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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 16.12.2002
Aktenzeichen: 4 EO 866/02
Rechtsgebiete: VwVfG, ThürKGG, ThürKO, VwGO, AO-1977, ThürKAG, BGB, ThürVwZVG


Vorschriften:

VwVfG § 14
ThürKGG § 31
ThürKGG § 33
ThürKGG § 43 Abs. 1 Satz 3
ThürKGG § 23 Abs. 1
ThürKO § 30 Satz 1
ThürKO § 121 Abs. 1
VwGO § 62 Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 5
AO-1977 § 169 Abs. 2
AO-1977 § 170 Abs. 1
ThürKAG § 7 Abs. 5 Satz 2
ThürKAG § 15 Abs. 1 Nr. 4 b) bb)
BGB § 139
ThürVwZVG § 19 Nr. 2
ThürVwZVG § 46 Abs. 1
ThürVwZVG § 46 Abs. 7 Satz 2
ThürVwZVG § 50
1. Durch Erklärungen rechtsgeschäftlicher und prozessrechtlicher Art, die der Zweckverbandsvorsitzende gegenüber Dritten im Außenverhältnis abgibt, wird der Zweckverband auch dann berechtigt und verpflichtet, wenn der Verbandsvorsitzende sie ohne eine nach § 31 ThürKGG erforderliche Beschlussfassung der Verbandsversammlung abgegeben hat.

2. Der Beginn der Festsetzungsverjährung setzt wegen der Abhängigkeit vom Entstehen sachlicher Beitragspflichten eine wirksame Beitragssatzung voraus. Die Festsetzungsfrist für die Erhebung von Beiträgen beginnt deshalb nicht zu laufen, wenn Beitragspflichten wegen der Ungültigkeit der der Beitragserhebung zugrunde liegenden Satzung(en) nicht entstehen konnten.


THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 4. Senat - Beschluss

4 EO 866/02

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Kommunalaufsichtsrecht,

hier: Beschwerde nach §§ 80, 80a VwGO

hat der 4. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Aschke, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Blomenkamp und den an das Gericht abgeordneten Richter am Verwaltungsgericht Erlenkämper

am 16. Dezember 2002 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 5. Dezember 2002 - 8 E 938/02.Me - abgeändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Beanstandungsverfügung des Antragsgegners vom 26. November 2002 (Az.: 204.7-1455-001/02-SHL) wird bezüglich der Ziffern 1 und 2 wiederhergestellt, bezüglich der Ziffer 4 angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens für beide Rechtszüge.

Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Rechtszüge auf jeweils 6.250,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig und führt auch in der Sache zum Erfolg. Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 5. Dezember 2002 erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtswidrig. Das Verwaltungsgericht hätte dem Antrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 VwGO stattgeben müssen.

