Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.12.2009
Aktenzeichen: 3 EO 593/09
Rechtsgebiete: VwGO, GlüStV, ThürGlüG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
GlüStV § 4 Abs. 1
GlüStV § 9 Abs. 1
GlüStV § 10 Abs. 2
GlüStV § 10 Abs. 5
ThürGlüG § 2 Abs. 1
Die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts (vgl. das sog. Sportwettenurteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 -; BVerfGE 115, 276; Juris), unter denen das Sportwettenmonopol in Deutschland aufrechterhalten werden darf, sind nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags - GlüStV - und des Thüringer Glücksspielgesetzes - ThürGlüG - zum 1. Januar 2008 mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit auch in Thüringen erfüllt.

Auch in gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht bestehen nach vorläufiger Prüfung keine solchen Bedenken gegen das staatliche Wettmonopol, die es geböten, einem privaten Wettvermittler vorläufigen Rechtsschutz gegen Verfügungen zu gewähren, durch die die Vermittlung von Sportwetten untersagt wird.


THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 3. Senat - Beschluss

3 EO 593/09

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Lotterierechts,

hier: Beschwerde nach §§ 80, 80a VwGO

hat der 3. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Hüsch, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schwachheim und den Richter am Oberverwaltungsgericht Best am 8. Dezember 2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Weimar vom 6. August 2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beteiligten, die dieser selbst trägt.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 25.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den zulässigen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt, weil die im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zu Ungunsten des Antragstellers ausfällt.

Der Senat hält im Ergebnis an seiner Rechtsprechung fest, die zur früheren Sach- und Rechtslage vor Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags - GlüStV - und des Thüringer Glücksspielgesetzes - ThürGlüG - zum 1. Januar 2008 ergangen ist (vgl. nur den Beschluss vom 12. Dezember 2006 - 3 EO 663/06- , ThürVBl. 2007, 83, Juris). Er teilt die Ansicht des Verwaltungsgerichts, wonach in Thüringen - ebenso wie in anderen Bundesländern (vgl. etwa OVG Rh-Pf, Beschluss vom 23. Oktober 2009 - 6 B 10998/09 - , OVG Saarl., Beschluss vom 5. Oktober 2009 - 3 B 321/09 - , BayVGH, Beschluss vom 8. Juli 2009 - 10 CS 08.1364- , SächsOVG, Beschluss vom 10. Juni 2009 - 3 BS 179/07-, OVG Bln-Bbg, Beschlüsse vom 8. Mai 2009 - 1 S 70/08- und vom 8. April 2009 - 1 S 212.08 - , HambOVG, Beschluss vom 27. Februar 2009 - 4 Bs 235/08- , OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2009 -4 B 298/08-, NdsOVG, Beschluss vom 16. Februar 2009 - 11 ME 367/08-, VGH BW, Beschluss vom 11. Februar 2009 - 6 S 3328/08 - , HessVGH, Beschluss vom 28. Januar 2009 - 7 B 2539/08 - , alle zitiert nach Juris) - die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts (vgl. dessen sog. Sportwettenurteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - ; BVerfGE 115, 276; Juris) erfüllt sind, unter denen das Sportwettenmonopol in Deutschland aufrechterhalten werden darf. Zwar können im Rahmen dieses auf Gewährung nur vorläufigen Rechtsschutzes gerichteten Verfahrens die in gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht bezüglich des staatlichen Sportwettenmonopols nach wie vor geltend gemachten rechtlichen Bedenken nicht gänzlich ausgeräumt werden, so dass ein Obsiegen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren derzeit nicht vollends ausgeschlossen werden kann. Der Senat vermag aus diesem Umstand aber - ebenso wie das Verwaltungsgericht - keinen Vorrang des privaten Aussetzungsinteresses des Antragstellers vor den gegenläufigen öffentlichen Interessen an der sofortigen Vollziehbarkeit der angefochtenen Verfügung herzuleiten.

Seit jener Änderung der Rechtslage zum 1. Januar 2008 sind für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung die nunmehr geltenden Gesetzesbestimmungen anzuwenden (vgl. nur die Beschlüsse des Nds. OVG vom 8. Juli 2008 - 11 MC 71/08- , Juris, Rdn. 28, und - 11 MC 489/07- , sowie den letzterem nachfolgenden Beschluss des BVerfG vom 20. März 2009 - 1 BvR 2410/08-, Juris, Rdn. 13, 22; ferner etwa den jüngst ergangenen Beschluss des OVG Rh-Pf vom 23. Oktober 2009 - 6 B 10998/09-, Juris, Rdn. 2, m.w.N.). Demnach findet die Verfügung ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 GlüStV (i. V. m. Art. 1 § 1 des Gesetzes zur Änderung der gesetzlichen Grundlagen des Thüringer Glücksspielwesens vom 18. Dezember 2007; GVBl. S. 243). Danach haben die für die Glücksspielaufsicht zuständigen Behörden eines Landes (vgl. § 11 ThürGlüG) u. a. die Aufgabe, darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben (vgl. § 9 Abs. 1 Sätze 1 u. 2 GlüStV), und sie können im Rahmen dieser Pflichten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen.

