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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.09.2009
Aktenzeichen: 4 N 1569/04
Rechtsgebiete: VwGO, ThürKGG, ThürBekVO


Vorschriften:

VwGO § 47 Abs. 2 S. 1
ThürKGG § 19 Abs. 1
ThürKGG § 44 Abs. 1 Nr. 3
ThürBekVO § 1 Abs. 3 S. 1
1. Wird eine Satzung zur vorsorglichen Heilung mutmaßlicher Mängel nochmals bekanntgemacht, so beginnt die Frist für einen Normenkontrollantrag gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erst mit der erneuten Bekanntmachung zu laufen, wenn diese Bekanntmachung erstmals diejenigen Rechtswirkungen erzeugt, gegen die sich der Antragsteller zur Wehr setzen will.

2. Zur fehlerhaften Bekanntmachung der Verbandssatzung eines Abwasserzweckverbands wegen unwirksamer Bekanntmachungsregelung in der Hauptsatzung des Landkreises der Aufsichtsbehörde.


THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 4. Senat - Im Namen des Volkes Urteil

4 N 1569/04

In dem Normenkontrollverfahren

wegen Verfassung, Verwaltung und Organisation der Gemeinden und Gemeindeverbände/kommunalen Gebietskörperschaften,

hier: Normenkontrollverfahren

hat der 4. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Aschke, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Blomenkamp und den Richter am Oberverwaltungsgericht Gravert auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. September 2009 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Verbandssatzung des Abwasserzweckverbandes "Finne", veröffentlicht am 18.12.2002 im "Amtsblatt des Landkreises Sömmerda", Ausgabe Nr. 50/2002, geändert durch die 2. Änderung der Verbandssatzung vom 16.06.2004, veröffentlicht am 21.07.2004 im "Amtsblatt des Landkreises Sömmerda", Ausgabe Nr. 30/2004, wird für unwirksam erklärt.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen die Mitgliedschaft in dem beklagten Zweckverband.

Das Verfahren über die Verbandsgründung des Antragsgegners ist den vorgelegten Satzungsunterlagen wie folgt zu entnehmen: Unter dem Datum vom 18.06.1992 vereinbarten die Mitgliedsgemeinden des Antragsgegners eine "Satzung des Abwasserzweckverbandes Finne". Die Satzungsurkunde ist mit Unterschriften von Gemeindevertretern und Dienstsiegeln versehen. Die Verbandssatzung (VS) wurde durch Schreiben des Landratsamts Sömmerda vom 16.07.1992 mit der Maßgabe genehmigt, dass bis zur Genehmigung durch das Innenministerium die Verbandssatzung nur mit Änderungen gültig sei, und zwar durch Herausnahme der Gemeinde Herrengosserstedt (Sachsen-Anhalt). Die Satzung wurde im Amtsblatt des Landkreises Sömmerda vom 29.01.1993 öffentlich bekannt gemacht. Die eingeschränkte Genehmigung der Aufsichtsbehörde vom 16.07.1992 ist im Wortlaut mit abgedruckt. Die bekanntgemachte Verbandssatzung enthält u. a. in § 2 VS auch die Gemeinde Herrengosserstedt. In der Folgezeit erließ der Antragsgegner einige Änderungssatzungen.

Nach den vorliegenden Unterlagen genehmigte das Landratsamt mit Schreiben vom 24.04.1995 eine Verbandssatzung, die jedoch in den Akten nicht näher dokumentiert ist. Die Satzung wurde mit kurzem Hinweis auf die Genehmigung der Aufsichtsbehörde im Amtsblatt des Landkreises Sömmerda vom 12.05.1995 öffentlich bekanntgemacht. Die Gemeinde Herrengosserstedt ist in der Satzung nicht mehr aufgeführt. Nach § 17 Abs. 2 VS sollen die am 01.01.1993 in Kraft getretene Satzung des Zweckverbandes und die 1. bis 4. Änderungssatzung außer Kraft treten.

Im Dezember 1996 vereinbarten die Verbandsmitglieder des Antragsgegners eine neue Verbandssatzung (gemäß § 17 Inkrafttreten am Tag nach der Bekanntmachung). Die Satzungsurkunde ist handschriftlich jeweils mit dem Namen der Gemeinde, dem Datum (zwischen dem 13. und 20.12.1996), der Unterschrift des Gemeindevertreters (so auch des Bürgermeisters der Antragstellerin) sowie dem Dienstsiegel versehen. In der Verbandsversammlung vom 20.03.1997 wurde die Verbandssatzung beschlossen (nunmehr gemäß § 17 Inkrafttreten rückwirkend zum 01.01.1997). Mit Schreiben vom 16.06.1997 teilte die Aufsichtsbehörde mit, dass die Satzung veröffentlicht werden könne. Die Satzung wurde durch den "Verbandsvorsitzenden" unter dem Datum vom 17.06.1997 ausgefertigt und im Amtsblatt vom 25.06.1997 öffentlich bekanntgemacht. Im Anschluss an die Verbandssatzung ist der Vermerk abgedruckt: "Gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit gibt die Aufsichtsbehörde die am 20.03.1997 beschlossene Verbandssatzung des Abwasserzweckverbandes "Finne" bekannt." Im weiteren Verlauf wurden zwei Änderungssatzungen beschlossen und öffentlich bekanntgemacht.

Mit Schreiben vom 06.12.2002 wurde die im Dezember 1996 vereinbarte Verbandssatzung nochmals von der Aufsichtsbehörde genehmigt. Die Satzung wurde im Amtsblatt des Landkreises Sömmerda Nr. 50/2002 vom 18.12.2002 mit Abdruck der handschriftlichen und gesiegelten Unterzeichungen öffentlich bekannt gemacht. Im Anschluss an die Verbandssatzung ist die Genehmigung des Landratsamts abgedruckt. In der Folgezeit wurde die Verbandssatzung mehrfach geändert, und zwar durch die 1. Änderungssatzung, beschlossen am 09.01.2003, bekannt gemacht im Amtsblatt vom 29.01.2003, die 2. Änderungssatzung vom 16.06.2004 (Ausfertigungsdatum), bekannt gemacht im Amtsblatt Nr. 30/2004 vom 21.07.2004, und nach Anhängigkeit des Normenkontrollantrags durch die 3. Änderungssatzung vom 28.06.2007 (Beschlussdatum), ausgefertigt 05.09.2007, die 4. Änderungssatzung vom 22.05.2008 (Beschlussdatum), ausgefertigt 01.07.2008 sowie die 5. Änderungssatzung vom 10.12.2008 (Beschlussdatum), ausgefertigt 15.12.2008.

