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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 25.04.2007
Aktenzeichen: 1 S 2828/06
Rechtsgebiete: GG, VersG, FTG


Vorschriften:

GG Art. 8 Abs. 1
VersG § 1 Abs. 1
VersG § 15 Abs. 1
VersG § 15 Abs. 2 (a.F.)
FTG § 7 Abs. 2
FTG § 8 Abs. 3
1. Bereits zwei Personen können eine Versammlung im verfassungsrechtlichen und versammlungsrechtlichen Sinne bilden.

2. Eine stille Mahnwache, bei der politische Plakate mit rechtsgerichtetem Inhalt gezeigt werden, kann nicht allein unter Hinweis auf den Charakter und die Würde des Volkstrauertags verboten werden; dies gilt auch dann, wenn die Mahnwache in der Nähe einer offiziellen Gedenkfeier veranstaltet wird.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

1 S 2828/06

Verkündet am 25.04.2007

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Fortsetzungsfeststellungsklage

hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. Januar 2006 - 8 K 308/04 - wird geändert.

Es wird festgestellt, dass die Beschlagnahme der Plakate und der Platzverweis am Volkstrauertag 2003 sowie die Beschlagnahme der Flugblätter und die Ingewahrsamnahme des Klägers am Volkstrauertag 2004 rechtswidrig waren.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit polizeilicher Maßnahmen anlässlich öffentlicher Gedenkfeiern zum Volkstrauertag 2003 und 2004 auf dem Bergfriedhof in Tübingen.

Die Beklagte veranstaltet gemeinsam mit dem Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge alljährlich am Volkstrauertag - in Anlehnung an die zentrale Gedenkstunde im Deutschen Bundestag - auf dem Bergfriedhof in Tübingen eine öffentliche Gedenkfeier in der dortigen Kapelle mit anschließender Kranzniederlegung am Mahnmal. Die Veranstaltung beginnt jeweils um 11:15 Uhr. Nach dem Willen der Veranstalter darf seit dem Jahre 1987 nur ein Kranz niedergelegt werden. Bereits seit Jahren möchte der Kläger, der sich am äußersten rechten Rand des politischen Spektrums bewegt, bei dieser Gelegenheit auf seine Anliegen und Ansichten aufmerksam machen. Dabei war er anfangs bestrebt, an der Veranstaltung auf dem Friedhof teilzunehmen, und versuchte einmal, diese durch lautes Rufen zu stören, nachdem ihm die Teilnahme untersagt worden war. In einer 2001 abgegebenen Erklärung versicherte er, die Veranstaltung fortan nicht mehr zu stören.

Am Volkstrauertag 2003 fuhr der Kläger gegen 10:40 Uhr zusammen mit einem Begleiter mit einem Fahrzeug auf einen freien Parkplatz gegenüber dem Haupteingang des Bergfriedhofs. Sie führten Plakate mit sich und stellten sich mit diesen unmittelbar gegenüber dem Haupteingang auf. Auf den Plakaten war zu lesen: " 'Man darf in der BRD (schon lange) nicht mehr die Wahrheit sagen.? BRAVO Hohmann, General Günzel, PFUI Merkel, Stoiber, Struck ..." (Plakat 1). "Russ-Scherer, Weimer ... : Hängt die Heimkehrertafel wieder auf!" (Plakat 2). "Viele Politiker u. Medien sind so dumm, da sie nicht mehr wissen wo Ostdeutschland liegt. Zählen Sie auch dazu?" (Plakat 3). "Deutsche sind keine 'Antisemiten? wegen Goebbels und Hitler - wohl aber judenkritisch wegen USrael, Scharon, Spiegel, Friedman und vielen Lea Rosh`s!" (Plakat 4). Nachdem ein Vertreter der Beklagten den Kläger vergeblich aufgefordert hatte, die Plakate zu entfernen, ordnete er einen Platzverweis und die Beschlagnahme der Plakate bis zum Ende der Gedenkveranstaltung an. Der Kläger verließ daraufhin den Parkplatz, hielt sich jedoch weiterhin auf dem Gelände des Bergfriedhofs auf. Der gegen diese Maßnahmen erhobene Widerspruch des Klägers wurde von der Beklagten unter Hinweis auf die Erledigung der Verwaltungsakte nicht beschieden.

