Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 26.01.2009
Aktenzeichen: 4 ZKO 553/08
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 78 Abs. 1 Nr. 1
VwGO § 82 Abs. 1
VwGO § 88
Zur Bezeichnung des Beklagten in der Klageschrift genügt es, wenn der Kläger die beteiligte Behörde angibt. Es ist dann Sache des Gerichts, den richtigen Beklagten zu ermitteln. Diese Aufgabe legitimiert das Gericht jedoch nicht, das Rubrum gegen den erklärten Willen des Klägers zu ändern.
THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 4. Senat - Beschluss

4 ZKO 553/08

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausbaubeiträgen,

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 4. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Aschke, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Blomenkamp und den Richter am Oberverwaltungsgericht Gravert am 26. Januar 2009 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 14. Juli 2008 - 1 K 785/05 We - wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 653,41 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die Klägerin wurde durch Bescheid vom 02.06.1999 für das Grundstück in der Gemarkung S , Flurstück a____, zu einem sog. Wiederkehrenden Ausbaubeitrag für das Jahr 1998 in Höhe von 1.277,95 DM herangezogen. Der Bescheid war mit "Stadt Arnstadt, Außenstelle Wachsenburggemeinde" überschrieben. Nach erfolglos durchgeführtem Vorverfahren hat die Klägerin am 13.06.2005 Anfechtungsklage erhoben. Als Beklagte hat sie die "Stadt Arnstadt, Außenstelle Wachsenburggemeinde" angegeben. Durch Schreiben vom 16.06.2006 hat das Verwaltungsgericht die Klägerin darauf hingewiesen, dass richtiger Beklagte wohl nicht die Stadt Arnstadt als erfüllende Gemeinde, sondern die Wachsenburggemeinde sei, und aufgefordert mitzuteilen, ob Einwände gegen die entsprechende Änderung des Rubrums bestünden. Die Klägerin hat unter dem 26.06.2005 mitgeteilt, dass sie einer Rubrumsänderung nicht zustimme und dass sie die beklagte Stadt Arnstadt für passivlegitimiert halte. Im Termin vom 14.05.2008 hat die Klägerin nach Erörterung erneut erklären lassen, dass sie keine Änderung des Passivrubrums wolle und an der Klage gegen die Stadt Arnstadt festhalte.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 14.07.2008 als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage gegen den falschen Beklagten gerichtet sei. Zur Bezeichnung des Beklagten genüge die Angabe der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen habe. Der angefochtene Bescheid sei von der Wachsenburggemeinde und nicht von der Stadt Arnstadt erlassen worden. Die Stadt Arnstadt sei lediglich erfüllende Gemeinde für die Wachsenburggemeinde und führe die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises als Behörde dieser Gemeinde aus. Zwar sei der angefochtene Bescheid nicht uneingeschränkt eindeutig, doch komme es darauf an, wie der Adressat den Verwaltungsakt nach Treu und Glauben verstehen musste. Dem Bescheid sei noch mit ausreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass er von der Wachsenburggemeinde und nicht von der Stadt Arnstadt herrühre. Zwar bringe der Bescheid nicht zum Ausdruck, dass sich die Wachsenburggemeinde der Stadt Arnstadt als erfüllende Gemeinde bediene. Nähme man allein die Überschrift und die Rechtsbehelfsbelehrung, könne die Herkunft des Bescheids in Zweifel gezogen werden. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Wachsenburggemeinde als Körperschaft für den Bescheid verantwortlich sei, enthalte jedoch der Fließtext, wonach die Wachsenburggemeinde wiederkehrende Beiträge erhebe. Außerdem werde der Beitrag auf Grund einer Satzung der Wachsenburggemeinde erhoben. Die Angaben der Klägerin zum Passivrubrum seien zunächst auslegungsfähig gewesen, weil die Stadt Arnstadt unter der Anschrift Wachsenburggemeinde mit dem Zusatz "Außenstelle Wachsenburggemeinde" verklagt worden sei. Eine Auslegungsfähigkeit sei jedoch dann nicht mehr möglich, wenn ein Kläger nach Belehrung über den richtigen Beklagten an der Bezeichnung der beklagten Körperschaft festhalte. Die Klägerin habe eine Berichtigung des Rubrums nach mehrfachen Hinweisen und ausführlicher Erörterung verneint.

