom 13. Dezember 1999 - 1 B 422/99 -, a. a. O.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13. November 1998 - 7 B 12224/98 -, NVwZ 1999, 896; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 16. Dezember 1998 - 2 M 132/98 -, NVwZ-RR 1999, 591).

§ 80b Abs. 2 VwGO nennt unmittelbar keine materiellen Kriterien, wann die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung vom Gericht anzuordnen ist. Anders als bei der Anordnung oder Wiederhehrstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels nach § 80 Abs. 5 VwGO kann jedoch unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens und der Entstehungsgeschichte der Norm der Erfolg des Verfahrens nicht von einer umfassenden Abwägung aller öffentlichen und privaten Interessen der Beteiligten geboten sein. Die gesetzliche Regelung zielt vielmehr auf einen eingeschränkten Prüfungsmaßstab. Der Gesetzgeber beabsichtigte mit der Regelung des § 80b VwGO eine Missbrauchsschranke, um Klageerhebungen gegen belastende Verwaltungsakte lediglich zur Ausnutzung des damit verbundenen Suspensiveffektes zu verhindern (BT-Drucksache 13/3993 S. 11). Der Gesetzgeber ging überdies von der Erwartung aus, dass über den Antrag nach § 80b VwGO parallel mit der Zulassungsentscheidung entschieden wird. Dies lässt es gerechtfertigt erscheinen, die gerichtliche Entscheidung nach § 80b Abs. 2 VwGO grundsätzlich am Ausgang oder den Erfolgsaussichten eines Antrags auf Zulassung der Berufung zu orientieren (vgl. eingehend: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Mai 2001 - 13 B 434/01 -, a. a. O.; OVG Bremen, Beschluss vom 13. Dezember 1999 - 1 B 422/99 -, a. a. O.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13. November 1998 - 7 B 12224/98 - a. a. O.).

Mit Stattgabe des Antrags auf Zulassung der Berufung war - zumal weitere Umstände einer missbräuchlichen Einlegung des Rechtsmittels nicht ersichtlich sind - auch dem Antrag der Antragstellerin nach § 80b Abs. 2 VwGO zu entsprechen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht. Gerichtskosten für das Verfahren nach § 80b VwGO sind im Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 GKG nicht vorgesehen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Dezember 1999 - 1 B 422/99 - a. a. O.; Sächs. OVG, Beschluss vom 16. Juli 1998 - zitiert nach juris).

Hinweis: Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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