Mit Schreiben an den Antragsgegner vom 11.12.2003, dort eingegangen am gleichen Tage, machte die Antragstellerin unter Hinweis auf einen beigefügten Gemeinderatsbeschluss "von dem ihr gem. § 38 Abs. 5 ThürKGG zustehenden Sonderkündigungsrecht Gebrauch" und kündigte die Mitgliedschaft im Abwasserzweckverband mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund. Zur Begründung verwies sie darauf, dass nach § 38 Abs. 5 Satz 2 ThürKGG ein Sonderkündigungsrecht bestehe, falls der Verband nicht wirksam gegründet sei. Dies stehe aber zweifelsfrei fest, nachdem das Verwaltungsgericht Weimar durch Beschluss vom 14.07.2003 festgestellt habe, dass bis Dezember 2002 keine wirksame Veröffentlichung der Verbandssatzung erfolgt sei (7 E 641/03.We, die Beschwerde hiergegen wurde durch Beschluss des erkennenden Senats vom 29.06.2004, 4 EO 824/03, zurückgewiesen). Somit sei der Verband frühestens durch die Veröffentlichung der Verbandssatzung am 18.12.2002 entstanden. Die Jahresfrist sei eingehalten, weil der Antragstellerin Fehler bei der Verbandsgründung erstmals mit Schreiben des Landratsamts vom 12.12.2002 bekannt geworden seien. Eine Abschrift des Kündigungsschreibens werde die Kommunalaufsicht mit dem Antrag auf Genehmigung der Kündigung erhalten.

Durch Bescheid vom 10.09.2004 lehnte das Landratsamt Sömmerda, Kommunalaufsicht, die Genehmigung der Kündigung ab. Die Kündigung sei verfristet, weil der Verbandsvorsitzende länger als ein Jahr zuvor, nämlich im September 2002 Kenntnis von dem Kündigungsgrund gehabt habe (§ 38 Abs. 5 Satz 3 ThürKGG). Außerdem stünden der Genehmigung Gründe des öffentlichen Wohls entgegen; die Antragstellerin habe kein Konzept für die satzungsgemäße Auseinandersetzung mit dem Zweckverband und auch kein Abwasserkonzept vorgelegt. Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin Widerspruch.

Mit Schriftsatz vom 15.12.2004, eingegangen am 16.12.2004, hat die Antragstellerin den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt. Darin macht sie geltend, der Antrag sei innerhalb der Zwei-Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erhoben worden. Die Frist beginne mit der letzten Bekanntmachung der Verbandssatzung im Amtsblatt vom 18.12.2002. Durch die Neubekanntmachung habe eine Neugründung des Zweckverbands vorgenommen werden sollen, um frühere Fehler bei der Bekanntmachung zu beheben. Dadurch habe der Antragsgegner die Antragsfrist erneut in Gang gesetzt. Gegen eine vermeintlich erstmals wirksam gewordene Gründungssatzung müsse der Antragstellerin die vollständige Frist zustehen.

Der Antrag sei auch begründet. Die im Amtsblatt vom 18.12.2002 veröffentlichte Verbandssatzung sei bereits aus formellen Gründen ungültig. Sie enthalte keinen Ausfertigungsvermerk, der gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 ThürKO und Art. 82 Abs. 1 GG notwendig sei. Selbst wenn man einen Ausfertigungsvermerk für entbehrlich halte, hätte der Genehmigungsvermerk der Aufsichtsbehörde dem Mindestinhalt eines Ausfertigungsvermerks entsprechen müssen. Doch sei hier weder das Datum noch die erlassende Behörde genannt. Auch der Umstand, dass die Satzung mit gleichem Wortlaut bereits am 17.06.1997 durch den Verbandsvorsitzenden ausgefertigt worden sei, lasse keine andere rechtliche Wertung zu. Denn bei genehmigungspflichtigen Satzungen dürfe die Ausfertigung zwingend erst nach der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde erfolgen.

Im Interesse der Rechtssicherheit fordere § 19 Satz 3 ThürKGG, dass es sich um eine aufsichtsbehördlich nicht beanstandete Entstehung eines neuen Hoheitsträgers handele. Dies sei nicht der Fall, wenn sich bereits aus dem Veröffentlichungstext ergebe, dass es sich nicht um die Gründungssatzung eines neu entstehenden Hoheitsträgers handele, sondern um die Neubekanntmachung einer bereits erlassenen Verbandssatzung. Dem Leser werde eine Satzung zur Kenntnis gebracht, die der bereits 1997 veröffentlichten Satzung wortgleich entspreche. Da kein abweichendes Ausfertigungsdatum bekannt gegeben worden sei, werde beim Adressaten der Anschein erweckt, es handele sich lediglich um eine wiederholte Bekanntmachung einer bereits tatsächlich existenten Verbandssatzung. Auch aus tatsächlichen Gründen könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Gemeinden mit der Neubekanntmachung vom 18.12.2002 einen neuen Hoheitsträger gründen wollten. Vielmehr sollte eine Sicherheitsgründung vorgenommen werden. Dies habe jedoch nicht den Tatsachen entsprochen, weil der Antragsgegner zu diesem Zeitpunkt die Mitgliedsgemeinden des damaligen AZV "Unstruttal-Straußfurt" noch nicht offiziell aufgenommen hatte, jedoch bereits so gehandelt habe, als ob die Aufnahme bereits stattgefunden hätte. Statt die Verbandssatzung mit sämtlichen neuen Mitgliedern neu zu beschließen, zu genehmigen und zu veröffentlichen, sei eine Verbandssatzung genehmigt worden, die in dieser Form den damaligen Vorstellungen nicht mehr entsprochen habe.