Am Volkstrauertag 2004 begab sich der Kläger mit zwei weiteren Personen zum Haupteingang des Bergfriedhofs. Dabei klemmte er Faltblätter zur Ausländerpolitik, hrsg. vom "Schutzbund für das deutsche Volk e.V.", unter die Scheibenwischer von Fahrzeugen, die auf den Parkplätzen abgestellt waren. Ein Vertreter des Ordnungsamts der Beklagten forderte den Kläger auf, die Verteilung der Flugblätter zu unterlassen, und fügte hinzu, er solle den Totensonntag nicht jedes Mal für seine Aktionen missbrauchen. Hierauf entgegnete der Kläger ausweislich des Polizeiberichts: "Sie missbrauchen den Volkstrauertag für ihre Juden- und Kommunistenpropaganda." Daraufhin wurde die Beschlagnahme der Flugblätter angeordnet. Als sich der Kläger der Wegnahme der Flugblätter widersetzte und laut zu schreien anfing, wurde angeordnet, dass der Kläger bis zum Ende der Feierstunde in Gewahrsam genommen werde. Er wurde mit einfacher körperlicher Gewalt in das Dienstfahrzeug des Polizeivollzugsdienstes verbracht und zum Polizeirevier Tübingen gefahren, wo er in der Gewahrsamseinrichtung eingeschlossen und um 12:16 Uhr wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Die beiden Begleiter des Klägers begaben sich währenddessen zum Haupteingang des Bergfriedhofs, wo sie sich wiederum mit politischen Plakaten aufstellten. Diese entsprachen inhaltlich zum einen im Wesentlichen den oben erwähnten Plakaten 1 - 3 ; zum anderen stand auf einem vierten Plakat: "Wer wie die BRD Machthaber ein Verbrechen im Nachhinein als Recht behandelt, hat kein Recht andere zu verurteilen." Nach längerer Diskussion mit dem Vertreter des Ordnungsamts der Beklagten wurden die Plakate wieder entfernt und in den PKW verbracht.

Mit Schreiben vom 29.01.2004 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Sigmaringen erhoben, die er mit Schreiben vom 11.11.2005 erweitert hat; er hat die Feststellung der Rechtswidrigkeit der gegen ihn gerichteten polizeilichen Maßnahmen in den Jahren 2003 und 2004 sowie im Wege einer vorbeugenden Unterlassungsklage die Unterlassung ähnlicher polizeilicher Maßnahmen in der Zukunft begehrt. Er hat geltend gemacht, dass rechtswidrige Eingriffe in sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit auch in Zukunft zu befürchten seien, weil die Beklagte nach ihrem eigenen Bekunden die von ihm verwendeten Plakate nicht dulden werde. Die Beklagte übe eine unzulässige Zensur aus, indem sie missliebige Meinungsäußerungen von rechts unterdrücke. Die Beklagte hat im Wesentlichen vorgetragen, dass die polizeilichen Maßnahmen rechtmäßig gewesen seien. Das Zeigen von Plakaten mit rechtsgerichtetem Inhalt stelle angesichts der Zielrichtung des Volkstrauertags, der gegen rechtsextreme Bestrebungen und rechtsextremes Gedankengut gerichtet sei, eine Störung der öffentlichen Ordnung dar.

