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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 06.04.2005
Aktenzeichen: 4 ZKO 78/02
Rechtsgebiete: ThürKAG


Vorschriften:

ThürKAG § 12 Abs. 2 Satz 1
ThürKAG § 12 Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 4. Senat - Beschluss

4 ZKO 78/02

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Benutzungsgebühren , hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 4. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Aschke, den Richter am Oberverwaltungsgericht Gravert und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Hinkel am 6. April 2005 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 28. November 2001 - 1 K 2638/00.W e - wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 592,36 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung sind nicht erfüllt (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ernstliche Zweifel in diesem Sinne bestehen nur dann, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Erfolg des Rechtsmittels - hier der Berufung - wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Ob solche Zweifel vorliegen, hat das Rechtsmittelgericht grundsätzlich nur anhand der Gesichtspunkte zu überprüfen, die zur Begründung des geltend gemachten Zulassungsgrundes dargelegt werden (vgl. Beschluss des Senats vom 21.08.2000 - 4 ZEO 1239/98 -, LKV 2001, S. 231 [232], m. w . Nw.). Nach diesem Maßstab lässt das Vorbringen im Zulassungsantrag Fehler der erstinstanzlichen Entscheidung nicht hervortreten.

Der Kläger wendet ein, es seien zu Unrecht Abschreibungen von Kanälen vorgenommen worden, die der Beklagte 1992 übernommen und mit ihrem Restbuchwert in die Kalkulation eingestellt habe. Die Abschreibung sei von Buchwerten erfolgt, die nicht bezahlt worden seien, sondern erst durch die bilanztechnische Hochbewertung eine Wertsubstanz erhalten hätten. Es entstehe daher ein finanzieller Überhang, weil tatsächlich nicht bezahlte Geldsummen refinanziert würden.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Kläger jedoch keine Rechtsfehler auf. Der Einwand des Klägers mag im Beitragsrecht erheblich sein. Auch ist das von ihm angeführte Urteil des OVG MV (Urteil vom 15.11.2000 - 4 K 8/99) zum Beitragsrecht ergangen, es ist aber nicht ohne weiteres auf das Gebührenrecht übertragbar. Wie Beiträge dienen auch Benutzungsgebühren der Finanzierung der öffentlichen Entwässerungseinrichtung. Zwischen beiden kommunalen Abgaben bestehen jedoch strukturelle Unterschiede. Anknüpfungspunkt für die Beitragserhebung ist, dass dem Grundstückseigentümer die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung besondere Vorteile bietet (§ 7 Abs. 1 ThürKAG). Als Gegenleistung für diesen Vorteil erheben die Aufgabenträger Beiträge zur Deckung des Investitionsaufwandes für die Herstellung (Anschaffung, Erweiterung usw.) der öffentlichen Einrichtungen. Anknüpfungspunkt für die Benutzungsgebühr ist hingegen die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, welche die Kommune zur Nutzung zur Verfügung stellt (§ 12 Abs. 1 Satz 1 ThürKAG). Das Gebührenaufkommen soll gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 ThürKAG die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten decken. Wie § 12 Abs. 3 Satz 1 ThürKAG ausdrücklich bestimmt, gehören dazu insbesondere angemessene Abschreibungen von den Kosten für die Beschaffung sowie eine angemessene Verzinsung des Anlagekapitals. Dabei ist Abschreibung der in Geld bewertete Verzehr von langlebigen Gütern und Dienstleistungen, der innerhalb einer Rechnungsperiode für die Leistungserstellung angefallen ist. Sofern Beiträge nicht erhoben werden oder nicht erhoben werden dürfen (so nunmehr für die Wasserversorgungseinrichtung § 7 Abs. 2 ThürKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes und des Thüringer Wassergesetzes vom 17.12.2004, GVBl. 2004, S. 889, das zum 01.01.2005 in Kraft trat), muss der Investitionsaufwand sogar über Abschreibungen bei der Gebührenerhebung finanziert werden. Der Begriff "Kosten" im Sinne des § 12 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 ThürKAG setzt keinen Zahlungsvorgang bzw. eine dem gleichstehende Schuldenübernahme voraus, sondern erfasst mit Abschreibungen auch die im Zusammenhang mit der Leistungserbringung stehende Wertminderung der Anlagegüter, die sich an den Kosten für die Beschaffung (ggf. Wiederbeschaffung) bemisst. Um es - wie es der Kläger in der Rechtsmittelschrift getan hat - bildhaft auszudrücken, dient die Benutzungsgebühr nicht dazu, die Kasse des Aufgabenträgers um diejenigen Gelder aufzufüllen, die ihr zuvor entnommen wurden. Vielmehr soll mit ihr dem Aufgabenträger dafür Ersatz geleistet werden, dass sein Anlagegut während der Kalkulationsperiode an Wert verloren hat. Dieser gebührenfähige Werteverzehr tritt unabhängig davon ein, ob der Aufgabenträger eine Anlage bezahlt oder unentgeltlich übernommen hat. Es ist folglich nicht ungerechtfertigt, Abschreibungen auch von jenen Anlagen vorzunehmen, die dem Aufgabenträger (hier unterstellt) kostenlos übertragen wurden. Entscheidend ist, ob Anlagen im Vermögen des Aufgabenträgers vorhanden waren, zu Beginn der Kalkulationsperiode noch einen Wert aufwiesen und während des Kalkulationszeitraums einen Wertverlust erfahren haben (vgl. zur Abschreibung von Altanlagen in den neuen Bundesländern auch Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 9/2004, § 6 Rdnr. 140a). Dabei kann hier offen bleiben, wie Anlagekapital zu behandeln ist, das bereits durch Beiträge, ähnliche Entgelte und Zuwendungen finanziert wurde.