Der sinngemäß gestellte Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Beanstandungsverfügung des Antragsgegners vom 26. November 2002 und auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieses Widerspruches gegen die in Ziffer 4 des Bescheides angedrohte Ersatzvornahme ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässig. Insbesondere mangelt es nicht an der ordnungsgemäßen Erhebung des Widerspruchs gegen die Beanstandungsverfügung seitens des Bevollmächtigten des Antragstellers. Dieser war zur Widerspruchserhebung befugt. Er hat mit vom 28. November 2002 datierender und vom amtierenden Verbandsvorsitzenden des Antragstellers B unterzeichneter Vollmachtsurkunde entsprechend den Anforderungen des § 14 VwVfG seine Vertretungsbefugnis nachgewiesen. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist dabei ohne Bedeutung, ob der Verbandsvorsitzende im Innenverhältnis zu einer entsprechenden Vollmachtserteilung durch einen Beschluss der Verbandsversammlung ermächtigt war. Auch wenn die Erteilung der Vollmacht zur Erhebung des Widerspruchs im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenverteilung zwischen Verbandsvorsitzendem und Verbandsversammlung in die Zuständigkeit der letzteren fallen und es an der erforderlichen Entschließung der Verbandsversammlung gefehlt haben sollte, führte dies nicht zur Unzulässigkeit des erhobenen Widerspruchs. Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 ThürKGG vertritt der Verbandsvorsitzende den Zweckverband nach außen. Diese dem Verbandsvorsitzenden übertragene Verfügungsmacht im Außenverhältnis ist unbeschränkt. Rechtshandlungen und rechtsgeschäftliche Erklärungen sind deshalb ebenso wirksam wie von ihm abgegebene Prozesserklärungen (zum letzteren vgl. § 62 Abs. 3 VwGO; demgegenüber zur Unwirksamkeit von Prozesserklärungen des Werkleiters vgl. Senatsbeschluss vom 20. Mai 1998 - 4 EO 736/95-, ThürVBl. 1998, 256 [257]). Durch solche Erklärungen wird der Zweckverband auch dann berechtigt und verpflichtet, wenn der Verbandsvorsitzende sie ohne eine nach § 31 ThürKGG möglicherweise erforderliche Beschlussfassung der Verbandsversammlung vorgenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 1997 - VIZR 348/96-, NJW 1998, 377 [379]; Urteil vom 17. April 1997 - III ZR 98/96-, DtZ1997, 358; Urteil vom 16. November 1978 - III ZR 81/77-, NJW 1980, 117 [118]; Urteil vom 20. April 1966 -VZR50/65-, MDR1966, 669). Darüber hinaus dürfte hier aber auch eine Eilzuständigkeit des Verbandsvorsitzenden gemäß § 33 Abs. 2 ThürKGG i. V. m. § 30 Satz 1 ThürKO begründet gewesen sein. Durch den Beanstandungsbescheid vom 26. November 2002 war der Beschluss 238/8/28/2000 vom 14. November 2000 von dem Antragsgegner beanstandet und die Verbandsversammlung des Antragstellers aufgefordert worden, den beanstandeten Versammlungsbeschluss bis zum 29. November 2002 aufzuheben. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde die Ersatzvornahme angedroht. Somit bestand also, nachdem die Verbandsversammlung am 29. November 2002 die Aufhebung des beanstandeten Beschlusses abgelehnt hatte, Gefahr im Verzug. Dies reicht für die Begründung einer Eilzuständigkeit unabhängig davon, ob der Verbandsvorsitzende der Verbandsversammlung entsprechend § 30 Satz 2 ThürKO die Gründe für die Eilentscheidung und die Art der Erledigung später unverzüglich mitgeteilt hat, aus. Auf die Frage, ob mit der Entscheidung der Verbandsversammlung vom 29. November 2002, weiterhin vorerst von einer Veranlagung der Alteigentümer abzusehen, gleichzeitig die Ermächtigung des Verbandsvorsitzenden verbunden war, die zur Durchsetzung des Beschlusses erforderlichen prozessualen Maßnahmen zu ergreifen, kommt es danach nicht mehr an.

Der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist auch begründet. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Hs VwGO ist die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs, dessen sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet worden ist, wiederherzustellen, wenn es an den formellen Begründungsvoraussetzungen des § 80 Abs. 3 VwGO fehlt oder in materieller Hinsicht das öffentliche Interesse an der Vollziehung des angegriffenen Bescheides das private Aufschubinteresse des Betroffenen nicht überwiegt. Dabei kommt es nicht allein darauf an, ob der Bescheid offensichtlich rechtmäßig ist. Ein überwiegendes öffentliches Interesse kann unabhängig von der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides vielmehr nur dann angenommen werden, wenn eine besondere Eilbedürftigkeit besteht. Denn nur so lässt sich das Regel-/Ausnahmeverhältnis von aufschiebender Wirkung und Vollzugsanordnung wahren (ThürOVG, Beschluss vom 4. November 1993 - 1 B 113/92 - ThürVBl. 1994, 111, 112; zum besonderen Vollziehungsinteresse VGH B.-W., Beschluss vom 13. März 1997 - 13 S 1132/96 - mit ausführlicher Begründung und Senatsbeschluss vom 19. November 1999 - 4 EO 919/96 -). Dabei ist nur auf die von der Behörde angeführten Gründe für ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung und ein besonderes Eilbedürfnis abzustellen.