Auch in materieller Hinsicht begegne die Verbandssatzung Bedenken. Die Regelung zur Deckung des Finanzbedarfs, § 13 Abs. 2 VS, enthalte einen Umlageschlüssel, der sich durch die Frischwassermenge im Bereich des Verbandsmitglieds im Verhältnis zur insgesamt im Verbandsgebiet bezogenen Frischwassermenge ergebe. Dies widerspreche der Regelung in § 37 Abs. 2 ThürKGG, der die Voraussetzungen einer rechtmäßigen Umlageklausel enthalte. Danach solle die Umlage nach dem Verhältnis des Nutzens bemessen werden, den die einzelnen Verbandsmitglieder aus der Aufgabenerfüllung haben. Der gewählte Schlüssel mit Bezug auf die Frischwassermenge sei bedenklich, da der Antragsgegner ausschließlich die Aufgabe der Abwasserentsorgung habe. Er sei ungeeignet, da insbesondere im ländlichen Bereich die Abnahme von Frischwasser kaum ein Kriterium zur Bemessung der Aufgaben im Abwasserbereich sein könne. Zahlreiche Grundstücke im ländlichen Bereich würden durch Grundstückskläranlagen entsorgt. Die Zweckverbände seien berechtigt, die Mitgliedskommunen mittels Verwaltungsakt zur Umlage heranzuziehen. Dies habe nach § 7 Gemeindehaushaltsordnung zur Folge, dass Forderungen umgehend kassenwirksam würden. Entgegen der Auffassung des Senats im Urteil vom 08.10.2007 (4 KO 649/05) könne nicht jedwede Regelung der Umlage ausreichen. Vielmehr verlange § 17 Abs. 2 Nr. 5 ThürKGG die Aufnahme einer Bestimmung über die Berechnungsmethode der Umlage. Dies sei jedoch weder bei der Umlageklausel möglich, die Gegenstand der Entscheidung vom 08.10.2007 war, noch bei der vorliegenden. Die Satzungsnorm verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip, weil der Wortlaut der Umlageklausel die notwendige Klarheit vermissen lasse. Es sei nicht erkennbar, wie sich auf Grund der Einwohnerzahl der einzelnen Verbandsmitglieder die Umlage errechne. Es sei nicht deutlich, ob die Einwohnerzahl im Verhältnis zu einzelnen oder mehreren Verbandsmitgliedern oder aber zum Restverband maßgeblich sein soll.

Zum Urteil des Senats vom 08.10.2007, das die gleiche Problematik behandelt, führt die Antragstellerin an, dass nach § 23 Abs. 1 ThürKGG die für Gemeinden geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden seien. Diese seien aber nicht ausdrücklich aufgezählt. Die §§ 17 bis 19 ThürKGG enthielten eine Konkretisierung, es finde sich aber keine Regelung, nach der eine Beschlussfassung zur Verbandssatzung entbehrlich sein soll. Die Auffassung des Senats, dass die Bekanntmachung einer Verbandssatzung konstitutive Wirkung habe, entspreche nicht der tatsächlichen Stellung des § 19 ThürKGG im Normgefüge. Die amtliche Begründung zur Einführung der Bestimmung könne zum Beleg nicht herangezogen werden. Diese Norm regle nur, dass Rechtsverstöße nicht mehr zu einer rückwirkenden Unwirksamkeit führen sollten, wenn eine ordnungsgemäße Bekanntmachung stattgefunden habe. § 19 Abs. 1 Satz 3 ThürKGG könne zwar eine konstitutive Wirkung beigemessen werden, jedoch ausschließlich in zeitlicher Hinsicht. Wenn die Existenz eines Zweckverbandes nur von der ordnungsgemäßen Bekanntmachung abhänge und nicht von einer ordnungsgemäßen und wirksamen Gründungsvereinbarung der Mitglieder, wäre Rechtssicherheit im Hinblick auf die Geltung sämtlicher vom Zweckverband erlassenen Hoheitsakte und abgeschlossenen Rechtsgeschäfte auf unabsehbare Zeit nicht zu erlangen. Im Ergebnis führe dies zu einem Verstoß gegen die kommunale Selbstverwaltung gemäß Artikel 28 Abs. 2 GG.

Der Senat lasse dem Außenverhältnis eines Zweckverbands im Vergleich zum Innenverhältnis eine Bedeutung zukommen, die ihm nicht zustehe. Relevant sei, an wen sich die gesetzlichen Regelungen richteten. Das ThürKAG regle die Befugnis der Kommunen zur Erhebung von Beiträgen und Gebühren. Das ThürKGG hingegen richte sich an Kommunen, um eine Grundlage für die kommunale Gemeinschaftsarbeit bereitzustellen und nicht an den Bürger, der später Adressat der Tätigkeit der zusammengeschlossenen Kommunen werde. Gleiches gelte für die Verbandssatzung. Ihre Informationen seien im Verhältnis zwischen Bürger und Aufgabenträger grundsätzlich nicht relevant. Der Bürger sei durch die Verbandssatzung nur insoweit betroffen, als sie ihm die Kenntnis vermittle, wer die übertragenden Aufgaben tatsächlich erfülle. Ob dieser Aufgabenträger dies auf Grundlage einer rechtmäßigen Verbandssatzung vollziehe, interessiere den Bürger nicht. Allerdings enthielten die Regelungen des ThürKAG und des ThürKGG eine Schnittstelle in § 2 ThürKAG. So dürfe der Bürger sich zwar nicht darauf berufen, dass eine Verbandsgründung gescheitert sei, er dürfe jedoch rügen, dass der Zweckverband nicht die Legitimation zur Verabschiedung einer gültigen Beitragssatzung besitze. Daher vermittle das ThürKGG kein Außenrechtsverhältnis zwischen Bürger und Kommunalverband. Dementsprechend sei auch nicht von Relevanz, wie der normale Bürger eine Verbandssatzung verstehe.