Mit Urteil vom 26.01.2006 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig. Ein Feststellungsinteresse sei wegen der Wiederholungsgefahr gegeben; darüber hinaus habe der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an einer Rehabilitierung, weil sein Ruf beschädigt worden sei. Schließlich müsse auch bei grundrechtsrelevanten Maßnahmen, die sich schnell erledigten, eine gerichtliche Kontrolle gewährleistet sein. Die Klage sei jedoch unbegründet. Die polizeilichen Maßnahmen an den Volkstrauertagen 2003 und 2004 seien rechtmäßig gewesen. Die Platzverweise fänden ihre Rechtsgrundlage in §§ 1, 3 PolG. Eine Störung der öffentlichen Sicherheit habe vorgelegen. Die Veranstalter der offiziellen Gedenkfeiern auf dem Bergfriedhof hätten aufgrund der ihnen erteilten Sondernutzungserlaubnis das Recht, den Ablauf der Veranstaltung zu bestimmen und die Gedenkstätte nach ihren Wünschen und Bedürfnissen zu gestalten; es gebe kein Recht Dritter, darauf Einfluss zu nehmen. Dieses Gestaltungsrecht beziehe sich räumlich nicht nur auf das Friedhofsgelände selbst, sondern auch auf den Zugangsbereich. Zeitlich setze die Sondernutzungserlaubnis nicht erst mit Beginn der Veranstaltung, sondern bereits zu einem Zeitpunkt ein, zu dem regelmäßig mit dem Eintreffen von Besuchern und Teilnehmern der Veranstaltung zu rechnen sei. Eine Störung dieses Rechts der Veranstalter habe durch das Verhalten des Klägers unmittelbar bevor gestanden. Denn der Inhalt seiner Plakate und sonstigen Meinungsäußerungen habe zu dem von den Veranstaltern gewünschten mahnenden Charakter der Gedenkfeier in erkennbaren Widerspruch gestanden. Zudem seien im Jahre 2004 wegen des aggressiven Verhaltens des Klägers angesichts der in den Vorjahren zu verzeichnenden massiven Störversuche weitere Störungen zu befürchten gewesen. Es habe auch eine Gefahr für die öffentliche Ordnung bestanden. Diese werde hier durch die provokante Art und Weise der Meinungskundgabe verletzt, denn der Volkstrauertag diene der Erinnerung an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft und damit an diejenigen Menschen, die unmittelbar durch die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft oder mittelbar durch den von dieser verschuldeten Weltkrieg ihr Leben verloren hätten, und der Mahnung vor der Wiederholung solcher oder vergleichbarer Geschehnisse. Demnach sei dieser Feiertag als solcher und speziell die Gedenkfeier nach überwiegender Anschauung gegen rechtsextreme Bestrebungen und rechtsextremes Gedankengut gerichtet. Die politisch rechts angesiedelten Meinungsäußerungen des Klägers und dessen lautstarke Auftritte störten insoweit die öffentliche Ordnung. Die Platzverweise seien als vorübergehende Maßnahmen von nur kurzer Dauer nicht unverhältnismäßig gewesen und auch ermessensfehlerfrei ergangen. Die Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit des Klägers sei nach Art. 5 Abs. 2 GG nicht zu beanstanden. Denn die Abgrenzung gegenüber der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands gehöre zu den tragenden Elementen der Wertordnung des Grundgesetzes; eine Veranstaltung wie die Gedenkfeier zum Volkstrauertag gehöre zum eng begrenzten Kernbereich, in welchem die symbolische Bekräftigung dieser Abgrenzung auch im Sinne einer Selbstvergewisserung des demokratischen Gemeinwesens gänzlich frei von Störungen gehalten werden müsse. Die Beschlagnahme der Plakate und der Flugblätter sei durch § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG gedeckt, da sie als Mittel zur Abwehr der unmittelbar bevorstehenden Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gedient hätten. Die Anordnung des polizeilichen Gewahrsams beruhe auf § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG; der erforderliche enge Zusammenhang mit der Gedenkveranstaltung sei ebenfalls gewahrt, da der Kläger unmittelbar nach Ende dieser Veranstaltung wieder aus dem Gewahrsam entlassen worden sei. Der Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme des Klägers stehe schließlich nicht entgegen, dass keine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam herbeigeführt worden sei. Denn eine solche Entscheidung sei hier entbehrlich gewesen, da sie erst zu einem Zeitpunkt hätte ergehen können, als der Grund für den Gewahrsam wieder weggefallen sei. Die vorbeugende Unterlassungsklage dürfte zwar zulässig sein, da der Kläger sich auf ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse berufen könne. Sie sei allerdings unbegründet, da dem Kläger angesichts der Rechtmäßigkeit der in den Jahren 2003 und 2004 durchgeführten polizeilichen Maßnahmen ein Unterlassungsanspruch nicht zustehe.

Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 30.11.2006 - 1 S 1397/06 - zugelassenen Berufung, mit der er sein ursprüngliches Klagebegehren präzisierend weiterverfolgt, trägt der Kläger vor: Das Verwaltungsgericht dehne das Sondernutzungsrecht der Veranstalter der Gedenkfeier auf dem Friedhof in räumlicher und zeitlicher Hinsicht unzulässig aus. Die aus dem Sondernutzungsrecht folgende Gestaltungsbefugnis erstrecke sich nur auf den Bereich des Mahnmals auf dem Bergfriedhof, nicht jedoch auf den gesamten Friedhof und gar den Zugangsbereich. Jedenfalls fehle es aber für die Annahme einer Störung durch ein unmittelbares Einwirken auf die Veranstaltung von außen an der Wahrnehmbarkeit der politischen Meinungsäußerungen. Denn der Mahnmalsbereich, wo die Kränze niedergelegt würden, sei ca. 150 - 200 m vom Eingangsbereich des Bergfriedhofs entfernt, während die Gedenkfeier in einer Kapelle stattfinde, die in entgegengesetzter Richtung ca. 120 m vom Eingang entfernt liege. Wenn die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung auf dem Weg von der Kapelle zum Mahnmal wieder am Eingang vorbeikämen, schauten sie nach vorn und nicht zur Seite; außerdem sei die Sicht von der gegenüberliegenden Straßenseite in den Eingangsbereich durch die vorhandenen Gitterstäbe beeinträchtigt. Eine Störung der öffentlichen Ordnung habe ebenso wenig vorgelegen. Die Gedenkfeier sei nicht konkret gestört worden. Der Volkstrauertag genieße in Baden-Württemberg keinen besonderen gesetzlichen Schutz; es handele sich um einen normalen Sonntag. Des Weiteren habe der Volkstrauertag keinen politischen Sinngehalt im Hinblick auf die Bekämpfung rechtsextremistischen Gedankenguts. Zwar solle auch daran erinnert werden, dass ein dem nationalsozialistischen Regime und dem Zweiten Weltkrieg vergleichbares Sterben durch Unrechtsregime und Angriffskriege sich nicht wiederholen möge; doch sei es unzutreffend, dass eine solche Wiederholungsgefahr nur aus der politischen Welt des Rechtsextremen gegeben sei. Im Übrigen gehe das Verwaltungsgericht selbst nur von politisch rechts angesiedelten, nicht aber von rechtsextremen Meinungsäußerungen aus. Es sei auch nicht ersichtlich, dass seine Plakate und Flugblätter der Verherrlichung und Billigung von Angriffskriegen oder von totalitären Unrechtsregimen gedient hätten. Das Vorgehen der Beklagten stelle eine unzulässige Zensur der politischen Meinungsäußerung dar; ohnehin habe jedermann, der sich durch diese politische Meinungskundgabe gestört fühle, die Möglichkeit, wegzusehen oder die Handzettel ungelesen wegzuwerfen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. Januar 2006 - 8 K 308/04 - abzuändern und

a) festzustellen, dass die von der Beklagten veranlasste Plakatbeschlagnahme und der ausgesprochene polizeiliche Platzverweis am Volkstrauertag 2003 gegenüber dem Kläger auf dem Gehweg gegenüber dem Eingangsbereich des Bergfriedhofs Tübingen rechtswidrig waren

b) festzustellen, dass die von der Beklagten veranlasste Flugblattbeschlagnahme und der ausgesprochene Platzverweis (mittels Ingewahrsamnahme) gegenüber dem Kläger am Volkstrauertag 2004 im öffentlichen Zugangsbereich des Bergfriedhofs Tübingen rechtswidrig waren,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, es fortan an Volkstrauertagen zu unterlassen, vom Kläger gezeigte Plakate im öffentlichen Verkehrsraum (Bürgersteig, Parkplätze) gegenüber dem Eingangsbereich des Bergfriedhofs Tübingen zu verbieten, zu beschlagnahmen oder mittels Platzverweises zu verunmöglichen, es sei denn, dass ein Einschreiten auf der Grundlage von StGB und StPO oder wegen Verherrlichung/Billigung von Unrechtsregimen und Angriffskriegen geboten ist, oder der Kläger in akustischer Weise störend in Erscheinung tritt, und die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, eine vom Kläger beabsichtigte Verteilung von Handzetteln im öffentlichen Verkehrsraum (Bürgersteig, Parkplatz) gegenüber dem Eingangsbereich des Bergfriedhofs zu verbieten, die Handzettel zu beschlagnahmen oder ihre Verteilung mittels Platzverweises zu verunmöglichen, es sei denn, dass ein Einschreiten auf der Grundlage von StGB und StPO oder wegen der Verherrlichung/Billigung von Unrechtsregimen und Angriffskriegen geboten ist, oder der Kläger in akustischer Weise störend in Erscheinung tritt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren Bezug genommen. Dem Senat liegen die Behörden- und Gerichtsakten aus dem Klageverfahren vor; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch ansonsten zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die - im Berufungsverfahren sachdienlich im Hauptantrag verfolgte - Fortsetzungsfeststellungsklage nicht abweisen dürfen.

