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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 29.05.2008
Aktenzeichen: 5 PO 739/07
Rechtsgebiete: ThürPersVG


Vorschriften:

ThürPersVG § 19 Abs. 4
ThürPersVG § 24 Abs. 1
Besteht ein Wahlvorschlag für eine Personalratswahl aus ausschließlich gewerkschaftlich organisierten Wahlbewerbern, so darf das Kennwort des Vorschlags (Listenbezeichnung) nicht mit einem Zusatz versehen sein, der den Eindruck erweckt, auf der Liste stünden auch nicht gewerkschaftlich organisierte Bewerber. Wird dennoch ein solcher Zusatz - wie z. B. "Freie Liste" - verwandt, so liegt darin eine wahlrechtswidrige Irreführung, die zur Ungültigkeit der Personalratswahl führt.
THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 5. Senat - Beschluss

5 PO 739/07 In dem verwaltungsgerichtlichen Beschlussverfahren

wegen Personalvertretungsrechts der Länder,

hier: Beschwerde in Personalvertretungssachen

hat der 5. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Lindner, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schwachheim, den Richter am Oberverwaltungsgericht Bathe sowie die ehrenamtlichen Richter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. Mai 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Gültigkeit der Personalratswahl, die am 22. und 23. Mai 2006 durchgeführt worden ist.

Die Antragsteller sind Arbeitnehmer, die beim Kultusministerium als Lehrer an Regelschulen beschäftigt sind. Es waren insgesamt 31 Personalratsmitglieder zu wählen. Auf die Gruppe der Lehrer an Regelschulen entfielen 7 Sitze im Personalrat. Bei dieser Gruppenwahl wurden insgesamt 6.094 Stimmen abgegeben, davon 5.903 gültige Stimmen, die sich wie folgt auf vier Wahlvorschläge verteilten:

- tlv-thüringer lehrerverband: 2326 Stimmen (2,75 = 3 Sitze)

- GEW-Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft: 2432 Stimmen (2,88 = 3 Sitze)

- CEG: 359 Stimmen (0,42 = 0 Sitze)

- Freie Liste Pro Regelschule: 786 Stimmen (0,93 = 1 Sitz)

Das Wahlergebnis wurde am 24. Mai 2006 bekannt gegeben.

Mit am 13. Juni 2006 beim Verwaltungsgericht Meiningen eingegangenem Schreiben haben die Antragsteller die Wahl angefochten.

Die Wahlvorschläge mit den Kennwörtern "GEW-Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft" und "Freie Liste Pro Regelschule" seien - dies trifft ausweislich der dem Senat vorliegenden Wahlunterlagen zu - zusammen am 19. April 2006 im Büro des Wahlvorstandes im Thüringer Kultusministerium abgegeben worden. Zuvor sei die Einreichung der Vorschläge telefonisch durch die GEW-Geschäftsstelle angekündigt worden. Die Wahlvorschläge seien in ihrem Layout nahezu identisch und gleich geklammert gewesen. Unbestritten haben die Antragsteller weiter vorgetragen, dass die im Wahlvorschlag der "Freien Liste Pro Regelschule" zur Wahl gestellten Personen Funktionsträger innerhalb der GEW seien. Der Wahlvorschlag der "Freien Liste Pro Regelschule" sei daher irreführend. Es sei nicht zu erkennen gewesen, dass die "Freie Liste Pro Regelschule" nur eine "verdeckte" Liste der GEW gewesen sei. Der Begriff "Freie Liste" suggeriere eine Unabhängigkeit der Bewerber von gewerkschaftlicher Bindung.

Die Antragsteller haben beantragt,

die am 22./23.05.2006 durchgeführte Wahl zum Hauptpersonalrat beim Thüringer Kultusministerium im Bereich Schulen für die Gruppe der Lehrer an Regelschulen für ungültig zu erklären.

Der Beteiligte zu 1 hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Es handele sich bei der Liste "Freie Liste Pro Regelschule" nicht um eine "verdeckte" Liste der GEW. Auch Gewerkschaftsmitgliedern stehe es frei, bei einer Personalratswahl auf einer freien Liste zu kandidieren. Der Wahlvorschlag der "Freien Liste Pro Regelschule" sei auch nicht im Auftrag der GEW eingereicht worden. Hierfür gebe es vorliegend auch keinerlei Anhaltspunkte. Die GEW habe auch keinen Einfluss auf die Liste "Freie Liste Pro Regelschule" genommen. Die gegenteiligen Behauptungen der Antragsteller seien unsubstantiiert und aus dem Blauen heraus aufgestellt worden. Folglich sei auch die Bezeichnung "Freie Liste" nicht irreführend.