Im Übrigen wäre auch die im Amtsblatt des Landkreises Sömmerda vom 25.06.1997 veröffentlichte Satzung aus formellen und materiellen Gründen ungültig. Die Veröffentlichung leide an einem Bekanntmachungsfehler, weil das Impressum des Amtsblatts nicht den Anforderungen des § 2 ThürBekVO entspreche. Der Bekanntmachung im Amtsblatt sei außerdem keine Genehmigung der Aufsichtsbehörde zu entnehmen. Nach § 17 Abs. 1 VS sollte diese zum 01.01.1997 rückwirkend in Kraft treten. Eine rückwirkende Geltung sei jedoch gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 ThürKGG ausgeschlossen. Da die am 25.06.1997 veröffentlichte Verbandssatzung mit der am 18.12.2002 veröffentlichten wortgleich sei, bestünden auch Bedenken gegen die Regelung über die Deckung des Finanzbedarfs in § 13 VS. Auch könne angesichts Form und Inhalt der Veröffentlichung nicht darauf geschlossen werden, dass es sich um eine aufsichtsbehördlich nicht beanstandete Entstehung eines neuen Hoheitsträgers handele. Ausweislich § 17 Abs. 2 VS solle mit Inkrafttreten der Satzung eine am 31.01.1993 in Kraft getretene Satzung des AZV "Finne" einschließlich vier Satzungsänderungen außer Kraft gesetzt werden. Der Leser könne daher nicht darauf schließen, dass es sich hier um die Gründungssatzung eines neu entstehenden Zweckverbandes handele.

Im Übrigen käme auch der Bekanntmachung der Verbandssatzung vom 18.06.1992 im Amtsblatt des Landkreises Sömmerda Nr. 1/1993 aus formellen und materiellen Gründen keine konstitutive Wirkung zu. Der Inhalt der Satzung entbehre bereits einer wirksamen Genehmigung. Zwar sei der Veröffentlichung eine Genehmigung der Kommunalaufsicht vorangestellt worden. Diese Genehmigung hätte aber zur Bedingung gehabt, dass die Gemeinde Herrengosserstedt nicht in der Präambel aufgeführt werde. Tatsächlich nenne die Satzung diese Gemeinde jedoch in der Präambel und in der Regelung über die Verbandsmitglieder. Außerdem weise die Satzung nicht den erforderlichen Mindestinhalt auf (genehmigte Bezeichnung der Verbandsmitglieder, Umlageschlüssel "ermittelter Einwohnergleichwert"). Zudem werde dem Leser nicht der Eindruck vermittelt, dass es sich um die Entstehung eines neuen Hoheitsträgers handele, weil § 24 VS regle, dass gleichzeitig die Satzung des AZV "Kölleda" außer Kraft treten solle.

Die Antragstellerin beantragt,

die Verbandssatzung des Abwasserzweckverbandes "Finne" in der Fassung vom 17.06.1997, veröffentlicht am 18.12.2002 im "Amtsblatt des Landkreises Sömmerda", Ausgabe Nr. 50/2002, zuletzt geändert durch die 2. Änderung zur Verbandssatzung vom 16.06.2004, veröffentlicht am 21.07.2004 im "Amtsblatt des Landkreises Sömmerda", Ausgabe Nr. 30/2004, für unwirksam zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Er hält den Normenkontrollantrag für verfristet. Die Frist des § 47 Abs. 2 VwGO beginne nicht mit Inkrafttreten der Norm, sondern mit deren Bekanntmachung. Das gelte selbst dann, wenn die Bekanntmachung Mängel aufweise. Wie die Antragstellerin aber zutreffend vortrage, sei die gegenständliche Verbandssatzung in der Fassung vom 17.06.1997, veröffentlicht im Amtsblatt des Landkreises Sömmerda Nr. 13/1997 vom 25.06.1997 mit gleichem Wortlaut im Amtsblatt des Landkreises Sömmerda am 18.12.2002 veröffentlicht worden. Abzustellen sei hinsichtlich der Antragsfrist daher auf die Veröffentlichung vom 25.06.1997. Es werde bestritten, dass der Antragsgegner mit der wiederholten Bekanntmachung die Fehlerhaftigkeit der vorhergehenden Bekanntmachung eingeräumt habe. Der Antragstellerin fehle auch das Rechtsschutzbedürfnis. Denn sie habe die streitgegenständliche Verbandssatzung in der Verbandsversammlung vom 20.03.1997 unstreitig mit beschlossen und von der Veröffentlichung am 25.06.1997 unzweifelhaft Kenntnis gehabt. Irgendwelche Rechtsmittel habe die Antragstellerin jedoch bis zur Stellung des Normenkontrollantrags nicht ergriffen. Erst am 01.12.2003 habe sie ihre Mitgliedschaft beim Antragsgegner gekündigt. Der Antragsgegner sei auch wirksam entstanden. Bereits im Jahr 1996 hätten die Mitgliedsgemeinden die Gründung des Abwasserzweckverbands vereinbart. Die Unterschriften der Bürgermeister seien zwischen dem 13.12. und 30.12.1996 geleistet worden. Unter dem 06.12.2002 habe das Landratsamt die angezeigte Verbandssatzung genehmigt, die im Amtsblatt vom 18.12.2002 mit dem Wortlaut der Genehmigung veröffentlicht worden sei. Die Veröffentlichung erfülle auch die Anforderungen der ThürBekVO, insbesondere des § 2 Abs. 1 ThürBekVO. Bei der Bekanntmachung der Verbandssatzung im Amtsblatt vom 18.12.2002 handele es sich nicht um eine Veröffentlichung, die mit "Neubekanntmachung" überschrieben sei und es sei auch nicht auf bisherige Satzungsfassungen und Änderungssatzungen Bezug genommen worden. Folgte man der Auffassung der Antragstellerin, sei eine Sicherheitsgründung durch sogenannte Neugenehmigung und Bekanntmachung einer älteren Verbandssatzung nie möglich, da sich im Satzungstext immer entsprechend alte Daten finden würden. Soweit Zweifel an der Wirksamkeit der Hauptsatzung des Landkreises und daher an der wirksamen Bekanntmachung der Verbandssatzung bestünden, sei darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber im Jahr 1995 in § 19 ThürKGG vor dem Wort "Bekanntmachung" das Wort "ordnungsgemäß" gestrichen habe. Daraus sei der Schluss zu ziehen, dass es für die Wirksamkeit der Entstehung des Zweckverbands gerade nicht darauf ankomme, ob die Bekanntmachung in allen Punkten ordnungsgemäß sei. Diese Änderung in § 19 ThürKGG sei nach Erlass der ThürBekVO erfolgt.

