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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 25.01.2001
Aktenzeichen: 10 S 822/99
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, EG-AbfVerbrVO, EG-AbfRRL, AbfVerbrG, KrW-/AbfG


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 28
EG-Vertrag Art. 29
EG-Vertrag Art. 174
EG-AbfVerbrVO § 7 Abs. 2
EG-AbfVerbrVO § 7 Abs. 4
EG-AbfRRL Art. 1
AbfVerbrG § 2 Abs. 8
AbfVerbrG § 2 Abs. 8
KrW-/AbfG § 6 Abs. 2
KrW-/AbfG § 4 Abs. 4
1. Zum behördlichen "Einwand des falschen Verfahrens" gegenüber der Notifizierung der geplanten Verbringung von Abfallgemischen in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union.

2. Zu den rechtlichen Maßstäben der Abgrenzung von energetischer Verwertung und thermischer Beseitigung von Abfallgemischen, die in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verbracht werden, um dort in Drehrohröfen der Zementindustrie verbrannt zu werden.

2. Das Heizwerterfordernis in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG kann im Rahmen der grenzüberschreitenden Abfallverbringung nicht als Kriterium für die Einstufung der geplanten Entsorgungsmaßnahme als Verwertung oder Beseitigung herangezogen werden.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

10 S 822/99

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Verbringung von Abfällen

hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schlüter, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Hofherr und den Richter im Nebenamt Prof. Dr. Schoch ohne weitere mündliche Verhandlung am 25. Januar 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21. Oktober 1997 - 11 K 3414/96 - geändert und festgestellt, dass der Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 03. April 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 20. September 1996, geändert durch weitere Bescheide des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 25. September 1996 und vom 8. Oktober 1996, rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit Schreiben vom 24.01.1996 beantragte die Klägerin die Einleitung eines Notifizierungsverfahrens zur Verbringung von 6.000 t vorgemischter Abfälle der Abfallschlüssel-Nr. 59603 zur energetischen Verwertung zum Einsatz als Ersatzbrennstoff im Zementwerk Obourg/Belgien. Bei den Abfällen handelt es sich um mit Sägemehl konfektionierte Öle sowie Farb- und Lackschlämme.

Das Regierungspräsidium Karlsruhe übersandte mit Schreiben vom 03.04.1996 dem Ministère de la Région Wallonne in Namur die Notifizierungsunterlagen der Klägerin und erhob gegen die Abfallverbringung Einwendungen gemäß Art. 7 Abs. 4a EG-Abfallverbringungsverordnung (EG-AbfVerbrVO), da das falsche Notifizierungsverfahren angewendet werde; bei den zur Verbringung vorgesehenen Abfällen handele es sich um Abfälle zur Beseitigung und nicht zur Verwertung. Dieses Schreiben wurde nachrichtlich mit Rechtsbehelfsbelehrung der Klägerin zugestellt.

Am 15.04.1996 legte die Klägerin gegen das Schreiben des Regierungspräsidiums Karlsruhe Widerspruch ein. Das Regierungspräsidium wies die Klägerin mit Schreiben vom 29.04.1996 darauf hin, dass der Widerspruch aufschiebende Wirkung habe, so dass die behördlichen Einwendungen noch nicht wirksam seien. Zuvor hatte die zuständige belgische Behörde am 09.04.1996 die Genehmigung zur Verbringung der Abfälle zum Zementwerk Obourg/Belgien befristet bis zum 28.02.1997 erteilt. Die Klägerin verbrachte daraufhin 6.000 t vermischte Abfälle zum Zwecke der Verbrennung zu dem Zementwerk.

Die im Zementwerk Obourg/Belgien entsorgten Abfälle ersetzen insbesondere Öl als Energieträger sowie die sog. Ballastkohle. Bei ihr handelt es sich um ein Gemisch aus Kohle und Steinen mit einem Heizwert von 8.000 kj/kg. Aus Sicht des Zementherstellers hat die Verwendung der Ballastkohle gegenüber dem Einsatz von Kohle, Gas oder Öl den Vorteil, dass nicht gesondert zusätzliche Rohstoffe für die Produktherstellung zugeführt werden müssen. Die Ballastkohle wird bei der Zementherstellung demnach sowohl als Energieträger als auch als Träger der für die Zementherstellung notwendigen Zusatzstoffe verwendet. Der eingesetzte Abfall ersetzt die Ballastkohle im Zementwerk Obourg/Belgien im Verhältnis eins zu eins. Die Primärenergieträger Kohle, Öl und Gas kommen im Zementwerk Obourg/Belgien mittlerweile nur noch zu knapp 3 % zum Einsatz; zu gut 97 % (im Jahre 1995: 76 %) werden als Energieträger - sowie Träger der notwendigen Zusatzstoffe - Ersatzbrennstoffe eingesetzt, die aus Abfällen gewonnen werden. Durch diese Substitution werden - nach Maßgabe einer hypothetischen Vergleichsrechnung - 200.000 t Rohöl jährlich ersetzt.

Ihren Widerspruch begründete die Klägerin insbesondere damit, dass die zuständige belgische Behörde der Notifizierung zur Abfallverwertung entsprochen habe. Mit Bescheid vom 20.09.1996 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch zurück. Der zulässige Widerspruch sei unbegründet. Die Abfallverbringung verstoße gegen das deutsche Abfallverbringungsgesetz, so dass der Einwendungsgrund des Art. 7 Abs. 4a 2. Spiegelstrich EG-AbfVerbrVO vorliege. Denn bei den vermischten Abfällen, die als Ersatzbrennstoffe eingesetzt würden, sei auf die Eigenschaften der einzelnen Abfälle (und nicht des Gemisches) abzustellen. Deren Verbrennung ziele dem Hauptzweck nach auf die Beseitigung von Abfällen und nicht auf die energetische Abfallverwertung. Denn zum einen werde nicht bei jeder Abfallart ein Heizwert von mehr als 11.000 kj/kg erreicht, und zum anderen wiesen einige Abfälle ein hohes Schadstoffpotential auf. Der Widerspruchsbescheid wurde mit Bescheiden vom 25.09.1996 und 08.10.1996 berichtigt. Die Zustellung des Widerspruchsbescheids war am 24.09.1996 erfolgt.