Der Kläger beanstandet weiter, die Entscheidung sei rechtswidrig, weil sie mit Gründen versehen sei, die aus der Luft gegriffen seien. Das Verwaltungsgericht verwechsele eigene W irklichkeitsvorstellungen mit Tatsachen im prozessualen Sinne. Bürgermeisterkanäle seien kein Spezifikum der DDR und nicht wartungsaufwändiger und problematischer im Hinblick auf die Dichtigkeit als Kanäle allgemein; auch aus einer beigefügten Abhandlung ergebe sich, dass Undichtigkeiten und Havarien bei allen Kanälen zu verzeichnen seien.

Es ist nicht eindeutig, ob der Kläger mit diesem Argument den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel geltend machen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) oder in Wirklichkeit eine Verfahrensrüge erheben will (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Jedenfalls führt das Vorbringen nicht zum Erfolg. Die Ausführungen im Urteil zu den Kosten der Bürgermeisterkanäle und zur Häufigkeit von Verstopfungen und Reparaturen sind entgegen der Darstellung im Zulassungsantrag keine Feststellung, die das Verwaltungsgericht selbst aufgestellt hätte. Das Verwaltungsgericht ist vielmehr auf die entsprechende Behauptung des Klägers eingegangen, dass diese Kanäle selten verstopften und kaum reparaturbedürftig seien, und hat sie als nicht nachvollziehbar angesehen. Das Verwaltungsgericht hat dazu weiter ausgeführt, dass nicht einzusehen sei, weshalb alte Kanäle, die noch zu Zeiten der DDR errichtet worden seien und z. T. nicht mehr den aktuellen technischen Anforderungen entsprächen, weniger wartungsintensiv und reparaturbedürftig sein sollten als Kanäle jüngeren Datums. Das Verwaltungsgericht hat demnach gerade nicht darauf abgestellt, ob es sich um sog. Bürgermeisterkanäle oder sonstige Altkanäle handelt. Entscheidend für seine Annahme war vielmehr, dass es sich um Kanäle handelt, die jedenfalls vor dem Beitrittszeitpunkt hergestellt wurden und die auf Grund ihres Alters naturgemäß auch eine höhere Reparaturanfälligkeit haben als neue Kanäle. Das Vorbringen im Zulassungsantrag gibt dem Senat keinen Anlass, zu dieser Frage in weitere Ermittlungen einzutreten. Der Beklagte hat zum Reparatur- und Untersuchungsaufwand nähere Angaben gemacht, die der Kläger nicht stichhaltig in Zweifel zieht. Des Weiteren verfügt der Senat aus einer mittlerweile nicht unerheblichen Zahl von Verfahren, aus allgemein zugänglichen Quellen (z. B. www.bbr.bund.de) sowie fachtechnischen Informationen über hinreichende eigene Sachkunde, um einschätzen zu können, dass ältere Kanäle tatsächlich erheblich kostenaufwändiger untersucht, gewartet und repariert werden müssen. Die Ursache hierfür muss keineswegs in einer fehlerhaften Planung, Bauausführung oder in mangelhaften Werkstoffen liegen, sondern insbesondere in altersbedingten Veränderungen, Setzungen, Ablagerungen, Wurzeleinwuchs und erheblich zunehmender Verkehrsbelastung. Hierdurch kommt es zunehmend zu Undichtigkeiten, Abflusshindernissen, Lageabweichungen, Korrosion, Rissen, Bruch und Einsturz von Rohren (so verweist etwa das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung auf seiner Internetseite auf Erhebungen, denen zufolge in den neuen Bundesländern 40 - 60 % aller öffentlichen Abwasserkanäle Schäden aufweisen [alte Bundesländer ca. 20 %], vgl. http://www.bbr.bund.de, Unterseite "Abwassertechnik"). Dies ist keine Besonderheit sog. Bürgermeisterkanäle und wird auch durch die vom Kläger eingereichte Abhandlung sowie seine Ausführungen dazu nicht in Abrede gestellt.

Die Ausführungen im Zulassungsvorbringen zur angeblich fehlerhaften Zugrundelegung des Frischwassermaßstabs greifen im vorliegenden Fall nicht. Sie betreffen offenbar ein paralleles Streitverfahren (Az. 4 KO 1593/04), in dem der betroffene Gebührenschuldner nachweislich kein Schmutzwasser eingeleitet hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des für die Kostenberechnung maßgeblichen Streitwerts beruht auf §§ 25 Abs. 2 Satz 1, 14, 13 Abs. 2 GKG (in der bis zum 30.06.2004 gültigen und hier noch anzuwendenden Fassung).

Hinweis: Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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