Die von der Antragstellerin beanstandete Regelung des Umlageschlüssels (§ 13 VS) entspreche den Anforderungen des § 37 Abs. 2 ThürKGG. Richtig sei, dass die Umlage nach dem Verhältnis des Nutzens bemessen werden solle, den die einzelnen Verbandsmitglieder aus der Aufgabenerfüllung haben. Aus § 37 Abs. 2 Satz 2 ThürKGG ergebe sich, dass bei der Wahl des Maßstabs jedoch ein weites Ermessen bestehe. Der hier gewählte Frischwassermaßstab sei als Wahrscheinlichkeitsmaßstab allgemein, auch zur Berechnung von Abwassergebühren anerkannt. Selbst wenn sich der Umlegungsschlüssel tatsächlich als unwirksam erweisen würde, würde dies an der konstitutiv wirkenden Bekanntmachung gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 ThürKGG nichts ändern. Voraussetzung für die konstitutiv wirkende Bekanntmachung sei nämlich, dass die Verbandssatzung eine Regelung über den Umlegungsschlüssel gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 15 ThürKGG enthalte. Hierfür genüge jedoch eine Regelung, die als Maßstabsregelung erkennbar und nicht offensichtlich untauglich sei.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten (1 Band) und der Beiakten (vom Antragsgegner vorgelegte Satzungsunterlagen 1 Hefter und 8 Ordner, Beiakten Nr. 1, 10 - 12 des Verfahrens 1 N 212/05 in Kopie, sowie beigezogene Satzungsunterlagen zu den Hauptsatzungen des Landkreises Sömmerda von 1994 und 1996), die Gegenstand der Beratung waren.

Entscheidungsgründe:

I. Der Normenkontrollantrag ist zulässig.

Der im vorbereitenden Verfahren formulierte Antrag war zunächst auslegungsbedürftig. Nachdem die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, dass sie nur die Verbandssatzung in der Fassung der öffentlichen Bekanntmachung im Amtsblatt vom 18.12.2002 zum Streitgegenstand gemacht haben will und die Ausführungen zu früheren Verbandssatzungen und Bekanntmachungen nur der Erläuterung dienen, ist der Antrag hinreichend bestimmt.

Die zweijährige Antragsfrist (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der bis zum 31.12.2006 gültigen Fassung) ist eingehalten. Die Frist ist im vorliegenden Fall ab der erneuten Bekanntmachung am 18.12.2002 zu berechnen. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a. F. ist der Normenkontrollantrag zwar innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift zu stellen. Erstmals bekannt gemacht wurde die im Dezember 1996 vereinbarte Verbandssatzung jedoch bereits im Amtsblatt vom 25.06.1997. Demnach wäre der am 16.12.2004 gestellte Antrag verfristet. Allerdings ist diese erste Bekanntmachung dann nicht als Fristbeginn anzusehen, wenn eine spätere Bekanntmachung vollzogen wird, die zur vorsorglichen Heilung mutmaßlicher Mängel durchgeführt wird und die deshalb nach dem Vortrag der Antragstellerin erstmals diejenigen Rechtswirkungen erzeugt, gegen die sie sich zur Wehr setzen will (vgl. auch SächsOVG, Urteil vom 14.02.1996, 1 S 98/95, SächsVBl. 1997, S. 56). Denn anderenfalls wäre die Antragstellerin, wenn sich eine erste Bekanntmachung (nachträglich) als unwirksam herausstellt, einer erneuten Bekanntmachung und den hierdurch erstmals bewirkten Rechtsfolgen rechtsschutzlos ausgeliefert. Die Frist zur Anfechtung der Verbandssatzung wird durch die spätere Bekanntmachung aber nicht völlig neu in Lauf gesetzt, mit der Folge, dass die Antragstellerin die Verbandssatzung auch in einer früher bekanntgemachten Fassung anfechten könnte. Diese erste Bekanntmachung kann die Antragstellerin wegen Fristablaufs nicht mehr zulässigerweise im Normenkontrollverfahren überprüfen lassen. Dieser Lösung steht auch nicht das vom Antragsgegner zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.04.1996 (4 NB 8/96, LKV 1996, S. 336 f.) entgegen. In dem zugrundeliegenden Streitfall hatte die Vorinstanz einen Normenkontrollantrag als unzulässig abgelehnt, weil er erst nach Ablauf der (spezialgesetzlich geregelten) Drei-Monats-Frist gestellt worden war. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte, dass es für den in der Fristregelung (Art. 13 Nr. 1 Satz 1 InvWoBauLG) benutzten Begriff des "Inkrafttretens" nicht darauf ankomme, ob ein korrekt bekanntgemachter Plan im Sinne dieser Vorschrift in Kraft getreten sei. Vielmehr genüge es, dass der Bebauungsplan als Rechtsnorm mit formellem Geltungsanspruch veröffentlicht worden sei. Mit dieser Rechtsprechung steht die vorstehende Lösung in Einklang, weil die Antragsfrist ab dem Zeitpunkt berechnet wird, in dem die Norm bekanntgemacht wurde, deren Rechtswirkungen die Antragstellerin angreift.

Die 3., 4. und 5. Änderungssatzung hat die Antragstellerin nicht in das Verfahren einbezogen. Die 3. und 4. Änderungssatzung könnten ggf. auch nicht mehr nachträglich zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden, da sie am 26.09.2007 bzw. 09.07.2008 bekanntgemacht wurden. Zu diesem Zeitpunkt war die Antragsfrist für einen Normenkontrollantrag bereits auf ein Jahr herabgesetzt worden (Art. 3 Nr. 1 Buchst. a) des Gesetzes vom 21.12.2006, BGBl. I S. 3316, in Kraft mit Wirkung vom 01.01.2007). Allerdings ist die Anfechtung der Änderungssatzungen für das Rechtsschutzziel der Antragstellerin nicht wesentlich, weil sie gegenstandslos werden, wenn die zugrundeliegende Ausgangsfassung der Verbandssatzung für unwirksam erklärt wird.