Diese Voraussetzungen für ein behördliches Einschreiten gegen die vom Antragsteller betriebene Sportwettenvermittlung liegen jedenfalls nach neuer Rechtslage vor (darauf, dass der Senat diese Voraussetzungen auch nach früherer Rechtslage bejaht hat, vgl. etwa den bereits erwähnten Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2006 - 3 EO 663/06- , a.a.O., kommt es nicht mehr an). Der Antragsteller verfügt nicht über die gemäß § 4 Abs. 1 GlüStV erforderliche Erlaubnis, und ihm kann eine solche Erlaubnis angesichts des in § 10 Abs. 5 i. V. m. Abs. 2 GlüStV, § 2 Abs. 1 ThürGlüG verankerten staatlichen Sportwettenmonopols von Gesetzes wegen auch nicht erteilt werden.

Das Sportwettenmonopol ist nach dem derzeitigen Erkenntnisstand rechtlich nicht zu beanstanden. Es dürfte den verfassungsmäßigen Anforderungen genügen, und auch in gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht dürften die - insbesondere im Hinblick auf das sog. Kohärenzgebot- erhobenen Einwände mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht durchgreifen.

Hinsichtlich der Vereinbarkeit mit nationalem (Verfassungs-)Recht teilt der Senat die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts in seiner jüngsten Rechtsprechung. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem bereits erwähnten Beschluss vom 20. März 2009 - 1 BvR 2410/08- (Juris) entschieden, dass die Ablehnung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine behördliche Verfügung, durch die - wie hier - die Vermittlung von Sportwetten untersagt worden ist, von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden sei. Diese die seit dem 1. Januar 2008, also seit Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags, bestehende Rechtslage in Niedersachsen betreffende Entscheidung ist angesichts ähnlicher tatsächlicher und rechtlicher Umstände in den entscheidungserheblichen Punkten ohne weiteres auch auf die Situation in Thüringen übertragbar.

Das Bundesverfassungsgericht ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2009 u. a. zu dem Ergebnis gelangt, dass die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags grundsätzlich geeignet seien, "die verfassungsrechtlich geforderten Restriktionen im Bereich des Vertriebs und des Bewerbens staatlicher Sportwetten herbeizuführen" (BVerfG, a.a.O., Juris, Rdn. 43 i. V. m. Rdn. 29ff.). Soweit hierbei ergänzend die spezifischen landesrechtlichen Regelungen herangezogen worden sind (vgl. BVerfG, a.a.O., Juris, Rdn. 30ff.), gilt für die Sach- und Rechtslage in Thüringen im Kern nichts anderes als für das Land Niedersachsen, dessen Regelungen Gegenstand der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht gewesen sind.

Auch in Thüringen werden die landesrechtlichen Regelungen in Verbindung mit denjenigen des Glücksspielstaatsvertrags den Anforderungen gerecht, die nach Maßgabe des Sportwettenurteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - (BVerfGE 115, 276; Juris) an die rechtliche Ausgestaltung des staatlichen Monopols zu stellen sind. Insoweit genügt zwar nicht mehr nur ein Mindestmaß an Regelungskonsistenz, wie dies während der im Sportwettenurteil gesetzten Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2007 der Fall war (und wie es in der Rechtsprechung des Senats als in Thüringen gewahrt angesehen worden ist; vgl. nur den Beschluss vom 12. Dezember 2006 - 3 EO 663/06- , a.a.O.), sondern es ist nunmehr erforderlich, dass die gesetzlichen Regelungen im Hinblick auf die mit ihnen verfolgten legitimen Gemeinwohlziele eine "vollständige Konsistenz" aufweisen, um in zulässiger Weise das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG beschränken zu können (vgl. dazu nur BVerfG, Beschluss vom 20. März 2009 - 1 BvR 2410/08 - , Juris, Rdn. 24 f.).

Nach summarischer Prüfung in diesem Eilverfahren geht der Senat davon aus, dass die nunmehr geltenden gesetzlichen Bestimmungen eine solche Konsistenz aufweisen und konsequent insbesondere an dem legitimen Ziel orientiert sind, die Wettsucht zu bekämpfen und die Wettleidenschaft zu begrenzen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 20. März 2009, a. a. O., Rdn. 29 ff.).