I. Diese Klage ist nach vorprozessualer Erledigung der streitigen Verwaltungsakte in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere steht dem Kläger ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zur Seite. Er kann sich jedenfalls auf eine Wiederholungsgefahr berufen. Daneben kann er auch geltend machen, dass sich die zur gerichtlichen Überprüfung gestellten Maßnahmen typischerweise schnell erledigen, so dass angesichts der Grundrechtsbetroffenheit die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG die Eröffnung der Klagemöglichkeit gebietet (vgl. Senatsurteil vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 -, VBlBW 2005, 431 m.w.N.). Der Klageantrag ist mit der Klarstellung, dass auch die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme im Jahre 2004 festgestellt werden soll, zulässig. Darin liegt nicht etwa eine unzulässige Klageerweiterung in der Berufungsinstanz. Denn bei sachdienlicher Auslegung des ursprünglichen Klagebegehrens ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass der Kläger bereits vor dem Verwaltungsgericht auch die Ingewahrsamnahme zum Klagegegenstand gemacht hat.

II. Die Klage ist auch begründet. Die polizeilichen Maßnahmen gegenüber dem Kläger waren rechtswidrig. Sie sind von einer Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt. Der Anwendungsbereich des Polizeigesetzes, auf das die Beklagte die Maßnahmen gestützt hat, war unmittelbar nicht eröffnet. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten auf der Grundlage des vorrangigen Versammlungsgesetzes, in dessen Folge dann auch Maßnahmen aufgrund des Polizeigesetz ergehen dürfen (siehe etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, NVwZ 2005, 80 <81> m.w.N.; vgl. auch § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung des Innenministeriums über Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz - VersGZuVO - vom 25.05.1977, GBl. S. 196, zuletzt geändert durch Verordnung vom 17.06.1997, GBl. 278), lagen nicht vor.

1. Die als eine Art "Mahnwache" einzuordnenden Aktionen des Klägers und seiner jeweiligen Begleiter erfüllten in beiden Jahren den verfassungsrechtlichen Begriff der Versammlung i.S.v. Art. 8 Abs. 1 GG, der sich mit dem versammlungsrechtlichen Begriff deckt.

a) Eine Versammlung ist danach eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <104>). Durch Meinungskundgabe mittels Plakaten und Flugblättern zielte das Auftreten auf die öffentliche Meinungsbildung. Eine geringe Teilnehmerzahl steht der Annahme einer Versammlung nicht entgegen. Ein Sich-Versammeln als Zusammenkunft "mehrerer Personen" ist bereits bei nur zwei Teilnehmern gegeben (vgl. zur mittlerweile überwiegenden Auffassung in der verfassungs- und versammlungsrechtlichen Literatur zuletzt Sachs in: Stern, Staatsrecht, Bd. IV 1, 2006, § 107, S. 1196 ff., mit umfangreichen Nachweisen <in Fn. 122>, auch zur Gegenansicht <in Fn. 123>; zur strafrechtl. und OWi- Rspr. <mind. 3 Personen> Wache in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtl. Nebengesetze, Bd. 4, V 55 <Dez. 2005>, § 1, Rn. 23 m.N.). Der mögliche Wortsinn als Grenze der Interpretation ist damit - im Gegensatz zur Annahme einer "Ein-Mann-Versammlung", die ggfs. als Demonstration nur von Art. 5 Abs. 1 GG geschützt ist - nicht überschritten. Eine unterschiedliche rechtliche Einordnung einer Veranstaltung mit zwei und einer mit drei Personen unter Verweis auf ein - vages - Sprachgefühl und "natürliches Verständnis" überzeugt angesichts des auch individualbezogenen Schutzzwecks des Art. 8 GG und des daraus zu folgernden Verbots einer staatlichen Isolierung des Einzelnen nicht; dies gilt auch dann, wenn ein - bezogen auf den verfolgten Zweck - enger Versammlungsbegriff zugrunde gelegt wird. Gegen diese weite Auslegung des Grundrechtstatbestands spricht schließlich nicht die damit nach Maßgabe des Gesetzesvorbehalts in Art. 8 Abs. 2 GG einhergehende Möglichkeit der Auferlegung versammlungsrechtlicher Pflichten (siehe hierzu Gusy in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 5. Aufl. 2005, Art. 8 Rn. 15; Hoffmann-Riem in: Dennninger <Hg.>, AK-GG, 3. Aufl. <GW 2001>, Art. 8 Rn. 18). Denn auch der vorliegende Fall zeigt, dass sich der Regelungsbedarf bei öffentlichen und öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen mit zwei oder mit drei Personen nicht grundlegend unterscheidet. Fehlt insbesondere Veranstaltungen mit nur wenigen Personen die Öffentlichkeitswirkung, etwa weil sie als Zwiegespräch schon ihrer Natur nach nicht öffentlich sind, ist das Versammlungsgesetz mit seinen besonderen Pflichten, etwa der Anmeldepflicht, nicht einschlägig. Einer unterschiedlichen verfassungsrechtlichen und einfachrechtlichen Begriffsbildung bedarf es folglich nicht.