Das Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben. Es wird nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass die Antragstellerin durch eine frühere Verbandssatzung oder eine frühere Bekanntmachung der Verbandssatzung von 1996 wirksam Mitglied des Zweckverbands geworden wäre und weil sie in diesem Falle mit dem Antrag gegen die spätere Bekanntmachung nichts erreichen könnte. Denn diese früheren Satzungen bzw. Veröffentlichungen haben nicht zur Entstehung des Zweckverbands geführt. Für die Verbandssatzung 1992 folgt dies bereits daraus, dass der Bekanntmachung der Verbandssatzung und ihrer Genehmigung offensichtlich keine konstitutive Wirkung zukommen konnte, weil die in der öffentlichen Bekanntmachung im Amtsblatt vom 29.01.1993 abgedruckte Verbandssatzung nicht der Genehmigung entsprach, die zuvor inhaltlich abgedruckt war. Des Weiteren ist die abgedruckte Genehmigung nicht von der zuständigen Behörde erteilt worden. Da die Gemeinde Herrengosserstedt, die im Bundesland Sachsen-Anhalt liegt, Mitglied des Zweckverbands sein sollte (§ 2 VS), wäre das Thüringer Innenministerium als Aufsichtsbehörde für die Genehmigung der Verbandssatzung insgesamt zuständig gewesen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 44 Abs. 1 Nr. 1 ThürKGG; vgl. zum Vorstehenden bereits Beschluss des Senats vom 29.06.2004, 4 EO 824/03, Abdruck S. 4 f.). Die unter dem 24.04.1995 genehmigte (im Übrigen nicht näher dokumentierte) Verbandssatzung 1995, die im Amtsblatt des Landkreises Sömmerda vom 12.05.1995 bekanntgemacht wurde, und die Verbandssatzung vom 20.03.1997 (Ausfertigungsdatum), die erstmals im Amtsblatt vom 25.06.1997 bekanntgemacht wurde, sind nicht wirksam geworden, weil es an einer wirksamen Bekanntmachungsregelung in der Hauptsatzung des Landkreises mangelte. Insoweit wird auf die nachfolgenden Ausführungen zur streitbefangenen Satzung verwiesen (siehe unten II.).

Das von der Antragstellerin betriebene Kündigungsverfahren, das sich wohl noch im Widerspruchsverfahren befindet, hat auf die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags keinen Einfluss. Denn der Senat hat im Urteil vom 01.10.2002 bereits entschieden, dass § 38 Abs. 5 ThürKGG keine Auswirkungen auf die Zulässigkeit einer Normenkontrollklage gegen eine Verbandssatzung hat. Der Senat hat darin weiter erkannt, dass § 38 Abs. 5 Satz 2 ThürKGG, d. h. die Kündigung aus wichtigem Grund wegen Rechtsverstößen bei der Gründung des Zweckverbands, nicht die Geltendmachung von Fehlern bei der konstitutiven Bekanntmachung betrifft, sondern ausdrücklich nur die Geltendmachung von Rechtsverstößen bei der Gründung eines bereits wirksam entstandenen Zweckverbandes mit Wirkung für die Zukunft (Urteil vom 01.10.2002, 4 N 771/01, LKV 2003, S. 237 [238]).

II. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet, weil die öffentliche Bekanntmachung der Verbandssatzung des Antragsgegners, die im Dezember 1996 vereinbart wurde, im Amtsblatt des Landkreises Sömmerda vom 18.12.2002 wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam ist.

Ein kommunaler Zweckverband entsteht am Tag nach der Bekanntmachung der Verbandssatzung und ihrer Genehmigung, wenn in der Verbandssatzung kein späterer Zeitpunkt bestimmt ist (§ 19 Abs. 1 Satz 3 ThürKGG). Die Bekanntmachung ist durch die Aufsichtsbehörde zu vollziehen, die die Verbandssatzung und ihre Genehmigung in ihrem Amtsblatt bekanntzumachen hat (§ 19 Abs. 1 Satz 1 ThürKGG). Aufsichtsbehörde für den Zweckverband in der Fassung der Verbandssatzung vom Dezember 1996 war der Landrat des Landkreises Sömmerda (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ThürKGG a. F.) und zum Zeitpunkt der Bekanntmachung am 18.12.2002 das Landratsamt des Landkreises Sömmerda (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 i. d. F. des Gesetzes vom 14.09.2001, GVBl. 257). Dabei ist unter dem Amtsblatt des Landrats bzw. des Landratsamts als Aufsichtsbehörde das Amtsblatt des Landkreises zu verstehen (vgl. dazu näher Urteil des Senats vom 01.10.2002, 4 N 771/01, a. a. O., S. 237 [239]).

Nach Inkrafttreten der Thüringer Kommunalordnung zum 01.07.1994 und der auf Grund des § 129 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ThürKO erlassenen Thüringer Bekanntmachungsverordnung, die am 01.11.1994 in Kraft trat, muss die Form der öffentlichen Bekanntmachung von Satzungen in einer wirksamen Hauptsatzung geregelt sein (§ 100 Abs. 1 Satz 2 ThürKO; § 1 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 5 ThürBekVO). Allerdings ist die Bekanntmachungsregelung in der Hauptsatzung des Landkreises Sömmerda unwirksam, so dass die Veröffentlichung der Verbandssatzung ohne gültige Bekanntmachungsregelung vollzogen wurde und ihrerseits unwirksam war.