Der Beteiligte zu 2 hat sich nicht zur Sache geäußert und keinen Antrag gestellt.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 1. August 2007 entsprochen und die Wahl zum Hauptpersonalrat für die Gruppe der Lehrer für ungültig erklärt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen - unter weitgehender Bezugnahme auf den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Februar 2005 (Az.: 22 TL 2583/04)- ausgeführt, dass die Bezeichnung "Freie Liste Pro Regelschule" irreführend sei und daher ein Verstoß gegen § 24 Abs. 1 ThürPersVG vorliege. Durch die Bezeichnung "Freie Liste ..." habe bei den Wählern der Eindruck erweckt werden können, dass auf dieser Liste zumindest auch Wahlbewerber ohne Gewerkschaftszugehörigkeit kandidieren würden. Dies sei aber nicht der Fall; vielmehr seien alle Kandidaten auf dieser Liste Gewerkschaftsmitglieder gewesen.

Nach Zustellung des Beschlusses am 28. August 2007 hat der Beteiligte zu 1 - auf Grund eines in seiner Sitzung vom 19. September 2007 gefassten Beschlusses - am 28. September 2007 Beschwerde eingelegt und diese mit am 29. Oktober 2007, einem Montag, per Telefax bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet:

Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass der von ihm zitierten Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs eine andere Fallgestaltung zu Grunde gelegen habe. Dort sei es um zwei von ein und derselben Gewerkschaft rührende Wahlvorschläge gegangen. Hier hingegen stamme nur einer der beiden Vorschläge von der GEW; die "Freie Liste pro Regelschule" sei kein Vorschlag der GEW, sondern derjenige von Wahlberechtigten, der von mehr als 50 Lehrerinnen und Lehrern Thüringer Regelschulen unterzeichnet worden sei, die jedenfalls nicht allesamt gewerkschaftlich organisiert seien. Es sei überdies auch nicht ersichtlich, weshalb es Mitgliedern einer Gewerkschaft verwehrt sein sollte, sich unabhängig von der Gewerkschaft auf einer eigenen Liste zur Wahl zu stellen. Außerdem sei davon auszugehen, dass die Antragsteller die Wahl mit der gleichen Argumentation auch dann angefochten hätten, wenn ein anderes Kennwort - z. B. "Liste pro Regelschule" - verwandt worden wäre; auch in diesem Falle hätten die Antragsteller vorgetragen, dass es sich um eine "verdeckte Liste" der GEW handele.

Der Beteiligte zu 1 beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 1. August 2007 abzuändern und den Antrag der Antragsteller abzulehnen, die am 22./23. Mai 2006 durchgeführte Wahl zum Hauptpersonalrat beim Thüringer Kultusministerium im Bereich Schulen für die Gruppe Lehrer an Regelschulen für ungültig zu erklären.

Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerde vom 28.09.2007 zurückzuweisen.

Sie verteidigen den angegriffenen Beschluss und weisen ergänzend darauf hin, dass die Kandidaten auf der "Freien Liste pro Regelschule" nicht nur allesamt Mitglieder der GEW gewesen seien, sondern sie darüber hinaus in verschiedenen Funktionen in Vorstandsgremien der GEW tätig gewesen seien.

Der Beteiligte zu 2 hat sich auch in zweiter Instanz nicht zur Sache geäußert und keinen Antrag gestellt.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der dem Senat vorgelegten Wahlunterlagen (3 Ordner) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Wahl zu Recht für ungültig erklärt. Dies folgt aus der zutreffenden Begründung des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Beschluss, auf die der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug nimmt.

Mit Blick auf das Beschwerdevorbringen sei der Ergänzung halber lediglich Folgendes bemerkt:

Soweit der Beteiligte zu 1 meint, die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommene Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Februar 2005 - 22 TL 2583/04 - (Juris) sei auf den hier zu entscheidenden Fall nicht anwendbar, weil dort zwei von ein und derselben Gewerkschaft eingereichte Vorschläge inmitten gestanden hätten, es hier jedoch nur um einen gewerkschaftlichen Vorschlag und einen weiteren, von einer Vielzahl von Wahlberechtigten (die nicht allesamt gewerkschaftlich organisiert seien) eingereichten Vorschlag gehe, verfängt dies nicht. Vielmehr hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof diesen Umstand - nämlich dass eine Gewerkschaft zwei Wahlvorschläge zur Wahl gestellt hatte - selbständig tragend als einen weiteren Grund für die Ungültigkeit der Wahl angesehen, nämlich unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen das Verbot des Mehrfachwahlvorschlags der Gewerkschaften (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 24. Februar 2005, a. a. O., Juris, Rdn. 29 ff.; s. dazu auch die jeweiligen §§ 9 Abs. 3 Satz 2 der Wahlordnungen zum BPersVG und zum ThürPersVG).

Auch soweit der Beteiligte zu 1 weiterhin darauf abhebt, dass es in jenem vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall um zwei "für jedermann erkennbar" von derselben Gewerkschaft rührende Vorschläge gegangen sei, die jeweils mit dem Zusatz "(GdP)" gekennzeichnet gewesen seien, folgt daraus nichts zu seinen Gunsten, sondern eher das Gegenteil: Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat eine Irreführung nicht wegen, sondern trotz dieser Angabe bejaht (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 24. Februar 2005, a. a. O., Juris, Rdn. 22 ff., insbes. Rdn. 26 f.). Maßgeblich für das Gericht war nicht, dass mit dem Zusatz Freie Liste ein Irrtum über die - dort tatsächlich gegebene - Urheberschaft der Gewerkschaft (der Polizei) erregt worden sei, sondern dass die Listenbezeichnung Freie Liste deshalb irreführend gewesen sei, weil - was auch hier der Fall ist - mit dieser Bezeichnung der Eindruck erweckt worden sei, es befänden sich zumindest auch Wahlbewerber auf der Liste, die nicht Gewerkschaftsmitglieder seien. Diese Auffassung teilt der Senat.

Schließlich sei mit Blick auf die Beschwerdebegründung abschließend darauf hingewiesen, dass es im Hinblick auf diese Irreführung keine Bedeutung hat, wer Urheber eines Wahlvorschlags ist, also ob es sich um einen von einer Gewerkschaft nach Maßgabe des § 19 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 8 ThürPersVG oder von Beschäftigten nach Maßgabe des § 19 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 ThürPersVG unterbreiteten Wahlvorschlag handelt. Denn für die nach den vorstehenden Ausführungen maßgebliche Frage, ob die in einem Wahlvorschlag genannten Wahlbewerber gewerkschaftlich organisiert sind oder nicht, insbesondere ob auf einer Freien Liste zumindest auch Wahlbewerber stehen, die nicht Gewerkschaftsmitglieder sind, gibt diese Urheberschaft letztlich keinen Aufschluss. Das Gesetz schreibt nicht vor, dass ein gewerkschaftlicher Wahlvorschlag nur Gewerkschaftsmitglieder umfassen dürfe oder dass in einem nicht-gewerkschaftlichen Wahlvorschlag keine Gewerkschaftsmitglieder aufgeführt werden dürften. Von Gesetzes wegen können mithin sowohl Gewerkschafts- als auch ein Beschäftigtenvorschläge ausschließlich nicht-organisierte oder ausschließlich gewerkschaftlich organisierte oder zugleich organisierte und nicht-organisierte Wahlbewerber enthalten. Besteht ein Vorschlag aber - unabhängig davon, ob er, wie in dem vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Falle, von einer Gewerkschaft herrührt oder ob es, wie hier, ein Beschäftigtenvorschlag ist - aus ausschließlich gewerkschaftlich organisierten Wahlbewerbern, so darf das Kennwort des Vorschlags nicht mit einem Zusatz versehen sein, der den Eindruck erweckt, auf der Liste stünden auch nicht gewerkschaftlich organisierte Bewerber, wie dies bei der Verwendung eines Begriffs wie Freie Liste der Fall ist.

Eine Kostenentscheidung entfällt im Hinblick auf den objektiven Charakter des nicht kontradiktorisch angelegten Beschlussverfahrens. Ebenso entfällt eine Streitwertfestsetzung von Amts wegen.

Gründe, aus denen die Rechtsbeschwerde zuzulassen wäre, liegen nicht vor (vgl. § 83 Abs. 2 ThürPersVG i. V. m. §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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