Am 21.10.1996 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben. Mit Schriftsatz vom 08.07.1997 hat sie vorgetragen, nach Ablauf der Gültigkeit des Notifizierungsbogens zum 28.02.1997 werde im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage die Feststellung begehrt, dass der Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 03.04.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids rechtswidrig gewesen sei. Das besondere Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass auch in Zukunft vorgemischte Abfälle zum Zwecke der Verbrennung in ein Zementwerk außerhalb der Bundesrepublik Deutschland verbracht werden sollten.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei unzulässig. Angesichts der längstens für ein Jahr gültigen sog. Sammelnotifizierungen müsse behördlicherseits immer wieder neu geprüft werden, ob Einwendungen zu erheben seien. Ob ein Ersatzbrennstoff als Abfall zur Verwertung oder zur Beseitigung zu qualifizieren sei, hänge maßgeblich vom Heizwert und vom Schadstoffpotential des einzelnen Abfalls vor der Vermischung ab. Die von der Klägerin hergestellten Mischungen seien insoweit von unterschiedlicher Beschaffenheit, so dass das vorliegende Notifizierungsverfahren kein Präjudiz für ein späteres Verfahren sei.

Mit Urteil vom 21.10.1997 hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, da die Klägerin kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 03.04.1996 habe. Das Feststellungsinteresse i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO könne nicht auf den Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gestützt werden. Der angegriffene Verwaltungsakt habe sich vor allem dadurch erledigt, dass die Klägerin die notifizierte Abfallmenge bis zu dem Zeitpunkt, bis zu dem die belgischen Behörden der Verbringung der Abfälle zugestimmt hätten, nach Belgien verbracht habe. Damit habe der angegriffene Bescheid zu keinem Zeitpunkt Rechtswirkungen entfaltet. Im Falle der Wiederholung der tatsächlichen Verhältnisse bestehe keine Gefahr der Verletzung oder Beeinträchtigung von Rechten der Klägerin.

Das Urteil ist der Klägerin am 21.11.1997 zugestellt worden. Am 19.12.1997 hat sie beantragt, die Berufung zuzulassen. Mit Beschluss vom 24.03.1999 hat der Senat die Berufung der Klägerin nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen. Der Beschluss ist der Klägerin am 09.04.1999 zugestellt worden. Mit einem am 03.05.1999 eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin die zugelassene Berufung im Wesentlichen wie folgt begründet: Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage seien nach dem Beschluss des Senats vom 24.03.1999 ausgeräumt. In der Sache selbst habe die Klägerin das richtige Notifizierungsverfahren nach Art. 6 ff. EG-AbfVerbrVO gewählt. Die Einwendungen des Beklagten seien daher rechtswidrig gewesen. Bei den mit Sägemehl konfektionierten mineralischen Ölen, Farb- und Lackschlämmen habe es sich um zur Verwertung bestimmte Abfälle des Anhangs III i.S.d. Art. 6 Abs. 1 EG-AbfVerbrVO gehandelt. Die vorgemischten Abfälle seien im Zementwerk Obourg/Belgien als Brennstoff eingesetzt und damit energetisch verwertet worden. Sie seien als Ersatzbrennstoff auch geeignet gewesen. Ausschlaggebend hierfür sei der Heizwert des Abfalls. Dabei könne allerdings nicht auf den im innerstaatlichen Recht in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG genannten Wert von mindestens 11.000 kj/kg abgestellt werden. Denn zum einen dürfe das unmittelbar verbindliche Recht der EG-AbfVerbrVO nicht in den einzelnen EG-Mitgliedstaaten mit unterschiedlichem Inhalt versehen werden. Zum anderen regele § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG den Vorrang zwischen stofflicher und energetischer Verwertung, nicht jedoch die Abgrenzung zwischen energetischer Verwertung und thermischer Beseitigung von Abfällen. Unabhängig davon hätten die Abfälle der Klägerin den Heizwert von mindestens 11.000 kj/kg in allen Fällen weit überschritten und dabei Schwankungen zwischen 16.000 kj/kg und 31.700 kj/kg aufgewiesen.

Die Energieversorgung sei der Hauptzweck der Verwendung der Abfälle im Zementwerk in Obourg/Belgien gewesen. Die Verbrennung der vorgemischten Abfälle habe der Energieerzeugung gedient; es seien herkömmliche Brennstoffe ersetzt worden. Diese Zwecksetzung habe auch der Verwendungsabsicht des Betreibers des Zementwerks entsprochen; das ergebe sich aus dem mit dem Unternehmen Ciments DŽObourg S. A. geschlossenen Vertrag. Auch die Zweckbestimmung der Anlage selbst spreche dafür, dass Hauptzweck der Verbrennung der vorgemischten Abfälle die Energieerzeugung gewesen sei. Das Unternehmen Ciments D`Obourg verfüge über eine bis zum 15.02.2009 geltende Genehmigung, die das Zementwerk als Verwertungsanlage ausweise.

Für die Abgrenzung zwischen energetischer Verwertung und thermischer Behandlung zur Beseitigung könne der Schadstoffgehalt des Abfalls keine relevante Rolle spielen. Unabhängig davon habe die Beschaffenheit des betreffenden Abfalls im Hinblick auf die energetische Nutzung einen derartigen Energiegehalt gehabt, dass der mit der Verbrennung verbundene Erfolg der Energieerzeugung nicht als bloßes Nebenprodukt der Verbrennung erscheine. Gegen die Einstufung der Verbrennung als Verwertung spreche auch nicht die Entgeltzahlung der Klägerin. Das Kriterium des "negativen Marktwertes" sei nach Europäischem Recht nicht geeignet, Abfälle zur Verwertung von Abfällen zur Beseitigung abzugrenzen.