Der Senat hat im Urteil vom 11.06.2007 eine Bekanntmachungsregelung als materiell unwirksam erachtet, die vorsah, dass Satzungen der Gemeinde im Amtsblatt und ersatzweise bei Dringlichkeit durch Anschlag an den bestimmten Stellen (Verkündungstafeln) bekannt gemacht werden (4 N 1359/98, ThürVBl. 2008, S. 8 [11]; vgl. auch Urteil vom 24.09.2007, 4 N 70/03, Abdruck S. 9 ff., Juris; Beschluss vom 15.09.2004, 4 ZKO 654/03, nicht veröffentlicht). Die dort behandelte Bekanntmachungsregelung war als nichtig anzusehen, da unklar und auch nicht durch Auslegung zu ermitteln war, wann es sich um einen Fall der Dringlichkeit handelt. Denn bei einer solchen Regelung ist für den Normadressaten ungewiss, wann er sich im regulären Publikationsorgan zuverlässig über das aktuelle Recht informieren kann. Die Bestimmung war auch nicht als Regelung über die Notbekanntmachung entsprechend § 1 Abs. 4 Satz 2 ThürBekVO anzusehen, da die Regelung für Fälle der "Dringlichkeit" begrifflich weiter gefasst ist als die gesetzlichen Fälle der Notbekanntmachung, "Naturereignisse" oder "andere unabwendbare Ereignisse", mithin Umstände, die der Bevölkerung in der Regel eher bekannt sein werden. Überdies sah die Bekanntmachungsregelung nur vor, dass auf die Notbekanntmachung in der nächsten regulären Bekanntmachung hingewiesen wird. Demgegenüber schreibt § 1 Abs. 4 Satz 3 ThürBekVO vor, dass die ordnungsgemäße Bekanntmachung unverzüglich nachzuholen ist.

Die gleiche Problematik liegt hier vor. Die Hauptsatzung, in deren zeitlichen Anwendungsbereich die am 18.12.2002 veröffentlichte Verbandssatzung fiele, ist die Hauptsatzung des Landkreises Sömmerda vom 31.08.1999, bekanntgemacht im Amtsblatt vom 15.09.1999.

Die Bekanntmachungsregelung in dieser Hauptsatzung lautet:

§ 16 Bekanntmachungen

(1) Öffentliche Bekanntmachungen des Landkreises werden grundsätzlich im Amtsblatt des Landkreises vollzogen.

(2) In Eilfällen erfolgen öffentliche Bekanntmachungen in der Tageszeitung "Thüringer Allgemeine."

(3) Abs. 2 gilt auch für Sitzungen des Kreistages und seiner Ausschüsse, wenn diese infolge der festgelegten Erscheinungsfristen nicht rechtzeitig im Amtsblatt bekanntgegeben werden können.

(4) In gleicher Weise vollzieht sich die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen und Rechtsverordnungen des Landkreises.

(5) ...

Wie in den Fällen, die vom Senat bereits zuvor entschieden wurden, ist auch bei dieser Bekanntmachungsregelung in § 16 Abs. 1 und 2 HS ungeachtet der zusätzlichen, nicht eindeutigen Wendung "grundsätzlich", unklar, wann ein Eilfall vorliegt, wann der Normadressat Veröffentlichungen im regulären Publikationsorgan wahrzunehmen hat und wann in der Thüringer Allgemeinen. Es handelt sich ebenso wenig wie in dem Fall, der dem Urteil vom 11.06.2007 zugrundelag, um eine Regelung über die Notbekanntmachung gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 ThürBekVO (vgl. ebenso zur Hauptsatzung des Antragsgegners Urteil des 1. Senats des ThürOVG vom 18.02.2008, 1 N 212/05, unter Anschluss an die Rechtsprechung des erkennenden Senats). Denn auch der Begriff "Eilfälle" ist weiter gefasst als die gesetzlichen Fälle der Notbekanntmachung (§ 1 Abs. 4 Satz 2 ThürBekVO). Außerdem trifft § 16 Abs. 2 der Hauptsatzung eine Regelung über die abweichende Bekanntmachung in Eilfällen und sieht nicht vor, dass die ordnungsgemäße Bekanntmachung unverzüglich nachzuholen ist (vgl. § 1 Abs. 4 Satz 3 ThürBekVO).

Die vorhergehenden Hauptsatzungen des Landkreises enthalten ebenfalls keine wirksame Bekanntmachungsregelung. Die Bekanntmachungsregelung des § 16 der Hauptsatzung vom 16.07.1996, bekanntgemacht im Amtsblatt vom 24.07.1996, hat den identischen Wortlaut. Die Bekanntmachungsregelung in § 16 der Hauptsatzung vom 08.08.1994 (die erste Hauptsatzung nach Neubildung des Landkreises Sömmerda), bekannt gemacht im Amtsblatt vom 10.08.1994, entspricht inhaltlich § 16 Abs. 1, 2 und 4 der späteren Fassungen:

§ 16 Bekanntmachungen

(1) Öffentliche Bekanntmachungen des Landkreises werden im Amtsblatt des Landkreises und in Eilfällen in der Tageszeitung "Thüringer Allgemeine" vollzogen. In gleicher Weise vollzieht sich die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen und Rechtsverordnungen des Landkreises.

Auf der Grundlage dieser Hauptsatzungen sind sämtliche Bekanntmachungen seit 1994 unwirksam, mithin auch die oben erwähnten Bekanntmachungen der Verbandssatzungen des Antragsgegners im Amtsblatt vom 12.05.1995 und vom 25.06.1997.