b) Der zeitliche Geltungsbereich des Versammlungsgesetzes war ebenfalls eröffnet. Er setzt - vorbehaltlich einer abweichenden ausdrücklichen Regelung (siehe insbes. § 17a VersG) - nach der Rechtsprechung des Senats im Interesse einer klaren Zäsur den Beginn der Versammlung voraus (Urteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761 <763>). Dies war im Zeitpunkt des behördlichen Einschreitens nicht nur am Volkstrauertag 2003, sondern auch am Volkstrauertag 2004 schon bei der Verteilung der Flugblätter der Fall. Denn dies war bereits Teil der damaligen Mahnwache und diente nicht lediglich deren Vorbereitung.

2. Gegen die dem Anwendungsbereich des Versammlungsgesetzes unterfallenden Veranstaltungen des Klägers konnte vor dem Erlass einer versammlungsrechtlichen Auflösungs- bzw. Auflagenverfügung nicht auf der Grundlage des Polizeigesetzes eingeschritten werden.

Die Beklagte hat die versammlungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen mit ihren mündlich ergangenen Verfügungen ausweislich der Polizeiberichte und der Einlassungen im gerichtlichen Verfahren nicht ausdrücklich in Anspruch genommen. Es kann dahinstehen, ob es gleichwohl möglich wäre, im Erlass eines Platzverweises bzw. der Anordnung der Ingewahrsamnahme zugleich eine Auflösungsverfügung oder jedenfalls in der Beschlagnahmeanordnung auch eine Auflagenverfügung jeweils nach § 15 Abs. 2 VersG in der bis zum 31.03.2005 gültigen Fassung (vgl. nunmehr § 15 Abs. 3 VersG i.d.F. des Gesetzes vom 24.03.2005, BGBl. I S. 969) zu sehen. Denn auch als versammlungsrechtliche Entscheidungen - die fehlende Wesensänderung durch den Austausch der Rechtsgrundlagen unterstellt - könnten diese Maßnahmen keinen rechtlichen Bestand haben. Zwar stünde deren Rechtmäßigkeit nicht bereits die Zuständigkeitsordnung entgegen, denn die Beklagte ist als Große Kreisstadt nicht nur Ortspolizeibehörde, sondern auch Versammlungsbehörde (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VersGZuVO, § 62 Abs. 3 PolG, § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 1 LVG). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 VersG a.F. waren jedoch nicht gegeben; diese decken sich bezüglich der durch den Verweis auf § 15 Abs. 1 VersG in Bezug genommenen Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Übrigen mit der polizeirechtlichen Beurteilung.

a) Allein die Tatsache, dass die Versammlung entgegen § 14 Abs. 1 VersG nicht angemeldet war, könnte eine Auflösung nicht rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315 <351>).

b) Eine Störung der öffentlichen Sicherheit war nicht gegeben und stand auch nicht unmittelbar bevor.

aa) Das den Veranstaltern der Gedenkfeier auf dem Friedhofsgelände gemäß § 5 Abs. 4 der Friedhofssatzung der Beklagten eingeräumte Sondernutzungsrecht gibt diesen das Recht, die Feier nach eigenen Vorstellungen zu gestalten und unbehelligt von Einwirkungen Dritter abzuhalten (vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 10.09.1986 - 11 A 53/84 -, NVwZ 1987, 1099 <1100>). Dies war hier gewährleistet, da der Kläger und seine Begleiter sich nicht auf dem Friedhof selbst aufhielten und dort der Gedenkfeier ihren Stempel aufzudrücken versuchten, sondern gegenüber dem Haupteingang auf der anderen Straßenseite standen. Eine Einwirkung von außen auf das Geschehen auf dem Friedhof war - jedenfalls in erheblicher Weise - nicht gegeben. Für geplante akustische Störungen durch Sprechchöre, Lautsprechereinsatz oder Ähnliches gab es keine Hinweise. Allein die Tatsache, dass die Teilnehmer der Gedenkfeier auf dem Weg von der Kapelle zum Mahnmal beim Passieren des Eingangsbereichs die Plakate des Klägers in beträchtlicher Entfernung hätten sehen können, ist nicht von Relevanz. Es kann in keiner Weise davon ausgegangen werden, dass ihnen während der Feier die Meinungskundgabe des Klägers in irgendeiner unzulässigen Weise aufgedrängt worden wäre. Für die vom Verwaltungsgericht angenommene weitere räumliche und zeitliche Ausstrahlungswirkung des aus dem Sondernutzungsrecht fließenden Gestaltungsrechts fehlt es an jeglicher rechtlichen Grundlage; denn die allein auf der Grundlage der Friedhofssatzung gewährte Sondernutzung ermöglichte nicht die Einrichtung einer über den eigentlichen Veranstaltungsort hinausreichenden, von konkreten störenden Einwirkungen unabhängigen "Bannmeile". Eine "negative Meinungsfreiheit", verstanden als das Recht, von der Konfrontation mit abweichenden fremden Meinungen in jeglicher Weise verschont zu bleiben, gibt es nicht.