Da unterschiedliche Einschätzungen der Behörden in Deutschland und Belgien vorlagen, sei wegen der Ortsnähe und der sich daraus ergebenden größeren Sachkompetenz die Einschätzung der Behörde am Bestimmungsort maßgebend. Die Beurteilungsprärogative der für das Zementwerk Obourg zuständigen belgischen Genehmigungsbehörde sei vom Regierungspräsidium Karlsruhe nicht beachtet worden. Auch von daher sei der Einwendungsbescheid rechtswidrig gewesen. Im Schreiben des Ministère de la Région Wallonne vom 06.10.2000 werde bestätigt, dass das Zementwerk Obourg/Belgien die Anforderungen der Richtlinie 75/442/EWG einschließlich der Entscheidung 96/350/EG vom 24.05.1996 sowie der Richtlinie 94/67/EG einhalte. Der Einsatz der Ersatzbrennstoffe in Belgien sei genehmigt; die einschlägigen belgischen Gesetze würden beachtet. Der als Ersatzbrennstoff eingesetzte Abfall weise etwa 25 % des Heizwerts des Rohöls auf. Der Einsatz der sog. Ballastkohle sei in der Zementindustrie in Belgien seit den 1940er Jahren üblich, um die bei Einsatz von Öl, Gas oder Kohle notwendige Zuführung zusätzlicher Rohstoffe einsparen zu können. Die Lieferung von Abfällen nach Obourg/Belgien werde sofort wieder aufgenommen, falls die Klage Erfolg habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21.10.1997 - 11 K 3414/96 - zu ändern und festzustellen, dass der Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 03.04.1996 und dessen Widerspruchsbescheid vom 20.09.1996, geändert durch weitere Bescheide vom 25.09.1996 sowie vom 08.10.1996, rechtswidrig gewesen sind.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor: Die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage nicht mehr zulässig. Im Anschluss an die streitbefangene Notifizierung habe die Klägerin zwar noch drei weitere Notifizierungsanträge zur Verbringung von Ersatzbrennstoffen gestellt. Diese seien jedoch nach der Erhebung behördlicher Einwendungen und der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit von der Klägerin nicht weiter verfolgt worden. Nachdem der Abfallexport zum Erliegen gekommen sei, müsse daraus geschlossen werden, dass die Klägerin offensichtlich andere Entsorgungswege beschreite und an einer Abfallverbringung nach Belgien nicht mehr interessiert sei.

In der Sache sei das Regierungspräsidium Karlsruhe - unabhängig von der Beurteilung der Behörde am Bestimmungsort (Belgien) - berechtigt gewesen, Einwendungen zu erheben, da die Klägerin das falsche Verfahren betrieben habe. Auch wenn die EG-AbfVerbrVO dazu keine ausdrückliche Regelung treffe, müsse die Behörde am Versandort die strengeren Vorschriften für Abfälle zur Beseitigung durchsetzen können. Bei dem Abfallgemisch der Klägerin habe es sich um Abfall zur Beseitigung gehandelt. Es werde bestritten, dass sämtliche Abfälle der Klägerin vor der Vermischung einen Heizwert von 11.000 kj/kg aufgewiesen haben. Die von der Klägerin vorgelegten Analysen seien nicht repräsentativ.

Da die einzelnen Primärabfälle zum Teil keinen ausreichenden Heizwert gehabt hätten, sei die Energiegewinnung nicht Hauptzweck der Abfallverbringung gewesen. Für die Frage, ob es sich bei einem notifizierten Abfall um solchen zur Verwertung oder zur Beseitigung handele, sei zunächst das EG-Abfallrecht maßgebend. Insoweit verweise die EG-AbfVerbrVO auf die EG-Abfallrahmenrichtlinie (EG-AbfRRL). Diese beinhalte jedoch konkretisierungsbedürftige Vorgaben. Da die wirksame Anwendung des Gemeinschaftsrechts ohne Konkretisierung nicht gewährleistet sei, seien die EG-Mitgliedstaaten nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, im Rahmen des nationalen Rechts die notwendigen Konkretisierungen vorzunehmen. Von daher werde das EG-Abfallrecht in § 4 Abs. 4 Satz 2 und 3 KrW-/AbfG näher definiert. Gehe man hiervon aus, müsse die Hauptzweckprüfung bezogen auf den Einzelabfall vor der Vermischung stattfinden. Im übrigen sei der Mindestheizwert nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG zu berücksichtigen. Danach habe es sich vorliegend um Abfall zur Beseitigung gehandelt. Eine energetische Verwertung sei im übrigen auch wegen des Schadstoffpotentials des Abfalls auszuschließen.

Die Abfälle der Klägerin seien als "Ersatzbrennstoffe" einzustufen, die nicht im Anhang III zur EG-AbfVerbrVO (Gelbe Liste) aufgeführt seien. Damit sei nicht das Verfahren nach Art. 6 bis 8 der Verordnung einschlägig, vielmehr hätte die Klägerin im Verfahren nach Art. 10 der Verordnung vorgehen müssen. Die danach erforderliche schriftliche Zustimmung der Versandbehörde (Regierungspräsidium Karlsruhe) habe nicht vorgelegen, so dass auch aus diesem Grunde die Einwendungen des Beklagten rechtmäßig gewesen seien.

In einem erneuten Notifizierungsverfahren würden von der Klägerin Analysen zum Heizwert und zum Schadstoffpotential aller Einzelabfälle angefordert. Würde allerdings der damalige Antrag wiederum gestellt, müsste er auch jetzt scheitern, da das falsche Notifizierungsverfahren betrieben werde; wegen grundsätzlicher Bedenken würde das Regierungspräsidium dieselben Einwände wie früher, nämlich Unterschreitung des Heizwerts von 11.000 kj/kg sowie Hinweis auf das Schadstoffpotential, erheben. Der Einsatz der sog. Ballastkohle im Zementwerk Obourg/Belgien dürfe, da sie selbst Ersatzbrennstoff sei, nicht Vergleichsmaßstab für die Tauglichkeit des Abfalls als Ersatzbrennstoff sein. Ein Vergleich sei vielmehr mit den Primärenergieträgern Steinkohle (Heizwert: 25.000 kj/kg) oder Braunkohle (Heizwert: 11.000 kj/kg) anzustellen. Im Notifizierungsverfahren habe man von der Klägerin keine genauen Angaben zum Heizwert verlangt, da es hierauf nach Auffassung des Regierungspräsidiums nicht angekommen sei. Die von der Klägerin im Widerspruchsverfahren angeführten 14 Analysen mit einem Mindestheizwert von 16.000 kj/kg, könnten nicht als repräsentativ anerkannt werden, zumal es sich um Analysen im Nachweisverfahren vor der Verbringung des Abfalls zur Anlage B. der Klägerin gehandelt habe. Für die Einhaltung des Heizwertkriteriums komme es auf den einzelnen Abfall an und nicht auf das Abfallgemisch.