Eine besondere Eilbedürftigkeit ist hier nicht ersichtlich. Der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehung der Beanstandungsverfügung damit begründet, dass die Beitragserhebung wegen drohender Festsetzungsverjährung unverzüglich durchzuführen und bis zum 31. Dezember 2002 zum Abschluss zu bringen sei, da der Antragsteller eine Beitragserhebungspflicht habe und die Nichtigkeit seiner Satzungen bisher nicht gerichtlich festgestellt worden sei. Nach der im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens nur möglichen summarischen Prüfung bestehen jedoch überwiegende Anhaltspunkte dafür, dass für Beitragserhebungen durch den Antragsteller die Festsetzungsfrist nicht bis zum Jahresende abläuft und daher keine Eilbedürftigkeit besteht. Die vorzunehmende Interessenabwägung fällt daher zugunsten des Antragstellers aus.

Gemäß § 169 Abs. 2 AO 1977, der nach Maßgabe des §15 Abs. 1 Nr. 4 Buchst, b) bb) ThürKAG anwendbar ist, beträgt die Festsetzungsfrist grundsätzlich 4 Jahre und beginnt gemäß §170 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 15 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) bb) ThürKAG mit dem Ablauf des Jahres, in dem die sachliche Beitragspflicht entstanden ist. Abweichend hiervon tritt die Festsetzungsverjährung für die Erhebung von Beiträgen von leitungsgebundenen Einrichtungen für die bis zum 31. Dezember 1997 entstandenen Beitragspflichten nicht vor dem 31. Dezember 2002 ein. Der Beginn der Festsetzungsverjährung setzt wegen der Abhängigkeit vom Entstehen sachlicher Beitragspflichten eine wirksame Beitragssatzung voraus, denn ohne Beitragssatzung können sachliche Beitragspflichten nicht entstehen (Senatsbeschluss vom 9. Mai 2000 - 4 ZEO 946/98 -; vgl. auch Blomenkamp in Driehaus, KAG, Stand: Sept. 2002, § 8, Rdnr. 1497 m. w. N.). Dies wird durch § 7 Abs. 5 Satz 2 ThürKAG, der durch das Dritte KAG-ÄndG eingeführt worden ist, nunmehr ausdrücklich klargestellt. An einer gültigen Beitragssatzung dürfte es hier indessen fehlen. Der Antragsgegner verfügte aller Wahrscheinlichkeit nach weder im Wasser- noch im Abwasserbereich über eine wirksame Beitragssatzung, die die sachliche Beitragspflicht vor dem in § 15 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) bb) 2. Spiegelstrich ThürKAG genannten Stichtag (31. Dezember 1997) oder im Jahre 1998 hätte zur Entstehung gelangen lassen und damit die Festsetzungsfrist in Gang setzen können.

Zwar sind Abgabesatzungen grundsätzlich nicht im Eilverfahren zu prüfen. Eine Überprüfung muss vielmehr einem sich anschließenden Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Etwas anderes gilt nur, wenn es sich um sich aufdrängende Satzungsmängel handelt, die im Eilverfahren so offensichtlich und eindeutig sind, dass im Hauptsacheverfahren eine andere rechtliche Beurteilung nicht zu erwarten ist (Senatsbeschluss vom 23. April 1998 - 4 EO 6/98 - m. w. N.). So liegt der Fall hier.