Insoweit sind insbesondere zu nennen: Der Minderjährigenschutz (§ 4 Abs. 3 GlüStV, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3, § 10 Abs. 1 Nr. 2 ThürGlüG), zumal in Verbindung mit dem Erfordernis einer Kundenkarte, deren Ausstellung eine Altersverifikation voraussetzt, das Veranstaltungs- und Vermittlungsverbot im Internet (§ 4 Abs. 4 GlüStV; vgl. auch § 8 Abs. 2 Nr. 9 ThürGlüG), die Bestimmungen über das Sozialkonzept (§ 6 GlüStV) und die Pflicht zur Aufklärung über die Suchtgefahr nebst Hinweisen auf Beratungs- und Therapiemöglichkeiten (§ 7 GlüStV), der Schutz für besonders Suchtgefährdete, auch durch Selbstsperre, und der Ausschluss gesperrter Spieler (§ 8 GlüStV, § 7 ThürGlüG; § 21 Abs. 3 GlüStV), die Begrenzung der Zahl der Annahmestellen (§ 10 Abs. 3 GlüStV, §2 Abs. 5 ThürGlüG) sowie die in §21 Abs. 2 GlüStV näher ausgestaltete Pflicht zur organisatorischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und personellen Trennung von der Veranstaltung oder Organisation von Sportereignissen und dem Betrieb von Einrichtungen, in denen Sportveranstaltungen stattfinden, und die weiteren dort festgelegten Restriktionen (zu weiteren die Regelungskonsistenz flankierenden Bestimmungen vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 20. März 2009, a. a. O., Rdn. 29 ff.).

Der Bejahung einer "vollständigen Konsistenz" steht im Lichte bundesdeutschen Verfassungsrechts auch nicht entgegen, dass nicht das gesamte Glücksspielwesen dem neuen Regelungsregime unterworfen worden ist (dass also etwa das gewerbliche Automatenspiel nicht einbezogen ist). Das Bundesverfassungsgericht hat seine Konsistenzanforderungen schon in seinem Sportwettenurteil vom 28. März 2006 (a.a.O.) nicht auf den gesamten Glücksspielsektor erstreckt, und es hat in seinem Beschluss vom 20. März 2009 zur neuen Rechtslage klargestellt, dass insoweit "nur eine konsequente und konsistente Ausgestaltung eines aus ordnungsrechtlichen Gründen beim Staat monopolisierten Sportwettangebots" vonnöten ist (BVerfG, a.a.O., Juris, Rdn. 17). Einen Grund für darüber hinausgehende, strengere Anforderungen vermag der Senat - zumal unter Beachtung von Einschätzungsprärogative und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers - nicht zu erkennen (vgl. auch OVG Rh-Pf, Beschluss vom 23. Oktober 2009 - 6 B 10998/09-, a.a.O., Juris, Rdn. 18).

Auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit sind durchgreifende Bedenken nicht auszumachen. Der Gesetzgeber durfte das zur Suchtbekämpfung und Begrenzung der Wettleidenschaft geeignete Mittel des staatlichen Sportwettenmonopols, so wie er es nunmehr rechtlich ausgestaltet hat (s. o.), im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative auch als erforderlich ansehen (vgl. hierzu bereits das Sportwettenurteil des BVerfG vom 28. März 2006, a.a.O., Juris, Rdn. 115 ff.; zur Eignung: Rdn. 111 ff.).

Der Senat vermag auf Grund der in einem Verfahren auf Gewährung nur vorläufigen Rechtsschutzes zu Gebote stehenden Erkenntnismittel des Weiteren nicht festzustellen, dass die tatsächliche Ausgestaltung und Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben in Thüringen unzulänglich wäre und den Anforderungen an Konsistenz und Konsequenz nicht genügte. In Betracht käme vor dem Hintergrund der nunmehr konsequenten und konsistenten gesetzlichen Regelungen ohnehin nur ein grundlegendes Umsetzungsdefizit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. März 2009, a.a.O., Rdn. 44 f.). So etwa genügte eine bislang noch unvollkommene Neuausrichtung der Kapazität des Annahmestellennetzes nicht, um ein solch grundlegendes Defizit zu begründen (vgl. BVerfG, a.a.O., Rdn. 44; Nds. OVG, Beschluss vom 8. Juli 2008 - 11 MC 71/08- , Juris, Rdn. 64 ff.). Anhaltspunkte dafür, dass es in Thüringen ein derartiges Defizit in der tatsächlichen Ausgestaltung gäbe, das überdies den Bereich der Sportwetten unmittelbar betreffen müsste (vgl. BVerfG, a.a.O., Rdn. 45), sind nicht ersichtlich.