Die Erhebung von Einwänden im Bescheid vom 03.04.1996 gegen die Abfallverbringung sei nach alldem rechtmäßig gewesen; das Regierungspräsidium müsse im Falle einer erneuten Notifizierung bei gleichem Sachverhalt wiederum Einwendungen erheben. Die Klägerin habe das falsche Notifizierungsverfahren gewählt, denn die Abfallverbrennung in dem Zementwerk sei nach dem Hauptzweck der Maßnahme keine energetische Verwertung gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die dem Senat vorliegenden Akten des Verwaltungsgerichts, die das Notifizierungsverfahren betreffenden Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe und auf die Schriftsätze der Beteiligten im Berufungsverfahren verwiesen. Die Beteiligten haben auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die vom Senat zugelassene und auch im übrigen zulässige Berufung, über die ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist begründet.

A. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Das Feststellungsinteresse der Klägerin i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ergibt sich aus den vom Senat im Beschluss vom 24.03.1999 genannten Gründen. Im Schriftsatz vom 07.02.2000 hat der Beklagte zudem ausdrücklich erklärt, im Falle einer erneuten Notifizierung seitens der Klägerin würden bei gleichem Sachverhalt wiederum Einwendungen gegen die Abfallverbringung erhoben. Diese Haltung hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf grundsätzliche Erwägungen - Durchsetzung des Heizwertkriteriums von 11.000 kj/kg sowie des Schadstoffpotentials als Abgrenzungskriterien zwischen Abfällen zur Verwertung und zur Beseitigung - bekräftigt. Danach kann eine sog. Wiederholungsgefahr nicht verneint werden, sollen an das Feststellungsinteresse keine überspannten Anforderungen gestellt werden.

Das Feststellungsinteresse lässt sich auch nicht mit der Überlegung verneinen, dass die Klägerin im Vorfeld des Notifizierungsverfahrens möglicherweise gegen ein Vermischungsverbot (§ 4 AltölV; Abschnitt 4.2 Absatz 2 TASO, GMBl. 1991, 139; vgl. ferner die Richtlinienvorgabe des Art. 2 Abs. 2 RL 91/689/EWG vom 12. Dezember 1991 über gefährliche Abfälle) verstoßen hat. Denn dabei handelt es sich um einen anderen Streitgegenstand. Der Beklagte hat in keiner Phase des Verfahrens ein Vermischungsverbot bei bestimmten Altölen oder besonders überwachungsbedürftigen bzw. gefährlichen Abfällen geltend gemacht. Unter den Vorzeichen des EG-Rechts ist auch nicht ersichtlich, dass Art. 2 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 91/689/EWG vom 12. Dezember 1991 über gefährliche Abfälle durch Gesetz oder Rechtsverordnung umfassend in deutsches Recht umgesetzt worden ist. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung besteht der Streit zwischen den Beteiligten im Kern unverändert fort: Sollte die Klägerin die Lieferung der Abfallgemische nach Obourg/Belgien wieder aufnehmen wollen, würde der Beklagte erneut mit dem Einwand des falschen Verfahrens die Notifizierung ablehnen. Die in der mündlichen Verhandlung angedeuteten Modifikationen lassen die Problematik im Kern unverändert. Unter diesen Umständen kann das Feststellungsinteresse nicht verneint werden.

B. Die zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Der Bescheid des Beklagten vom 03.04.1996 in Gestalt des (zweifach berichtigten) Widerspruchsbescheids vom 20.09.1996 war rechtswidrig und verletzte dadurch die Klägerin in ihren Rechten. Zwar verfügte der Beklagte über eine wirksame Rechtsgrundlage für den Einwand des "falschen Verfahrens" (I.), jedoch hatte die Abgrenzung zwischen "Abfall zur Verwertung" und "Abfall zur Beseitigung" allein am Maßstab des EG-Abfallrechts - und nicht (auch) anhand des KrW-/AbfG - zu erfolgen (II.). Danach handelte es sich bei dem von der Klägerin nach Obourg/Bel-gien verbrachten Abfallgemisch um Abfall zur Verwertung (III.).

I. Nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 01.02.1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft (ABl Nr. L 30, zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 2408/98 vom 06.11.1998, ABl Nr. L 298 S. 19) - EG-AbfVerbrVO - kann unter anderem die zuständige Behörde am Versandort Einwände gegen die Verbringung von Abfällen erheben, die als Abfälle zur Verwertung notifiziert worden sind. Die Einwände dürfen gemäß Art. 7 Abs. 2 Satz 2 EG-AbfVerbrVO nur auf die - abschließende - Regelung in Art. 7 Abs. 4 EG-AbfVerbrVO gestützt werden. Liegt einer der Gründe für einen zulässigen Einwand nicht vor, darf die notifizierende Person die Abfälle zur Verwertung verbringen.

Als Rechtsakt i.S.d. Art. 249 Abs. 2 EG (Art. 189 Abs. 2 EGV a. F.) ist die EG-AbfVerbrVO direkt und unmittelbar anwendbares Recht, so dass der Beklagte seinen Einwand im Bescheid vom 03.04.1996 auf Art. 7 Abs. 4 EG-AbfVerbrVO stützen durfte. Diese Vorschrift kommt auch beim "Einwand des falschen Verfahrens" zur Anwendung (VG Magdeburg, Beschl. v. 18.07.1997, NVwZ 1998, 1214, 1215; VG Neustadt a.d.W., Urt. v. 20.08.1999 - 7 K 1562/99.NW - UA S. 17). Dagegen kann nicht geltend gemacht werden, der "Einwand des falschen Verfahrens" sei im Einwendungssystem für zur Beseitigung und zur Verwertung bestimmte Abfälle nicht vorgesehen und daher unzulässig (so Giesberts, NVwZ 1996, 949, 954; ähnlich Krieger, in: Rengeling, Hrsg., Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II, 1998, § 75 RdNr. 50). Zwar ist ein solcher Einwand in Art. 7 EG-AbfVerbrVO nicht ausdrücklich normiert. Da jedoch Art. 7 Abs. 4a 5. Spiegelstrich EG-AbfVerbrVO einen Einwand gegen die geplante Verbringung schon dann zulässt, wenn eine Abfallverwertung z. B. wegen eines zu geringen Anteils an verwertbarem Abfall ausscheidet, muss ein Einwand von der zuständigen Behörde erst recht erhoben werden können, wenn die Verbringung in einem gänzlich falschen Verfahren notifiziert worden ist (vgl. Engels, Grenzüberschreitende Abfallverbringung nach EG-Recht, 1999, S. 158 f.).