Die in Betracht kommenden Satzungen, auf deren Grundlage die sachliche Beitragspflicht hätte entstehen können, sind: Die am 1. Januar 1993 in Kraft getretenen Beitrags- und Gebührensatzungen des Antragsgegners zur Wasserbenutzungssatzung (im Folgenden: BGS-WBS 1993) und zur Entwässerungssatzung (im Folgenden: BGS-EWS 1993), die Beitrags- und Gebührensatzungen vom 21. November 1997 zur Wasserbenutzungssatzung (im Folgenden: BGS-WBS 1997) und zur Entwässerungssatzung (im Folgenden: BGS-WBS 1997) sowie die in ihren Beitragsteilen rückwirkend zum 1. Januar 1993 in Kraft gesetzten Beitrags- und Gebührensatzungen vom 14. November 2000 zur Wasserbenutzungssatzung (im Folgenden: BGS-WBS 2000) und zur Entwässerungssatzung (im Folgenden: BGS-EWS 2000). All diese Satzungen enthielten in ihrem Beitragsteil eine Tiefenbegrenzungsregelung, von deren Nichtigkeit auch ohne gerichtliche Feststellung auszugehen sein wird. In dieser Regelung ist eine Tiefenbegrenzung für Grundstücke außerhalb eines Bebauungsplans vorgesehen, also sowohl für solche Grundstücke, die mit ihrer gesamten Fläche innerhalb des sog. unbeplanten Innenbereichs liegen als auch für Außenbereichsgrundstücke (BGS-EWS 1997 und BGS-WBS 1997: § 5 Abs. 4 Nr. 5 [50m]; BGS-WBS 1997 und BGS-EWS 1997: §5 Abs. 3 Nr. 5 [50m]; BGS-WBS 2000 und BGS-EWS 2000: § 5 Abs. 2 Buchst, b) aa) und bb) [30 m]). Eine solche Regelung unterliegt vergleichbaren rechtlichen Bedenken, wie diejenige, die nach der Rechtsprechung des Senats in dem Normenkontrollurteil vom 18. Dezember 2000 -4 N 472/00- zur Überprüfung gestanden und zur Nichtigkeit des gesamten Beitragsteils einer BGS-WBS geführt hat.

Nach den gegenwärtig erkennbaren Umständen spricht alles dafür, dass die Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregelung auch im Fall der o. g. Beitrags- und Gebührensatzungen des Antragstellers zur Gesamtnichtigkeit des Beitragsteils dieser Satzungen führt.

Welche Auswirkungen die Unzulässigkeit einer Tiefenbegrenzungsregelung auf die Wirksamkeit der gesamten Beitragssatzung hat, richtet sich danach, welche Bedeutung ihr im Satzungsgefüge zukommt. In entsprechender Anwendung von § 139 BGB bleibt eine Beitragssatzung ohne die nichtige Tiefenbegrenzungsregelung wirksam, wenn die Restbestimmung(en) auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleiben - Grundsatz der Teilbarkeit der Norm - und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen Teil erlassen worden wäre(n) - Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers - (vgl. zur Teilbarkeit von Satzungsnormen: BVerwG, Urteil vom 27.01.1978 - 7 C 44.76 - DVBl. 1978, 536; Driehaus, a.a.O., Rn. 105 zu § 2; Wuttig/Hürholz/Peters, Gemeindliches Satzungsrecht, Teil I Frage 24 m. w. N.; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblattkommentar, Bd. 1, Rn. 53 zu § 47; Kintz, Die Normenkontrolle nach §47 VwGO, JuS 2000, 1099 ff. [1103]). An einer Teilbarkeit würde es insbesondere dann fehlen, wenn der Restbestand der Normen den vom Gesetzgeber verlangten Mindestinhalt der Satzung nicht umfasst (vgl. HessVGH, Urteil vom 29.06.1993 -11 N 2442/90-ESVGH 43, 296 = DVBl. 1993, 1222).