Auch im Jahr 2004 gab es schließlich keine hinreichend verlässlichen Anhaltspunkte, die die Prognose hätte rechtfertigen können, dass der Kläger entgegen seinen Bekundungen in den eidesstattlichen Versicherungen wie in früheren Jahren auf das Gelände des Friedhofs vordringen würde. Nach den Mitteilungen der Beklagten im Klageverfahren war schon in den Jahren 2001 und 2002 kein Anlass für ein polizeiliches Einschreiten gegeben. Allein die lautstarke Auseinandersetzung um eine polizeiliche Anordnung gab für weitergehende Befürchtungen keine hinreichende Tatsachengrundlage; insbesondere spricht alles dafür, dass die in der damaligen Beschlagnahmeverfügung liegende Wegnahmeanordnung kurzfristig und damit rechtzeitig vor Beginn der Gedenkfeier vollstreckt werden konnte, so dass weitere akustische Störungen nicht mehr zu besorgen waren.

bb) Die Versammlungen mit dem vom Kläger verfolgten Anliegen verstießen nicht gegen die Vorschriften des Gesetzes über die Sonntage und die Feiertage (Feiertagsgesetz - FTG) vom 08.05.1995 (GBl. S. 450). Der Volkstrauertag genießt zwar über den allgemeinen Schutz des Sonntags hinaus einen besonderen gesetzlichen Schutz; dieser hinderte das Auftreten des Klägers jedenfalls in der vom ihm gewählten konkreten Art und Weise aber nicht.

Nach § 8 Abs. 3 FTG können u.a. am Volkstrauertag öffentliche Veranstaltungen und Vergnügungen, auch soweit sie nach § 7 Abs. 2 FTG - diese Bestimmung bezweckt den Schutz der Hauptgottesdienstzeiten - nicht verboten sind, von der Kreispolizeibehörde auf Antrag der Ortspolizeibehörde verboten werden, wenn sie nach den besonderen örtlichen Verhältnissen Anstoß zu erregen geeignet sind. Wie der Vergleich mit § 7 Abs. 2 FTG deutlich macht, nimmt § 8 Abs. 3 FTG die in § 7 Abs. 2 Nr. 1 FTG ausdrücklich - in Abgrenzung zu öffentlichen Veranstaltungen und Vergnügungen - erwähnten öffentlichen Versammlungen von dieser Verbotsmöglichkeit aus. Darüber hinaus geht auch die Beklagte nicht davon aus, dass die Aktionen des Klägers von vornherein mit dem Charakter und der Würde des Volkstrauertags als eines Tags des stillen Gedenkens (siehe hierzu auch § 10 Abs. 1, § 11 FTG) unvereinbar seien; denn gegen das Zeigen der Plakate in der Innenstadt hat sie nach ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nichts einzuwenden. Ob und inwieweit die Eigenart des Volkstrauertags die Versammlungsfreiheit einzuschränken geeignet ist, bedarf hier keiner weiteren Vertiefung (siehe hierzu etwa OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 24.11.2006 - 7 B 11487/06 - <juris>).