Die folglich aller Voraussicht nach mit nationalem Verfassungsrecht in Einklang stehende Neuregelung des staatlichen Wettmonopols dürfte nach vorläufiger Einschätzung des Senats mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch einer gemeinschaftsrechtlichen Prüfung standhalten. Der Senat hält nicht mehr an den Bedenken fest, die in seinen sog. Zwischenverfügungen vom 22. Dezember 2008 - 3 EO 666/08 - und vom 25. Februar 2009 - 3 EO 644/08 - zum Ausdruck gekommen sind, sondern geht derzeit davon aus, dass das staatliche Sportwettenmonopol - entgegen der auch vom Antragsteller vertretenen Ansicht- insbesondere nicht deswegen gegen die in Art. 49 EGV verankerte Dienstleistungsfreiheit verstößt, weil es an hinreichend kohärenten und systematischen Regelungen bezogen auf den gesamten Glücksspielbereich fehle (vgl. dazu nur den jüngst ergangenen Beschluss des OVG Saarl. vom 5. Oktober 2009 - 3 B 321/09-, a.a.O., Juris, Rdn. 72 ff., mit zahlreichen Nachweisen; vgl. zum Stand der Diskussion ferner auch die Beschlüsse des Nds. OVG vom 8. Juli 2008 - 11 MC 71/08- , Juris, Rdn. 28, und des VGH BW vom 11. Februar 2009 - 6 S 3328/08- , Juris, jeweils ebenfalls m.w.N.). Der Senat teilt vielmehr die gegenüber einer solchen Gesamtbetrachtung ("Gesamtkohärenz") angeführten Bedenken (vgl. dazu etwa den soeben erwähnten Beschluss des OVG Saarl. vom 5. Oktober 2009 - 3 B 321/09- , a.a.O., sowie Ruttig, Anmerkung zum Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 16.10.2008 - 6 S 1288/08-, ZfWG 2008, 451 ff.), und er hält diese Bedenken nach vorläufiger Prüfung auch für durchgreifend.

Letztlich aber kann und braucht diese kontrovers diskutierte Frage in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht vertieft zu werden. Ihre Beantwortung muss vielmehr einem Hauptsachverfahren vorbehalten bleiben, dessen Ergebnis überdies maßgeblich präjudiziert werden dürfte durch die anstehenden Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs über die Vorlagebeschlüsse des Verwaltungsgerichts Gießen vom 7. Mai 2007 - 10 E 13/07 - und des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. Juli 2007 - 4 K 4435/06 - (jeweils veröffentlicht in Juris).

Vor diesem Hintergrund eines letztlich zwar offenen, nach derzeitiger Einschätzung des Senats aber für den Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eher negativen Ausgangs des Hauptsacheverfahrens fällt die hier vorzunehmende Interessenabwägung zum Nachteil des Antragstellers aus. Der Senat hielte die öffentlichen Interessen selbst bei (völlig) offenen Erfolgschancen im Hauptsacheverfahren für überwiegend. Er teilt insoweit die einschlägigen Überlegungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in dessen Beschluss vom 8. Juli 2008 - 11 MC 489/07- (Beschlussumdruck, S. 25 f.), der Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. März 2009 (a. a. O.) gewesen ist. Angesichts der vom Senat für das Hauptsacheverfahren prognostizierten Erfolgsaussichten (überwiegende Chancen der Antragsgegnerin) muss die Interessenabwägung daher erst Recht zu Ungunsten des Antragstellers ausfallen. Auch für eine Aussetzungsentscheidung unter Auflagen (vgl. § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO) sieht der Senat unter diesen Voraussetzungen keinen Raum.

Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Senat nach wie vor keinen Anlass sieht, das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer sofortigen Vollziehung der angefochtenen Untersagungsverfügung wegen der gewerblichen Tätigkeit der S GmbH auf Grund einer bereits vor der Bildung des Landes Thüringen durch die Stadt Gera erteilten Gewerbegenehmigung geringer zu bemessen (zumal dieser Wettvermittler den Vertrieb von Internet-Sportwetten seit Mitte August 2009 vorläufig eingestellt hat). Im Übrigen nimmt der Senat insoweit Bezug auf seinen Beschluss vom 12. Dezember 2006 - 3 EO 663/06- (ThürVBl. 2007, 83 ff.; Juris, Rdn. 26; vgl. zu diesem Aspekt auch den Beschluss des Nds. OVG vom 8. Juli 2008 - 11 MC 71/08 - , Juris, Rdn. 95).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; danach hat derjenige, der ein Rechtsmittel erfolglos eingelegt hat, die Kosten zu tragen. Zu den folglich vom Antragsteller zu tragenden Kosten gehören indes nicht die außergerichtlichen Kosten des beteiligten Vertreters des öffentlichen Interesses, weil die Voraussetzungen des § 162 Abs. 3 VwGO nicht erfüllt sind. Der Beteiligte hat selbst keinen Sachantrag gestellt und ist somit kein eigenes Kostenrisiko eingegangen (vgl. §154 Abs. 3 VwGO); demnach entspräche es nicht der Billigkeit, ihm Kostenerstattung zu gewähren.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2, 52 Abs. 1, 47 GKG.

Ende der Entscheidung

Zurück