Die Gesamtnichtigkeit ist danach jedenfalls dann anzunehmen, wenn nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Satzungsgeber, hätte er von der Ungültigkeit der Tiefenbegrenzungsregelung bereits im Zeitpunkt des Erlasses der Satzung gewusst, nach seinem mutmaßlichen Willen die übrigen Satzungsregelungen auch ohne eine Tiefenbegrenzungsregelung erlassen hätte. Nach dem Urteil des Senats vom 18. Dezember 2000 ist eine satzungsmäßige Tiefenbegrenzungsregelung nur zulässig, wenn sie sich auf solche Grundstücke beschränkt, die nur mit einer Teilfläche innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils (§ 34 BauGB) und mit ihrer übrigen Teilfläche im Außenbereich (§ 35 BauGB) liegen. Für die Beurteilung des mutmaßlichen Willens kommt es daher wesentlich darauf an, in welchem Umfang im Einrichtungsgebiet des Antragstellers Grundstücke belegen sind, die mit einer Teilfläche dem Innenbereich und im Übrigen dem Außenbereich zuzuordnen sind und deshalb vom Anwendungsbereich einer Tiefenbegrenzungsregelung erfasst wären bzw. eine Einzelflächenabgrenzung erforderlich machten. Dies lässt sich nach derzeitigem Kenntnisstand nicht abschließend feststellen. Jedoch dürfte schon angesichts der Größe des Verbandsgebietes und der Vielzahl der Mitgliedsgemeinden (vgl. § 2 der Verbandssatzung vom 18. Dezember 1992, ThürStAnz. 1993 S. 20 bzw. § 2 der Ersten Satzung zur Änderung der Verbandssatzung vom 12. Januar 1996, ThürStAnz. 1996 S. 444) von einer nicht unerheblichen Anzahl von Grundstücken auszugehen sein, die vom Innenbereich in den Außenbereich übergehen. Ohne Tiefenbegrenzungsregelung würde die Ermittlung der in jedem Einzelfall bevorteilten Grundstücksfläche dann einen erheblichen Verwaltungsaufwand erfordern, der dem mutmaßlichen Willen des Antragstellers wohl nicht entsprechen dürfte. Die bei einem Verzicht auf eine Tiefenbegrenzungsregelung erforderlich werdende Einzelfallabgrenzung ließe zudem eine erhebliche Zahl von Streitigkeiten mit den Grundstückseigentümern um den genauen Verlauf der Grenze zwischen Innen- und Außenbereich erwarten, was ebenfalls nicht dem Willen des Antragstellers entsprochen haben dürfte. Darüber hinaus hat der Antragsteller mit Erlass der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserbenutzungssatzung in der Fassung vom 22. November 2001 (ThürStAnz. 2002 S. 1519) und der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung in der Fassung vom 28. Februar 2002 (ThürStAnz. 2002 S. 1088) die Tiefenbegrenzungsregelung in § 5 neu gefasst und die bisherige - rechtlich zweifelhafte - Bestimmung durch eine neue Tiefenbegrenzungsregelung ersetzt. Insbesondere dies lässt nicht den Schluss darauf zu, dass der Antragsteller im Falle der Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregelung auf eine (rechtmäßige) Regelung über die zu berücksichtigende Grundstückstiefe verzichtet hätte.