Für einen derartigen Fall des "falschen Verfahrens" ist nicht etwa das Verfahren für Abfälle zur Beseitigung als das strengere Verfahren (vgl. Art. 4 EG-AbfVerbrVO) als implizit gegeben anzusehen (so aber Winter, DVBl. 2000, 657, 665). Vielmehr muss die zuständige Behörde, wenn ihr die Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen nach Art. 6 EG-AbfVerbrVO notifiziert worden ist, gemäß Art. 7 Abs. 4 EG-AbfVerbrVO entscheiden, ob Einwände gegen die Abfallverbringung zu erheben sind. Allein diese Auslegung ist systemgerecht. Deshalb kann, falls nach Art. 6 EG-AbfVerbrVO notifiziert worden ist, ein Einwand nicht auf Art. 4 EG-AbfVerbrVO gestützt werden. Im übrigen bietet Art. 7 Abs. 4 EG-AbfVerbrVO der zuständigen Behörde alle Befugnisse, um gegen ein "falsches Verfahren" tätig werden zu können, so dass auch nach Sinn und Zweck kein Ausweichen auf das "strengere Verfahren" angezeigt ist.

II. Hat der Beklagte seinen Bescheid vom 03.04.1996 demnach zu Recht auf Art. 7 Abs. 4 EG-AbfVerbrVO gestützt, so greift der "Einwand des falschen Verfahrens" jedoch in der Sache nicht durch. Entgegen der Auffassung des Beklagten erfolgte die grenzüberschreitende Verbringung der Abfälle durch die Klägerin zu dem Zementwerk in Obourg/Belgien nicht zur Beseitigung, sondern zur Verwertung.

1. Ob es sich im konkreten Fall um die Verbringung von zur Beseitigung oder zur Verwertung bestimmten Abfällen handelt, beantwortet sich allein nach dem EG-Abfallrecht. Die EG-AbfVerbrVO trifft für die grenzüberschreitende Abfallverbringung eine abschließende Regelung (Engels, a.a.O., S. 98 f. und S. 264). Sie geht der sog. EG-Abfallrahmenrichtlinie - EG-AbfRRL - (Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15.07.1975 über Abfälle, ABl 1975 Nr. L 194 S. 47) vor (HessVGH, Beschl. v. 05.02.1998, NuR 1999, 156, 158). Dabei werden Anhang II A (Beseitigungsverfahren) und Anhang II B (Verwertungsverfahren) der EG-AbfRRL vollinhaltlicher Bestandteil der Verordnung. Denn nach Art. 2 Buchstabe i) bzw. k) der Verordnung "sind" Beseitigung bzw. Verwertung die in Art. 1 Buchstabe e) bzw. f) der EG-AbfRRL genannten Verfahren. Demnach rezipiert die Verordnung die in der EG-AbfRRL aufgelisteten Beseitigungs- bzw. Verwertungsverfahren und macht sie zu ihrem Bestandteil; die Anhänge teilen damit den Rang einer EG-Verordnung und sind infolgedessen unmittelbar anwendbares Recht (vgl. Art. 249 Abs. 2 EG).

Hat somit im Verbringungsfall die Abgrenzung zwischen Abfall zur Verwertung und Abfall zur Beseitigung ausschließlich nach EG-Abfallrecht zu erfolgen, so ist die ergänzende Heranziehung des mitgliedstaatlichen, deutschen Rechts, etwa der §§ 4 Abs. 4 und 6 Abs. 2 KrW-/AbfG, nicht zulässig (Giesberts, NVwZ 1996, 949, 950; Engels, a.a.O., S. 114). Andernfalls wäre die einheitliche Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts gefährdet (in diesem Sinne zum Vorrang der Aufbereitung von Altöl EuGH, Urt. v. 09.09.1999 - Rs. C-102/97 - Slg. 1999, I-5051 = NVwZ 1999, 1214 Tz. 40). Infolgedessen ist das Gemeinschaftsrecht hier nicht etwa unter Rückgriff auf das nationale Recht verbindlich auszulegen, vielmehr ist eine eigene gemeinschaftsrechtliche Auslegung vorzunehmen (vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, RdNr. 681).

Hiergegen kann nicht mit Erfolg eingewendet werden, ein Rückgriff auf das nationale Recht sei schon deshalb unausweichlich, weil das EG-Abfallrecht andernfalls gar nicht vollziehbar sei (so aber Dieckmann/Graner, NVwZ 1998, 221, 225). Es mag sein, dass das EG-Abfallrecht einen höheren Abstraktionsgrad aufweist als das KrW-/AbfG und dass deshalb auch die Abgrenzung zwischen Abfall zur Verwertung und Abfall zur Beseitigung im Einzelfall rechtlich schwierig ist. Gleichwohl ist die Abgrenzung - wie sogleich darzulegen ist (nachf. 2.) - möglich, so dass deutsche Behörden gehindert sind, bei der Anwendung des EG-Abfallrechts einseitig auf abweichendes nationales Recht zurückzugreifen (VG Neustadt a.d.W., a.a.O., S. 20). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des EuGH vom 15.06.2000 (Rs. C-418/97 und C-419/97, EuZW 2000, 600 = NVwZ 2000, 1156). In jener Entscheidung hat der Gerichtshof ausgeführt (Tz. 70), in Ermangelung spezifischer gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen für den Nachweis, dass es sich um Abfall handele, sei es Sache des nationalen Gerichts, insoweit die Bestimmungen seines eigenen Rechtssystems anzuwenden, wobei es darauf zu achten habe, dass die Zielsetzung und Wirksamkeit des EG-Rechts nicht beeinträchtigt werde. Zum einen geht es hier nicht um die Frage, ob überhaupt "Abfall" vorliegt, sondern um die Abgrenzung von Verwertung und Beseitigung von Abfällen. Zum anderen fehlt es hier nicht an gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen zur Unterscheidung von Verwertung und Beseitigung. Auch darf der Rückgriff auf das nationale Recht nur im Rahmen des EG-Rechts erfolgen.