Gegen die vorstehenden Erwägungen führt der Beklagte ins Feld, der Gesetzgeber habe mit der Streichung des Wortes "ordnungsgemäß" in § 19 Abs. 1 Satz 4 ThürKGG bezwecken wollen, dass es für die Wirksamkeit der Entstehung eines Zweckverbands nicht darauf ankomme, ob die Bekanntmachung in allen Punkten ordnungsgemäß sei (vgl. auch Uckel/Hauth/Hoffmann, Kommunalrecht in Thüringen, Stand Juli 2009, § 19 ThürKGG Anm. 3). Dieser Standpunkt ist nachvollziehbar, aber bei näherem Hinsehen nicht stichhaltig. Zwar trifft es zu, dass der ursprüngliche Wortlaut des § 19 Abs. 1 Satz 4 ThürKGG ("Nach der ordnungsgemäßen Bekanntmachung können Rechtsverstöße bei der Gründung des Zweckverbands nur mit Wirkung für die Zukunft geltend gemacht werden") durch das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die kommunale Gemeinschaftsarbeit vom 10.11.1995 (GVBl. S. 346) eine neue Fassung erhielt und das Wort "ordnungsgemäß" entfiel. Mit dieser Änderung und der Anfügung des § 19 Abs. 1 Satz 5 ThürKGG reagierte der Gesetzgeber jedoch auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 03.05.1995 (8 K 577/94.Me, Juris), in dem dieses die Bescheide eines Zweckverbandes als rechtswidrig aufgehoben hatte, weil die Hauptsatzung (Verbandssatzung) des Zweckverbands mangels wirksamer Ausfertigung des Satzungstextes nichtig sei. Die Gesetzesänderung erfolgte vor dem Hintergrund, dass das Erfordernis einer Ausfertigung von Zweckverbandssatzungen weder der Vorläufigen Kommunalordnung noch dem Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit entnommen werden konnte und der Zustand der Rechtsunsicherheit, der durch das Urteil des Verwaltungsgerichts eingetreten war, im Interesse der Konsolidierung der kommunalen Aufgabenträger beseitigt werden sollte (vgl. Sitzungsniederschrift der 23. Sitzung des Thüringer Landtags vom 26.10.1995, S. 1587 f. [erste Beratung], und 24. Sitzung vom 27.10.1995, S. 1681 [zweite Beratung]; vgl. dazu näher Urteil des Senats vom 18.12.2000, 4 N 472/00, LKV 2001, S. 415 [419]). Es war hingegen nicht Ziel der Gesetzesänderung, dass auch Verstöße gegen bestehende gesetzliche Vorschriften über die Bekanntmachung einer Verbandssatzung rechtsunerheblich sein sollen. So hat der Senat in mehreren Entscheidungen, in denen es um die Wirksamkeit der Bekanntmachung von Zweckverbandssatzungen ging, ausgeführt, dass für das Entstehen eines Zweckverbands nur eine Bekanntmachung der Verbandssatzung konstitutive Wirkung entfalten kann, die den zwingenden einfachgesetzlichen oder den durch das Rechtsstaatsprinzip gebotenen Anforderungen an die Publizität von Rechtsnormen entspricht, also in diesem Sinne "ordnungsgemäß" ist (Urteil vom 01.10.2002, a. a. O., S. 239 f.; Urteil vom 18.12.2000, a. a. O., S. 415 [418]). Da das Rechtsstaatsprinzip aber seinerseits fordert, dass die durch § 19 Abs. 1 Satz 1 ThürKGG vorgeschriebene Bekanntmachung den gesetzlichen Formvorschriften, insbesondere den Bestimmungen der Thüringer Bekanntmachungsverordnung genügen muss, vermochte die Streichung des Wortes "ordnungsgemäß" in § 19 Abs. 1 Satz 4 ThürKGG hieran nichts zu ändern. Dementsprechend hat der Senat auch in Fällen, in denen eine Zweckverbandssatzung erst nach der Änderung des § 19 Abs. 1 Satz 4 ThürKGG bekanntgemacht wurde, stets geprüft, ob die Bekanntmachung den Anforderungen der Thüringer Bekanntmachungsverordnung genügt (vgl. u. a. Urteil vom 09.12.2003, 4 KO 583/03, ThürVGRspr. 2005, S. 7 [14]; Urteil vom 25.02.2004, 4 KO 703/01, ThürVGRspr 2004, S. 129 [133]).

Nach den vorstehenden Ausführungen kommt es auf die materielle Wirksamkeit der Verbandssatzung nicht mehr an. Ungeachtet dessen, ob sich die Antragstellerin hinsichtlich der Rüge gegen die Umlageregelung (§ 13 VS) den Einwand materieller Verwirkung entgegenhalten lassen müsste, weil diese Regelung bereits in der 1996 beschlossenen und erstmals 1997 veröffentlichten Satzung enthalten war, steht diese Regelung nach der Rechtsprechung des Senats mit der Rechtslage in Einklang (Urteil vom 08.10.2007, 4 KO 649/05, ThürVBl 2008, S. 157 f.).

Der Antragsgegner hat als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 VwGO zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO entsprechend.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Beschluss

Der Streitwert wird auf 10.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Festsetzung des für die Kostenberechnung maßgebenden Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG. Der Senat hat das Interesse einer Gemeinde in einem Streitverfahren, das auf die Feststellung gerichtet ist, nicht Mitglied in einem Zweckverband geworden zu sein, regelmäßig mit einem Streitwert von 20.000,-- DM bewertet (vgl. u. a. Urteil des Senats vom 01.10.2002, a. a. O.; Beschluss vom 24.10.2008, 4 KO 39/05, nicht veröffentlicht). Dabei hat sich der Senat an der Empfehlung des sog. Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit orientiert, der in der Fassung von 1996 für kommunalaufsichtsrechtliche Streitigkeiten einen Streitwert von 20.000,- DM vorsah (vgl. Streitwertkatalog, DVBl. 1996, S. 605 ff., Teil II, Ziffer 19.5). Von diesem Betrag ist auch hier auszugehen. Der Senat hat zwar in jüngerer Zeit entsprechend dem aktuellen Streitwertkatalog für kommunalaufsichtsrechtliche Streitigkeiten einen Streitwert von 15.000,- Euro in Ansatz gebracht (vgl. u. a. Beschluss vom 29.10.2007, 4 EO 1320/05; Streitwertkatalog veröffentlicht in DVBl. 2004, S. 1525, Nr. 22.5). Der Senat hält es jedoch für angemessen, diese unverbindliche Empfehlung, die nicht rechtsförmlich bekanntgemacht wurde, noch nicht auf das vorliegende Normenkontrollverfahren anzuwenden, das noch 1994 und damit erst kurze Zeit nach der ersten Veröffentlichung des Streitwertkatalogs anhängig wurde.

Hinweis:

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 2 VwGO, § 68 Abs. 1 S. 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 S. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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