Darüber hinaus spricht aber auch einiges dafür, dass die Vorgängersatzungen der aktuellen BGS-WBS bzw. BGS-EWS im Beitragsteil auch wegen überhöhter Beitragssätze insgesamt nichtig sind. Die fehlerhafte Tiefenbegrenzungsregelung für alle Grundstücke im unbeplanten Innenbereich führt im Anschlussbeitragsrecht zu einem generellen methodischen Fehler bei der Kalkulation des Beitragssatzes. Dieser errechnet sich, indem der umlagefähige Investitionsaufwand durch die Maßstabseinheiten der beitragspflichtigen Flächen geteilt wird. Werden dabei die Grundstücke, die vollständig im unbeplanten Innenbereich liegen, nicht mit ihrer vollen Fläche, sondern - zu Unrecht - nur bis zu einer Tiefe von 50 m bzw. 30 m berücksichtigt, so wird in die Berechnung eine zu geringe beitragsfähige Fläche eingestellt. Der zu geringe Divisor führt mithin zu einem kalkulatorisch überhöhten Beitragssatz. Ob die fehlerhafte Tiefenbegrenzungsregelung (oder andere Mängel bei der Kalkulation) in der BGS-WBS und BGS-EWS 1998 bzw. 1997 bzw. 2000 zu einem rechtswidrig überhöhten Beitragssatz geführt haben, ließe sich abschließend nur durch die Vorlage einer nachgeschobenen Globalberechnung klären. Ein Indiz hierfür ist aber die Festlegung eines gegenüber den früheren Satzungsfassungen niedrigeren Beitragssatzes. Während die korrigierte BGS-WBS vom 22. November 2001 einen Beitragssatz von lediglich 0,93 €/m2 enthält, weisen die Vorgängersatzungen, die eine unzulässige Tiefenbegrenzungsregelung beinhalten, höhere Sätze auf: BGS-WBS 2000: 1,90 €/m2; BGS-WBS 1997: 5,00 DM/m2 (das entspricht 2,56 €/m2); BGS-WBS 1993: 2,00 DM/m2 (das entspricht 1,02 €/m2). Die BGS-EWS in der Fassung vom 28. Februar 2002 enthält mit einem Beitragssatz von 1,30€/m2 nach der Korrektur der Tiefenbegrenzungsregelung im Vergleich zu den vorhergehenden Satzungen ebenfalls eine Ermäßigung: BGS-EWS 2000: 1,89 €/3,70 DM/m2; BGS-EWS 1997: 7,00 DM/m2 (das entspricht 3,58 €/m2); BGSEWS 1993: 3,00 DM/m2 (das entspricht 1,53 €/m2).

Spricht demnach vieles für die Nichtigkeit des Beitragsteils der Vorgängersatzungen der BGS-WBS und BGS-EWS des Antragstellers, droht auch für die ggf. aufgrund der aktuellen Satzungsfassungen entstandenen Beitragspflichten keine Festsetzungsverjährung zum 31. Dezember 2002. Die aktuelle BGS-WBS und die BGS-EWS sind, ihre Wirksamkeit unterstellt, am Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft getreten. Damit beginnt die vierjährige Festsetzungsverjährung gemäß §15 Abs. 1 Nr. 4 b) cc) 2. Spiegelstrich ThürKAG erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem erstmals die gültige Satzung beschlossen wurde.

Für die Annahme, dass für die Beitragserhebung des Antragstellers bis zum Jahresende Verjährung drohen könnte, besteht daher kein Anlass. Somit war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Beanstandungsverfügung wiederherzustellen. Daraus ergibt sich, dass die in Ziffer 4 des Bescheides vom 26. November 2002 enthaltene Androhung der Ersatzvornahme, auf die sich Widerspruch und Eilantrag gemäß § 46 Abs. 7 Satz 2 ThürVwZVG ebenfalls erstrecken, rechtswidrig und insoweit die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen ist (§ 121 Abs. 1 ThürKO, §§ 43 Abs. 1 Satz 3, 23 Abs. 1 ThürKGG i. V. m. §§ 19 Nr. 2, 46 Abs. 1, 50 ThürVwZVG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 25 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2, 14, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 ThürGKG. Da der Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für eine bezifferbare Bedeutung der Sache für den Antragsteller bietet, erscheint es angemessen, das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Beanstandungsverfügung entsprechend II. Nr. 19.5 des sog. Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. DVBl. 1996, S. 605 ff.) mit einem Streitwert von 10.000,00 € zu bewerten, der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf die Hälfte zu reduzieren ist. Das Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Androhung der Ersatzvornahme bewertet der Senat in Anlehnung an Ziffern I.7 und I.8, 2. Hs des Streitwertkatalogs im vorliegenden Eilverfahren mit 1/8 des Streitwertes der Hauptsache. Die Werte sind nach der im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 5 ZPO zu addieren. Die Befugnis zur Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 25 Abs. 2 Satz 2 ThürGKG.

Hinweis:

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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