Im Zulassungsantrag macht die Klägerin zunächst geltend, dass an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ernstliche Zweifel bestünden. Das Verwaltungsgericht gehe zwar zutreffend davon aus, dass die Klage gegen diejenige Körperschaft zu richten sei, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen habe. Es lege den Bescheid jedoch rechtsfehlerhaft so aus, dass er von der Wachsenburggemeinde und nicht von der Stadt Arnstadt erlassen sei. Das Verwaltungsgericht habe zwar ausgeführt, dass eine erfüllende Gemeinde deutlich zum Ausdruck bringen müsse, wenn sie für eine übertragende Gemeinde handele; es habe auch die deutliche Hervorhebung der Stadt Arnstadt in der Überschrift sowie deren Nennung in der Rechtsbehelfsbelehrung erkannt. Jedoch habe es rechtsfehlerhaft angenommen, dass einige Hinweise im Text des Bescheides auf die Urheberschaft der Wachsenburggemeinde hindeuteten, ohne sämtliche dagegen sprechenden Tatsachen zu berücksichtigen. Nicht berücksichtigt habe es die Angabe in dem Bescheid, dass der festgesetzte Betrag an die Stadtkasse Arnstadt auf deren Konto bei der Sparkasse zu zahlen sei. Das Erscheinungsbild, die Rechtsbehelfsbelehrung und der Zahlungshinweis seien Kriterien, die den Hinweis auf die Satzung und den Investitionsaufwand der Wachsenburggemeinde verdrängten. Das Verwaltungsgericht zweifle selbst an der notwendigen Deutlichkeit des Bescheids, dass die Stadt Arnstadt als erfüllende Gemeinde gehandelt habe. Mit dem Zusatz "Außenstelle Wachsenburggemeinde" werde aber genau das Gegenteil dessen zum Ausdruck gebracht, nämlich dass die Stadt Arnstadt selbst als Ersteller des Bescheids auftrete. Die Auslegung des Bescheids müsse zu Lasten des Erstellers des Bescheids ausfallen, nämlich zu Lasten der Körperschaft, die den Bescheid unstreitig erlassen habe. Die Klägerin könne nach Treu und Glauben nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass es der Stadt Arnstadt nicht gelungen sei, die Urheberschaft deutlich werden zu lassen und das Vertretungsverhältnis für die Wachsenburggemeinde im Bescheid zum Ausdruck zu bringen. Das Verwaltungsgericht habe aber auch verkannt, dass zur Bezeichnung des Beklagten die Angabe der Behörde genüge. Wenn das Verwaltungsgericht davon ausgehe, dass die Stadt Arnstadt als Behörde der Wachsenburggemeinde gehandelt habe, wäre die Bezeichnung in der Klageschrift ausreichend gewesen. Es hätte dann nicht einer Auslegung, Klarstellung oder Berichtigung des Passivrubrums bedurft, weil es ausreiche, dass als Beklagte die Behörde bezeichnet werde, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Das Verwaltungsgericht hätte in diesem Fall nicht davon ausgehen dürfen, dass ausschließlich die Stadt Arnstadt verklagt worden sei. Es hätte das in der Klageschrift zum Ausdruck gebrachte Rechtsschutzziel der Klägerin berücksichtigen und die Klage sachlich entscheiden müssen. Soweit der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel nicht gegeben sein sollte, sei die Berufung wegen der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen.

Mit dieser Begründung hat der Zulassungsantrag keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Voraussetzung für eine zulässige Klageerhebung ist unter anderem, dass der Kläger in der Klageschrift den Beklagten bezeichnet (§ 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Welches der richtige Beklagte ist, bestimmt mangels abweichender landesrechtlicher Regelungen des Thüringer Landesrechts § 78 Abs. 1 Nr. 1, 1. HS VwGO. Danach ist die Klage gegen die Körperschaft zu richten, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat. Da die Frage, welcher Körperschaft ein Verwaltungsakt zuzurechnen ist und gegen wen mithin die Klage zu richten ist, im öffentlichen Recht oft schwierig sein kann, wird dem Kläger diese Aufgabe durch § 78 Abs. 1 Nr. 1, 2. Halbsatz VwGO erleichtert; nach dieser Vorschrift genügt es, dass er zur Bezeichnung des Beklagten die beteiligte Behörde angibt. Damit hat der Kläger insoweit grundsätzlich alle ihm obliegenden Pflichten erfüllt. Es ist dann Sache des Gerichts, das Klagebegehren im wohlverstandenen Interesse des Klägers zu würdigen und den richtigen Beklagten zu ermitteln. Ist der Beklagte vom Kläger falsch bezeichnet, aber erkennbar, gegen wen sich die Klage richten soll, ist das Passivrubrum von Amts wegen zu berichtigen. Dem Kläger ist dadurch das Risiko abgenommen, den richtigen Beklagten einschließlich dessen Vertreter festzustellen und zu benennen (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.08.1962, VII C 133.61, 14, 330 [332]). Ist die Ermittlung des richtigen Beklagten in der Vorinstanz unterblieben, kann dies auch noch im Berufungs- und Revisionsverfahren geheilt werden, sofern beachtet wird, was neben der formalen Rubrumsberichtigung ggf. verfahrensrechtlich geboten ist (bspw. Gewährung rechtlichen Gehörs; vgl. BVerwG, Urteil vom 19.01.1967, VI C 73.64, BVerwGE 26, 31 [33, 46]; Urteil vom 03.03.1989, 8 C 98/85, NVwZ-RR 1990, 44 [44]).