Im Übrigen ist der nationale Normgeber keineswegs daran gehindert, im Rahmen der EG-rechtlichen Vorgaben Konkretisierungen des Abfallverbringungsrechts vorzunehmen. Das deutsche Abfallverbringungsgesetz - AbfVerbG - vom 30.09.1994 (BGBl. I S. 2771) dient (vgl. die Amtliche Anmerkung hierzu) auch der Ausführung der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 01.02.1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft. Die mit Gesetz vom 25.08.1998 (BGBl. I S. 2455) erfolgte Einfügung von Absatz 8 in § 2 AbfVerbrG dient nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 13/10364 S. 11) ausdrücklich dem Zweck, eine Anpassung an die Entscheidung der Kommission 96/350/EG vom 24.05.1996 zur Fortentwicklung der Anhänge II A und II B gemäß Art. 17 EG-AbfRRL vorzunehmen bzw. vorzubereiten. Durch § 2 Abs. 8 AbfVerbrG wird die Bundesregierung ermächtigt, zur Umsetzung des EG-Rechts durch Rechtsverordnung Abfallgruppen, Beseitigungsverfahren oder Verwertungs-verfahren in die Anhänge II A oder II B aufzunehmen, aus diesen Anhängen herauszunehmen oder zu ändern. Dabei mag das zwischen Bundesregierung und Bundesrat umstrittene (vgl. BT-Drucks. 13/10364 S. 15 und S. 17) Verhältnis des § 2 Abs. 8 AbfVerbrG zu dem ebenfalls mit Gesetz vom 25.08.1998 (BGBl. I S. 2455) eingefügten § 3 Abs. 9 KrW-/AbfG dahinstehen. Jedenfalls ist (auch) der nationale Normgeber ermächtigt, im Rahmen des EG-Rechts eine Konkretisierung der Verfahren nach Anhang II A und II B der EG-AbfRRL vorzunehmen. Da diese Konkretisierung bislang nicht erfolgt ist, sind deutsche Behörden und Gerichte auf das unmittelbar anwendbare EG-Recht zurückverwiesen.

Der Senat merkt an, dass eine Fortentwicklung, Konkretisierung und Harmonisierung des EG-Abfallverbringungsrechts durch das EG-Recht selbst angezeigt ist. Das im März 1999 von der Kommission im Technischen Ausschuss im Verfahren nach Art. 17, 18 EG-AbfRRL vorgelegte Dokument, das zur Präzisierung für die in R 1 des Anhangs II B aufgeführte energetische Verwertung einen Heizwert von mindestens 17.000 kj/kg vorsah, weist nach Auffassung des Senats einen möglichen Weg, um die Unterschiede in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zur Unterscheidung von Abfällen zur Verwertung und zur Beseitigung (vgl. dazu Klagebeantwortung der Bundesrepublik Deutschland in der Rs. C-228/00, Tz. 21 ff.) zu überwinden (vgl. auch BMU, Umwelt Nr. 4/2000, Sonderteil S. III). Mit einem derartigen Heizwertkriterium, das die Mindestanforderung im nationalen Rechtskreis nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG deutlich überschreitet, könnte zudem ein in der Praxis handhabbarer Maßstab zur Verwertung von Abfällen innerhalb der EG gefunden sein, der einen Verzicht auf das ohne weiteres nicht vollzugsfähige Kriterium des Schadstoffpotentials (hierzu unten - III 1b) nahe legen könnte (zu den aktuellen rechtspolitischen Bemühungen vgl. Petersen ZUR Sonderheft/2000, 61, 67 f.).

2. Nach der Systematik der somit allein maßgeblichen EG-AbfVerbrVO ist bei der grenzüberschreitenden Verbringung strikt zwischen Abfällen zur Beseitigung und Abfällen zur Verwertung zu unterscheiden. Titel II dieser Verordnung differenziert zwischen der Verbringung von zur Beseitigung bestimmten Abfällen (Abschnitt A) und der Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen (Abschnitt B). Bei den Abfällen zur Beseitigung verfügen die zuständigen Behörden über weitergehende Möglichkeiten zur Verhinderung einer grenzüberschreitenden Abfallverbringung (BVerwG, Urt. v. 13.04.2000 - 7 C 47/98 - NVwZ 2000, 1175, 1177; Senat, Beschl. v. 23.03.1999, VBlBW 1999, 387 = DÖV 1999, 612 = NVwZ-RR 1999, 733). Deshalb kommt der Abgrenzung eine erhebliche praktische Bedeutung zu.

a) Die EG-AbfVerbrVO enthält selbst keine Definition der Begriffe "Beseitigung" und "Verwertung", sondern rezipiert in ihrem Art. 2 Buchstabe i) und Buchstabe k) die Begriffsbestimmung in der Richtlinie 75/442/EWG. Nach deren Art. 1 Buchstabe e) umfasst "Beseitigung" alle in Anhang II A aufgeführten Verfahren, während sich die Verwertung gemäß Art. 1 Buchstabe f) auf alle in Anhang II B aufgeführten Verfahren bezieht. Danach liegt ein Fall der thermischen Abfallbeseitigung bei der "Verbrennung an Land" (D 10) vor, die energetische Verwertung setzt beim Abfall die "Hauptverwendung als Brennstoff oder andere Mittel der Energieerzeugung" (R 1) voraus. Nach dem Wortlaut kommt es also für die energetische Verwertung entscheidend darauf an, dass der Abfall hauptsächlich als Brennstoff verwendet wird. Als Brennstoff dient Abfall nur, wenn durch seine Verbrennung Wärmeenergie erzeugt wird und diese Wärme auch tatsächlich genutzt wird. Andernfalls wird der Abfall nicht als Brennstoff verwendet, sondern nur verbrannt. Indem für die Einordnung der Abfälle prinzipiell die Qualifikation des Behandlungsverfahrens entscheidend ist (Giesberts, NVwZ 1996, 949; Engels, a.a.O., S. 113), kommt die für das Gemeinschaftsrecht typische funktionale Betrachtungsweise zum Tragen. Die Anwendung "verwendungsspezifischer" Kriterien (so VG Neustadt a.d.W., a.a.O., S. 19) führt im Ergebnis dazu, dass der EG-AbfVerbrVO gegenwärtig ein weiterer Verwertungsbegriff zugrunde liegt als dem deutschen Abfallrecht (Scherer-Leydecker, NVwZ 1999, 590, 596).

b) Weitere Kriterien für die Zuordnung der Verwendung von Abfall zum Verwertungsverfahren R 1 nach Anhang II B oder zum Beseitigungsverfahren D 10 nach Anhang II A der Richtlinie 75/442/EWG kennt das EG-Abfallrecht derzeit nicht. Deshalb kann nicht - unter Rückgriff auf nationales Recht - zusätzlich auf andere Kriterien, insbesondere einen bestimmten Heizwert, den Feuerungswirkungsgrad der Verbrennungsanlage, den Schadstoffgehalt des Abfalls oder auf den (positiven oder negativen) Marktwert des Abfalls abgestellt werden (VG Magdeburg, a.a.O., S. 1215; VG Neustadt a.d.W., a.a.O., S. 19; Giesberts, NVwZ 1996, 949, 951; Scherer-Leydecker, NVwZ 1999, 590, 596; z. T. auch Petersen, ZUR Sonderheft/2000, 61, 67; Winter, DVBl. 2000, 657, 662 und 665; a. A. Dieckmann/Graner, NVwZ 1998, 221, 224; zum rechtspolitisch sinnvollen Heizwertkriterium s. o. II 1 ). 3. Dieses Verständnis des sekundären EG-Abfallrechts wird zusätzlich durch die Heranziehung des primären Gemeinschaftsrechts erhärtet. Die Abfallverbringung unterliegt der Warenverkehrsfreiheit (Art. 30, 34 EGV = Art. 28, 29 EG) des Gemeinschaftsrechts (EuGH, Urt. v. 25.06.1998 - Rs. C-203/96 - Slg. 1998, I-4075 Tz. 33; Krieger, a.a.O., RdNr. 57; Frenz, UPR 2000, 210, 211; kritisch Winter, DVBl. 2000, 657, 658). Einschränkungen der Warenverkehrsfreiheit bedürfen daher einer besonderen Rechtfertigung.

Nach der Rechtsprechung des EuGH können rein wirtschaftliche Ziele (z. B. Rentabilität eines inländischen Unternehmens, Minimierung von Kosten) eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit nicht rechtfertigen. Vielmehr muss ein Rechtfertigungsgrund nach Art. 36 EGV (Art. 30 EG) gegeben sein, oder es müssen zwingende Erfordernisse des Umweltschutzes bestehen (EuGH, a.a.O., Tz. 44 ff.). Ferner zielt Art. 174 Abs. 1, 3. Spiegelstrich EG auf Ressourcenschonung; die Substitution von ansonsten benötigten Rohstoffen und Energieträgern kann daher maßgeblich für das Vorliegen einer Abfallverwertung sprechen (Scherer-Leydecker, a.a.O., S. 594).

III. Unter Anwendung der vorstehenden Grundsätze sind die von der Klägerin notifizierten Stoffe als Abfälle zur Verwertung nach dem Verfahren R 1 nach Anhang II B der Richtlinie 75/442/EWG zu qualifizieren, denn sie waren zur Hauptverwendung als Brennstoff vorgesehen.

1. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung wurden die Abfälle, die jedenfalls einen Mindestheizwert von 8.000 kj/kg aufwiesen, im Drehrohrofen des Zementwerks verbrannt, um andere für die Herstellung von Zement erforderliche Brennstoffe, insbesondere die dort verwendete sogenannte Ballastkohle, zu ersetzen. Die nicht brennbaren Bestandteile wurden in den Zement eingebunden.

a) Auch wenn ein bestimmter Mindestheizwert des als Ersatzbrennstoff eingesetzten Abfalls im EG-Recht derzeit nicht vorgeschrieben ist, muss mit der Verbrennung Wärmeenergie erzeugt und die erzeugte Wärme als Energie auch tatsächlich genutzt werden, damit der eingesetzte Abfall funktional als Brennstoff dienen kann (siehe oben II 2a). Dieses Kriterium hält der Senat bei Heizwerten von mindestens 8.000 kj/kg, wie sie von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung unter sachverständiger Erläuterung durch den für die Qualitätssicherung zuständigen Mitarbeiter des entsorgenden Unternehmens geltend gemacht worden sind, für erfüllt. Soweit Teile des von der Klägerin verbrachten Abfalls sogar Heizwerte von 16.000 kj/kg bis 31.700 kj/kg aufgewiesen haben, kann an der Verwendung als Brennstoff ohnehin kein Zweifel bestehen. Aber auch bei einem Heizwert von mindestens 8.000 kj/kg ist eine Höhe erreicht, die den Kriterien des Verwertungsverfahrens der Richtlinie 75/442/EWG noch entspricht. Dieser Heizwert geht über den (Mindest-)Heizwert bestimmter anderer Regelbrennstoffe (z.B. Braunkohle roh 6.000 bis 15.000 kj/kg, Torf 5.000 bis 11.000 kj/kg) hinaus (vgl. Fluck, DVBl. 2000, 1650, 1653 und 1656). Er übertrifft etwa auch den Mindestheizwert von über 5.000 kj/kg, den das französische Recht für eine energetische Verwertung im Sinne des Verfahrens R 1 voraussetzt (vgl. Klageerwiderung der Bundesrepublik Deutschland in der Rs. C 228/00 v. 05.10.2000, Tz. 23). Erreicht der in Obourg/Belgien eingesetzte Ersatzbrennstoff einen Mindestheizwert von 8.000 kj/kg, lässt sich daher seine "Verwendung als Brennstoff" bzw. sein Einsatz als "Mittel der Energieerzeugung" bei der nach dem Gemeinschaftsrecht gebotenen funktionalen Betrachtungsweise nach der derzeit maßgeblichen Rechtslage nicht in Abrede stellen.

Den Mindestheizwert der Abfälle von 8.000 kj/kg hat der Beklagte substantiell nicht bezweifelt; er hat lediglich ausgeführt, die von der Klägerin vorgelegten 14 Analysen, die Heizwerte zwischen 16.000 kj/kg und 31.700 kj/kg ausgewiesen hätten, seien nicht repräsentativ. Ob dies zutrifft, ist jedoch für die Frage, ob die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen erfüllt sind, nicht erheblich.

Es liegt auch eine Hauptverwendung als Brennstoff vor. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt hat, ersetzen die Abfälle im Verhältnis eins zu eins die im Zementwerk ansonsten eingesetzte Ballastkohle. Aber auch im Verhältnis zum hypothetischen Einsatz von Rohöl erfolgt durch die Verwendung der Abfälle als Brennstoff eine erhebliche Substitution von Primärenergieträgern. Darin liegt zugleich eine nicht unbeträchtliche Schonung von natürlichen Ressourcen. Anhaltspunkte für einen eventuellen Missbrauch des Verwertungsverfahrens R 1 nach Anhang II B der Richtlinie 75/442/EWG hat der Senat nicht. Auch die mit der Verbrennung verbundene Einbindung von nicht brennbaren Bestandteilen, insbesondere von Schadstoffen, in den Zement steht nach Überzeugung des Senats nicht derart im Vordergrund, dass eine Hauptverwendung der Abfälle als Brennstoff verneint werden könnte.

b) Der Senat teilt auch nicht die Rechtsauffassung des Beklagten, dem Schadstoffpotential des Abfalls komme im vorliegenden Zusammenhang im Hinblick auf Art. 4 EG-AbfRRL eine auch gemeinschaftsrechtlich beachtliche Bedeutung als eigenständiges Abgrenzungskriterium zu. Nach Gemeinschaftsrecht ist der Schadstoffgehalt eines Abfalls im vorliegenden Zusammenhang kein Kriterium zur Abgrenzung zwischen Verwertung und Beseitigung. Art. 4 EG-AbfRRL verpflichtet die Mitgliedstaaten auf die ordnungsgemäße und schadlose Abfallentsorgung, so dass die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht gefährdet bzw. geschädigt werden. Diese Pflicht bezieht sich jedoch gleichermaßen auf die Verwertung und auf die Beseitigung von Abfällen, gibt also für die Unterscheidung zwischen Abfallverwertung und Abfallbeseitigung nichts her (Petersen, a.a.O., S. 67). Wenn im sekundären EG-Recht derzeit nur eine einzelne Schadstoffgruppe (PCB/PCT) die Abfallverwertung ausschließt (vgl. Richtlinie 96/59/EG des Rates vom 16.09.1996 über die Beseitigung polychlorierter Biphenyle und polychlorierter Terphenyle (PCB/PCT), ABl Nr. L 243 S. 31), so dürfte dies ein weiteres Indiz dafür sein, dass im Übrigen eine Abgrenzung nach der Schadstoffbelastung - abgesehen vielleicht von Extremfällen - mit dem derzeit geltenden EG-Recht nicht vereinbar ist (Petersen, a.a.O., S. 67; Fluck, a.a.O., S. 1657).

2. Der Senat folgt auch nicht der erstmals im Schriftsatz vom 15.09.1999 vorgetragenen Argumentation des Beklagten, bei den von der Klägerin nach Obourg/Belgien gelieferten Abfällen handele es sich um "Ersatzbrennstoffe", Anhang III zur EG-AbfVerbrVO (Gelbe Liste) führe aber "Ersatzbrennstoff" nicht auf, so dass das Verfahren nach Art. 6 bis 8 EG-AbfVerbrVO nicht einschlägig gewesen sei, sondern die Klägerin nach Art. 10 EG-AbfVerbrVO die schriftliche Zustimmung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vor dem Beginn der Abfallverbringung benötigt habe. Da diese nicht vorgelegen habe, sei die Abfallverbringung illegal i.S.d. Art. 26 Abs. 1 Buchstabe b) EG-AbfVerbrVO gewesen, so dass die Einwendungen des Beklagten rechtens gewesen seien.

Diese Sicht verkennt, dass es sich bei dem Begriff "Ersatzbrennstoff" um einen Sammelbegriff handelt, dem im vorliegenden Zusammenhang des EG-Abfallrechts keine konstitutive rechtliche Bedeutung zukommt. Die von der Klägerin nach Obourg/Belgien gelieferten mit Sägemehl konfektionierten mineralischen Öle, Farb- und Lackschlämme sind den in Anhang III zu Art. 6 Abs. 1 EG-AbfVerbrVO (Gelbe Liste) unter AD 070 - unter Umständen, was allerdings seitens der Beteiligten nicht vorgetragen ist, den unter AC 030 - genannten Abfällen, die sowohl anorganische als auch organische Stoffe enthalten können, zuzuordnen. Der Beklagte spricht im Schriftsatz vom 15.09.1999 selbst davon, bei den Abfällen handele es sich um - mit Sägemehl konditionierte - Lösemittelgemische, Lack- und Farbschlämme, Druckfarbenreste, Lacke, Altfarben, Anstrichmittel etc. Dann jedoch sind die Abfälle dem Kapitel AD des Anhangs III zu Art. 6 Abs. 1 EG-AbfVerbrVO zuzuordnen.

3. Nach dem EG-Abfallrecht kommt es schließlich für die Qualifizierung der Entsorgungsmaßnahme nicht darauf an, dass ein Abfallgemisch zum Einsatz gekommen ist. "Abfall" kann auch ein Abfallgemisch sein. Schon im deutschen Recht gibt es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kein generelles Vermischungsverbot (BVerwG, Beschl. v. 29.04.1999 - 7 C 22/98 - BA S. 3; bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 15.06.2000, DVBl. 2000, 1356, 1357 = NVwZ 2000, 1178, 1179.). Auch das EG-Abfallrecht verpflichtet nicht allgemein zum Getrennthalten von Abfällen (Petersen, a.a.O., S. 67). Ob und unter welchen Voraussetzungen die Vermischung verschiedener Abfälle zur Herstellung des schließlich als Brennstoff zum Einsatz kommenden Abfallgemisches zulässig ist, ist im Übrigen keine im Notifizierungsverfahren nach Art. 6 ff. EG-AbfVerbrVO zu beantwortende Frage, sondern unabhängig davon mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 91/689/EWG nach den einschlägigen staatlichen Vorschriften (z. B. § 4 AltölV) zu beurteilen (vgl. auch § 2 HKW/AbfV). Ein eventuell einschlägiges Vermischungsverbot wäre in einem anderen Verfahren durchzusetzen, es könnte nicht mit einem auf Art. 7 Abs. 4a EG-AbfVerbrVO gestützten Verwaltungsakt vollzogen werden. Im Notifizierungsverfahren ist, soweit es um den Einwand des falschen Verfahrens geht, allein der notifizierte Abfall - und sei es in Form eines Abfallgemischs - daraufhin zu beurteilen, ob es sich um Abfall zur Verwertung oder um Abfall zur Beseitigung handelt. Daher sind Fragen der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Abfallvermischung nicht Gegenstand dieses Einwandes.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache Fragen grundsätzlicher Bedeutung im Blick auf die Auslegung von Art. 7 Abs. 4a EG-AbfVerbrVO i.V.m. Anhang II B (R 1) der EG-AbfRRL sowie der Anwendung von §§ 4 Abs. 4 Satz 3, 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG zur Konkretisierung des EG-Abfallverbringungsrechts aufwirft, die durch die höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht geklärt sind.

Beschluss vom 25.01.2001

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 60.000,-- DM festgesetzt (§§ 25 Abs. 2 Satz 1, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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