cc) Ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit lag schließlich auch nicht darin, dass ausweislich eines Fotos im Jahre 2003 ein Plakat gegen das Kraftfahrzeug gelehnt auf dem Boden stand. Zwar überschreitet die Verwendung von Plakatständern den straßenrechtlichen Gemeingebrauch auch auf Gehwegen und in Fußgängerbereichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.08.1994 - 11 C 57.92 -, NVwZ-RR 1995, 129 m.N.). Demgegenüber liegt im Verhalten des Klägers ebenso wenig eine genehmigungspflichtige Sondernutzung wie im Verteilen von nicht gewerblichen Flugblättern (siehe BVerwG, Urteil vom 07.06.1978 - 7 C 5.78 -, BVerwGE 56, 63 <66 f.>). Dahinstehen kann, ob das Befestigen der Faltblätter unter den Scheibenwischern geparkter Kraftfahrzeuge als unzumutbare Belästigung einzustufen ist und deswegen einen zivilrechtlichen Abwehranspruch des Kfz-Halters zur Folge hat (siehe hierzu Dahlen, MDR 1991, 1130; Köhler in: Hefermehl u.a. <Hg.>, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl. 2007, § 7 Rn. 31). Denn insoweit stünde einem polizeilichen Einschreiten die Subsidiaritätsklausel des § 2 Abs. 2 PolG entgegen. Im Übrigen hätte allein ein solcher Rechtsverstoß weder die Auflösung der Versammlung noch die Anordnung der Beseitigung der Plakate gerechtfertigt.

c) Auf einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung konnten die polizeilichen Maßnahmen ebenso wenig gestützt werden.

Die Maßnahmen knüpfen an den Inhalt der mit den Plakaten und Flugblättern kundgetanen Meinungsäußerungen an, die nach Ansicht des Verwaltungsgerichts mit dem Anliegen des Volkstrauertags nicht in Einklang stehen. Danach sind die Anordnungen, auch wenn sie zugleich auf eine Beschränkung der Versammlungsfreiheit abzielen, am Maßstab des Art. 5 GG zu messen.

Eine inhaltliche Begrenzung von Meinungsäußerungen hat sich, auch wenn sie sich nur auf bestimmte Zeiten und Orte beschränkt, im Rahmen der Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG zu bewegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (siehe insbesondere Beschluss vom 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147 <155 f.>) haben die hier einschlägigen "allgemeinen Gesetze" ihre Ausformung insbesondere in der Strafrechtsordnung gefunden, während auf den Begriff der öffentlichen Ordnung mangels tatbestandlicher Eingrenzung nicht zurückgegriffen werden darf. Die Grenzen des Strafrechts überschreiten aber die Äußerungen auf den Plakaten offensichtlich nicht. Beim Inhalt des Faltblatts ist hierfür gleichfalls nichts ersichtlich. Auch die Strafverfolgungsbehörden haben keinen Anlass zu Ermittlungen gegen den Kläger gesehen. Schließlich bildet die öffentliche Ordnung keine verfassungsunmittelbare Grundrechtsschranke (vgl. Beschluss vom 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147 <157 f.>). Die Sperrwirkung der Vorschriften, die der Abwehr von Beeinträchtigungen der Grundlagen einer freiheitlichen demokratischen Ordnung mit den Mitteln des Rechtsstaats dienen sollen, steht der Annahme entgegen, sonstige Maßnahmen könnten ohne Beachtung des Vorbehalts des Gesetzes mit dem Schutz der Wertordnung des Grundgesetzes gerechtfertigt werden.

Das Verwaltungsgericht verweist des Weiteren auf eine "provokante Art und Weise der Meinungsäußerung" und nimmt Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147 <156 f.> m.N. aus der Rspr. der 1. Kammer des 1. Senats). Danach können Beschränkungen der Art und Weise der Durchführung von Versammlungen - des äußeren Versammlungsgeschehens - auch zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Ordnung angeordnet werden. Hiernach ist es rechtlich unbedenklich, wenn aggressives und provokatives, die Bürger einschüchterndes Verhalten der Versammlungsteilnehmer verhindert werden soll, durch das ein Klima der Gewaltdemonstration und potenzieller Gewaltbereitschaft erzeugt wird. Die öffentliche Ordnung kann des Weiteren verletzt sein, wenn Rechtsextremisten einen Aufzug an einen speziell der Erinnerung an das Unrecht des Nationalsozialismus und den Holocaust dienenden Feiertag so durchführen, dass von seiner Art und Weise Provokationen ausgehen, die das sittliche Empfinden der Bürgerinnen und Bürger erheblich beeinträchtigen. Gleiches gilt, wenn ein Aufzug sich durch sein Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziert und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtert. Von einem auch nur annähernd vergleichbaren Verhalten kann im vorliegenden Fall keine Rede sein; denn der Kläger beschränkte sich jeweils auf eine stille "Mahnwache", die als solche in keiner Weise aggressiv und Angst einflößend wirkte. Nicht die Art und Weise der Meinungsäußerung des Klägers war je nach Empfängerhorizont geeignet zu provozieren, sondern deren Inhalt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Beschluss vom 25. April 2007

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1 sowie § 63 Abs. 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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