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass richtiger Beklagter die Wachsenburggemeinde gewesen wäre. Denn diese Gemeinde ist als diejenige Körperschaft anzusehen, die den angegriffenen Verwaltungsakt erlassen hat (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Wie der Senat in ähnlichem rechtlichen Zusammenhang zur Erkennbarkeit der Urheberbehörde ausgeführt hat, ist bei der Würdigung einer von der Behörde abgegebenen Willenserklärung nach der auch im öffentlichen Recht anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB der objektive Erklärungswert maßgebend, d. h. wie der Betroffene selbst die Erklärung nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste. Nicht maßgeblich sind subjektive Vorstellungen des Erklärenden, die weder in der Erklärung selbst noch in den Begleitumständen zum Ausdruck kommen. Andererseits ist die Auslegung nicht auf das Erscheinungsbild und formale Äußerlichkeiten wie etwa den Kopf des Bescheides beschränkt; vielmehr ist grundsätzlich der gesamte Inhalt des Bescheids einschließlich seiner Begründung heranzuziehen, um im Wege der Auslegung die erlassende Behörde festzustellen (vgl. Beschluss des Senats vom 29.04.2008, 4 ZKO 610/07, Abdruck S. 15 ff., veröffentlicht auf der Internetseite des Gerichts www.thovg.thueringen.de). Vor diesem Hintergrund ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Überschrift des Bescheids, die Rechtsbehelfsbelehrung und - wie nach dem Vorbringen der Klägerin zu ergänzen ist - der Hinweis auf den Zahlungsempfänger sowie auf die mögliche Einsichtnahme in Rechnungen noch keinen zweifelsfreien Schluss zulassen und auslegungsbedürftig sind. Sichere Anhaltspunkte für die erlassende Körperschaft liefert jedoch der weitere Inhalt des Bescheids "Die Wachsenburggemeinde erhebt ..." und der einleitende Hinweis, in dem als Ermächtigungsgrundlage die Satzung der Wachsenburggemeinde über die Erhebung wiederkehrender Beiträge für die öffentlichen Verkehrsanlagen angegeben wurde. Nicht zuletzt ist bei der Ermittlung, welche Körperschaft den Bescheid erlassen hat, auch die Gesetzeslage heranzuziehen. Aus der Verordnung über die Anerkennung der Vereinbarung einer erfüllenden Gemeinde zwischen der Wachsenburggemeinde und der Stadt Arnstadt vom 12.09.1996 (GVBl. S. 239) ergibt sich, dass die Stadt Arnstadt erfüllende Gemeinde für die Wachsenburggemeinde ist und (lediglich) als deren Behörde und in deren Namen handelt (§§ 51 Abs. 1 Satz 2, 47 Abs. 2 Satz 2 ThürKO).

Da die Klägerin in der Klageschrift die nicht eindeutige Formulierung aus dem Bescheidkopf ("Stadt Arnstadt, Außenstelle Wachsenburggemeinde") übernommen hatte, war auch das Klagebegehren im Hinblick auf die Beklagte auslegungsbedürftig. Daher ist das Verwaltungsgericht seiner Pflicht nachgekommen, darauf hinzuwirken, dass unklare Anträge erläutert oder sachdienliche Anträge gestellt werden (§ 86 Abs. 3 VwGO), und hat in der Hinweisverfügung vom 16.06.2006 sowie im Rahmen des Erörterungstermins vom 14.05.2008 zu Recht angeregt, das Passivrubrum der Rechtslage anzupassen. Nachdem die Klägerin dies trotz mehrfacher ausführlicher Hinweise abgelehnt und ausdrücklich daran festgehalten hat, die Klage gegen die Stadt Arnstadt zu richten, war das Verwaltungsgericht jedoch gehindert, das Rubrum gegen den erklärten Willen der Klägerin zu ändern (ebenso OVG HH, Urteil vom 24.04.1996, Bf V 82/95, zitiert nach Juris). Denn das Gericht hat das im Klageantrag und im gesamten Parteivorbringen zum Ausdruck kommende Rechtsschutzziel zu ermitteln. Die Aufgabe des Gerichts, das Klagebegehren sachgerecht auszulegen und den richtigen Beklagten zu ermitteln (§§ 88, 78 Abs. 1 Nr. 1 2. HS VwGO), findet allerdings in der Dispositionsbefugnis der Partei ihre Grenze; sie legitimiert den Richter nicht, an die Stelle dessen, was eine Partei erklärtermaßen will, das zu setzen, was sie - nach Meinung des Richters - zur Verwirklichung ihres Bestrebens wollen sollte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.08.1989, 8 B 9/89, Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 17).

Das Verwaltungsgericht hatte infolgedessen keine andere Wahl, als die Klage als unbegründet abzuweisen, weil sie gegen den falschen Beklagten gerichtet ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.03.1989, a. a. O., wonach die Klage bei fehlender Passivlegitimation nicht unzulässig, sondern unbegründet ist).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen nicht vor. Das Verfahren weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des für die Kostenberechnung maßgebenden Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47, 52 Abs. 1 GKG.

Hinweis:

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück